ETA-Gefangene äußern Bedauern
Spanische Regierung lehnt Amnestie für Häftlinge dennoch ab
Von Ralf Streck, Gernika *
Nachdem die ETA bereits im vergangenen
Herbst das Ende des bewaffneten
Kampfes verkündet hatte, bekannten
sich am Wochenende rund
800 Häftlinge zum Friedensprozess.
Ihre Forderung nach Amnestie wird
von der spanischen Regierung jedoch
abgelehnt.
Die mehreren hundert in spanischen
und französischen Gefängnissen
sitzenden ETA-Häftlinge
haben sich zu der von der baskischen
Untergrundorganisation
verkündeten Waffenruhe bekannt.
Doch die spanische Regierung ignoriert
nach wie vor alle Friedensinitiativen.
»Niemals« würden
sie in den Genuss einer Amnestie
kommen, sagte der spanische
Innenminister Jorge Fernández
Díaz zu der Erklärung des Kollektivs
der baskischen politischen
Gefangenen (EPPK) von Sonnabend.
Díaz fügte hinzu, dass die
ETA für die mehr als 800 Menschen,
die in dem 50-jährigen
Kampf umgebracht wurden, keine
Reue zeige und nicht um Vergebung
bitte. Auch der Innenminister
der baskischen Regionalregierung
lehnt kollektive Lösungen ab.
Dagegen will der spanische Sozialist
Rodolfo Ares die Tür zur individuellen
Wiedereingliederung
und zu Hafterleichterungen offen
lassen. »Es liegt in ihren Händen,
denn sie müssen sich von der Gewalt
abwenden und den angerichteten
Schaden anerkennen«,
sagte Ares.
Seine Aussage erstaunt insofern,
als dies längst geschehen ist.
Die ETA hatte im Oktober 2011 erklärt,
den bewaffneten Kampf »ein
für alle Mal« einzustellen und allein
auf »politische und demokratische
Mittel« zu setzen. Dahinter
haben sich die etwa 800 Häftlinge
am Sonnabend gestellt. Öffentlich
unterstützten zwei EPPK-Sprecher
im baskischen Gernika die Entscheidung,
»die Phase der bewaffneten
Aktivität abzuschließen
«.
Erstmals wurde auch öffentlich
erklärt, dass sich die Gefangenen
des »vielfach angerichteten Leids«
bewusst seien. In einem »tief greifenden
und schmerzhaften Vorgang
« sei es für alle Konfliktparteien
eine »unvermeidbare Aufgabe
«, den von ihnen angerichteten
Schaden anzuerkennen. Die Haft
der Gefangenen sei eine Konsequenz
des Konflikts, weshalb Hindernisse
für ihre Freilassung«
verschwinden müssten.
Raymond McCartney, ehemals
als Mitglied der irischen Untergrundorganisation
IRA in Haft,
bekräftigte bei der Veranstaltung
aus eigener Erfahrung, dass der
Friedensprozess ohne eine Lösung
der Gefangenenfrage nicht vorankommen
könne. Der Sinn-Fein-
Politiker sprach von einem »historischen
Tag«.
Die Gefangenen forderten Spanien
und Frankreich auf, »mutig
und verantwortlich« mit der Situation
umzugehen. Ein ähnlicher
Aufruf kam in der vergangenen
Woche von der internationalen
Kontaktgruppe unter Führung des
Südafrikaners Brian Currin. Die
Vermittler, die auch über eine
Kommission zur Verifizierung der
Waffenruhe der ETA verfügen, bestätigten,
die Organisation habe
alle »terroristischen Aktivitäten«
eingestellt.
Die internationale Kontaktgruppe
drängte auf die Umsetzung
des »Friedensplans von Aiete«, der
im Oktober unter Beteiligung des
früheren UN-Generalsekretärs
Kofi Annan und des ehemaligen
irischen Ministerpräsidenten Bertie
Ahern ausgearbeitet worden
war. Nachdem die ETA die Bedingung
erfüllt habe, den Kampf einzustellen,
müssten Spanien und
Frankreich in Verhandlungen mit
ihr eintreten.
Spanien erkennt die Vermittler
und den Friedensplan aber nicht
an. Innenminister Díaz sagte erst
kürzlich, die Polizei allein sei in der
Lage, »eine Auflösung der terroristischen
Organisation zu verifizieren
«.
* Aus: neues deutschland, Dienstag 5. Juni 2012
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