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Aufstand auf den Ferieninseln

Regionalregierung und Bevölkerung der Kanaren gegen geplante Ölbohrungen

Von Ralf Streck *

Tausende Bewohner der Kanarischen Inseln (siehe Lexikon) haben am Samstag lautstark ihre Ablehnung dagegen gezeigt, dass die spanische Regierung in Madrid dem Energiekonzern Repsol YPF Probebohrungen nach Erdöl 61 Kilometer vor Fuerteventura und Lanzarote genehmigt hat.

»Wir haben mit schwarzen Plastikplanen das vom Öl verseuchte Meer simuliert«, sagte Pablo Díaz. Der Sprecher der Umweltorganisation Ben Magec war erfreut, dass auch auf der kleinen Insel La Palma 500 Menschen protestierten. Viele haben Angst vor einer Ölpest, wie sie die spanische Atlantikküste von Galicien bis ins Baskenland vergiftet hatte, als 2002 der Tanker »Prestige« zerbrach und 60 000 Tonnen Schweröl ins Meer liefen. Ein Bohrinselunfall hätte noch andere Ausmaße, wie die Ölpest nach der Explosion einer solchen Anlage im Golf von Mexiko vor zwei Jahren zeigte. Damals strömte etwa die zehnfache Menge Öl ins Meer. Mit einem Schlag würde die Existenzgrundlage der Inseln, der Tourismus, vernichtet.

Trotz Wirtschaftskrise und 31 Prozent Arbeitslosigkeit wehren sich nicht nur Umweltorganisationen gegen die Ölbohrungen. Für Josechu Armas, Direktor der Lokalzeitung »Crónica de Fuerteventura« handelt es sich um einen »Angriff« auf die Inseln, denn die »Wirtschaft und Kultur basieren auf dem Reichtum der Umwelt«.

Der Präsident der Regionalregierung, Paulino Rivero, rief die Bevölkerung zum Protest auf, damit »ihre Stimme gehört wird«. Er kündigte an, »bis zur letzten Konsequenz zu verhindern, dass unsere Zukunft gefährdet wird«. Auch Reiseveranstalter wie die deutsche TUI warnen vor den Plänen. Rivero wirft der regierenden Volkspartei (PP) vor, nicht der Allgemeinheit sondern einem Unternehmen zu dienen. Da seine Kanarische Koalition (CC) mit der PP kooperiert, ist er besonders empört darüber, nicht einmal gehört worden zu sein. »Man behandelt uns, als wären wir eine im Atlantik verlorene Kolonie«, klagt Rivero. Dabei war der zuständige Minister für Industrie, Tourismus und Handel José Manuel Soria bis 2010 selbst Vizepräsident in Riveros Regionalregierung.

Minister Soria meint: »Die Kanaren können nicht allein vom Fremdenverkehr leben, sie benötigen andere Einkommensquellen«. Die Gegner der Bohrungen setzen da auf verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Repsol würde kaum Jobs auf die Insel bringen und von den Gewinnen nur wenig in die lokalen Kassen fließen. Zudem gefährde schon der Normalbetrieb von Bohrinseln, bei der Öl ins Wasser läuft, das Trinkwasser, das in Lanzarote fast vollständig über Meerwasserentsalzung produziert wird.

Das Vorhaben wurde 2004 schon einmal wegen unwägbarer Risiken vom Obersten Gerichtshof Spaniens gestoppt. Die Regierung hatte keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Die Meeresschutzorganisation Oceana verweist darauf, dass es sich um Gebiete von besonderer ökologischer Bedeutung handelt, die »schwer geschädigt« würden. Dazu kommen noch mögliche Konflikte mit Marokko, mit dem die Seegrenzen nicht einvernehmlich geregelt sind.

* Aus: neues deutschland, 26. März 2012

Lexikon

Die Kanarischen Inseln sind ein seit 1496 zu Spanien gehörender Archipel von Inseln, seit 1982 eine der 17 Autonomen Gemeinschaften Spaniens. Geologisch verdanken die Inseln ihre Entstehung dem Vulkanismus, vermutlich bedingt durch einen sogenannten Hotspot auf der afrikanischen Kontinentalplatte, wo aus dem Erdmantel heiße Gesteinsmasse nach oben drängt. Bedingt durch die Insellage gehören die meisten heimischen Tierarten zu den Vögeln, Echsen und Insekten.




Gegengewicht zur Teersand-Lobby

Kanadische Umweltverbände versuchen die EU vom Import des klimaschädlichen Öls abzuhalten

Von Johanna Treblin **


Die Teersand-Lobby bekommt ein Gegengewicht - wenn auch ein kleines. Kanadische Nichtregierungsorganisationen (NGO) haben nun ihre eigenen Vertreter auf Tour durch die EU geschickt. Am Freitag waren sie in Berlin.

Kanada versucht bereits seit mehreren Jahren, die Umsetzung der sogenannten Kraftstoffqualitätsrichtlinie in der Europäischen Union zu beeinflussen. Zum einen droht Kanada mit einem Handelsstreit vor der Welthandelsorganisation, zum anderen bearbeiten Lobbyisten Ministerialbeamte in den EU-Mitgliedstaaten.

»Teersand ist die dreckigste Energiequelle weltweit«, sagte Hannah McKinnen, Kampagnendirektorin beim »Climate Action Network Canada«. Tatsächlich ist die Gewinnung von Öl aus Teersand wesentlich klimaschädlicher und energieaufwändiger als aus konventionellen Quellen. Die teerähnliche Kohlenwasserstoffmischung muss zunächst vom Sand getrennt werden und wird dann chemisch in nutzbare leichtere Verbindungen umgewandelt. Kanadas riesige Teersand-Vorkommen wurden wirtschaftlich erst interessant mit dem starken Ansteigen der Ölpreise.

McKinnen zufolge ist die Ölproduktion größter Kohlendioxid-Emittent in Kanada. Statt die Emissionen unter das Niveau des Jahres 1990 zu senken, wie es das Kyoto-Protokoll vorsieht, steigen sie in Kanada rasant an. Das gilt auch als Grund dafür, dass das Land aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen ist.

»Eine Klimapolitik gibt es in Kanada nicht«, sagte McKinnen. Nationalstaatliche Ziele, um die CO2-Emissionen zu reduzieren oder - konkret - die Ölförderung klimafreundlicher zu machen, fehlen. Zudem hat die Regierung in jüngster Zeit Umweltaktivisten, die sich gegen die Teersandnutzung engagieren, als »Radikale« oder gar »Feinde des Volkes« beschimpft.

Bereits 2009 wurde in der EU die Kraftstoffqualitätsrichtlinie in Kraft gesetzt, die erstmals Klimaschutzauflagen für die Kraftstoffindustrie enthält. Ölkonzerne müssen demnach die Treibhausgasemissionen von Kraftstoffen in der EU bis zum Jahr 2020 um sechs Prozent senken. Darüber hinaus will sich die EU-Kommission entsprechend den Ergebnissen einer Studie der Stanford-Universität (USA), wonach Öl aus Teersand 23 Prozent klimaschädlicher ist als konventionelles, dem Teersand-Öl einen höheres CO2-Äquivalent zuweisen. Damit wäre das kanadische Öl für EU-Kunden unrentabel.

Noch Anfang dieses Jahres hatte sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen. Bei einer Abstimmung im Europäischen Rat Ende Februar enthielt sich die Mehrheit allerdings - darunter auch Deutschland. Die Sprecherin der Umweltorganisation Greenpeace Tina Loeffelbein vermutet eine Intervention des Bundeswirtschaftsministers. Gemeinsam mit Vertretern von WWF und kanadischen NGOs überreichte sie am Freitag Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) eine Petition mit der Aufforderung, den EU-Komissionsvorschlag anzunehmen.

** Aus: neues deutschland, 26. März 2012


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