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"Dann legen wir eine härtere Gangart ein"

Seit Mai halten Landarbeiter eine Plantage in Südspanien besetzt. Ihre Geduld ist bald zu Ende. Gespräch mit Mariano Junco González *


Mariano Junco González ist Sprecher der Gewerkschaft »Sindicato Andaluz de los Trabajadores« (SAT) in der südspanischen Stadt Almería.


Seit Mai halten bei Almería in Südspanien Dutzende Landarbeiter eine 22 Hektar große Gewächshausplantage besetzt. Wie ist es dazu gekommen?

Damals wurden 130 Landarbeiter marokkanischer Herkunft vom Plantagenbesitzer Simón Sabio entlassen. Er machte sich anschließend aus dem Staub, ohne die über eine Million Euro zu zahlen, die seinen Arbeitern noch zustanden. Die meisten von ihnen hatten zwei bis drei Jahre lang keinen Lohn bekommen.

Seit 2012 lief schon ein Insolvenzverfahren für die Plantage, was aber vor den Arbeitern geheimgehalten wurde. Gesetzlich vorgeschrieben ist jedoch, daß sie darüber hätten informiert werden müssen. Dann wurden sie dazu genötigt, Scheinquittungen für ausbezahlten Lohn zu unterschreiben. Das bedeutet allerdings, daß sie unter dem geltenden Arbeitsrecht keine Chance haben, jemals an ihr Geld zu kommen. Die Konsequenz war, daß sie seitdem die Plantage besetzt halten – in der Hoffnung, so mehr Druck ausüben zu können. Die andalusische Arbeitergewerkschaft SAT unterstützt sie dabei und hat begonnen, die verschiedenen Aktivitäten der Besetzer zu koordinieren.

Die Plantage untersteht zur Zeit einem Konkursverwalter, der sie verpachten oder verkaufen will.

Was ist seit Mai auf den 22 Hektar Anbaufläche geschehen? Wurde weiter gearbeitet? Und wie leben die Besetzer?

Wir waren ein wenig unsicher, wie wir mit diesem Konflikt umgehen sollen. Mit der Besetzung von Grundstücken, die dem Staat oder der Kommune gehören, hat meine Gewerkschaft einige Erfahrungen – in diesem Fall gehört das Gelände aber einem Privatmann. In einigen Gewächshäusern wurde die Tomatenernte abgeschlossen, sie konnte auch verkauft werden. In anderen ist leider die gesamte Ernte eingegangen. Im August wurde der erste Hektar für die Aussaat von Bio-Kürbissen vorbereitet, kurz darauf folgte der zweite.

Da die Arbeiter ständig auf dem Gelände waren, konnten sie verhindern, daß Werkzeug, Geräte oder sogar Bauteile von Gewächshäusern gestohlen werden. Einige von ihnen leben immer noch in Wohnungen, die zur Plantage gehören, sie haben sich bis heute erfolgreich gegen alle Drohungen gewehrt, sie zu räumen. Ihnen geht es nicht sehr gut, einige mußten sich schon außerhalb einen Job suchen.

Die Bewirtschaftung der Plantage wird auch dadurch erschwert, daß uns die Bewässerung abgedreht wurde. Die Wasser-Genossenschaft weigert sich, die Gewächshäuser weiter zu beliefern und verlangt, daß Sabio erst seine Schulden bezahlt. Außerdem werde Wasser ausschließlich an Grundbesitzer abgegeben.

Gibt es denn schon Interessenten für die Plantage?

Mittlerweile haben sich diverse Firmen gemeldet, es gibt aber noch keine Einigung mit dem Konkursverwalter. Die SAT fordert, daß die Arbeiter im Falle einer Verpachtung ihren Job behalten. Das gilt natürlich auch für die »sin papeles«, also für diejenigen, die ohne Papiere gearbeitet haben – illegal also. Ihnen könnte die Aufenthaltserlaubnis mit dem Argument gewährt werden, daß sie hier »sozial verwurzelt« sind. Wir fordern auch, daß ihnen einige Hektar Ackerland für die Eigenbewirtschaftung zugestanden werden. Wir warten noch einige Wochen ab – wenn es dann keine Lösung gibt, legen wir eine härtere Gangart ein!

Was tun die Behörden zugunsten der Arbeiter?

Die SAT hatte nicht nur die Konkursverwaltung, sondern auch das zuständige Gericht aufgefordert, dafür zu sorgen, daß die Arbeiter die Gewächshäuser so lange legal bewirtschaften können, bis endgültig geklärt ist, was mit diesem Agrarunternehmen geschehen soll. Beide haben abgelehnt. Der Regionalregierung von Andalusien haben wir vorgeschlagen, das Plantagengelände kurzerhand zu enteignen und es einer noch zu bildenden Genossenschaft der Landarbeiter zu überlassen. Wir haben allerdings keine Hoffung, daß sie darauf eingeht.

Es gibt in Andalusien aber noch andere Konflikte, mit denen sich die SAT befaßt. Am Montag z. B. stehen 54 Gewerkschafter vor Gericht, darunter Diego Cañamero, unser Vorsitzender. Die Staatsanwaltschaft will sie wegen der Besetzung der Finca »La Turquilla« im Sommer 2012 zur Rechenschaft ziehen. So etwas beeindruckt uns nicht, wir werden auch weiter Ländereien besetzen.

Interview: Carmela Negrete

Übersetzung: Peter Wolter

* Aus: junge welt, Freitag, 8. November 2013


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