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Zwei Jahre einseitige Friedensbemühungen

Zwei neue Mammutprozesse wegen angeblicher Unterstützung der ETA diskreditieren baskische Organisationen

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Während die baskische Linke einseitige Schritte im Friedensprozess geht, setzt Spanien weiter auf Repression.

Genau zwei Jahre ist es her, als im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian eine internationale Friedenskonferenz stattfand, die das Ende des bewaffneten Kampfs der Untergrundorganisation ETA besiegelte. Der blieb kein anderer Weg, da auch die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung von ihr öffentlich forderte, den Kampf nach 50 Jahren ohne Bedingungen einzustellen.

Unter Beteiligung des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan und Friedensnobelpreisträgern war eine Marschroute ausgearbeitet worden. Doch während die ETA die Forderungen erfüllte, weigern sich Spanien und Frankreich weiter, auch nur über die Abgabe der Waffen und die Konfliktfolgen mit ihr zu verhandeln, wie es die Roadmap vorsieht.

Viele im Baskenland glauben, Spanien setze auf Provokation, um die ETA oder eine Abspaltung dazu zu bringen, weiter mit Gewalt für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland einzutreten. Kürzlich wurden die Büros der Gefangenenhilfsorganisation Herrira (Nach Hause) gestürmt, 18 Führungsmitglieder verhaftet und die Organisation faktisch verboten.

Dazu passt auch, dass vergangene Woche zwei neue Massenprozesse begonnen haben. In der spanischen Hauptstadt Madrid wird gegen 40 Jugendliche zu Gericht gesessen, die angeblich Führungsaufgaben in der Jugendorganisation Segi (Weitermachen) übernommen haben sollen. Die wurde in Spanien 2002 verboten, weil sie angeblich im Dienst der ETA stand.

Nach elf Jahren hat vergangenen Donnerstag vor dem Nationalen Gerichtshof auch der Prozess gegen 36 ehemalige Führungsmitglieder der am 23. Mai 2001 gegründeten und 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) begonnen. Auch ihnen wirft das Sondergericht vor, Mitglieder oder Unterstützer der ETA zu sein, wofür Haftstrafen zwischen acht und zwölf Jahren drohen. Über die Sozialzentren der Partei – den »Herriko Tabernas« – , die es in jeder Stadt und vielen Dörfern gibt, soll angeblich die ETA finanziert worden sein, was die Beschuldigten von sich weisen. Dass sie nach einer kurzen Schließung und Buchprüfung wieder geöffnet wurden, sprach schon damals nicht für die Anschuldigungen.

Dass die ETA der Partei die Linie vorgab, wies Rufi Etxeberria am Freitag zurück. »Wir haben stets eigenständig gearbeitet«, sagte er. Das hat auch die Geschichte bestätigt, denn es waren Leute wie der Batasuna-Chef Arnaldo Otegi, Etxeberria und andere, die die ETA vom Gewaltkurs abgedrängt haben. Dies bestätigen auch internationale Vermittler, denen sich in den Friedensverhandlungen 2006 und 2007 unterschiedliche Positionen boten. Sogar das spanische Verfassungsgericht hat letztlich eine Kehrtwende anerkannt und hob das Verbot der neuen Partei Sortu (Aufbauen) im Frühjahr auf. Die Partei, in der ehemalige Batasuna-Führungsmitglieder erneut in der Leitung sind, lehnt Gewalt klar ab.

Der ehemalige Batasuna-Parteisprecher und neuer Sortu-Sprecher Joseba Permach, der auch angeklagt ist, geht davon aus, dass mit dem Prozess die politische Arbeit von Sortu und der linken Unabhängigkeitsbewegung behindert werden soll. »Nichts wird den Friedensprozess ins Wanken bringen«, erklärte er. Sortu, die federführend in der Linkskoalition Bildu (Sammeln) ist, wurde bei den Kommunalwahlen 2011 zweitstärkste Kraft und regiert mit Donostia-San Sebastian die erste Großstadt sowie die Provinz Gipuzkoa, in der sie liegt. Insgesamt erlangte Bildu im Südbaskenland 21,98 Prozent.

* Aus: neues deutschland, Montag, 21. Oktober 2013


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