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Dröges Spanischtum

Rechte Nationalisten scheitern mit dem Versuch, Stärke zu demonstrieren

Von Carles Solà/Mela Theurer, Barcelona *

Der 12. Oktober gilt in Südamerika als Tag des Erinnerns und Widerstands gegen den Genozid an der indigenen Bevölkerung durch die sogenannten spanischen Entdecker. Im spanischen Staat hingegen wird der Nationalfeiertag als »Tag der Rasse« und des »Spanischtums« mit einer Militärparade und profaschistischen Aufmärschen gefeiert.

In Barcelona war es die Plattform »Cataluña tal cual« (»So ist Katalonien«), die am Samstag dazu aufrief, auf die am katalanischen Nationalfeiertag organisierte Menschenkette zu reagieren. Die parteiunabhängige katalanische Nationalversammlung ANC hatte am 11. September rund zwei Millionen Menschen unter dem Motto »Für die Unabhängigkeit Kataloniens« mobilisiert. »So ist Katalonien«, ein Bündnis aus verschiedenen rechten bis faschistischen Gruppen und Organisationen, darunter die Falange JONS, versuchte, darauf mit der Stärkung des spanischen Nationalismus zu antworten. Unter dem Motto »Wir sind Katalanen – Wir sind Spanier« reihte sich auch die rassistische »Plataforma per Catalunya« (Plattform für Katalonien), ein. Ebenso kündigten die Faschisten vom »Casal Tramuntana« (Zentrum Tramuntana) in Barcelona ihre Teilnahme an. Diese seit knapp zwei Jahren agierende Gruppierung, die versucht, ihr faschistisches Gedankengut hinter sozialem Engagement zu verschleiern, hat Kontakte zu europäischen faschistischen Gruppierungen in Italien und der »Aufgehenden Morgenröte« in Griechenland. In dieses Spektrum aus alten und neuen Rechten reihte sich die rechtskonservative Partido Popular (Volkspartei) in Katalonien mit ihrer Vorsitzenden Alicia Sanchez Camacho ein. Auch die spanischen Nationalisten Ciutadans (Bürger) unter Vorsitz von Albert Rivera hatten ihre Teilnahme zugesagt. Die beiden Parteien sahen diese Kundgebung als Ausdruck der sogenannten schweigenden Mehrheit, um ihre Stimme gegen die Unabhängigkeit Kataloniens zu erheben.

Tatsächlich fanden sich am Samstag dann etwa 20000 Menschen auf der Plaça Catalunya ein. Diese Anzahl war nicht schwer zu berechnen, da sich die Kundgebung lediglich auf dem Platz abspielte und nicht einmal der Verkehr der umliegenden Straßen gesperrt werden mußte. Die Organisatoren sprachen von 160000 Teilnehmern, aber selbst diese Zahl käme nicht annähernd an die zwei Millionen Teilnehmer der Menschenkette heran. Letztlich katapultierte die Suche nach der »schweigenden Mehrheit« die PP-Vorsitzende nur an die Seite von Nazisymbolen und Faschisten, die mit erhobenem Arm die spanische Nationalhymne feierten.

Einen Kilometer weiter hatte fast zeitgleich die faschistische Plattform »España en marcha« (Spanien in Bewegung) zu ihren traditionellen »Feierlichkeiten« zum 12. Oktober aufgerufen. Die beantragte Demonstration durch den Stadtteil Sants war allerdings nicht genehmigt worden, und so zog die Demo wie auch in den letzten Jahren direkt auf Barcelonas Hausberg Montjuïc. Hier versammelten sich ebenso alte und neue Rechte der Allianza Nacional (AN) – Nationale Allianz, der Falange und der Democracia Nacional (Nationale Demokratie). Unter den Teilnehmern waren unter anderem sieben der zwölf beim Angriff auf die offiziellen Feierlichkeiten zum katalanischen Nationalfeiertag in Madrid Festgenommenen. Die Demonstration konnte allerdings erst verspätet losgehen, da die drei Autobusse, die eigens aus Madrid dazu eintreffen sollten, verspätet ankamen. Trotz Unterstützung der Angereisten kam diese Veranstaltung auf nicht mehr als 500 Teilnehmer.

Um so radikaler war der Diskurs. Pedro Pablo Peña, Vorsitzender der AN, sprach davon, daß der beste Weg gegen die Unabhängigkeit Kataloniens der der Gewalt sei und daß diese sich nur unter großem Blutvergießen vollziehen würde. Manuel Andrino von der Falange proklamierte, er sei sowohl bereit, für Spanien zu sterben als auch dafür zu töten. Von dieser Kundgebung gingen diverse Provokationen aus; Rechte zogen mit faschistischen Symbolen und Slogans durch die Stadt. Dies blieb allerdings nicht unbeantwortet. Insgesamt hatten sich zu diversen Gegenaktivitäten etwa 500 Antifaschisten versammelt.

* Aus: junge Welt, Montag, 14. Oktober 2013


Faschistenhorden hetzten in Barcelona

Ringen um die Einheit Spaniens wird zunehmend zum bevorzugten Kampffeld von Rechtsextremisten

Von Ralf Hutter, Barcelona **


Den »Tag des Spanischtums« nutzten in der katalanischen Hauptstadt Barcelona Faschisten für ihre bedrohliche Botschaft.

»Artur Mas, cámara de gas« – es reimt sich auf Spanisch, den Präsidenten Kataloniens in eine Gaskammer zu wünschen. Die Frage, ob es auch legal ist, konnte die Polizeipressestelle bis Redaktionsschluss nur insoweit beantworten, als dass ihr diese Rufe nicht bekannt seien. Es war der radikalste von vielen radikalen Sprechchören aus den Reihen der rund 300 Personen vor allem aus Katalonien und Madrid, die sich am Samstagmittag in der katalanischen Hauptstadt Barcelona versammelt hatten, um der spanischen Nation zu huldigen und jedem – vor allem dem erstarkten katalanischen – Separatismus entgegenzutreten. Der 12. Oktober ist der »Tag des Spanischtums« und soll an die Landung von Kolumbus in Amerika erinnern, mithin an den Beginn eines genozidalen Kolonialismus. »Wir werden uns nicht für unsere Geschichte entschuldigen«, stand auf dem größten der mitgebrachten Transparente, das der Partei Democracia Nacional gehörte.

Die Hauptbotschaft des aus einer Handvoll Parteien und Gruppen bestehenden Bündnisses »La España en Marcha« (Spanien marschiert oder Spanien auf dem Weg) war die faschistische: Hier war die »Jugend Spaniens« angetreten, die eine »Revolution« vollbringen und »das Land verteidigen« will. In Spanien ist hinsichtlich solcher faschistischer Agitation und der Symbolik mehr erlaubt als etwa in Deutschland.

Von ihrem Treffpunkt, dem Spanien-Platz aus, wo fast nur Presse ihnen Beachtung schenkte und nicht einmal der Verkehr umgeleitet werden musste, zogen die überwiegend männlichen Faschisten auf den nahen Hügel Montjuic, um ihren Festakt zu vollziehen. Wie die Zeitung »La Directa« online berichtete, bedrohten dabei zwei Redner Separatisten mit dem Tod. Ein dritter, Pedro Pablo Peña, erneuerte seine Ankündigung, dass bei einem Loslösungsversuch eines Teils Spaniens Blut fließen werde. Dasselbe hatte der Führer der Partei Alianza Nacional unlängst in eine Fernsehkamera gesagt, den bewaffneten Kampf explizit als Option nennend. Die Generalstaatsanwaltschaft prüft nun ein Verbot der Partei, auf deren Transparent am Samstag »Nationaler Sozialismus« stand.

Der fragwürdige Nationalfeiertag, an dem in Madrid eine Militärparade stattfindet, wurde an anderer Stelle in Barcelona auch von dem Bündnis »Wir sind Katalonien, wir sind Spanien« begangen, deren prominenteste Mitglieder die Regierungspartei Partido Popular und die katalanische Regionalpartei Ciutadans sind. Ihre Kundgebung ist als Gegeninitiative zu den Mobilisierungen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung seit 2012 zu verstehen und hatte im zweiten Jahr großen Erfolg. Auf dem Katalonienplatz zählte die Vertretung der Regierung über 100 000 Menschen, die Polizei 30 000.

** Aus: neues deutschland, Montag, 14. Oktober 2013


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