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Friedensprozess in kleinen Schritten

Baskische Batasuna kündigt Wahlteilnahme an / Madrid signalisiert Entgegenkommen

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Die spanischen Sozialisten gehen in die Offensive, um den baskischen Friedensprozess zu retten. Die verbotene Partei Batasuna kündigte indes ihre Beteiligung an Regionalwahlen in Navarra an.

Am vergangenen Wochenende wurde mitgeteilt, dass die baskische Partei Batasuna (Einheit) an den Regionalwahlen in der Provinz Navarra teilnehmen werde, obwohl sie in Spanien weiter verboten ist. Auf einer Veranstaltung in der Stadt Burlada stellte Batasuna-Führungsmitglied Pernando Barrena ein Arbeitsprojekt vor: Von einem Netzwerk in Dörfern und Stadtteilen solle ein Programm ausgearbeitet werden, mit dem man die Herrschaft der rechten Volksunion Navarras (UPN) im Mai 2007 beenden könne. Umfragen sagen voraus, dass die »Schwester« der rechten spanischen Volkspartei (PP) in Navarra ihre Mehrheit verliert. Damit könnten sich die Bedingungen für eine friedliche Lösung des schwelenden bewaffneten Konflikts verbessern.

Obwohl die Untergrundorganisation ETA seit fast neun Monaten ihre Waffenruhe einhält und drei Jahre keine tödlichen Anschläge mehr ausgeführt hat, stellen sich UPN und PP gegen den Friedensprozess der sozialistischen Regierung Spaniens, weil in dessen Rahmen auch über den Anschluss Navarras an die drei autonomen Provinzen diskutiert werden muss. Der seit Sommer festgefahrene Prozess hat nun ein Verfallsdatum erhalten. Denn bis zu den Wahlen muss die legale Betätigung der Batasuna gesichert sein, welche die Interessen der linken Unabhängigkeitsbewegung vertritt. Sie war vor dreieinhalb Jahren unter der PP verboten worden. Barrena ließ noch offen, unter welchem Namen Batasuna antritt: »Wir wissen nicht, wie wir an den nächsten Wahlen teilnehmen, doch das hält uns nicht auf.«

Offenbar haben die Sozialisten (PSOE) nun die Notbremse gezogen, um den Friedensprozess nicht in den Abgrund stürzen zu lassen, vor dem er steht. Sie gehen offensiv gegen die Angriffe der PP vor. Absurderweise behautet die Volkspartei, die PSOE kapituliere vor der ETA. Die PSOE hat am Montag nun ein Video veröffentlicht, das an das Verhalten der PP-Regierung in der Waffenruhe der ETA 1998/1999 erinnert. Damals hatte auch der konservative Ministerpräsident José María Aznar Entspannungssignale an die ETA gesandt, bevor es zu einem Treffen mit der Untergrundorganisation kam. Deren Gefangene wurden von den Kanarischen Inseln auf das Festland verlegt und andere ans Baskenland angenähert. Aznar sprach nicht mehr von »Terroristen«, sogar der Begriff »Befreiungsbewegung« kam über seine Lippen.

Allerdings gibt es ähnliche Gesten von der PSOE bisher nicht. Indem sie der PP nun den Spiegel vorhält, bereitet die PSOE die Spanier offensichtlich darauf vor, dass Entgegenkommen in der Gefangenenfrage ebenso nötig ist wie eine legale politische Betätigungsmöglichkeit der baskischen Linken. Bisher hatte die PSOE den Repressionsdruck eher gesteigert, um der Kritik der PP zu entgehen. Doch die legte das als Schwäche aus und verstärkte ihre Angriffe. So ist es ein gutes Zeichen, dass die Veranstaltung von Batasuna vor einer Woche nicht verboten wurde und sich die Sozialisten jetzt der Konfrontation mit der PP stellen.

* Aus: Neues Deutschland, 1. Dezember 2006


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