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"Fuck the Troika"

Hunderttausende demonstrieren in Spanien und Portugal gegen EU, EZB und IWF. Europaweiter Aktionstag angestrebt

Von André Scheer *

Hunderttausende Menschen haben am Wochenende in Spanien und Portugal gegen die Krisenpolitik ihrer Regierungen und der EU protestiert.

In Lissabon und zahlreichen anderen Städten Portugals versammelten sich am Sonnabend Hunderttausende Menschen zu den größten Kundgebungen der vergangenen Jahre. Unter dem Slogan »Fuck the Troika« demonstrierten sie gegen EU, Europäi¬sche Zentralbank und Internationalen Währungsfonds, auf deren Druck hin die portugiesische Regierung weitere Kürzungspakete durchsetzen will. So drohen den Beschäftigten im kommenden Jahr Gehaltseinbußen von mehr als sieben Prozent. Die bisherigen Maßnahmen haben die Erwerbslosigkeit bereits auf 15 Prozent steigen lassen. Nun sollen die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten von bislang elf auf 18 Prozent angehoben werden, während der Anteil der Unternehmer von 23,75 auf 18 Prozent gesenkt wird.

Zu dem Aktionstag am Sonnabend mobilisiert hatten vor allem Bürgerinitiativen und Gruppen der »Empörten«, aber auch linke Parteien und die großen Gewerkschaftsverbände schlossen sich dem Aufruf an. Bei einer Pressekonferenz in Porto erklärten die Organisatoren, ihre Aktion habe der Regierung und der Troika die Unzufriedenheit der Portugiesen vor Augen führen sollen. Die nächste Gelegenheit dafür steht schon fest: Für den 29. September mobilisiert der größte portugiesische Gewerkschaftsbund CGTP-IN zu einem »Kampftag« in Lissabon gegen den »Raub der Löhne und Renten«.

Auch in Madrid folgten am Sonnabend Hunderttausende Menschen dem Aufruf des »Sozialen Bündnisses«, einem Zusammenschluß von mehr als 900 Organisationen, zu einer Großdemonstration gegen die Politik der Regierung. Mit Tausenden Autobussen waren die Teilnehmer aus allen Teilen Spaniens gekommen und zogen in zehn Marschsäulen zur Plaza de Colón im Zentrum der Metropole. Unter dem Slogan »Sie wollen das Land ruinieren – verhindern wir es, wir sind mehr!« hatten vor allem die großen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT in die spanische Hauptstadt mobilisiert. Ihre zentrale Forderung war die Durchführung einer Volksabstimmung über die von der Regierung geplanten Kürzungen. Linke Organisationen fordern hingegen einen weiteren Generalstreik. Die anarcho-syndikalistische CGT hat einen solchen bereits für den 31. Oktober ausgerufen.

Obwohl die Großkundgebung vollkommen friedlich ablief, nahm die Polizei vier Demonstranten vorübergehend fest, weil sie Plakate für den Aktionstag am 25. September gezeigt hatten. Dann wollen die »Empörten« und linke Organisationen das Parlamentsgebäude in Madrid umzingeln. Ihr proklamiertes Ziel ist, diese Blockade solange aufrechtzuerhalten, bis die Regierung von Mariano Rajoy zurücktritt.

Für denselben Tag haben CCOO und UGT die anderen Mitgliedsorganisationen des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) zu einem Treffen in Madrid eingeladen. Wie die Tageszeitung El País berichtete, werde dabei über den Vorschlag eines europaweiten Aktionstages diskutiert, der bei der Generalversammlung des EGB am 17. Oktober offiziell verabschiedet werden und voraussichtlich im Dezember stattfinden solle. Die Aktionsform sollen die nationalen Gewerkschaften demnach jeweils für sich entscheiden können. Generalstreiks seien ebenso möglich wie Großdemonstrationen. Der Vorschlag sei unter anderem vom deutschen DGB bereits positiv aufgenommen worden.

* Aus: junge Welt, Montag, 17. September 2012


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