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Regionaler Sender in Spanien dicht

Regierung in Valencia kippt öffentlichen Rundfunk

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Wie im nun geräumten griechischen Staatsfernsehen bisher, haben auch die Journalisten des spanischen Regionalsenders RTVV die Sendungen in die eigenen Hände genommen. Nachdem der Oberste Gerichtshof in Valencia die Kündigungen von knapp 1200 Beschäftigten am Dienstag rückgängig machte, will die konservative Regionalregierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abwickeln und alle 1700 Beschäftigten entlassen.

Die Freude der Journalisten, die mehr als ein Jahr um ihre Arbeitsplätze bei »Canal Nou« (Kanal Neun) gekämpft hatten, schlug in Entsetzen um. Das Gericht hatte zuvor geurteilt, fundamentale Rechte seien verletzt worden. Es wurde zum Beispiel keine Sozialauswahl durchgeführt und alle mussten gehen, die kritisch aufgefallen waren. Die Empörung über die konservative Volkspartei (PP) führte aber dazu, dass die Journalisten die Sendestruktur umwarfen. In Sondersendungen wird zum Protest aufgerufen und in RTVV das veröffentlicht, was bisher verschwiegen wurde. Und plötzlich hat sich die Einschaltquote verdreifacht, die in den vergangenen Jahren von 20 auf 4 Prozent gefallen war, womit Werbeeinahmen einbrachen. »Die Lügen in Canal Nou waren so extrem, dass man sich geschämt hat«, erklärte die Journalistin Iolanda Marmol. So durften PP-Politiker und deren Projekte nur positiv dargestellt werden. Als sie über die Einweihung des Erlebnisparks Terra Mítica berichtete und »dort niemand auftauchte«, wurde ihr Kommentar zensiert. Statt eines »völligen Reinfalls« wurde ein »schwacher Erfolg« daraus. Dass Alberto Fabras Vorgänger als Chef der Regionalregierung, Francisco Camps, im Rahmen eines der PP-Korruptionsskandale zurücktreten musste, durfte genauso wenig vermeldet werden, wie die Tatsache, dass Terra Mítica mit 1,2 Milliarden Euro gut drei Mal so teuer wurde als geplant.

»Die Wiedereinstellung der entlassenen Mitarbeiter würde 40 Millionen Euro kosten, und das Geld haben wir nicht«, begründete Regierungschef Fabra den Schritt. Man werde für RTVV keine Schulen und Krankenhäuser schließen.

»Demagogie ohne Grenzen« nennt das der Professor für Ökonomie Antonio Miguel Carmona. Denn wie die Opposition und Mehrzahl der Journalisten wirft er der PP Misswirtschaft vor, mit der der einzige Sender in der Regionalsprache ruiniert worden sei. Als die PP in Valencia 1995 die Regierung übernahm, hatte der Sender Schulden in Höhe von 22 Millionen Euro, die seither auf 1,1 Milliarden Euro explodiert sind. Denn die Zahl der Beschäftigten hatte sich mehr als verdreifacht. Per Fingerzeig, ohne das übliche Auswahlverfahren, seien Parteigänger eingestellt und kritische Journalisten kaltgestellt worden. Eine »Parallelredaktion« sei als »Propagandabüro« der Regierung aufgebaut worden, so der Betriebsrat.

2009 hatte sogar der Ombudsmann der Region von der Sendeleitung gefordert, »Maßnahmen zu ergreifen, um den Prinzipien der Objektivität, Wahrheitstreue, Unparteilichkeit und dem Respekt vor der politischen Pluralität gerecht zu werden«.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 8. November 2013


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