Chávez weist Vorwürfe zurück
Madrid unterstellt Caracas Terrorkontakte
Von Ralf Streck, San Sebastián *
Erneut hat Spanien Venezuela eine Verbindung zur baskischen
Untergrundorganisation ETA vorgeworfen. Staatspräsident Hugo Chávez wies
alle Anschuldigungen zurück.
Zwei in der vergangenen Woche festgenommene mutmaßliche ETA-Angehörige
sollen zugegeben haben, 2008 in Venezuela militärisch ausgebildet worden
zu sein. Die Antwort von Venezuelas Staatspräsident Hugo Chávez kam
prompt: »Die venezolanische Regierung ist in keiner Weise mit
irgendeiner terroristischen Organisation verbunden«. Er sprach im Stile
Madrids von der »Terrororganisation ETA« und nannte die beiden
Verhafteten vorverurteilend »blutrünstige Verbrecher ohne Ethik und
Moral«, denen man »keine Glaubwürdigkeit schenken darf«. Sie hätten
»absurde« Vorwürfe gemacht, um milder bestraft zu werden.
Es erstaunt, dass Chávez überhaupt den Forderungen Madrids sofort
nachkam, eine Stellungnahme abzugeben. Denn Basis der Vorwürfe sind nur
angebliche Aussagen, die man an die Presse durchsickern ließ. Dabei
haben die Betroffenen angezeigt, in der fünftägigen Kontaktsperre von
der Guardia Civil gefoltert worden zu sein, in der sie nicht einmal
Kontakt zu ihrem Anwalt hatten.
Das UNO-Menschenrechtskomitee fordert die Abschaffung der Kontaktsperre.
Bis dahin sollen der Aufenthalt und die Vernehmungen lückenlos auf Video
aufgezeichnet werden, um Folter zu vermeiden. Letzte Woche hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Spanien zur
Schadenersatzzahlung an einen Basken verurteilt, weil es den Hinweisen
auf Folter des angeblichen ETA-Mitglieds nicht nachgegangen war. Im
April wurden fünf Journalisten der »Baskischen Tageszeitung«
freigesprochen. Sie hatten unter Folter erklärt, Mitglieder der ETA zu
sein. Das Verbot der angeblichen »ETA-Zeitung« wurde als
»verfassungswidrig« gekippt.
Selbst wenn man unterstellt, die Aussagen wären richtig, müsste sich
Caracas nicht dazu äußern. Denn zwei Basken sollen sie in Venezuela
trainiert haben und nicht das Militär. So müsste Spanien von Frankreich
ständig Stellungnahmen fordern, weil dort die Kommandos der ETA
ausgebildet werden. Dort sind zudem alle Organisationen legal, die
Spanien als Teile der ETA verboten hat und auf die EU-Terrorliste setzen
ließ.
Es geht offenbar darum, erneut Venezuela anzugreifen und von den
Vorgängen hier abzulenken. Die ETA hält schon fast 14 Monate eine
Waffenruhe ein und will sich auch auf die von internationalen
Vermittlern geforderte »permanente und überprüfbare« Waffenruhe
einlassen, um eine Friedenslösung zu finden. Die verbotene Partei
Batasuna müsste längst wieder legalisiert sein, weil sie der ETA eine
klare Absage erteilt. Gesten zur Entspannung und Normalisierung bleibt
Madrid schuldig, wie schon im Friedensprozess 2006/2007. Die Regierung
setzt weiter auf Repression. Letzte Woche ließ sie sieben Mitglieder der
Organisation »Askapena« (Befreiung) verhaften,
darunter auch der deutsche Sprecher Walter Wendelin. Die Gruppe, die
Solidaritätsarbeit mit anderen Ländern macht, soll plötzlich der
»internationale Arm der ETA« sein. Hier schließt sich der Kreis.
Askapena soll die Kontakte zur kolumbianischen FARC halten, und
Kolumbien wirft Venezuela oft die Unterstützung der kolumbianischen
Guerillas vor.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Oktober 2010
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