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Konfliktverschärfung im Baskenland

Aufruf zur Massendemonstration gegen spanische Repressionspolitik

Von Ingo Niebel *

Die Sozialdemokratie hat sich mal wieder als ärgste Feindin der sozialistischen, antikapitalistischen Linken erwiesen. Das beweisen der Madrider Premierminister José Luis Rodríguez Zapatero und seine »Sozialistische Spanische Arbeiterpartei« (PSOE), indem sie versuchen, den Konflikt mit dem Baskenland per Parteienverbot, Gerichtsverfahren und polizeilicher Repression unter Kontrolle zu halten. 200 baskische Bürger haben dagegen zu einer Massendemonstration am 4. Oktober in der baskischen Küstenmetropole Bilbo (Bilbao) aufgerufen.

Auslöser für diese neuerliche Mobilisierung sind drei Gerichtsruteile, die die spanische Justiz in der letzten Woche fällte: zuerst verbot das Oberste Gericht die antifaschistische Traditionspartei Baskische Patriotische Aktion (EAE-ANV) und einige Tage später die Kommunistische Partei der Baskischen Länder (EHAK-PCTV). 180000 Wähler sind ihrer Partei und gewählten Volksvertreter beraubt. Dazwischen verhängte das Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, die Audiencia Nacional, Haftstrafen zwischen zehn und zwölf Jahren für 27 Mitglieder der in Spanien verbotenen baskischen Gefangenenhilfsorganisationen Gestoras pro Amnistia (Pro-Amnestie-Komitees) und Askatasuna (Freiheit). Zuvor hatte das Verfassungsgericht der Regierung der Autonomen Baskischen Gemeinschaft verboten, eine Volksbefragung über das Ende der Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) und das Selbstbestimmungsrecht abzuhalten.

Als nächstes erwartet die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung zwei weitere Megaprozesse. Der eine richtet sich gegen führende Mitglieder der ebenfalls verbotenen Udalbiltza (Versammlung der Gemeinderäte) und der andere gegen Amtsträger der illegalen Linkspartei Batasuna (Einheit). Der Verbotsgrund bei allen genannten Organisationen lautet, sie stünden unter Kontrolle der ETA. Für die Illegalisierung bedarf es weder einer personellen noch einer organisatorischen Verbindung, es reicht bereits, wenn man dieselben Ziele wie die ETA verfolgt.

Seit seiner Amtsübernahme 2004 hat Premier Zapatero vier baskische Parteien und etliche Wahllisten verbieten lassen, mehr als sein postfranquistischer Vorgänger José María Aznar. Die letzten beiden Parteiverbote könnten sich als Bumerang erweisen, falls der Europäische Gerichtshof das Batasuna-Verbot kassieren sollte. Die Chancen dafür stehen nicht allzu schlecht, zumal die Partei - wie auch andere in Spanien verbotene Organisationen - in Frankreich weiterhin politisch tätig sein darf.

Da mittlerweile die gesamte baskische Linke verboten ist, bleibt als einzige legale Kraft nur noch die christdemokratische Baskische Nationalpartei (PNV) übrig. Sie animiert die baskischen Bürger wegen der verbotenen Volksbefragung in Strasbourg zu klagen. Weitere Aktionen gegen Madrid zieht sie nicht in Betracht, obwohl ihr Ministerpräsident Juan José Ibarretxe sein politisches Schicksal an die »Consulta« geknüpft hat. Offensichtlich bereitet die PNV mit der PSOE einen Deal vor, um nach den Regionalwahlen 2009 die Autonome Baskische Gemeinschaft gemeinsam zu regieren.

* Aus: junge Welt, 22. September 2008


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