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Spanische Angst vor einem baskischen Friedensprozess

Innenministerium geht trotz Waffenstillstands gegen Aktivisten vor

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Die spanische Polizei hat bei Großrazzien gegen Unterstützer der baskischen Untergrundorganisation ETA zehn Menschen festgenommen. Laut Innenministerium handelte es um den ersten derartigen Einsatz seit Ausrufung eines dauerhaften und überprüfbaren Waffenstillstands durch die ETA vor gut einer Woche.

Die spanische Justiz betrachtet Ekin (Aktion) als das »Herz der ETA«. Dass die ETA jüngst einen Waffenstillstand verkündet hat, ist für Spaniens Behörden kein Grund zum Kurswechsel. Den zehn Personen, die am Dienstag verhaftet wurden, wird vorgeworfen, dass sie versucht hätten, die in Spanien verbotene Organisation Ekin wieder aufzubauen. Über Ekin würde die ETA ihren Willen der linken Unabhängigkeitsbewegung aufzwingen, begründete der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba das Vorgehen.

Vier Verhaftete sollen Mitglieder der verbotenen Organisation »Askatasuna« (Freiheit) sein und hinter der Webseite Apurtu.org stehen. Darüber werden Informationen zu den 800 Gefangenen verbreitet, die auf Grund des politischen Konflikts inhaftiert sind. Rubalcaba erklärte: »Die Sicherheitskräfte werden nicht zulassen, dass illegale Organisationen wieder auferstehen.«

Beweise für die ETA-Verbindungen legten weder er noch der Ermittlungsrichter Fernando Grande Marlaska vor. Offenbar sind die Vorwürfe dünn, denn die zwei im französischen Baskenland festgenommenen Personen wurden noch am Dienstag wieder frei gelassen.

Tatsächlich sitzt die baskische Linke gegenüber der ETA inzwischen am längeren Hebel: Weil deren bewaffneter Kampf als kontraproduktiv angesehen wird, wurde sie im September dazu gebracht, offiziell die bereits seit geraumer Zeit praktizierte Waffenruhe zu bestätigen. Zudem verkündete die ETA vor einer Woche wie gefordert einen »allgemeinen und dauerhaften Waffenstillstand«, der von einer internationalen Kontaktgruppe »überprüfbar« sei, damit die ihre Vermittlungs- und Prüftätigkeit aufnehmen kann.

Madrid lehnt einen Dialog ab. Viel spricht dafür, dass mit Aktionen wie den Razzien die ETA provoziert werden soll. Dass die spanische Regierung offen erklärt, die angekündigte Neugründung einer Partei der baskischen Linken sogar zu verbieten, obwohl die sich von der Gewalt distanziert und sich streng an das Parteiengesetz halten will, das extra zum Verbot von Batasuna (Einheit) geschaffen wurde, liegt auch auf dieser Linie.

Unter den Verhafteten befindet sich Iker Moreno, der Sohn des früheren Führers der seit 2002 verbotenen Batasuna-Partei, Txelui Moreno. Txelui Moreno ist Führungsmitglied der Gewerkschaft LAB und tritt seit der Verhaftung der Batasuna-Führung 2007 als Sprecher der baskischen Linken auf. Bei der Durchsuchung wurde auch Material von ihm von der Guardia Civil weggeschleppt. Moreno erklärte, das Vorgehen habe »weder Hand noch Fuß«.

Die baskischen Parteien vermuten insgesamt, dass damit der Friedensprozess torpediert werden soll. Für die baskische Linke erklärte Tasio Erkizia, man werde trotz allem, »diesen Prozess bis zur letzten Konsequenz« vorantreiben, damit im »Baskenland ein demokratisches Szenario entsteht«, in dem sich alle politischen Optionen entwickeln können. Erst am Sonntag hatten Batasuna, die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) und Alternatiba, eine Abspaltung der Vereinten Linken, ein Abkommen geschlossen. Sie wollen sich gemeinsam mit demokratischen Mitteln aus einer linken Perspektive für eine »tief greifende sozioökonomische Transformation« und die »baskische Souveränität« einsetzen. Madrid hat daran offenbar kein Interesse.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Januar 2011


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