Spanier rufen nach der Republik
Der Rücktritt von König Juan Carlos lässt die Idee eines Referendums machtvoll wachsen
Von Ralf Streck, San Sebastián *
Nach dem Rücktritt von König Juan
Carlos fordern zahllose Menschen
im ganzen Land eine Volksabstimmung,
um über die Staatsform
entscheiden zu können.
Die Botschaft von Spaniens König Juan
Carlos lässt die Bevölkerung nicht
kalt. In mehreren Städten forderten
Demonstranten ein Referendum über
die Abschaffung der Monarchie. Das
geschah nur wenige Stunden, nachdem
der Monarch am Montag seinen
Rücktritt zugunsten seines Sohnes
Felipe verkündet hatte.
Getragen werden die Demonstrationen
vor allem von der Empörten-
Bewegung, die seit dem 15. Mai
2011 immer wieder ihre Mobilisierungskraft
unter Beweis stellt. Die
zentrale Forderung: ein Referendum
darüber, ob Spanien weiter eine Monarchie
sein oder wieder eine Republik
werden soll.
Auf der Puerta del Sol in Madrid
kamen 20 000 Menschen spontan zusammen.
»Morgen wird Spanien eine
Republik!«, wurde skandiert. Aufgerufen
hatten über soziale Netzwerke
gemeinsam die Empörten-Partei »Podemos
« (Wir können es), die Vereinte
Linke (IU), die Grünen (Equo) und
andere Formationen. Basken und Katalanen
demonstrierten zugleich für
die Unabhängigkeit von Spanien.
Die Demonstranten waren mit rotgold-
violetten Flaggen der Zweiten
Republik ausgestattet. Die Zweite Republik
war mit dem Putsch 1936 und
im Bürgerkrieg bis 1939 von den Generalen
um Franco und mit Unterstützung
des faschistischen Deutschlands
gestürzt worden.
Die bei den Europawahlen gestärkte
Vereinte Linke hat eine Kampagne
gestartet, um die Bevölkerung
entscheiden zu lassen.
»Für Millionen Spanier besteht nun
die Hoffnung, ein neues Kapitel aufzuschlagen.
Schließlich wurde Juan
Carlos autoritär von oben durch den
langjährigen Diktator Francisco
Franco eingesetzt. Nun ist es ein Gebot
der Stunde, dass das Volk in einer
Abstimmung das letzte Wort darüber
hat, ob das Land Monarchie
bleiben soll oder, wie nach der Abdankung
des Königs im Jahre 1931,
wieder Republik werden soll«, erklärte
Miguel Sánchez, Vorsitzender
der Auslandsorganisation der IU in
Deutschland, gegenüber »nd«.
So sieht das auch Podemos, die aus
dem Stand bei der Europawahl auf
acht Prozent kam. Deren Aushängeschild
Pablo Iglesias erklärte: »Wir haben
gesagt, dass die Ergebnisse am
25. Mai die Verwesung dieses Regimes
aufgezeigt haben.« Der Abgang
zeige, dass sich der Auflösungsvorgang
beschleunige. Da der rechte Ministerpräsident
Mariano Rajoy behauptet,
die Mehrheit der Bevölkerung
stehe hinter der Monarchie, forderte
Iglesias, das in einer verbindlichen
demokratischen Abstimmung
bestätigen zu lassen. Er verlangte von
der Sozialistischen Partei (PSOE),
dem Gesetz über die Nachfolge die
Zustimmung zu verweigern. Das lehnt
die PSOE ab. Die Regierung der Volkspartei
PP beschloss noch am Dienstag
ein Gesetz, das im Eilverfahren durch
das Parlament gepeitscht werden soll.
Der Schriftsteller Javier Cercas beschreibt
in seiner Kolumne in der Zeitung
»El País« ein Dilemma. Es gehe
nicht um die Wahl zwischen »Monarchie
und Republik«, sondern um eine
»bessere oder schlechtere Demokratie
«. Er ziehe eine »schwedische Monarchie
einer syrischen Republik« vor.
Arbeitslosigkeit, Probleme im Bildungs-
und Gesundheitssystem würden
nicht gelöst, wenn man die Monarchie
durch eine Republik ersetze.
Andere Intellektuelle erinnerten in der
linksliberalen spanischen Zeitung
»Público« daran, dass es die Parteien
sind, die die vom Diktator verfügte
Monarchie verteidigen, die Spanien
die Misere beschert habe. Gefordert
wird eine Republik, »in der wir nicht
nur entscheiden können, wer uns repräsentiert
und regiert, sondern auch,
und das ist fundamental, wie«.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. Juni 2014
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