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Neue Waffen für die neue Bundeswehr

Die Militarisierung in unserem Land und weltweit

Von Lühr Henken, Hamburg

(Vortrag auf dem Wochenendseminar des Deutschen Friedensrats und des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 31.3. bis 2.4. 2000 in Brotterode/Thüringen)

Die NATO hat mit ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien etwas entsetzlich Neues in der Menschheitsgeschichte bewiesen: Sie verfügt über eine einzigartige Militär-Technologie, die es ihr gestattet, ein Land zu besiegen, ohne dass ihre Soldaten je einen Fußbreit dieses Landes betreten haben und ohne einen Einzigen ihrer Soldaten zu verlieren. Das ist erschreckend.

Modell Jugoslawien-Krieg

Allein der unmittelbare materielle Schaden des 78-tägigen Bombardements wird nach Berechnungen regierungsunabhängiger Ökonomen mit 8 Mrd. DM angegeben . Gesamtschadensschätzungen reichen von 80 Mrd. bis 240 Mrd. DM.

Eine besonders ernstzunehmende Bedrohung stellen die ökonomischen und gesundheitlichen Langzeitfolgen durch die Bombardierung mit uranhaltiger Munition, die ökologische Kriegsführung z.B. gegen petrochemische Fabriken sowie der Einsatz von Splitterbomben dar.

Dass das 10 Jahre währende Wirtschaftsembargo durch UN-Sicherheitsrat und EU im Besonderen der Zivilbevölkerung schadet, wurde nun auch endlich von offizieller Seite erkannt: Vorgestern fand ich im ARD-Videotext die Meldung, dass der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für Jugoslawien, Dienstbier, die Aufhebung aller Sanktionen gegen Jugoslawien verlangte. Die Sanktionen schadeten der Bevölkerung und nützten dem Regime von Präsident Milosovic.

Dennoch, die NATO rüstet um: Entsprechend ihres neuen strategischen Konzepts, will sie künftig außerhalb des Bündnisgebiets Kriege führen, wenn nötig auch wieder am UN-Sicherheitsrat vorbei: Das Faustrecht soll künftig über dem Völkerrecht stehen. Also Krieg führen, nicht zur "Verteidigung des Bündnisgebiets", sondern zur "Verteidigung der Interessen". Und dies möglichst ohne eigene Verluste.

Die NATO-interne Analyse des Jugoslawien-Krieges verdeutlichte "Schönheits-fehler". Bis zum Sieg dauere es zu lange, was Gegenmaßnahmen des Feindes ermögliche. Das wiederum nähre Zweifel am Endsieg und gefährde so den Zusammenhalt der NATO, was künftig vermieden werden müsse.

Deshalb schlagen NATO-Strategen folgende Konsequenzen vor:
  1. Künftig sollen die Luftangriffe schockartig ausgeführt werden. Also nicht mit 20 Angriffen beginnen, sondern gleich mit 1.000.
  2. Die Option des Bodentruppeneinsatzes solle künftig nicht ausgeschlossen werden.
  3. Die Präzision der Zerstörung von Panzern müsse erhöht werden.
  4. Die europäischen NATO-Staaten sollen ihren Anteil an künftigen Kriegen erhöhen. Gefordert wird die Aufrüstung der europäischen NATO-Staaten mit Aufklärungssatelliten, Lufttransportkapazitäten, Abstands- und Präzisionswaffen.

Die USA wünschen bei dieser Militarisierung Europas eine deutsche Führungsrolle. Das machte US-Kriegsminister Cohen während der letzten Kommandeurtagung der Bundeswehr in Hamburg klar. Man fragt sich, warum nun ausgerechnet Deutschland? Das liegt auf der Hand. Deutschland ist im NATO-Europa das bevölkerungsreichste Land. Es hat das höchste Bruttozozialprodukt in Europa, genau 27 Prozent der EU. Soviel wie Großbritannien und Italien zusammen. Deutschland ist die zweitgrößte Handelsmacht der Welt nach den USA, immerhin 60 Prozent des US-Handelsvolumens bei lediglich 30 Prozent der Einwohnerzahl der USA. DaimlerChrysler war schon vor der Allianz mit Mitsubishi der umsatzstärkste Industriekonzern der Welt. Deutesche multinationale Konzerne haben die meisten Tochterfirmen überhaupt. Das sind zentrale deutsche Aufstellungen in der Weltökonomie. Symptomatisch ist auch, dass die Europäische Zentralbank auf deutschem Boden steht.

Cohen forderte bei der Gelegenheit - auf der 37. Kommandeurtagung - einen Anstieg der deutschen Rüstungsausgaben. Diese Aussage ging dann auch durch die Medien und, ich vermute, das war der eigentliche Grund, weshalb Scharping ihn eigens über den großen Teich hinweg eingeladen hatte. Er brauchte ideologische Rückendeckung für die Aufrüstung der Bundeswehr.

Für mich gab es ein anderes, man kann sagen visionär anmutendes Statement Cohens, was mir die Perspektive US-amerikanischer militärischer Globalpolitik klar vor Augen führte. Cohen reicht Minister Scharpings Entscheidung, die so genannten Krisenreaktionskräfte des deutschen Heeres um ein Drittel des ursprünglichen Ansatzes zu erhöhen, nicht aus. Er regte - quasi als Privatmeinung ausgegeben - an, die deutschen Schnellen Eingreiftruppen insgesamt zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Das würde für die Bundeswehr bedeuten: von derzeit 66.000 auf bis zu 200.000 Mann.

Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik

Also: Die Bundeswehr baut sogenannte Krisenreaktionskräfte auf. Von den rd. 335.000 deutscher Soldaten sollen rd. 66.000 "out of area", also außerhalb des Bündnisgebiets, "in und um Europa" oder im "euro-atlantischen Raum" eingesetzt werden können. Warum das alles?

Der Wesensgehalt der offiziellen deutschen Verteidigungspolitik drückt sich für mich am besten in zwei Kernsätzen der Verteidigungspolitischen Richtlinien aus, die bekanntlich "verbindliche Grundlage für die militärische Interessenvertretung nach außen" aus dem Hause Rühe vom November 1992 sind, und von Rot-Grün nicht aufgehoben wurden.

Die Richtlinien legen als "deutsche vitale Sicherheitsinteressen" u.a. "die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung" fest. Diese Aussage ist von frappierender imperialer Offenheit, denn sie sagt nnichts anderes als: deutsches Militär soll für deutsche wirtschaftliche Interessen eingesetzt werden.

Die machtpolitischen - man kann auch sagen imperialistischen - Ansprüche finden sich an anderer Stelle dieser Richtlinien noch deutlicher: "Wenn die internationale Rechtsordnung gebrochen wird oder der Frieden gefährdet ist, muß Deutschland auf Anforderung der Völkergemeinschaft auch militärische Solidarbeiträge leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht, mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden können." (VPR, 27.) Mit anderen Worten: Je mehr deutsche Soldaten und deutsches Kriegsgerät bei Militärinterventionen eingesetzt werden, desto größer ist der deutsche Einfluss der Welt.

Der Aufbau der "Krisenreaktionskräfte" hat "höchste Priorität"

Die Ausrüstung der sogenannten Krisenreaktionskräfte hat offiziell denn auch "höchste Priorität". Die geplanten militärischen Ausstattungen zielen auf eine strukturelle Angriffsfähigkeit der Bundeswehr hin.

Allein die 30 größten Beschaffungsvorhaben ("Wesentliche Großvorhaben") summieren sich ab 1997 bis ca. zum Jahr 2015 auf etwa 110 Mrd. DM (ohne FEE) . Für alle 215 Beschaffungen ergibt sich ein Betrag von rd. 225 Mrd. DM mit den Kosten für FEE zusammen. Erfahrungsgemäß liegen die Kosten für die Nutzung zusätzlich beim 1,4- fachen dessen, so dass wir für die Nutzung auf rund 320 Mrd. DM und in der Summe auf rund 555 Milliarden DM für neue Kriegswaffen kommen. Scharping dauert die Beschafferei zu lange: Kürzlich las ich seine Ankündigung: "Der Beschaffungszeitraum von bisher rund 15 Jahren bei Großgerät soll auf fünf bis sechs Jahre gesenkt werden."

Nun spricht ja alles von Sparhaushalt. Scharping auch, nur spart er nicht. Zwar fällt der nominelle Verteidigungshaushalt, also der Einzelplan 14, von 47 Mrd. auf 45,3 Mrd, also um 1,7 Mrd. DM. Dahinter verbergen sich jedoch eine Reihe von Schwindeleien. Die größte: die 2 Mrd. DM Zusatzmittel für den Bosnien- und Kosovo-Einsatz für dieses Jahr 2000 werden in den Einzelplan 60 ausgelagert. Somit kommen wir schon mal auf 47,3 Mrd. DM im Jahr 2000.

Der Anstieg der Militärausgaben wird noch deutlicher, wenn wir uns die Ausgaben nach NATO-Kriterien ansehen. Sie steigen von 58,7 Mrd. DM im Jahr 1999 auf 59,6 Mrd. DM im Jahr 2000 . Die Summe aller militärbedingter Ausgaben liegt sogar bei 70 Mrd. DM.

Damit nicht genug: Scharping hat für die "nächsten zehn Jahre 20 Milliarden zusätzlich für die Bundeswehr" gefordert. Die Dramatik des Vorgangs beschrieb er in einem Grundsatzreferat im September 99: "Wir stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie kann durchaus verglichen werden mit der Wiederbewaffnung Deutschlands, der Einführung der Wehrpflicht oder der Teilnahme der Bundeswehr an internationalen Einsätzen." Es wird nicht gespart! Aufrüstung überall!

Anhand der Rüstungsplanung, an ausgewählten symptomatischen Waffensystemen und Feststellungen ranghoher Militärs möchte ich im Folgenden aufzeigen, wie sich das neue strategische Konzept der NATO in der Bundeswehr widerspiegelt, wie die Bundeswehr eine strukturelle Angriffsfähigkeit erhalten soll.

Das Heer

Zentrale neuen Waffe für das deutsche Heer ist der Kampfhubschrauber TIGER. Eine deutsch-französische Gemeinschaftsproduktion, die im bayerischen Donauwörth gefertigt wird. Für das deutsche Heer ist die Produktion von 80 TIGER angelaufen. Der Stückpreis liegt bei 72,6 Mio. DM. Damit ist er 23 mal so teuer wie einer seiner Vorgänger. Sind sie denn auch 23 mal so gut?

Neue "Deep-Battle-Kapazität" der Heeres

Die TIGER sind in der Planung der Bundeswehr ein wesentlicher Bestandteil eines neuen Einsatzkonzeptes des Heeres. Der TIGER gilt als ein Waffensystem, welches den Einstieg in das Konzept der sogenannten Luftmechanisierung, ein militärisches Neuwort, ermöglicht. Ebenso wie früher die Eisenbahn und die Kettenfahrzeuge die Mobilität der Bodentruppen revolutionierten, soll der Einsatz speziell der Kampfhubschrauber TIGER einen qualitativen Mobilitätsvorteil in der Luft bewirken. Die jetzt vorhandenen Bo-105 reichen dazu nicht, denn bei Nacht und schlechter Sicht sind sie nur begrenzt einsetzbar. Sie sind nur für die "defensive Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge" geeignet. Mit den neuartigen TIGERN hingegen sollen nun "Bewegungen in oder über vom Gegner beherrschten Gebiet unter möglichst allen Sicht- und Witterungsbedingungen" ermöglicht werden. Oberstleutnant Ertl von der Luftmechanisierten Brigade 1 fordert als "Fähigkeit" für die "Luftmechanisierten Kräfte": "tief im gegnerischen Gebiet operieren zu können." Der TIGER decke "die unterschiedlichen Erfordernisse des Kampfes gegen harte, halbharte und Flächenziele ab."

Herausragendes Merkmal des TIGER ist die Eigenschaft, mit hoher Geschwindigkeit im extremen Tiefflug fliegen zu können. Er hat sogenannte "selbstabdichtende Tanks" und sogenannte "durchschußverzeihende" Rotorblätter. Zusammenfassend formuliert Oberstleutnant Ertl das Credo der "Luftmechanisierung" : "Luftmechanisierte Kräfte können dabei zu dem Faktor werden, der das Tempo des Gefechts bestimmt und dem Truppenführer die Trumpfkarte der Überraschung und der Initiative in die Hand gibt"

Brigadegeneral Jochen Schneider ist Kommandeur der Artillerieschule der Bundeswehr. Er lässt sich über die wesentlichen Merkmale des "modernen Gefechts" Anfang 1998 wie folgt aus: "Das moderne Gefecht läßt sich also mit drei Begriffen schlaglichtartig kennzeichnen: "unbegrenzte Räume und begrenzte Kräfte, Kampf um Informationsüberlegenheit, Operationen in der Tiefe." Das moderne Heer charakterisiert der Kommandeur folgendermaßen: "Ein wichtiger Faktor zur schnellen Reaktion in künftigen Operationen sind Waffensysteme, die tief in den Feind wirken, und die es ermöglichen, überlegene Technologie im Kampf um den Erfolg zu nutzen. Weitreichende Systeme der Artillerie mit intelligenter Munition und Drohnen für Kampf und Aufklärung sowie weiträumig operierende luftmechanisierte Kräfte geben dem Heer zukünftig eine wirkliche "Deep Battle"-Kapazität und unterstützen durch die Wirkung des Feuers das operative Bemühen um ein örtlich überlegenes Kräfteverhältnis für die entscheidungssuchenden Operationen der gepanzerten Kampftruppen. Oder einfacher ausgedrückt: Starke feindliche Kräfte werden zerschlagen bevor sie auf die eigenen Kräfte treffen. (...) Daraus resultiert folgende Priorität der Rüstungsplanung des Heeres: Beschaffung moderner Informationstechnologie (+Störkapazität), Aufbau eines leistungsfähigen Artillerieverbundes mit intelligenter Munition, Aufbau einer Deep Battle-Kapazität, Einstieg in die Luftmechanisierung."

Aus dem Munde seines Chefs, des Heeresinspekteurs Helmut Willmann, klingt das so: "Mit der Entwicklung der Kampfdrohne Heer TAIFUN und der Weiterentwicklung des Waffensystems MARS/MRLS leistet die Artillerie den entscheidenden Beitrag zur Schaffung einer Deep-Battle-Kapazität im deutschen Heer. Eine Entwicklung, die man ohne Zweifel als technologischen und operativen Sprung bewerten kann."

Das neue deutsche Produkt Kampfdrohne Heer TAIFUN bedarf einer genaueren Betrachtung. Seit Sommer 1997 hat STN Atlas Elektronik, Bremen, einen Entwicklungsauftrag für diesen Flugkörper. Die Kampfdrohnen TAIFUN sind unbemannte autonom operierende Marschflugkörper, die ihr Ziel selbst aufspüren und zerstören können sollen. Herzstück dieses Fluggeräts ist ein allwettertaugliches Sensorsystem auf Basis der Radartechnik, das derzeit von der DASA-Verteidigungselektronik in Ulm entwickelt wird. Der gut zwei Meter lange Flugkörper soll bis zu "100 km hinter der Front autonom operieren." Vier Stunden lang soll er in Höhen, die für die feindliche Flugabwehr unerreichbar sind, selbständig Ziele auf programmierten Suchflugpfaden innerhalb eines definierten Zielgebietes aufspüren und dann im Sturzflug ("top attack") zerstören können. Der Sensor soll zwischen LKW, Panzern, Gefechtsständen und anderen Objekten unterscheiden können. Die Treffgenauigkeit soll unterhalb von 70 cm liegen. Die Phantasie der Entwickler sieht TAIFUN "in Schwärmen von Launcher-Fahrzeugen aus" starten. Der DASA-Projektleiter ist sicher: "Mit dieser neuen Suchkopf-Generation gehören wir bei Dasa zur Spitze des Weltmarkts."

Waffen zur Steigerung der Schlagkraft des deutschen Heeres

  • Informationstechnologie: vorhandene Aufklärungsdrohnen CL 289 (bis 170 km) und neue KZO Brevel (Beschaffung ab 2002 , bis 60 km), und das Radarortungssystems COBRA (bis 40 km)
  • Artillerieverbund mit intelligenter Munition: neues Führungssystem ADLER + neue 594 Panzerhaubitzen 2000 ("das modernste Geschütz der Welt" ) + neue Suchzünder-Präzisions-Munition SMArt
  • Aufbau einer Deep-Battle-Kapazität: Vorhandene 154 Mehrfachraketenwerfersysteme MARS ("geballte Feuerkraft" , Reichweitensteigerung von 40 auf 70 km geplant ab 2005) + neue 108 Kampfdrohnen TAIFUN (autonome Präzisionsmarschflugkörper bis 170 km Reichweite, Einführung ab 2004) + und neue POLYPHEM (oder TRIFOM, lenkbarer Präzisionsmarschflugkörper gegen hochwertige Ziele bis 60 km Reichweite, Einführung ab 2006)
  • Luftmechanisierung: neue 212 TIGER

POLYPHEM ist ein manuell lenkbarer Flugkörper, in dessen Spitze sich ein schwenkbarer Infrarot-Suchkopf befindet. Über ein Lichtwellenleiter-Kabel werden dem Schützen auf einem Monitor Bilder in Echtzeit vom überflogenen Gebiet gesendet. Der Schütze ist in der Lage, den Marschflugkörper bis zu den gesuchten Hochwert-Zielen in einer Entfernung von 60 km zu lenken. POLYPHEM ist ca. 230 cm lang, wiegt rd. 150 kg, die Marschgeschwindigkeit liegt zwischen 430 und 650 km/h, die Flughöhe zwischen 20 und 600 m. POLYPHEM ist speziell für eine sehr hohe Treffgenauigkeit konzipiert. Sie liegt bei rd. 30 cm, die es ermöglichen wird, "auch durch Fenster in Gebäude einzudringen und erst danach den Gefechtskopf zur Wirkung zu bringen." Ziele sollen Schiffe, Hubschrauber und Landziele sein. "Gedacht wird u. a. an die Ausrüstung der zukünftigen Korvette Klasse 130 der Deutschen Marine". An Landzielen ziehen die Konstrukteure u.a. Gefechtsstände, Luftverteidigungssysteme, Artillerie, logistische Einrichtungen, Kampfhubschrauber am Boden und im Schwebeflug und mechanisierte Truppen im Halt und der Bewegung in Betracht.

Die Zusammenfassung soll wieder General Schneider liefern, der Kommandeur der Artillerieschule: "Mit der Ausstattung der Artillerie von heute, mit den laufenden sowie den bevorstehenden Beschaffungen modernster Führungs-, Aufklärungs- und Wirkungssysteme sowie intelligenter Munition, erfährt die deutsche Artillerie einen technologischen Quantensprung, der sie in die Weltspitze führt. Selbst wenn dies im ersten Schritt nur für die Krisenreaktionskräfte und einen kleinen Teil der Hauptverteidigungskräfte zutrifft, erfährt das ganze System einen Qualitätssprung, der die deutsche Artillerie zu einer der modernsten der Welt werden läßt."

Die Luftwaffe

Das Milliarden-Grab Eurofighter

Die Produktion der Eurofighter ist angelaufen. Gegen eine 80 % Mehrheitsmeinung der deutschen Bevölkerung sollen bis 2015 insgesamt 180 Maschinen für die deutsche Luftwaffe hergestellt werden. Die Eurofighter ersetzen die Phantom F4 und 1 TORNADO-Jagdbombergeschwader des Luftangriffs. Die 180 Kampfflugzeuge und Jagdbomber kosten auf ihren Lebensweg laut alter Bundesregierung im Regierungsentwurf für den Haushalt 1998 "mit Preisstand 12/97 einschließlich MWSt" 58,77 Mrd. DM . Neue Marschflugkörper TAURUS für deutsche TORNADOS und EUROFIGHTER

Brisant und von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt entwickelt die DASA-Tochter LFK zusammen mit der schwedischen Firma Bofors eine Cruise Missile. Damit das nicht so auffällt, hat man diesen Marschflugkörper für die TORNADOs und EUROFIGHTER der Luftwaffe "Modulare Abstandswaffe" (MAW) TAURUS (lat. Stier) getauft. TAURUS ist ein speziell gegen gehärtete Ziele entwickelter klassischer Marschflugkörper. Angaben über wesentliche Parameter sind schwer zu bekommen. Lediglich in der neuesten Military Balance finden sich zwei zentrale Angaben: Reichweite 350 km Gewicht des Gefechtskopf 500 kg . Das reicht aus, um eine Betonwand von 4 Metern Stärke durchschlagen zu können . Da er über "höchste Zielgenauigkeit" verfügt, kann TAURUS auch speziell gegen Brücken eingesetzt werden. "Ende 2002 soll die Entwicklung abgeschlossen sein, die Serienfertigung könnte dann beginnen." Geplant ist die Beschaffung von 1.200 TAURUS. Bis 2011 sollen 685 an die Luftwaffe ausgeliefert werden . Diese Cruise Missiles sind nicht nur für taktische, sondern für "regionale strategische Aufgaben ausgelegt."

Die Deutsche Marine

Neue Einsatzplanung

Der Deutschen Marine geht es um strategische Machtprojektion und die Entwicklung einer Hochseepräsenz. In erfreulicher Offenheit dokumentierte dies im Januar 1996 der im Führungsstab der Deutschen Marine für die Einsatzführung zuständige Kapitän zur See Dieter Stockfisch, indem er die "operativen Fähigkeiten der Bundesmarine" so beschrieb: "Weltweite Krisenreaktionseinsätze der Marine setzen operative Fähigkeiten zur kontinuierlichen Präsenz in See und zum Sichern von Seeverbindungen, Seegebieten, Hafenzufahrten und Häfen voraus. Zudem sind Fähigkeiten zur Kontrolle seestrategischer Positionen, zur Bindung gegnerischer Kräfte und zur Unterbrechung gegnerischer Seeverbindungen sowie zur Überwachung und Durchsetzung von Embargomaßnahmen erforderlich."

Dementsprechend sind seit 1990 zu den traditionell angestammten Operationsgebieten der deutschen Marine, nämlich Nord- und Ostsee, der Nordatlantik und der Mittelmeerraum als geographische Schwerpunkte hinzugekommen. Das Leitwort der Marinestrategen heißt "Littoral Warfare". Gemeint ist damit Seekrieg in Küstengewässern. Die können freilich mehr als 1.000 km breit sein. Eine der neuen - offiziellen - Herausforderungen für die deutsche Marine im "Littoral Warfare" ist: "Die Abkehr von der Konzentration des Küstenverteidigers hin zur Teilnahme an einer Multinationalen 'Maritime Force', die gegen eine fremde Küste operieren muß" So einer deutscher Planungsstaboffizier Ende 1998. Diese fremden Küsten sind wohl zunächst im Mittelmeerraum zu suchen. Grundsätzlich habe man es vor allem zukünftig mit der Seekriegsführung über Wasser zu tun.

Neue Korvetten

Für diese Kriegsführung in Flachwassergebieten sollen neue hochseefähige Korvetten K 130 hergestellt werden. Ich zitiere dazu einen Planungsstabsoffizier der Deutschen Marine: "Mit der Korvette wird unsere Marine über ein neuartiges Seekriegsmittel verfügen, das sich vor allem für den reaktionsschnellen Einsatz in küstennahen Gewässern eignet. Dabei werden die operativen Aufgaben heutiger Schnellboote mit übernommen." Beim Bau der Korvette solle eine Tarnkappenbauweise angestrebt werden.

Für die neuartigen Korvetten K 130, von denen insgesamt 15 angeschafft werden sollen, wird der Abschluss eines Bauvertrages über die ersten 5 Kriegsschiffe noch für dieses Jahr anvisiert. Mit der parlamentarischen Beratung (und möglicher Beschlussfassung) ist noch vor der Sommerpause des Bundestages zu rechnen. Im Bundeshaushalt sind dafür insgesamt rd. 2,8 Mrd. DM vorgesehen . Die Auslieferung dieser 1.500-Tonnen-Schiffe ist zwischen 2004 und 2007 geplant. Die Korvetten sollen die neuartigen Präzisionsflugkörper POLYPHEM, Anti-Schiffsraketen mit 150 km Reichweite und eine vollautomatische Ortungsdrohne (Reichweite 100 km) erhalten.

Die folgende Erklärung des für Grundsatzfragen des Überwasserseekrieges zuständigen Offiziers im Führungsstab der Marine lässt aufhorchen: Die Korvette eröffne dem gesamten Einsatzverband ein Handlungsspektrum, das den "Verbund des Überwasserseekrieges von der Hohen See bis in die Küste hinein verwirklichen" könne. Und weiter: "Dabei wird der Verbund zwischen Fregatte und Korvette außerordentliche Bedeutung erlangen."

Neue Fregatten

Im Einsatzverband ist die Fregatte/der Zerstörer das zentrale Schiff. Die im Bau befindliche F 124 als Mehrzweckfregatte mit dem Aufgabenschwerpunkt Flugabwehr ist erstmalig für Deutschland für den vollen oder "uneingeschränkten Verbandsschutz" konzipiert. Ihre Vorgänger, die drei Zerstörer der Lütjens-Klasse waren dazu nicht in der Lage.

Die 3 neuen Fregatten F 124 werden der Öffentlichkeit als Ersatz für die 30 Jahre alten Zerstörer "verkauft". Ein purer Ersatz sind sie mitnichten: Über die "weltmeisterliche" Qualität dieser neuen Fregatten sagte ihr Chefkonstrukteur Karl-Otto Sadler: "Die F 124 repräsentiert im Fregattenbau einen avantgardistischen Modernisierungsschub und sie bedeutet im Marine-Überwasserschiffbau einen technischen Quantensprung."

Das erste der F 124-Baureihe wurde am 1. Dezember 1999 bei Blohm + Voss in Hamburg auf den Namen SACHSEN getauft und soll im Dezember 2002 an die Bundeswehr übergeben werden. Die beiden anderen Fregatten sollen in Kiel und Emden gebaut werden. Diese Fregatte ist die teuerste deutsche Kriegswaffe aller Zeiten und ist mit etwa 1,3 Mrd. DM teurer als jedes Zivilschiff der Welt.

Ab dem Jahre 2010 werden die 8 Fregatten des Typs 122 ihre Altersgrenze erreicht haben. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, es bei dieser so zu sagen natürlichen Ausmusterung zu belassen. Schon jetzt wird das Nachfolgemodell F 125 geplant. Ab dem Jahre 2011 sollen 8 dieser Fregatten F 125 nach und nach in Dienst gestellt werden. Im Einzelplan 14 sind dafür bereits 2 Mrd. DM Entwicklungskosten ausgewiesen. Das erste Los soll "zur Abwehr ballistischer Flugkörper" und so wörtlich "zur Bekämpfung von Zielen an Land mit Flugkörpern und moderner Artillerie" befähigt werden.

Die Bundesregierung hat mit Abrüstung nichts im Sinn.

Neue U-Boote und neue Torpedos

Auch bei der Entwicklung der Waffe U-Boot wird deutlich, dass es der Deutschen Marine vor allem um strategische Machtprojektion und die Entwicklung einer Hochseepräsenz geht und nicht etwa um Abrüstung. Die 14 jetzt vorhandenen U-Boote des Typs 206 sollen durch insgesamt 12 des Typs 212 ersetzt werden. Das erste des Typs 212 entsteht derzeit bei HDW in Kiel und soll 2003 ausgeliefert werden. Diese neuen dreimal so großen U-Boote schaffen durch den neuartigen außenluftunabhängigen Antrieb im konventionellen U-Bootbau einen neuen Weltstandard! Es kann viermal so lang tauchen wie sein Vorgänger, somit 3 Wochen ununterbrochen im Einsatz sein und dabei 22.000 km zurücklegen. Bei einer Tauchtiefe von 400 m ist es nicht nur für Flachwassergewässer ausgelegt, sondern hochseetauglich . Erstmals soll ein U-Boot nicht nur Schiffe bekämpfen können, sondern auch andere U-Boote. Es sollen gleichzeitig 25 Ziele verfolgt und bekämpft werden können. Zusätzlich dazu sollen sie mit dem POLYPHEM-Flugkörper U-Jagd-Hubschrauber abgeschossen werden können. Und im SPIEGEL las ich, dass geplant sei, die U-Boote für den Abschuss von Cruise Missiles auszulegen.

Die außerordentliche Gefährlichkeit der U-212 wird jedoch vor allem durch die Verwendung des neuen deutschen Torpedos SEEHECHT erreicht. Aus 6 Rohren lassen sich diese mit einer Spurtgeschwindigkeit von über 90 km/h (Vorgängermodell 65 km/h) und einer gelenkten Laufstrecke von mehr als 50 km (Vorgängermodell ca. 20 km) ins Ziel befördern. Diese Schwergewichtstorpedos sind sowohl in hoher Tauchtiefe als auch "im extremen Flachwasser ohne Einschränkungen einsetzbar"

Man kann die Euphorie der Militärs über diese neue Waffenqualität gar nicht groß genug herausstellen: ich zitiere: "Mit der Einführung auf dem U-Boot U 212 wird der SEEHECHT weltweit der modernste und für alle Szenarien geeignete Schwergewichtstorpedo sein." Damit "ist die Marine und insbesondere die U-Boot-Flottille bestens für den Jahrtausendwechsel gerüstet und behält ihren Vorsprung in der Unterwasser-Seekriegsführung." lautet das überschwängliche Resümee eines Marineexperten.

Einsatzgruppenversorger Klasse 702

Im September 2000 wird der erste von zwei neuen Einsatzgruppenversorgern in Wilhelmshaven in Dienst gestellt. Mit 20.000 t stellen sie die größten Schiffe der Deutschen Marine dar. Ihre immense Ladekapazität für Munition, Treibstoff und Proviant erlaubt es, dass Kampfschiffe - also die Einsatzgruppe - künftig 45 Seetage, und damit mehr als doppelt so lange wie bisher, landungebunden im Einsatz sein können.

Wunschliste der Militärs

Die Bedarfsliste der Marine sieht für das zweite Jahrzehnt des nächsten Jahrtausends verglichen mit heute eine fast identische Anzahl von Kriegsschiffen in allen Kategorien vor, sowie die Beibehaltung des 50 TORNADOs umfassenden Marinejagdbombergeschwaders.

Jedoch bleibt sehr bemerkenswert, dass sich dahinter gewaltige Kampfkraftsteigerungen verstecken. Dies gilt insbesondere für U-Boote und Fregatten, für die Beschaffung von bedeutend größeren Einsatzgruppenversorgern. Sehr bemerkenswert ist auch der Wunsch nach drei Truppentransportschiffen. Von außerordentlicher Bedeutung jedoch ist die Entwicklung der neuen High-Tech Korvette, die die Deutsche Marine zu einer aggressiven Drohpolitik vor fremden Küsten befähigen wird. Die Ausrichtung der Marine auf eine globale Rolle auf hoher See ist unverkennbar.

Ich habe die Marinevorhaben etwas ausführlicher behandelt, weil diese kleinste Teilstreitkraft nach Bekundungen der deutschen Militärstrategen im kommenden Jahrhundert an Bedeutung zulegen wird. Kriegsschiffe gelten als Krisenreaktionskräfte der ersten Stunde.

Die Marinestrategen sind sehr kreativ, wenn es darum geht, Begründungen für eine schlagkräftige Kriegsmarine zu finden. Ein Produkt ist: Sie soll zur Bekämpfung der Seepiraterie eingesetzt werden. Jedoch der Hauptargumentationsstrang des Führungsstabs geht in zwei andere Richtungen: Erstens: Es geht um die Aufteilung des Meeresbodens und seinen Reichtum an Bodenschätzen. Hier wird die UN-Seerechtskonvention, der auch Deutschland beigetreten ist, und eine einvernehmliche Regelung über eine UN-Meeresbodenbehörde festlegt, ignoriert. Und zweitens geht es um das Feindbild China. China wird eine auf der Marinerüstung beruhendes expansives Interesse in rohstoffreichen südostasiatischen Seegebieten unterstellt, die zudem noch von bedeutenden internationalen Schifffahrtsrouten durchzogen werden. Konkret wird China unterstellt, dass es im Jahre 2050 "als Welt-Seemacht den USA ebenbürtig sein" wolle.

Vermutlich stecken diese Begründungen hinter der sehr bemerkenswerten Vision des Inspekteurs der Deutschen Marine, Hans Lüssow, die er im Herbst 1999 beschrieb: "Europa wird sich neben den USA zwangsläufig zur Seemacht entwickeln müssen" .

Abgerundet und nahezu martialisch zelebriert wird die globale Rolle der Marine durch Aufsätze aus dem Führungsstab, die überschrieben sind: "Ein 'maritimes' Zeitalter bricht an" Darin finden sich dann Sätze wie: "Ging es in den vergangenen Jahrhunderten um die Inbesitznahme des Landes, so wird heute und zukünftig über die Aufteilung des Weltmeeres entschieden." Deutschland habe als geografisch benachteiligtes Land "das Nachsehen" gehabt, als es um die Ausweitung der Wirtschaftszone von 12 auf 200 Seemeilen ging. Deshalb wird Friedrich Liszt zitiert mit: "Wer an der See keinen Anteil hat, ist ausgenommen von den guten Dingen der Welt - der ist unseres lieben Herrgotts Stiefkind." Und es wird sich nicht gescheut, die markige Vision des amerikanischen Clausewitz der Marine, Alfred T. Mahan (1840-1910), wieder- zugeben. Sie lautet "Im 21. Jahrhundert wird sich die Zukunft der Welt auf ihren Wassern entscheiden.

Der Aufbau eines europäischen Militärsatellitensystems

Nun noch zum Aufbau eines europäischen Militärsatellitensystems, wofür bisher jedoch das Geld fehlte, und keine Mittel im Bundeshaushalt bereitgestellt sind. Ein Militärsatellitenzentrum der WEU im spanischen Torrejon befindet sich bereits seit 1991 im Aufbau. Die alte Bundesregierung errechnete für zwei neue Satelliten - einen optischen Infrarot (HELIOS II) und einen Radarsatelliten (HORUS) - einen deutschen Anteil von 7,3 Mrd. DM.. Diese Aufklärungs- oder Spionagesatelliten sollen von den USA unabhängig machen.

Ich frage: Welchen anderen Sinn soll die unabhängige Aufklärung haben, als die Möglichkeit, die eigenen europäischen Truppen auch unabhängig von den USA führen zu können? Die für Anfang 2000 geplante Gründung des deutsch-französisch-britischen Raumfahrtkonzerns ASTRIUM, an dem die deutsche DASA einen 50 %-Anteil hält, dient genau dieser Absicht.

Nun noch etwas zu der Frage der Abrüstung:

Scharping hat eine Kommission Zukunft der Bundeswehr ins Leben gerufen, und parallel eine weitere unter Generalinspekteur von Kirchbach. Die Ergebnisse werden für den Mai erwartet. Manche Eckdaten dringen aus der Weizsäcker-Kommission nach draußen. Aber nichts genaues weiß man nicht.

Derweil haben sich Parteien zur Struktur der Bundeswehr geäußert. Allen gemeinsam ist, dass sie über den Charakter der Bundeswehr - schnell angriffsfähig zu werden und dies weltweit - wird gar nicht debattiert. Es dreht sich allenfalls um Personalumfang und Länge des Grundwehrdienstes. Grob zusammengefasst lässt sich feststellen:
  • CDU und FDP sowie einzelne Bundeswehrexperten aus SPD, Grüne und CSU wollen alle eine Modernisierung des Geräts (die CDU will den Rüstungshaushalt bis 2010 auf 54 Mrd. DM steigern, SPD-Kröning nicht mehr als um plus 1 Prozent p.a.).
  • Die FDP will Krisenreaktionskräfte von 150.000 Mann bei einem Grundwehrdienst von 5 Monaten.
  • Die Grünen wollen eine Freiwilligenarmee mit 180.000 bis 200.000 Mann.
  • Die PDS wird im April ihre Vorstellungen veröffentlichen. Die Eckpunkte werden wohl sein 100.000 Mann bis 2006, Abschaffung der Zwangsdienste. Das ist das, was Heidi Lippmann auf einer PDS-Arbeitskonferenz am vergangenen Wochenende in Mannheim darüber preisgab.
  • Die Prognosen über das Endergebnis der Empfehlungen der Kommissionen bewegen sich zwischen 240.000 und 300.000 Mann Personalbestand bei 9 Monaten Grundwehrdienst. Das heißt geringfügige Korrekturen nach unten.

Das Friedensmemorandum 1999 unseres Kasseler Ratschlags schlägt vor, entsprechend des KSE-Vertrages, das größte Nicht-NATO-Land Europas, den ehemaligen Gegner Russland, als Vergleich zu nehmen.

Während Russland nur noch ein Sechstel dessen für Rüstung ausgibt, was die Sowjetunion 1985 ausgab und außer Weißrussland keine Bündnispartner mehr hat, sind es bei den NATO-Staaten Europas lediglich ein Sechstel weniger als zum Höhepunkt des Kalten Krieges, wobei die NATO gewachsen ist. Die NATO leistet sich heute in Europa dreieinhalb Mal soviel Personal gegenüber ihrem einstigen Gegner. Bei den konventionellen Hauptwaffen des Heeres und der Luftwaffe liegt die NATO-Überlegenheit zwischen 47 und 227 Prozent, bei Überwasserkampfschiffen 214 zu 25 und bei U-Booten mit 104 zu 38 vorn.

Allein diese Gegenüberstellungen markieren eine sehr große Abrüstungschance für alle europäischen NATO-Staaten. Und auch für die Bundeswehr.

Wir haben im Friedensmemorandum 1999 eigene Rechenergebnisse veröffentlicht, nach denen die Hälfte des Heeres abgeschafft, rund 40 Prozent der Luftwaffengeschwader und mehr als die Hälfte der Marine binnen 10 Jahren abgerüstet werden könne. Diese Zahlen sind in sofern zu korrigieren, als die Deutsche Marine auf grund des weiteren Niedergangs der Russischen Flotte auf rund ein Viertel des heutigen Standes abgerüstet werden kann.

Das ist als unilateraler Schritt zu verstehen, der sich an einem annähernden Gleichgewicht in Europa orientiert und Vorbildcharakter für die europäischen NATO-Staaten und die EU haben soll. Parallel zu dieser praktischen Abrüstung Deutschlands bei Verzicht auf den Aufbau der strukturellen Angriffsfähigkeit müssen internationale Abrüstungsübereinkünfte ausgehandelt werden. Sie könnten sich zunächst an einer weiteren Halbierung der Bestände bei gegenseitiger umfassender Kontrolle orientieren. Sie müssten über die 30 KSE-Staaten hinaus die OSZE-Region - von Vancouver bis Wladiwostock - einbeziehen. Damit stoßen sie an die angrenzenden Gebiete: den Nahen Osten, den indischen Subkontinent und den ostasiatisch-pazifischen Raum. Solche Modelle zu entwickeln, denke ich, ist vornehme Aufgabe der Friedenswissenschaft und der Friedensbewegung. Ich hoffe dafür einige Anregungen gegeben zu haben.

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