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Rüstungstransfers und Menschenrechte. Geschäfte mit dem Tod

Ein Buch von Anne Jenichen, Natascha Marks, Tome Sandevski (Hg.)

Anne Jenichen, Natascha Marks, Tome Sandevski (Hg.): Rüstungstransfers und Menschenrechte. Geschäfte mit dem Tod.
Lit-Verlag: Müster-Hamburg-London 2002; 197 Seiten; (ISBN 3-8258-6117-1)

Aus dem Inhalt:
  • Einleitung der Herausgeber (siehe unten stehenden Text)
  • Rechtliche Normen für den deutschen Rüstungsexport: Stand - Antinomien - Optionen. Von Bernhard Moltmann
  • Rüstungsexportpolitik in der Europäischen Union. Von Michael Brzoska
  • Nur an Demokratien liefern! Plädoyer für eine andere Rüstungsexportpolitik. Von Katja Frank
  • Zur politischen Ökonomie der Nachfrageseite in bewaffneten Konflikten. Von Peter Lock
  • Werkzeuge für Menschenrechtsverletzungen: Kleinwaffen und Repressionstechnologie. Von Mathias John
  • Kinderrechte und Waffentransfers. Von Ruth Stanley
  • Atom im Angebot. Menschenrechte und der Transfer von Atomwaffen, Technologie und Materialien. Von Xanthe Hall und Jens-Peter Steffen
  • Konversionserfahrungen im letzten Jahrzehnt. Wo ist die Friedensdividende geblieben? Von Herbert Wulf
  • Die Landminenkampagne. Von Thomas Gebauer
  • BUKO-Kampagne: Stoppt den Rüstungsexport! Unser Name ist zugleich unser Programm. Von Andrea Kolling
  • Arbeit und Position von Amnesty International zu Rüstungstransfers und Menschenrechten. Von Mathias John
  • Kommentiertes Adressenverzeichnis
  • Auswahlbibliografie

Vorwort

Die mittlerweile traditionellen Human Rights Lectures werden regelmäßig von den Amnesty International Hochschulgruppen an den Berliner Universitäten durchgeführt. Im Sommersemester 2001 veranstaltete die Hochschulgruppe der Freien Universität Berlin die Human Rights Lectures zum Thema "Geschäfte mit dem Tod - Rüstungstransfers und Menschenrechte", an der MitarbeiterInnen verschiedener Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und wissenschaftlicher Institutionen teilnahmen. Der vorliegende Sammelband ist das Ergebnis dieser Vorlesungsreihe.

Wir möchten uns bei den AutorInnen für ihre Beiträge bedanken, ebenso bei Ulrich Albrecht, Michael Krämer, Franz Lanz, Ottfried Nassauer und Barbara Wesel, die auch an der Veranstaltungsreihe teilgenommen haben. Bedanken möchten wir uns auch bei der Heinrich Böll Stiftung und dem AStA der Technischen Universität Berlin, deren Zuschüsse die Veranstaltungsreihe und den Druck dieses Bandes ermöglichten. Der Amnesty International Hochschulgruppe danken wir für die tatkräftige Unterstützung bei der Durchführung der Vorlesungsreihe. Unser besonderer Dank gilt Mathias John und Johanna Niedbalski, ohne deren Engagement es die Human Rights Lectures 2001 nicht gegeben hätte, sowie Bernhard Moltmann, der uns bei der Edition dieses Bandes mit Rat und Tat zur Seite stand.

Der vorliegende Band soll einen Überblick über das Thema Rüstungstransfers und Menschenrechte geben. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge sind die AutorInnen selbst verantwortlich. Die Beiträge stellen keine offizielle Position von Amnesty International dar. Es konnten nicht alle Aspekte von Rüstungstransfers abgedeckt werden, dennoch bietet der Band eine wichtige Orientierungshilfe. Neben den einzelnen Beiträgen sollen ein kommentiertes Adressenverzeichnis ausgewählter Forschungsinstitutionen und NGOs sowie eine Auswahlbibliographie die weitere Beschäftigung mit dem Thema erleichtern.

Rüstungstransfer als solcher ist keine Ursache von Menschenrechtsverletzungen, Rüstungsgüter stellen aber die Werkzeuge für Menschenrechtsverletzungen dar. Deshalb ist das Ziel von Menschenrechtsorganisationen, den Handel mit den Werkzeugen für Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, dies erfordert starken öffentlichen Druck auf Regierungen und Unternehmen. Diese Arbeit ist oft mühsam und erfordert einen langen Atem. Für eine erfolgreiche Arbeit brauchen NGOs engagierte Mitglieder und Förderer. Wir möchten mit diesem Sammelband dazu anregen, sich für die Menschenrechte und gegen Rüstungstransfers stark zu machen. Jeder Mensch kann und sollte einen Beitrag leisten.

Berlin im März 2002
Anne Jenichen, Natascha Marks, Tome Sandevski

Einleitung

Deutsche Rüstungsexporte spielen seit Jahrzehnten vor allem als innenpolitisches Reizthema ein Rolle. Dies musste auch die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen seit 1998 gestellte Bundesregierung erfahren, die unter anderem angetreten war, die inhaltlichen Kriterien für die deutsche Rüstungsexportpolitik zu schärfen und ein höheres Maß an Transparenz in diesem Politikfeld herzustellen. Als sie vor der Entscheidung stand, einen Testpanzer vom Typ Leopard II in die Türkei zu liefern, eskalierte die Diskussion darüber schnell zu einem Grundsatzstreit: Die Koalition drohte daran zu zerbrechen, und nur mit der Neuformulierung der "Politischen Grundsätze für die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern", wie sie am 19. Januar 2000 verabschiedet wurden, konnte die Krise abgewendet werden. Die in diesem aktuellen Streit ausgetauschten Argumente sind nicht neu, hatte doch die Friedens- und Konfliktforschung schon seit langem auf den Zusammenhang von Rüstungslieferungen aus Industriestaaten, Kriegen in der Dritten Welt und Entwicklungshindernissen aufmerksam gemacht, dies allerdings weitgehend unter dem Vorzeichen des Wettrüstens zwischen Ost und West, dessen Auswirkungen auf die Dritte Welt und die mögliche Verbreitung atomarer, biologischer und chemischer Waffen. Der Aspekt, inwieweit durch Rüstungslieferungen auch Menschenrechtsverletzungen befördert wurden, rückte erst in dem Maße in den Vordergrund, in dem der Zusammenhang zwischen der Sicherung von Menschenrechten und dem Bemühen um Friedenskonsolidierung Aufmerksamkeit fand.

Die Frage nach dem Stellenwert von Menschenrechten stellt sich heute um so dringender, je offensichtlicher wird, dass die massenhafte und unkontrollierte Verbreitung von Kleinwaffen den Verlauf von kriegerischen Auseinandersetzungen außerhalb der industriellen Welt prägen. Kleinwaffen gelten heute als die de facto Massenvernichtungswaffen. Sie verursachen in gewaltsamen Konflikten die meisten Opfer unter der ohnehin am schwersten leidenden Zivilbevölkerung. Und es sind vor allem Kleinwaffen, die täglich zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Hinzu kommen Sicherheitsausrüstung und Sicherheitstechnologie, wie Tränengas, Gummiknüppel, Hand- und Fußfesseln, Elektroschockgeräte und andere Folterwerkzeuge, die täglich für Menschenrechtsver-letzungen eingesetzt werden. In der Forschung wird auf diese Güter eher selten eingegangen.

Zahleiche Menschenrechtsorganisationen haben frühzeitig den Stellenwert von Rüstungstransfers als instrumentelle Auslöser von Menschenrechtsverletzungen erkannt. In ihren Aufklärungskampagnen und ihrer Lobbyarbeit versuchen die Organisationen, die Auswirkungen der Rüstungstransfers auf die Verhältnisse in den Empfängerländern zu thematisieren, die Informationsbasis über die getätigten Lieferungen zu verbreitern und den politisch-gesellschaftlichen Druck in den Lieferstaaten zu erhöhen, wenn nicht auf den Export von solchen Gütern ganz zu verzichten, so doch zumindest an überprüfbare politisch-inhaltliche Kriterien zu binden. Dabei können sich NGOs auf die Forschungen einer inzwischen umfassenden wissenschaftlichen Expertise stützen. Allerdings bleibt für den deutschen Sprachraum festzuhalten, dass die beiden Stränge - der sich entfaltende Menschenrechtsdiskurs und die Debatte um die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Konsequenzen von Rüstungstransfers - selten, jenseits aktueller Konfliktpunkte wie dem Streit über die deutschen Rüstungslieferungen in die Türkei, systematisch durchdacht und diskutiert werden. Ziel dieses Sammelbandes ist es, den Zusammenhang zwischen Rüstungstransfers und Menschenrechten gründlicher zu reflektieren und der politischen wie gesellschaftlichen Öffentlichkeit näher zu bringen. Dabei orientieren sich die Beiträge an folgenden Fragen:
  1. Was sind die politischen, ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Rüstungstransfers?
  2. Was sind die Folgen, insbesondere im Hinblick auf die Menschenrechte, von Rüstungstransfers?
  3. Welche Möglichkeiten gibt es, die Verbreitung von Rüstungsgütern und damit durch sie zugefügte Menschenrechtsverletzungen einzudämmen?
Im Vordergrund steht die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Es ist nicht immer leicht zu bestimmen, was Rüstung eigentlich ist. Die Definitionen von Regierungen, Unternehmen und Menschenrechtsorganisationen klaffen weit auseinander. Für den vorliegenden Sammelband soll der Versuch unternommen werden, sich auf ein Verständnis zu einigen: Der Begriff Rüstung umfasst alle Güter, Technologien und Know-how , die für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden können. Neben Körperverletzungen oder Tötungen können Menschenrechte auch durch die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen von Konflikten verletzt werden. Auch kann schon die Entwicklung und Erprobung von Rüstungsgütern Menschenrechte verletzen.

Doch können verschiedene Arten von Rüstung so einfach auf einen Nenner gebracht werden? Gibt es überhaupt gemeinsame Merkmale? Ein Merkmal ist die Dauerhaftigkeit von Rüstungsgütern. Sie sind sehr langlebig, zumindest langlebiger als so manche Regierung, Staat oder politisches System. Zum einen sind die Spätfolgen kriegerischer Auseinandersetzungen in Form von Munitionsresten und Minen noch lange Zeit spürbar. Länder wie Angola und Afghanistan sind total vermint, die vollständige Räumung der Minen - wenn technisch und finanziell überhaupt möglich - wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Zum anderen können Waffen noch jahrzehntelang eingesetzt werden.

Hier wird die fehlende Kontrolle deutlich. Kein Rüstungsexporteur kann die Zukunftsaussichten des Empfängers voraussagen. Ehemals stabile Staaten können in relativ kurzer Zeit kollabieren. Wozu oder besser gegen wen Rüstungsgüter dann verwendet werden, lässt sich nicht bestimmen. Auch verursacht die Lagerung und Wartung von Rüstungsgütern hohe wirtschaftliche und oft auch ökologische Kosten. Die Staaten der früheren Sowjetunion verdeutlichen dies. Es besteht immer die Gefahr, dass Waffen, auch Massenvernichtungswaffen, aus welchen Gründen auch immer, entwendet werden. So kann auch kein Exporteur mit Sicherheit ausschließen, dass die exportierte Rüstung nicht eines Tages gegen das Herkunftsland verwendet wird. Empirische Beispiele gibt es genügend, es sei nur an den Falkland-Malvinas-Krieg, an den Zweiten Golfkrieg oder an den derzeitigen Afghanistan-Konflikt erinnert.

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass ein Empfänger von Rüstungslieferungen damit unterschiedliche Absichten verbinden kann. Mag die Kompensation von Ausstattungswünschen der jeweiligen Militärs politisch noch die harmloseste sein, auch wenn mit ihr bereits die Verschwendung ökonomischer Ressourcen einhergeht, so fällt der Einstieg in Rüstungswettläufe schon gravierender ins Gewicht, sieht man von dem Aufbau einer Drohkulisse oder einer unmittelbaren Vorbereitung eines militärischen Angriffs einmal ab. Zielt die Modernisierung der Streitkräfte eines Landes darauf, durch Rüstungswettläufe die innere Stabilität eines Regimes zu bewahren, Repressionsinstrumente zu stärken und Demokratisierungsprozesse zu blockieren, rücken Menschenrechtsaspekte in den Vordergrund der Agenda.

Menschenrechtsverletzungen werden weltweit begangen und Rüstungsgüter stellen dafür die Werkzeuge dar. In ihren Berichten dokumentieren Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch ausführlich den Einsatz von Rüstungsgütern und gehen dabei auch zunehmend auf die Herkunftsländer der Waffen und Sicherheitstechnologie ein. Dennoch werden Täter weiterhin von ausländischen Regierungen und privaten Waffenhändlern ausgestattet.

Zu den weltweit größten Waffenlieferanten zählen die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, die Bundesrepublik Deutschland, China, die Niederlande, Italien und die Ukraine, wobei der Anteil aus den USA über die Hälfte der Exporte ausmacht. Besonders bitter ist hier, dass auch die Staaten vertreten sind, die den Anspruch erheben, weltweit Demokratie und Menschenrechte zu fördern. Zwar gibt es in der Gesetzgebung entsprechende Menschenrechtsklauseln, diese sind aber unzureichend. In der Praxis werden immer noch zu viele Rüstungsgüter in Staaten exportiert, in denen massive Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Gleichzeitig finden in Industriestaaten Sicherheitsmessen statt. Hier, aber auch in entsprechenden Fachzeitschriften, können Unternehmen die Qualitäten ihrer Produkte auf eine perverse Art und Weise bewerben. Händler und Käufer können hier leicht Kontakt zueinander finden, die eigentlichen Geschäfte werden weitgehend im Dunkeln abgewickelt. Private Sicherheitsunternehmen dürfen weltweit ihre Dienste anbieten und werden so de facto zu Söldnern. Außerdem bieten westliche Finanzunternehmen die Infrastruktur, um auf der ganzen Welt Rüstungsgeschäfte abwickeln zu können. Geht es aber darum, Menschen Asyl zu gewähren, die aus Gebieten fliehen müssen, die von Industriestaaten mit Waffen und Repressionstechnologie versorgt wurden, zeigen sich die Lieferstaaten nicht willig, diese Menschen aufzunehmen.

Während im Kalten Krieg die Supermächte und ihre Bündnispartner freundlich gesinnte Staaten oder Guerillabewegungen ausrüsteten, damit aber auch die Bedingungen für den Rüstungstransfer bestimmen konnten, hat sich der globale Rüstungsmarkt nach dem Kalten Krieg entscheidend gewandelt. Heute existiert ein Käufermarkt und Staaten sind nicht mehr die entscheidenden Lieferanten, sondern wurden durch private Waffenhändler ersetzt. Nach Ende des Kalten Krieges wurden Überschusswaffen zu Dumpingpreisen in verschiedene Regionen entsorgt. Die Folge ist, dass Kleinwaffen in vielen Konfliktgebieten billig und leicht zugänglich sind.

Die bewaffneten Konflikte der neunziger Jahre lassen sich nicht auf das bloße Vorhandensein von Kleinwaffen zurückführen. Doch hat der leichte Zugang zu Waffen zur Eskalation von vielen Konflikten beigetragen. Befinden sich Staaten in einer Krisensituation, können schon kleine bewaffnete Zwischenfälle Friedensgespräche zunichte machen und die endgültige Eskalation von Konflikten auslösen. Dafür reichen wenige Bomben oder Gewehre, wie die Attentate in Israel oder vor dem indischen Parlament zeigen.

In einigen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, im Kaukasus, in Subsahara-Afrika und in Teilen Lateinamerikas und Zentralasiens haben Staaten ihr Waffenmonopol längst verloren oder sind schon selbst zerfallen. Selbst wenn der Handel mit neuen Waffen sofort gestoppt würde, so sind weltweit immer noch genug Waffen im Umlauf, um Konflikte noch Jahre andauern zu lassen. Gerade die Verfügbarkeit von Kleinwaffen hat den Aufstieg von lokalen Warlords befördert, die unter keiner Kontrolle stehen. Damit verändert sich auch der Charakter von Kriegen. Es entsteht eine Schicht von Kriegsgewinnlern die Interesse an Konflikten hat. Oft ist der Handel mit Waffen, neben dem Drogen- und Menschenhandel, der einzige wirklich funktionierende Wirtschaftszweig. Selbst nach Beendigung von Konflikten stellen Kleinwaffen ein großes Problem dar. Die weite Verbreitung von Waffen, darunter auch Minen, gefährdet die Sicherheit der BewohnerInnen der betroffenen Regionen, aber auch die Sicherheit der MitarbeiterInnen internationaler Hilfsorganisationen und Schutztruppen. Hinzu kommen die Probleme, ehemalige (Kinder-)Soldaten wieder in die Gesellschaft zu integrieren und eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen.

Damit diese Probleme, und damit verbunden auch Menschenrechtsverletzungen, bereits im Vorfeld verhindert werden, sind folgende Maßnahmen notwendig und möglich, die sich zum Teil in verschiedenen Gesetzen und Grundsatzerklärungen schon finden, aber bisher nicht konsequent umgesetzt werden:
  • Die Genehmigung von Rüstungstransfers darf nur erfolgen, wenn mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass mit den exportierten Gütern Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Als Entscheidungsgrundlage sollten hier die Berichte unabhängiger Menschenrechtsorganisationen herangezogen werden.
  • Sicherstellung, dass die Rüstung endgültig im Empfängerland verbleibt.
  • Aufnahme sogenannter Sicherheits- oder "nicht tödlicher" Technologie in die Rüstungsexportgesetzgebung.
  • Staatliche Kontrolle der Arbeit privater Sicherheitsunternehmen.
  • Die Entscheidung über Rüstungstransfers muss von Parlamenten getroffen werden.
  • Humanitäre Aspekte müssen immer über ökonomischen stehen. Die ökonomischen Ressourcen des Empfängerlandes müssen berücksichtigt werden. Wenn große Teile der Bevölkerung in Armut leben, ist der Kauf von teuren Rüstungsgütern nicht zu rechtfertigen.
  • Kennzeichnung von Rüstungsgütern: Der Weg von der Herstellung bis zum Empfänger muss durch Markierungen und Registrierungen der entsprechenden Güter jederzeit verfolgt und dokumentiert werden können.
  • Vernichtung von Überschusswaffen, auch wenn die Kosten der Vernichtung größer sind als die des Transfers. Rückkaufaktionen sollten als Investitionen verstanden werden. Dies gilt insbesondere für die Staaten des ehemaligen Ostblocks und die künftigen NATO-Beitrittstaaten.
  • Einschränkung des Transfers von Munition. Munition ist nicht so lange verwendbar wie Waffen, sie ist aber von entscheidender Bedeutung, denn ohne die passende Munition sind Waffen nutzlos.
  • Schließlich müssen Rüstungstransfers transparenter gestaltet werden. Es ist nicht zulässig, dass in diesem sensiblen Bereich Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind. Regierungen und Unternehmen sollen durch entsprechende Gesetze verpflichtet werden, regelmäßig über die Art und die Menge der exportierten Rüstung und den Bestimmungsort zu informieren. Banken müssen ihre Transaktionen offen legen, damit auch die Finanzierung von Rüstungstransfers überprüft werden kann.
Mit dem Aspekt der Transparenz beschäftigt sich auch der erste Beitrag. Bernhard Moltmann gibt einen Überblick über die nationalen, europäischen und internationalen Gesetze und Bestimmungen für deutsche Rüstungsexporte. Moltmann stellt die Frage, ob das Recht überhaupt in der Lage sei, die dem internationalen Rüstungstransfers eigenen Probleme der Friedenssicherung und Förderung zu steuern. Er erklärt die Definitionen für deutsche Rüstungsgüter. Dabei deckt Moltmann die Defizite und Widersprüche bei Rüstungsexporten auf. Er zeigt Möglichkeiten, wie Defizite beseitigt werden können, und fordert schließlich, die Berechenbarkeit und die Transparenz der Bewilligungsprozesse zu erhöhen. Auch Michael Brzoska geht auf das Problem verschiedener Regelwerke auf europäischer Ebene ein. Von einer gemeinsamen EU-Rüstungsexportpolitik könne trotz verschiedener Regelwerke nicht gesprochen werden. Deshalb sei es schwierig, die Rüstungsexportpolitiken der EU Mitgliedsstaaten auf einen Nenner zu bringen. Durch den europäischen Binnenmarkt würden nationalstaatliche Kontrollmöglichkeiten eingeschränkt. Brzoska erklärt die Entstehung und die Ziele der verschiedenen europäischen Regelwerke, zeigt aber auch, dass es immer noch an den EU-Mitgliedsstaaten liegt, inwieweit bestehende EU-Regelwerke auch tatsächlich umgesetzt werden.

Anhand der Lieferung von Testpanzern in die Türkei zeigt Katja Frank die Widersprüchlichkeit der Rüstungsexportpolitik der rot-grünen Bundesregierung auf, die noch in ihrem Koalitionspapier Zurückhaltung angekündigt und neue Richtlinien für den Rüstungsexport formuliert hatte. Um das Spannungsfeld wirtschaftlicher und bündnispolitischer Interessen einerseits und der Verantwortung im Hinblick auf Menschenrechte und entwicklungspolitische Überlegungen andererseits aufzulösen, müsse sich die deutsche Rüstungsexportpolitik neu orientieren und das Demokratie-Kriterium als entscheidenden Standard für Rüstungsexporte einführen. Demokratien müssten über formale Minimal-standards, wie freie Wahlen, allgemeines aktives und passives Wahlrecht, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit definiert werden. Wichtig sei vor allem die Einhaltung der Menschenrechte und die zivile Kontrolle über das Militär und die Polizei. Für die Genehmigung von Rüstungsexporten müsse zudem sichergestellt werden, dass das Empfängerland auch Endverbleibland sei.

Ausgehend vom heutigen Phänomen der KindersoldatInnen widmet sich Peter Lock der politischen Ökonomie der Nachfrageseite für Rüstungsgüter. Nach Ende des Kalten Krieges werden Konflikte von Gewaltunternehmern dominiert, die in Folge zerfallender Staatlichkeit aus bewaffneten Konflikten ökonomischen Nutzen ziehen. Lock erklärt, dass der Globalisierungsprozess mehrere Ebenen umfasst, wobei der informelle und kriminelle Sektor selten beachtet werden, obwohl sie den überwiegenden Teil der Wirtschaft der Staaten der Dritten Welt darstellen. Gewaltunternehmer seien auf den Zugang zu internationalen Schwarzmärkten für Waffen, aber auch auf Devisen und die Einbindung in globale Handels- und Finanzströme angewiesen. Dies bedeute, dass Industrienationen durchaus Steuerungsmöglichkeiten hätten, um auf Konflikte in der Dritten Welt einzuwirken.

Mathias John wendet sich in seinem Beitrag der Problematik von Kleinwaffen und Repressionstechnologie zu. Er gibt einen Überblick über das geschätzte Ausmaß der im Umlauf befindlichen Kleinwaffen und ihrer Produktion. Kleinwaffen fordern inzwischen, insbesondere in bewaffneten Konflikten, die meisten Opfer, ihre unkontrollierte Anhäufung schaffe eine Kultur der Gewalt, in der massiv Menschenrechte verletzt werden und die ganze Staaten destabilisiert. John kritisiert die widersprüchliche Genehmigungspraxis der Bundesregierung und geht auf die prekäre Rolle privater Waffenhändler und Rüstungsmakler ein. Eine ähnlich gelagert Problematik zeigt er bei den sogenannten "nicht-tödlichen" Waffen auf, die für Folter und staatliche Repression eingesetzt werden können. Deren Produktion und Handel ist extrem undurchsichtig und vorhandene Kontrollen völlig unzureichend. John fordert konkrete Schritte, um dem Einsatz von Kleinwaffen und Folterwerkzeugen bei Verstößen gegen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht wirkungsvoll vorzubeugen. Ruth Stanley schildert die Folgen von Waffentransfers auf Kinderrechte. Formal gesehen sind Kinderrechte durch verschiedene Menschenrechtsvereinbarungen geschützt, de facto haben Kinder aber besonders unter Menschenrechtsver-letzungen zu leiden. In bewaffneten Konflikten werden sie Opfer von Vertreibung, sexueller Gewalt oder nehmen an bewaffneten Kämpfen teil. Sie sind von den Nachwirkungen von Konflikten, also einer schlechten ökonomischen Situation, Hunger und der Gefahr durch Landminen, betroffen. In Friedenszeiten werden Menschenrechtsverletzungen überproportional stark an Kindern begangen. Um einen Beitrag zur Vorbeugung von Verletzungen von Kinderrechten zu leisten, müsse der Transfer von Rüstungsgütern massiv eingeschränkt werden.

Xanthe Hall und Jens-Peter Steffen zeigen in ihrem Beitrag, dass durch die Herstellung und den Transfer von Atommaterial und Technologie Menschenrechte auf verschiedenen Ebenen verletzt werden. Auch nach dem Ende des Kalten Krieges stellen Atomwaffen eine Bedrohung des Rechts auf Leben, Freiheit und Sicherheit dar. Atomwaffentests und Uranabbau hatten für indigene Völker wie die Aborigines in Australien, Indianer in den USA, Uiguren in China und die Bewohner der Marshallinseln katastrophale gesundheitliche und soziale Auswirkungen.

Herbert Wulf geht in seinem Beitrag auf die neuen Rahmenbedingungen nach Ende des Kalten Krieges ein, nämlich die hegemoniale Stellung der USA und die Umorientierung der Armee weg von der klassischen Landesverteidigung hin zu neuen Aufgaben wie etwa Friedenserzwingung, humanitäre Intervention oder die Hilfe bei Naturkatastrophen. Er wirft die Frage auf, welche Erwartungen seit den achtziger Jahren an Konversion gestellt wurden und welche Erwartungen erfüllt werden konnten. Wulf macht deutlich, dass der Rüstungswettlauf keine Investition, sondern eine Verschuldung war und es auf Schulden keine Dividende gebe. Dennoch seien langfristig die Abrüstungskosten niedriger als die Erhaltung der bestehenden Armeen.

Dem weltweiten Problem von Anti-Personen-Minen widmet sich der Aufsatz von Thomas Gebauer. Minen verstoßen gegen soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte, vor allem aber gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Alle 20 Minuten explodiert eine Mine. Das Schicksal kurdischer und el salvadorianischer Minenopfer vor Augen beschreibt Gebauer die Entstehung der Internationalen Landminen Kampagne (ICBL). Er geht auf die Besonderheiten der ICBL ein, die sich nicht nach den UN richtete, sondern selbständig Konferenzen organisierte und durch den Druck unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen ein erfolgreiches Agenda Setting betreiben konnte. Gebauer beschreibt die Taktik der ICBL als eine Politik "mit und gegen den Staat", schließlich waren zahlreiche Staaten durch die Schnelligkeit und den Druck der ICBL überrascht worden, was zum Ottawa Vertrag und damit zum Verbot von Landminen führte. Gebauer geht aber auch auf die Defizite des Ottawa Vertrages ein. Die wichtigsten minenexportierenden Staaten, die USA, China, Russland, Indien und Pakistan, traten nicht dem Abkommen bei. Außerdem sei die Ottawa Definition von Minen zu eng gefasst und schließe einige Minengattungen nicht ein. Hier stelle sich das Problem der Entwicklung neuer Technologien, die de facto die Funktion von Minen übernehmen.

Andrea Kolling gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über die Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport!" des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO). Ausgangspunkt der Kampagne war der Widerstand gegen Militärmessen. Höhepunkte bestanden beispielsweise in der Verhinderung einer Lieferung einer Multi-Sensor-Plattform von MBB an das damalige Apartheid-Regime in Südafrika oder in der Aufdeckung einer Lieferung von Technologie zur Giftgasherstellung in den Irak. Die Autorin konstatiert, dass die Arbeit von NGOs seit Ende des Kalten Krieges noch weitaus größeren Schwierigkeiten gegenüber stehe, da die allgemeine Weltlage unübersichtlicher geworden sei. Mathias John schildert die Arbeit von Amnesty International im Bereich Rüstungstransfers. Er beschreibt die Entwicklung der Arbeit zu diesem Thema seit den siebziger Jahren und stellt die Forderungen von Amnesty International vor. Dazu gehören der Stopp von Rüstungstransfers, wenn diese zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, die Aufnahme von Menschenrechtsklauseln in die Gesetzgebung und die Aufklärungsarbeit bei Militär und Polizei. Seit Mitte der neunziger Jahre beschäftigt sich Amnesty International verstärkt mit dem Transfer von Folter- und Zwangsinstrumenten. John betont die Bedeutung der Offenlegung von Rüstungstransfers und die Vernetzung mit anderen Organisationen.

Die Beiträge zeigen, dass Rüstungstransfers und Menschenrechte ein Querschnittsproblem darstellen, das die Bereiche der Friedens- und Konfliktforschung, des Rechts, der politischen Ökonomie, der Entwicklungszusammen-arbeit und der praktischen Arbeit von NGOs, wie z.B. in der Anti-Folterkampagne von Amnesty International, umfasst. Es gibt immer noch zu wenig gesichertes Wissen über den Transfer von Rüstungsgütern, insbesondere von Kleinwaffen und Folterwerkzeugen. Deswegen kommt der Dokumentations- und Aufklärungsarbeit von Forschungsinstitutionen und NGOs eine besondere Bedeutung zu. Es wird in den Beiträgen deutlich, dass es sehr wichtig ist, den Bereich der Rüstungstransfers zu erhellen. Dies gilt gleichermaßen für politische Entscheidungsprozesse, wie auch für die Aktivitäten privater Händler und Finanzunternehmen. Rechtliche Lücken auf nationaler und internationaler Ebene könnten mit dem entsprechenden politischen Willen beseitigt werden, bestehende Bestimmungen müssten auch konsequent umgesetzt werden.

Es muss auch die Frage gestellt werden, wie Wissen über die Bedingungen und Auswirkungen von Rüstungstransfers konkret in Handlungsmöglichkeiten umgesetzt werden kann. In den Beiträgen wird die Bedeutung der Vernetzung von NGOs betont. Die Landminenkampagne hat gezeigt, dass die breite gesellschaftliche Unterstützung konkreter Forderungen große Wirkung erzielen kann. Sie zeigt aber auch, wie die Erfolge der Landminenkampagne durch die Entwicklung neuer Technologien und die Weigerung wichtiger Staaten, sich zu beteiligen, unterlaufen werden können. Es bleibt abzuwarten, ob das Modell der Landminenkampagne auch auf andere Bereiche erfolgreich übertragen werden kann. Obwohl schon zahlreiche NGOs seit Jahren versuchen, den Handel mit Sicherheitstechnologie und Kleinwaffen einzudämmen, konnten, außer einer starken Aufklärungsarbeit, noch keine Erfolge erzielt werden, die mit denen der Landminenkampagne vergleichbar wären. Der Band lässt noch viele Fragen unbeantwortet. Er soll aber dazu anregen, den ständigen Austausch zwischen Menschen aus der Wissenschaft und aus NGOs zu pflegen, die unter verschiedenen Fragestellungen zu unterschiedlichen Rüstungsgütern und Regionen arbeiten, aber das Ziel teilen, den Transfer von Rüstungsgütern und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen einzudämmen.

Literaturhinweise
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  • Lock, Peter (2001), Kleinwaffen - Eine Herausforderung für den Weltfrieden, Policy Paper 17, Duisburg - Bonn.
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