Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Friedenswissenschaft

Der nachfolgende, leicht gekürzte Text von Werner Ruf fußt auf einem Vortrag, den er beim Friedensratschlag 1998 in Kassel gehalten hat. Auf Quellenangaben wurde verzichtet. Der vollständige Beitrag ist dokumentiert in:

Ralph-M. Luedtke, Peter Strutynski (Hrsg.): Pazifismus, Politik und Widerstand. Analysen und Strategien der Friedensbewegung, Jenior Verlag: Kassel 1999, S. 16-26.

Das Buch kann über den Buchhandel bezogen werden (Preis: 29 DM)

Werner Ruf

Zur Privatisierung von Gewalt


Der Staat, in dessen Kategorien wir gewohnt sind, Politik zu denken, ist ein junges Phänomen in der Geschichte. Er nahm seinen Anfang in der Renaissance und im Absolutismus, transformierte sich mit der französischen Revolution zum bürgerlichen Nationalstaat und war im Zeitalter des Imperialismus Instrument vor allem zur Durchsetzung nationaler ökonomischer Interessen. Der moderne Staat definiert sich als Inhaber des Gewaltmonopols über das den Staat konstituierende Staatsvolk innerhalb fest gefügter und staatlich gesicherter territorialer Grenzen.

Im Zeitalter der Globalisierung beginnen diese Grenzen sich aufzulösen. Nicht nur agieren Finanz- und produktives Kapitel ohne Rücksicht auf territoriale Grenzen transnational, transnational bewegt sich auch die Arbeitskraft, transnational sind die ökologischen Folgen kapitalistischen Wirtschaftens, transnational sind auch Kulturen und Konsummuster. Zugleich wird die Globalisierung begleitet vom Siegeszug des Neoliberalismus, der die bisherigen nationalstaatlich organisierten sozialen Gefüge dereguliert und damit letztendlich die Legitimität des Nationalstaats untergräbt. Teil dieses Prozesses ist die sogenannte Standortkonkurrenz, mit der die Nationalstaaten versuchen, Auslandsinvestitionen zu locken - um den Preis eines weiteren Autonomieverlusts des Staates.

Dies gilt sogar für die sogenannte Erste, die OECD-Welt, die sich durch relativen Wohlstand auszeichnet, zeigen sich doch selbst hier Tendenzen zur Auflösung bestehender Staatlichkeit entlang "nützlicher" Grenzen, wie etwa in den Sezessionsbestrebungen der Lega Nord in Italien. In erhöhtem Maße gilt dies für die Staaten der ehemals Zweiten und vor allem Dritten Welt, deren extrem ungleich oder unterentwickelte Ökonomien in erster Linie politisch reguliert wurden. Der allgemeine Legitimationsverlust des Staates nach dem realen Zusammenbruch des Sozialismus hatte nicht nur für die ehemals sozialistischen Länder gravierende Folgen, er betrifft auch unmittelbar die Staaten der ehemaligen Dritten Welt, die aus dem Systemkonflikt Mittel zur Stabilisierung wenn auch nicht ihrer Ökonomien, so doch ihrer politischen Regime mobilisieren konnten. Zwar flossen diese Mittel zu großen Teilen in die Taschen der Herrschenden und begründeten damit die Ausbildung von Pfründenwirtschaft, zu Teilen wurden sie jedoch auch genutzt zur Ausrüstung der Armeen und zur Sicherung von Mindeststandards im Bereich der sozialen Versorgung (Erziehungswesen, Gesundheitswesen). Diese Möglichkeit begrenzten politischen Manövrierens ist seit dem Ende der Bipolarität entfallen, die Staaten sahen sich schlagartig den Mechanismen des Weltmarkts hilflos ausgesetzt, ganze ökonomisch relativ "unnütze" Regionen, wie beispielsweise der größte Teil Schwarzafrikas, werden vom Weltmarkt abgekoppelt, sind aber dessen Druck durch die Außenorientierung ihrer Ökonomien voll ausgesetzt.

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Neben der scheinheiligen Forderung nach Demokratisierung ist seit Ende des Ost-West-Konflikts die totale Liberalisierung der Ökonomien angesagt und wird, mit Hilfe des Drucks von Weltbank und Internationalem Währungsfonds, durchgesetzt. In den politisch überdeterminierten Staaten der ehemals Zweiten und Dritten Welt verkommen so die alten politischen Strukturen, die oft schon klientelistisch organisiert waren, zu Pfründen, die dazu genutzt werden, persönliche Bereicherung sicherzustellen - unter Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols. "Die Trennung von Politik und Wirtschaft verschwindet. Der Präsident fungiert als Aufsichtsrat über ein auf Korruption gestütztes Wirtschaftskonsortium, das sich zunehmend des Staates bemächtigt und seine Organe privatisiert. Der Staat wird zu einer opportunen Ressource zur Förderung partikularer Interessen degradiert."

Die Tendenzen zur Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols haben eine Vielzahl von Folgen, die sich gegenseitig überlappen, verstärken, aber auch widersprechen können:
- Die Kontrolle des Territoriums und der Grenzen wird brüchig bis hinfällig; der Staat ist nicht mehr in der Lage, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.
- Neue, lokale Formen der Gewährleistung von "Sicherheit" etablieren sich auf "privater" oder "quasi-privater" Grundlage in Form von Rebellionen gegen die "Zentralgewalt", sie finanzieren sich aus dem Abpressen von Abgaben durch die von bewaffneten Gruppen kontrollierten Bevölkerungsteile, durch "Weltmarktintegration", indem sie für von ihnen kontrollierte "nützliche Gebiete" direkt mit multinationalen Konzernen Verträge schließen (Diamanten in Sierra Leone, Kautschukplantagen in Liberia etc.), oder indem sie von internationalen Hilfsorganisationen für die Bevölkerung bestimmte Hilfsgüter abpressen (Sudan, Bosnien etc.).
- Neue Legitimitätsmuster werden gebildet durch Ein- und Ausschluß: Die Konflikte werden "ethnisiert", indem die wenigen mangelnden Ressourcen nur noch an Angehörige der eigenen "Ethnie" verteilt werden (Kroatien, Ruanda). Dies ist umso einfacher, als staatliche Herrschaft schon lange klientelistisch, oft entlang von stammesmäßigen Strukturen, organisiert war.
- Die Armeen dieser Staaten spielen oft eine zentrale Rolle in solchen Auflösungsprozessen und der Herausbildung neuer Konflikthaftigkeiten, da sie einigermaßen funktionierende hierarchische Gebilde sind, oft gleichfalls auf ethnisch-tribal-homogener Ebene gebildet wurden (Sicherheit des Präsidentenclans) und ihrerseits über historisch gewachsene Außenbeziehungen (Ausbildung, Ausrüstung) verfügen. Nichtbezahlter Sold, Demobilisierung von Teilen der Armee aufgrund des Druck des IWF etc. begünstigten die Verwandlung dieses staatlichen Ordnungsinstruments in marodierende Banden. Deren "Kriegführung" erfolgt gleichfalls auf möglichst kostengünstiger Ebene, im Extremfall durch Rekrutierung von Jugendlichen und sogenannten Kindersoldaten, die in ihrer Tätigkeit in solchen Banden einen Ausweg aus Armut und Elend finden.

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In diesem Zusammenhang fügt es sich, daß auch im "alten" Westen das Gewaltmonopol nicht mehr als exklusive Angelegenheit des Staates betrachtet wird. So wie innerstaatlich zunehmend Wachdienste privatisiert worden sind, wie (beispielsweise in England) der Strafvollzug privatisiert wird, so wird offensichtlich auch "internationale Sicherheit" zunehmend von privaten Unternehmen auf dem Markt angeboten, gehandelt und letztlich gewährleistet.

In diesem internationalen Geschäft mit Sicherheit, dem die Nationalstaaten offensichtlich erhebliche Freiräume gewähren, sind mittlerweile gut zwei Dutzend Firmen tätig. Auf den ersten Blick erscheint dies als die geradezu explosionsartige Verbreitung einer neuen Form des inter- und transnationalen Söldnertums. Das Problem ist jedoch die Definition des Söldners: So hat die Organisation für Afrikanische Einheit schon seit Jahrzehnten die Verurteilung und die Eliminierung des Söldnertums aufgrund von Erfahrungen gefordert, die mit derartigen Truppen vor allem in der Auseinandersetzung um den ehemals Belgischen Kongo (später Zaire, jetzt wieder Kongo) seit den Wirren um die Unabhängigkeit im Jahre 1960 geführt wurden. Dabei erwies es sich als sehr schwierig zu definieren, was Söldner sind: Beispielsweise ist die französische Fremdenlegion zweifelsohne eine Söldnertruppe, jedoch ist sie Bestandteil der französischen Streitkräfte, damit untersteht sie dem Gewaltmonopol der französischen Regierung und hat die von dieser unterschriebenen internationalen Verträge - und so auch vor allem die Haager und Genfer Konventionen - zu beachten. Problematisch ist auch die Stellung von Militärberatern, die von Regierungen entsandt und gewissermaßen an ausländische Regierungen "ausgeliehen" werden, also im Solde dieser Leih-Regierungen stehen, die ihrerseits als Inhaber des legitimen Gewaltmonopols auftreten. Unterhalb dieser staatlichen Ebene fungieren schon seit langem multinationale Konzerne, insbesondere Ölkompanien, die Schutztruppen "privat" anheuern, um diese für die Sicherheit ihrer Anlagen sorgen zu lassen. Hier wurde, vor allem in Afrika, schon lange das staatliche Gewaltmonopol unterlaufen. In dieselbe Kategorie gehört auch die rund 20.000 Mann starke "private" Schutztruppe des russischen Erdölkonzerns Gazprom. Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs: Nach Angaben des russischen Innenministeriums beschäftigen rund 4.500 russische Unternehmen ca. 155.000 Personen, die mit der Gewährleistung der Sicherheit dieser Unternehmen landesweit im Jahre 1997 tätig waren. Somit ist festzustellen, daß die in den 60er Jahren entwickelten legalen Definitionen über das Söldnertum kaum mehr brauchbar sind, um die Vielfalt der Erscheinungen privater militärischer Tätigkeit in den 90er Jahren zu erfassen. Festzustellen ist auch, daß trotz moralischer Verurteilungen die westlichen Regierungen kaum irgendwelche Schritte unternommen haben, um die Aktivitäten privater militärischer Unternehmen einzuschränken.

Und hier schürzt sich der Knoten: Staatszerfall, die Unfähigkeit der schwachen Staaten, ihren Armeen den Sold auszuzahlen, die von internationalen Finanzinstitutionen auferlegte Reduzierung der Streitkräfte etc. trugen dazu bei, daß die massenhafte Demobilisierung von Soldaten diese arbeitslos in einen nicht vorhandenen Arbeitsmarkt schickte. Was Wunder, daß sich diese demobilisierte Soldateska als Milizen konstituierte, ihrerseits durch Raub und Plünderung ihren Unterhalt sicherte, wobei der Zusammenhalt oft auf tribaler oder ethnischer Basis organisiert wurde - was dann in der westlichen Presse zur Deutung von "ethnischen Konflikten" führte. Staatszusammenbrüche und Veränderungen der politischen Systeme - insbesondere in Afrika, aber teilweise auch die relative Abrüstung im Westen und in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion - führten dazu, daß eine nicht unerhebliche Anzahl qualifizierter militärischer und/oder geheimdienstlich ausgebildeter Experten (bestes Beispiel: Afghanistan) auf einen immer freieren internationalen Arbeitsmarkt fluteten. Diese "Experten" sind Techniker des Krieges und der Subversion, ideologische Identifikationsmuster sind ihnen fremd. Sie fühlen sich weder einem staatlichen Gewaltmonopol verpflichtet, noch sind sie Akteure des Internationalen Systems, sind also frei von Regulierungen des Kriegsvölkerrechts, respektieren nicht völkerrechtliche Normen wie beispielsweise das Prinzip der Einhaltung von Verträgen oder der Respektierung elementarer Menschenrechte. Das einzige Kriterium von Kriegführung und söldnerhafter Verdingung gegenüber einer kriegführenden Partei ist der Profit.

Die Angebotspalette dieser Firmen reicht von militärischen Operationen (Sandline, Executive Outcomes) über Militärberatung (u.a. Military Professional Resources Inc. [(MPRI], Saladin Security, Vinnel, Defence Systems Ltd.) über Beschaffung und militärische Lageanalyse, weiter über logistische Unterstützung (DSL, Brown and Root, Pacific Architects and Engineers) bis zum Angebot von Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Konflikt. Sie umfaßt Sicherheitsdienste wie den Schutz von Personen und Eigentum (DSL, Saladin, Control Risks, Groop), Risikoanalysen in unsicheren Gebieten für Investoren, Forschungen und Informationsbeschaffung im Bereich von Kriminalität, Betrug, Investitionsmöglichkeiten (Kroll, Saladin u.a.) bis hin zur Bearbeitung und Beratung in Fragen von Geiselnahmen.

Welche Ausmaße die Privatisierung internationaler Sicherheit inzwischen angenommen hat, soll in der folgenden, nur die Spitze des Eisbergs benennenden Aufstellung gezeigt werden. Erstaunlich ist dabei, daß die internationalen Medien dieser Entwicklung bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt haben. Unter den wichtigsten privaten Unternehmen zur Gewährleistung nationaler/internationaler Sicherheit finden sich:

USA:
- Military Professional Resources, Inc. (MPRI) mit Sitz in McLean, Alexandria, Virginia. In ihr vertreten sind ehemalige führende US-Generäle, Ex-Kommandeure des Regional Command South (NATO), Pacific and Europe, die im Golfkrieg und bei den Joint Chiefs of Staff (US-Generalstab) dienten. Ihre Finanzierung erfolgt z.T. über Entwicklungshilfegelder. Ein wichtiger Einsatz von MPRI war die Planung des kroatischen Feldzugs zur Rückeroberung der (serbischen) Krajina im Jahre 1995. Ferner: Training zweier Luftlandebrigaden und Aufbau einer Ausbildungsakademie für die MPLA-Regierung in Angola (1995) zur Sicherung der Erdöl-Enklave in Cabinda. MPRI ist 1996 auch für die bosnische Regierungsarmee im Ausbildungsbereich tätig. Für diesen Zweck erfolgt die Finanzierung durch Saudi-Arabien, Kuweit, Brunai, Malaysia; Waffen liefern die USA.
- Science Applications International Company (SAIC): Die Firma ist ein Technologiegigant, der aber auch im Söldnerbereich tätig ist. Im Aufsichtsrat sitzen William Perry und Melvin Laird (beide ehemalige Verteidigungsminister der USA) und die ehemaligen CIA-Chefs John Deutch und Robert Gates.
- Vinnell Corporation (Virginia), kontrolliert vom quasi-monopolistischen weltweit operierenden Weizenkonzern Carlyle. Vorsitzende sind die ehemaligen Verteidigungsminister der USA Frank Carlucci und James Baker. Tätigkeit vor allem in Saudi-Arabien (Ausbildung, Ausrüstung).
- Betac: Arbeitet eng mit dem Special Operations Command des Pentagon zusammen, verdeckte Operationen in der Dritten Welt, Berater sind ehemalige 4-Sterne-Generäle der USA. Gilt auch als Subunternehmer der CIA (Sitz Florida).
- AirScan (Florida): Bewachung von Ölförderungsanlagen in Cabinda/Angola, Kongo/Brazzaville und Zaire/Kongo. Tätig vor allem in Uganda, Sudan (Südsudanesische Befreiungsarmee); Die Cabinda Gulf Oil Company gehört zu 39,2% dem US-Konzern Chevron, kleinere Anteile halten die französische Elf und andere europäische Firmen.
- Ronco: Hat während des gegen Ruanda verhängten Embargos Kleinwaffen, Ausrüstung und Fahrzeuge nach Ruanda geschmuggelt und der (damals aus Hutus bestehenden) Armee übergeben.

Südafrika:
- Executive Outcomes (EO), Pretoria, mit Vertretung in London, eigene Luftlinie (Ibis Air), kleine Luftwaffe und Panzer (vor allem aus Osteuropa beschafft), Beratung und Kriegführung, bisher über 30 Einsätze, die prominentesten: 1995/96 in Sierra Leone, wo EO an Seiten der Regierung die Rebellen der Revolutionären Vereinigten Front aus der Hauptstadt Freetown vertrieb, die Finanzierung des Feldzugs stammt möglicherweise aus Mitteln des jüngsten Umschuldungsabkommens zwischen der Regierung Sierra Leones und dem IWF . Eine andere Version besagt, daß die Regierung dem Unternehmen die Ausbeutung von Diamanten und Erdölfeldern übertragen hat. EO, deren führende Köpfe während des Krieges in Angola von südafrikanischer Seite aus die UNITA-"Rebellen" in Angola unterstützt hatten, kämpften auf Seiten der regierenden MPLA gegen die Truppen der UNITA zwecks Sicherung der Erdölenklave von Cabinda. EO führte auch eine Gegenoffensive gegen die Rebellen von Laurent Kabila in Zaire/Kongo auf Seiten des damaligen Diktators Mobutu. Eine Niederlage erlitt EO in Papua/Neuguinea (März 1997), wo sie einen Putsch gegen die dortige Regierung unterstützt hatte.
- Zu der südafrikanischen Firma gehören außerdem die Executive Research Associates (ERA), die Lifeguard (Tochterfirma von EO), Alpha Five, Long Reach Security, Safenet.

Großbritannien:
- Hier sind die wichtigsten privaten Sicherheitsfirmen, die nicht selbst und direkt Kampfeinsätze organisieren, diese aber über andere private Sicherheitsfirmen wie US-amerikanische oder EO vermitteln: Defence Systems Ltd. (DSL), London, The Corps Commissioners, Defence Security Systems, Falconstar, Gurkha Security Guards Ltd., Sandline International, Control Risks, Stabilco, Intersec.

Weitere private Firmen existieren offiziell in Israel, Rußland, Angola, Kolumbien.

Diese Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig, insbesondere in den USA und Großbritannien gibt es eine Vielzahl weiterer Firmen, die teilweise miteinander konkurrieren, teilweise untereinander verflochten sind und unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, die von der Vermittlung von Militärexperten bis zur Beschaffung von Ausrüstung, von Geheimdienstoperationen bis zur Bereitstellung von Söldnertruppen reichen, wobei die Zusammenstellung solcher "internationaler Militärexperten" von ehemaligen Geheimdienstoffizieren und Folterexperten (darunter auch Südafrikaner in Algerien) bis zu international hoch qualifizierten Terroristen und Bombenlegern vor allem aus dem Afghanistan-Krieg und zu gut organisierten multinationalen Kampftruppen reichen, in denen beispielsweise - konfliktfrei - "Experten" aus Kroatien und Serbien kooperieren. Hier gilt nicht ethnische oder ideologische Zugehörigkeit, sondern allein die Kompetenz in subversiver oder offener Kriegführung, die Erfahrung im Foltergeschäft oder die Expertise im Verlegen von Landminen.

Der Zerfall von Staatlichkeit in der Dritten Welt ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung nicht nur von Bürgerkriegen, sondern auch von Bürgerkriegsökonomien. Gewalt und Plünderung, die instabile Kontrolle von Gebieten, deren Ausdehnung den Wechselfällen der bewaffneten Auseinandersetzungen unterworfen ist, die Kontrolle von Schmuggelwegen oder lokalen Ressourcen werden zur Reproduktionsbasis für die Bürgerkrieger. Private Kriegführungsfirmen können mit hoher militärischer Effizienz und Präzision sowohl in schwachen Staaten wie in nützlichen Regionen "geordnete" Verhältnisse herstellen, die optimal die Ausbeutung wichtiger mineralischer Rohstoffe gewährleisten. Gegenüber konventionellen (d.h. staatlichen) Militäreinheiten, multinationalen Interventionstruppen, sogenannten Friedenstruppen im Auftrag der UNO oder anderer internationaler Organisationen wie etwa der Organisation für Afrikanische Einheit weisen sie entscheidende Vorteile auf und bieten teilweise unersetzliche Dienste an:
- Sie können schnell und ohne komplizierte internationale Verhandlungen aufgestellt werden.
- Verluste, die diese Truppen erleiden, stellen kein Problem der Legitimation des Auftrags oder der politischen Rechtfertigung im Herkunftsland dar.
- Ihre militärische Kommandostruktur ist klarer und hierarchischer als die von multinationalen Einheiten.
- Sie sind besser in der Lage, das geeignete militärische Gerät bereitzustellen.
- Ebenso verfügen die zielgerichtet rekrutierten Söldner über bessere, konfliktspezifische Ausbildung.
- Sie haben größere Erfahrung in der Zusammenarbeit, um Ad-hoc-Aufgaben zu übernehmen, da die Angehörigen dieser Truppen zielgerichtet aus einer großen Zahl frei verfügbarer qualifizierter Kämpfer ausgewählt werden können.
- Diese Armeen, die auf Zeit bereitgestellt werden, sind im Endeffekt billiger als konventionelle Truppen.
- Die Söldnerheere selbst verfolgen keine politischen Zwecke, sondern sind Instrument der Firmen, die sie angeheuert haben.
- Zur Stabilisierung schwacher Staaten (i.e. schwacher bzw. illegitimer Regierungen) sind sie geeigneter als die eigenen Armeen, die immer auch eine Bedrohung der jeweiligen Gruppierung darstellen, die sich gerade an der Macht befindet.
- Die privaten Kriegführungsfirmen benutzen ihrerseits Hilfstruppen (Sierra Leone: Kamajors) ® Militarisierung, Ethnisierung, Destabilisierung nach Abzug.
- Hilfsorganisationen heuern private Sicherheitsdienste an, um ihre Hilfsgüter zu den Zielgruppen transportieren zu können.

Im allgemeinen Kontext der Globalisierung und Fragmentierung, hier konkret des Zerfalls von Staatlichkeit, der bisher auf Gebiete außerhalb der Triade beschränkt bleibt, bedeutet das In-Erscheinung-Treten solcher privater Kriegführungsfirmen, daß sie sämtliche internationalen Konventionen vom Kriegsvölkerrecht bis zu allen möglichen existierenden internationalen Verträgen unterlaufen können, da diese für sie nicht gelten können und da sie selbst keinerlei solche Verträge unterzeichnet haben, ja, als Nicht-Staaten gar nicht unterzeichnen können. Im zerfallenden Staat wird Landesverteidigung obsolet, private Kriegführungsfirmen sorgen dafür, daß die nützlichen Partikel (Gebiete) eines Staates für diejenigen gesichert werden, die an ihrer Ausbeutung ein Interesse haben. Damit zeigt sich auch der wahre Charakter dieser Unternehmen: Sie sind (meist) bisher verbunden mit internationalen Erdöl- oder Diamantenkonzernen, bieten sich diesen als Dienstleister an. Militärische Interessensicherung wird so zunehmend unterhalb der Ebene von Staatlichkeit - und damit des Internationalen Systems - organisiert und durchgeführt. In jedem Falle sind private Kriegführungsunternehmen billiger als die Aufrechterhaltung und Finanzierung stehender Heere, deren politische Zuverlässigkeit außerdem fraglich erscheint.

Gleichzeitig bieten sich die privaten Kriegführungsfirmen auch dafür an, die Interessen von Staaten (angefangen von den USA bis hin zu Kleinstaaten in Afrika) durchzusetzen, ohne daß der sich ihrer bedienende Staat selbst gegen internationale Verträge und Regulierungen wie beispielsweise den Respekt vor staatlicher Souveränität verstoßen müßte. Jenseits der erheblichen Profite, die solche Kriegführungsfirmen erwirtschaften, zeigt sich das Interesse an ihnen auch in ihrer Einbettung in die Konzernstrukturen transnationaler Unternehmungen wie etwa Branch Energy wie auch in der Präsenz prominenter Politiker, Militärs und Geheimdienstchefs der führenden Industriestaaten in ihren Aufsichträten.

Damit erscheinen die privaten Kriegführungsfirmen durchaus als eine logische Konsequenz des neoliberalen Konzepts und als ein Instrument zur Entstaatlichung auch der internationalen Beziehungen, ausgerichtet auf die Sicherung optimaler Verwertungsbedingungen des Kapitals. Die Privatisierung der Kriegführung ist nicht nur die ideale - und billigere - Form der Kriegführung, sie erlaubt auch die Interessensicherung völlig unabhängig von staatlicher Aufsicht und Verantwortung. Während auf der einen Seite der Rückfall in die Anarchie der Kriegführung mit einer Vision des Krieges nicht mehr zwischen Staaten, sondern zwischen Konzernen erscheint, stellt sich auf der anderen Seite die Frage, inwieweit die Staatengemeinschaft bereit ist, jenes konstitutive Element von Staatlichkeit freiwillig preiszugeben, das im staatlichen Gewaltmonopol besteht. Daß dies zunächst nur für die schwachen Staaten zu gelten scheint, ist ein geringer Trost, können doch die "starken Staaten" durch das Agieren der meist in ihrem Territorium residierenden multinationalen Konzerne und durch die Unberechenbarkeit der Konfliktentwicklung, an der private Firmen massiv beteiligt sind, in ein Konfliktgeschehen hineingezogen werden, das sie selbst nicht mehr exklusiv zu steuern vermögen. Schließlich öffnen diese Formen der Privatisierung kriegführender Gewalt die Tür zu einer Kriminalisierung nicht nur der Ökonomie, sondern auch der Politik.

Weitere Beiträge zum Thema "Privatisierung der Gewalt" finden sich auf der Themenseite "Privatkriege"

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