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"Gute Medien – Böser Krieg?"

Medien am schmalen Grat zwischen Cheerleadern des Militärs und Friedensjournalismus - Eine Nachlese der Schlaininger Sommerakademie 2006

Von Rita Glavitza*, Georg Leitner** und Thomas Roithner***

Zum 23. Mal lud das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) zu seinem Sitz auf die südburgenländische Burg Schlaining, um vom 9. – 14. Juli 2006 den Zusammenhang von Medien und Krieg zu diskutieren. Über 350 Leute folgten der Einladung des Friedenszentrums zur Akademie.

Das Thema führte nicht nur JournalistInnen und MedienwissenschafterInnen nach Schlaining, sondern auch VertreterInnen unterschiedlichster Schattierungen sozialer Bewegungen, FriedensforscherInnen, MilitärwissenschafterInnen, VertreterInnen von Gewerkschaften und Kirchen und Studierende unterschiedlichster Studienrichtungen. Schon beinahe traditionell bilden die Kultur- und SozialanthropologInnen eine wichtige Gruppe. Naturgemäß reichte die Berichterstattung zu diesem Thema über den Print- und Onlinejournalismus (beispielsweise http://derstandard.at/?url=/?ressort=schlaining) über TV-Berichterstattung und Radioberichte weit über den Kreis der TeilnehmerInnen hinaus.

Der Präsident des Friedenszentrums Schlaining Gerald Mader bezeichnete in seiner Eröffnungsrede Krieg als eine Katastrophe, die von Menschen gemacht wird und nicht beseitigbar ist, indem man Worte wie „Angriff“ etwa durch „Verteidigung“ ersetzt, denn Krieg bleibt schließlich Krieg. Er appelliert an ein Umdenken der Politik im Atomzeitalter, welches eine kritische Auseinandersetzung mit der Realpolitik und der Suche nach Alternativen notwendig macht. In diesem Zusammenhang zitiert Mader Brechts „Dreigroschenoper“ und benannte die „erfinderischen Zwerge, die man alle mieten kann“ als Medien und JournalistInnen. Neben dem politischen Druck des Staates – besonders der „patriotische“ Druck im Kriegsfall, wo kritische JournalistInnen Gefahr laufen, als StaatsverräterInnen geächtet zu werden – unterliegen Medien auch ökonomischen Zwängen, sowie nicht zuletzt dem militärischen Informationsmanagement, das sich von Vietnam bis Irak stark verändert hat. Nachdem das Verhältnis von Politik und Medien von einem allgemeinen Glaubwürdigkeitsverlust bestimmt wird, ist Ethik, die bislang fast als altmodisches Attribut galt, wieder gefragt.

Weiters ging Mader auf die Zukunft des Friedenszentrums ein und nannte die mögliche Übernahme des Burghotels und den Ausbau des Universitätslehrgangs (EPU) als zentrale Herausforderungen Schlainings. Entsprechend einer gesetzlichen Bestimmung soll letztere ab 2010 als private Universität geführt werden. Dies soll durch eine Kooperation mit einer ungarischen Partnerorganisation in Köszeg gewährleistet werden. Diese erste grenzüberschreitende Universität der EU weist zwar gewisse „utopische Züge“ auf, sei aber jedoch durchaus zu bewältigen, so Mader.

In seinem Festvortrag skizzierte Freimut Duve, ehemaliger OSZE-Beauftragter für die Freiheit der Medien, deren Bedeutung, zwischen Werkzeug der Instrumentalisierung von behaupteten Ideologien einerseits und Erzeuger einer neuen Wachsamkeit andererseits. Die Verantwortung von Schrift und Bild im Krieg existiert nicht erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts, vielmehr wurde die Kriegsgeschichte über Jahrhunderte von diesem Thema begleitet. Der Krieg selbst wurde nicht nur durch den Bedarf nach Ressourcen wie Öl gerechtfertigt, sondern stützte sich auch auf eine moralische, religiöse Begründung. Nachdem etwa religiös motivierte Kriminelle am 11.9.2001 ein furchtbares Verbrechen verübt hatten, suchte Präsident George W. Bush die religiöse Augenhöhe uralter Glaubenskriege. So wurde aus einem Verbrechen ein religiöser Krieg, welcher mit der gleichen (religiösen) Begründung arbeitete, wie jene der Gegner. Zudem verwies Duve auf Probleme der Medien im 21. Jahrhundert, wie etwa das zunehmend unausgewogene Verhältnis von Qualität und Konsum im Fernsehen, so dass man von einer „Einfaltquote“ sprechen kann, oder weiters die Besitznahme und bzw. oder die Kontrolle von Medien durch Ökonomie und Politik, wie etwa die Mediendiktatur Russlands, wo Präsident Putin sich ein absolutes Medienmonopol gesichert hat und jegliche Kritik unterbindet. Zuletzt führte Duve die Wachheit des Journalismus und die entsprechende Aufbruchstimmung auf das Bewusstsein um die mediale Tätigkeit der Nazis zurück – besonders in Deutschland – und mahnte, wenn Freiheit ohne Verantwortung gebraucht werde, könne sie auf dramatische Weise missbraucht werden.

Vom Kriegsberichterstatter zum Brandstifter?

Den zweiten Tag der Sommerakademie läutete der Vortrag von Mira Beham, OSZE-Diplomatin für Serbien, Publizistin und Journalistin, mit einer historischen Rekonstruktion von moderner Kriegsberichterstattung ein. Beginnend mit dem amerikanischen Sezessionskrieg lässt sich das Aufkommen der Massenpresse verorten, als allein auf Seiten der Nordstaaten über 500 ReporterInnen bereit standen. Die Auflagen der New Yorker Zeitungen verfünffachten sich durch die Kriegsberichterstattung und das Zeitalter eines deklamatorischen Journalismus, in dem objektive Berichterstattung keinen Platz fand, hatte begonnen. Die zeitlich entsprechenden technologischen Neuerungen Telegraf und Fotografie trugen nicht – wie angenommen – zur besseren Unterrichtung der Öffentlichkeit bei, vielmehr kam es zu einer totalen Kommerzialisierung auf Kosten der Qualität. So wurden bzw. werden Fotos aus ihrem Kontext gerissen und zwecks Emotionalisierung instrumentalisiert. Die wachsenden Kommunikationsstrukturen verlangten schließlich eine umfassende Systematisierung des Zugriffs auf die Presse. Schon im Ersten Weltkrieg wurden Propaganda-Netzwerke zur Lenkung und Mobilisierung der öffentlichen Meinung aufgebaut, die im Zweiten Weltkrieg als Vorbild dienten und verfeinert wurden. Auch die technologischen Neuerungen Fernsehen und Rundfunk konnten nicht zu einer Qualitätssteigerung beitragen, sondern wurden vielmehr in den Dienst des Vaterlandes und des Militärs gestellt. Auch im weitgehend zensurfreien Vietnamkrieg, dem ersten „Wohnzimmerkrieg“, wurde die Wahrnehmung durch das Fernsehen in „emotional gedämpften Arrangements“ beschränkt, so Beham. Abschließend benannte die Vortragende mehrere Elemente, die Medien zu Teilen von Kriegen werden lassen, wie unter anderem die Polarisierung bzw. Konstruktion von Feindbildern, die Delegitimierung des Gegners durch seine Dehumanisierung, die Unterdrückung von abweichenden Meinungen, selektive Berichterstattung, Zensur und Manipulation, die Einflussnahme von PR-Agenturen bzw. privatisierten Propagandainstitutionen etc.

Auch der ehemalige Brigadegeneral Heinz Loquai (Universität Köln) ging von einem Versagen des Großteils der Medien als kritisches Kontrollelement in der jüngsten Kriegsgeschichte aus. Diese sind zwar als „vierte Gewalt“ gefragt, finden sich aber als Opfer der Informationsmaschinerien. Zudem nannte Loquai die Sprache selbst als Kriegsopfer, die nicht nur komprimiert, sondern geradezu pervertiert wird, wenn Bombardierungen zu „individuellen erzieherischen Maßnahmen“ verharmlost werden, oder wenn „chirurgische Eingriffe“ die angebliche Präzision militärischer Angriffe mit kaum zivilen Opfern, sozusagen als Vorraussetzung für eine Heilung propagieren. In diesem Zusammenhang werden auch gerne Euphemismen herangezogen, wenn etwa atomare Raketen mit enormer Sprengkraft liebevoll als „mini-nukes“ bezeichnet werden. Aber auch die „Bilder des Krieges“ werden zu einem „Krieg der Bilder“. Da diese im Gegensatz zu Texten von einem unmittelbaren, synchronen Charakter sind, vollzieht sich eine emotionale statt rationale Einbindung des Betrachters und schließlich eine Inszenierung von Politik zu Lasten des Inhalts. In Bezug auf den Iran lassen sich konstruierte Feindbilder ausmachen. Allerdings gestaltet sich die Personifizierung des Bösen in diesem Fall weitaus schwieriger als etwa bei Slobodan Milosevic oder Saddam Hussein. Auf der einen Seite wird eine Stigmatisierung des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad betrieben, auf der anderen Seite scheint es zu einer vorübergehenden Abkühlung gekommen zu sein. Die Leitung dieses Vormittages oblag Annette Scheiner (ORF Weltjournal).

Um den Iran-Konflikt ging es auch im Abendvortrag von Ulrich Tilgner (ZDF-Sonderkorrespondent für den Nahen und Mittleren Osten), durch den Christa Hager von derstandard.at führte. Tilgner betonte die Schwierigkeit, Dichtung und Wahrheit oder auch Falschmeldung und gezielte Falschmeldung auseinander zu halten. Trotz gewisser Undurchsichtigkeiten und der Weigerung Teherans bestimmte Fragen zu beantworten, fehlt doch eine glaubhafte Indizienkette. Auch IAEA-Inspektoren konnten schließlich keine Beweise für das Vorhandensein oder die Absicht zum Bau von Atombomben ausfindig machen. Der Iran verfügt zwar über ein beeindruckendes Materiallager, dieses lässt sich aber sowohl militärisch und bzw. oder friedlich nützen. Letztendlich hängt diese Entscheidung vom politischen Willen ab und diese sei scheinbar noch nicht getroffen, so Tilgner. Generell ist das Verhältnis zwischen USA und Iran ein kompliziertes und ein von Spannungen gezeichnetes. Neben Wirtschaftssanktionen und Propagandakrieg, gab es auch immer wieder undurchsichtige Kooperationen wie etwa gegen die Taliban Afghanistans. Allerdings wurden diese informellen Kontakte nicht für weitere Verhandlungen genutzt und so wurde eine Reihe von Chancen vertan. Iran wird als Teil der Achse des Bösen verstanden und bleibt damit erklärtes Kriegsziel. Medien können bzw. müssen laut Tilgner eine zentrale Rolle in diesem Konflikt übernehmen, stehen allerdings erst am Anfang.

Medien und der permanente Krieg gegen den Terror

Jürgen Rose (Oberstleutnant der Bundeswehr) setzte sich in seinem Vortrag mit dem Thema der „embedded journalists“ auseinander. Gerade in Demokratien ist der Aufwand, die Bevölkerung für einen Krieg zu mobilisieren, besonders groß. Deshalb bedarf es der Konstruktion von Bedrohungsszenarien und einer ausgeklügelten und überzeugenden Propaganda. In Kriegszeiten werden Massenmedien zur Kriegswaffe und „liefern dem Wahlvolk jene Lügen, nach denen es verlangt“, so Rose. Insofern ermöglicht diese Propaganda die gezielte Steuerung, Beeinflussung und Manipulation der öffentlichen Meinung, um so die Zustimmung der Bevölkerung zu einem Krieg zu erreichen. Seit dem 3. Golfkrieg wird von den USA eine neue Form der Informationskontrolle, die der „embedded journalists“, praktiziert. Dieses Konzept besteht darin, JournalistInnen direkt in eine kämpfende Gruppe zu integrieren, um so die Kriegsgeschehnisse aus einer ausschließlich amerikanischen Perspektive darzustellen. Da diese schon vorgefertigte Verträge unterzeichnen müssen und die Berichterstattung im Sinne der US-Regierung erfolgen muss, ist eine objektive Darstellung des Krieges kaum möglich. Rose bezeichnete „embedded journalists“ als „cheerleaders for war“ und sprach in diesem Zusammenhang von „schleichender Korruption durch Nähe“. Unabhängig recherchierende ReporterInnen (so genannte „unilaterals“) wurden dagegen bei ihrer Arbeit behindert und teilweise wurde sogar ihr Leben bedroht. Somit hatte das Fernsehpublikum laut Rose kaum die Chance, die „komplexe Realität des Krieges“ wahrzunehmen.

Der Presse-Journalist Thomas Seifert berichtete über die Problematik von Objektivität und Manipulation bei Krisenberichterstattungen und brachte auch seine eigenen Erfahrungen als Kriegsberichterstatter ein. Vor dem Irak-Krieg 2003 diente die mediale „Bewusstseinsmaschine“ in den USA, das Volk zu Hause sowie auch die eigene Armee von der Notwendigkeit eines Militärschlages gegen den Irak zu überzeugen. Die durch die Massenmedien vermittelte Kriegspropaganda lieferte den Soldaten den notwenigen Adrenalinschub und versuchte die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen, da der Krieg auch von amerikanischen Steuergeldern finanziert wird. Im Vorfeld des Krieges wurden öfters Bilder von amerikanischen Flugzeugträgern am Golf gezeigt, um dadurch einen baldigen Kriegsbeginn zu signalisieren. Die Problematik für JournalistInnen in Kriegsgebieten besteht laut Seifert darin, dass diese oft nicht wissen, welche Informationen wahr sind und sie auch mit bewussten Manipulationen konfrontiert werden. Weiters sind JournalistInnen auch „Gefangene der militärischen Logik“, da sie etwa, wie im Irak-Krieg geschehen, die gleiche Adjustierung wie Soldaten tragen müssen. Dies kann als eine Strategie psychologischer Kriegsführung gesehen werden und erschwert es, von IrakerInnen als neutrale BerichterstatterInnen wahrgenommen zu werden.

Abends fanden sich die TeilnehmerInnen der Sommerakademie zur Podiumsdiskussion zum Thema „Kampf der Kulturen – medial inszeniert oder Realität?“ unter der Moderation von Furche-Journalist Wolfgang Machreich ein. Während Nahostexpertin und Journalistin Karin Kneissl die Bedeutung des Idealismus auf beiden Seiten – „they both met god“ – betonte und Kulturkonflikte angesichts ihrer Inszenierung hinterfragte, unterstrich auch Omar Al-Rawi von der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen die zentrale Rolle der Medien und bezeichnete den Karikaturen-Streit um die Mohamed-Darstellungen als „Stellvertreterkrieg“, der ohne die Medien nicht möglich gewesen wäre. Fritz Hausjell von der Universität Wien räumte ein, dass zwar vieles medial inszeniert ist, die entscheidende Frage aber jene ist, wie die Politik schließlich damit umgehe. Wolfgang Schober (Medienexperte, BMLV) wiederum betonte den großen Einfluss von Bildern, sodass etwa der NATO-Krieg im Kosovo 1999 erst durch Bilder Vertriebener und dem nachfolgenden Druck durch etwa Menschenrechtsorganisationen ein Handlungszwang für die Politik entstanden sei.

Arabische Medien und Medienstrategien nach dem 11.9.2001

Der vierte Tag der Akademie widmete sich unter der Moderation von Cornelia Krebs (ORF Journal Panorama) der Berichterstattung der arabischen Medien. Als Korrespondent von Al Jazeera in Berlin ging Aktham Suliman auf die Geschichte seines Senders ein. 1996 gegründet war Al Jazeera der erste arabische Nachrichtensender und aus westlicher Sicht bis 2001 auch ein „Vorzeigeprojekt für Demokratisierung“ und ein „Gegengewicht zu autoritären Regimen“ in der arabischen Welt. Der 11.9.2001 stellte eine Zäsur in der Geschichte des Fernsehkanals dar. Al Jazeera wurde nun als stellvertretend für die arabischen Medien gesehen und auch als Sprachrohr der Al Kaida wahrgenommen. Aufgrund dieser Ereignisse war es schwierig, die eigene Rolle und Identität zu definieren. Suliman zufolge ist mit dem 11.9.2001 auch der „Vater von Al Jazeera“ gestorben, und spielt damit auf den Wandel in der Berichterstattung des westlichen Journalismus an. Wurde BBC zuvor als Inbegriff von Objektivität gesehen, so wurden die arabische Welt und Al Jazeera nach den Anschlägen als „Verurteilte“ dargestellt.

Die Journalistin und Nahostexpertin Karin Kneissl präsentierte einen Überblick über die Berichterstattung in der islamischen Welt und bezog sich konkret auf einige regionale Beispiele. Die meisten Printmedien sind laut Kneissl halb-offiziell und die redaktionelle Unabhängigkeit ist als „gering bis inexistent“ einzustufen. In Algerien müssen JournalistInnen Selbstzensur üben, doch gehen sie mit dieser kreativ um und somit ist Kritik nur zwischen den Zeilen zu finden. Im neuen, im Juni 2006 in Ägypten erlassenen Pressegesetz ist zu lesen, dass Berichte über Korruption nicht mehr zulässig sind. Im Libanon, Irak und Algerien sind JournalistInnen aufgrund einer regimekritischen Berichterstattung verschwunden, wurden verhaftet oder gar ermordet. Als ein neu aufgekommenes Medium beschrieb Kneissl den Weblog, welches eine vereinfachte Form einer Webseite darstellt, Tagebucheinträge einer Person beinhaltet und für Kommentare anderer Personen offen steht. Es gibt alleine 80 000 iranische Weblogs, welche vor allem von der Jugend als ein Mittel des Protestes genützt werden und in welchen über Themen wie Religion, Politik und Korruption diskutiert wird.

Mit den Medienstrategien globaler islamistischer Netzwerke befasste sich abschließend der Politologe Georg Schöfbänker. In den Medien wird oft von „dem Terrorismus“ gesprochen, jedoch ist dessen Definition oft nicht klar. Er selbst sieht diesen als eine Art undifferenzierte Gewaltausübung von nichtstaatlichen Organisationen an Unschuldigen, um durch einen Kommunikationsprozess bei politischen EntscheidungsträgerInnen einen Zustand des Entsetzens hervorzurufen und deren Verhalten zu beeinflussen. Da es sich bei Terrorismus eigentlich um eine Kampfart handelt, kann man diesen auch nicht wirklich bekämpfen. Schöfbänker betonte weiters die Bedeutung des Internets als Möglichkeit der Kommunikation für islamistische Netzwerke. Im World Wide Web gibt es mehrere Propagandavideos von Djihad-Gruppen, in welchen gefilmte Terroranschläge gezeigt werden. Diese stellen einen Kommunikationsprozess dar, mit dem Ziel Öffentlichkeit zu erzeugen, Leute zu rekrutieren, Netzwerke aufzubauen und Kontrolle und Kooperation von Anschlägen sicherzustellen. „Es gibt rund 3000 – 4000 islamistische Websites, allein 75 % davon in den USA“, so Schöfbänker.

Medienpolitische Ansätze zur konfliktsensitiven Berichterstattung

Die Themen konfliktsensitive Berichterstattung und Friedensjournalismus standen im Zentrum der Vorträge des fünften Tages der Sommerakademie. Nadine Bilke, Online-Redakteurin des ZDF, stellte ihr Modell von Friedensjournalismus vor und wies darauf hin, dass „Friedensjournalismus auch immer Qualitätsjournalismus“ sein sollte. Ein solcher Journalismus muss sich seiner Verantwortung gegenüber dem Publikum bewusst sein, soll Öffentlichkeit herstellen, Kritik und Kontrolle ausüben und einen Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung darstellen. Bilke plädiert für eine Qualitätspyramide, welche sich aus den Bausteinen Konfliktsensitivität, Wahrhaftigkeit, Richtigkeit, Relevanz und Vermittlung zusammensetzt. Es liegt in der Verantwortung der JournalistInnen, die Quellen auf Verlässlichkeit zu prüfen, die Berichterstattung möglichst transparent zu gestalten und auch die eigene kulturelle Position zu bedenken. Auch der Sprache kommt, wie schon Heinz Loquai festgestellt hat, eine bedeutende Rolle zu. Bei der Vermittlung von Informationen sollten Begriffe wie etwa „Genozid“ kritisch hinterfragt und nicht unreflektiert benutzt werden.

Nach Ulrich Tilgner und Heinz Loquai setzte sich auch der Journalist und UN-Korrespondent Andreas Zumach aufgrund der Aktualität des Themas in seinem Vortrag mit dem Iran auseinander und analysierte, inwiefern in diesem Fall eine objektive Berichterstattung missachtet wurde. Durch die Massenmedien wurde den Menschen versucht zu vermitteln, dass der Iran kein Recht darauf hätte, Uran anzureichern. Weiters kam es zu einer Verdrehung von Begriffen, wodurch aus Ahmadinedschads Aussage „Wir sind eine Atommacht“ die Annahme entstand, der Iran wäre eine „Atomwaffenmacht“. Ein erster Schritt für eine objektive Darstellung wäre eine Analyse der iranischen Geschichte, aus welcher sich das Misstrauen gegenüber der UNO und der USA erklären würde. Von Bedeutung wäre auch eine regionale Kontextualisierung in den Medien, um den Zusammenhang des Konfliktes mit Israel verstehen zu können. Erschwerende Faktoren für eine Lösung der Auseinandersetzung sind der Kampf um das Öl, die Politik Israels und die durch die Medien geschürten Ängste vor einer islamischen Bedrohung. Die Tatsache, dass es vor dem Irak-Krieg heftige Diskussionen über das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen im Irak gab, nun aber im Westen weitgehend ein Konsens über die iranische Bedrohung durch Atomwaffen besteht, führt laut Zumach dazu, dass die Möglichkeiten zur Verhinderung eines Krieges in diesem Fall stärker eingeschränkt sind. Durch diesen Vormittag führte Johannes Kaup (ORF Ö1).

Zum Abschluss der Akademie referierte Hans-Christoph Graf von Sponeck, ehemaliger beigeordneter UN-Generalsekretär und Koordinator des „Öl für Lebensmittel“-Programmes im Irak, über die vergebenen Chancen der Prävention und die Lehren aus dem dritten Irak-Krieg. Nach dem zweiten Golfkrieg kam es durch die Wirtschaftssanktionen der UN im Irak zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse. „Von den ursprünglich 28 Millionen Dollar Hilfsleistungen für die irakische Zivilbevölkerung bekam jeder Iraker nur 51 Cent pro Tag“, so Sponeck. Aufgrund des amerikanischen und britischen Drucks wurde kaum über die katastrophale humanitäre Situation im Irak berichtet. Über die Fehler der UNO wurde nicht gesprochen, und eine Aufarbeitung hat auch bis heute noch nicht stattgefunden. Aus seiner eigenen Erfahrung berichtete Sponeck über die Ohnmacht des UN-Generalsekreteriats gegenüber dem Sicherheitsrat. Obwohl man darüber informiert war, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen besitzt, kam aus nationalen, finanziellen und Karriereinteressen kaum Kritik aus den Reihen der UNO und so wurde die Möglichkeit, den Krieg zu verhindern, verspielt. Die Lehren, die Sponeck aus den begangenen Fehlern zieht, sind, dass Demokratisierung ein langer Prozess ist und man diese nicht einem Staat von außen auferlegen kann, dass sich die Energiepolitik ändern muss und dass „die beste Symptombekämpfung die Ursachenbekämpfung“ ist. Aus diesem Grund sollten auch die Besatzungstruppen aus dem Irak abgezogen werden. Abschließend plädierte er für mehr individuelle Eigenverantwortung bei der Wahl von PolitikerInnen und für eine Menschenpflichtsdeklaration, welche er als einen Katalog der Mitmenschlichkeit versteht. Die Diskussion des Vormittages leitete Johannes Marlovits (ORF).

Workshops

Neben dem Empfang durch die burgenländische Landesregierung – vertreten durch den Abgeordneten Georg Pehm –, dem Filmabend, dem Friedensgottesdienst mit Oberstudienrätin Monika Heitz sowie dem Burgfest, das mit der Musik der ostafrikanischen Band „Afrikali“ begeisterte, konnten sich die TeilnehmerInnen der Sommerakademie auch im Rahmen der neun angebotenen Workshops besser kennenlernen, austauschen und vor allem ihr Wissen rund um das komplexe Zusammenspiel von Medien und Krieg vertiefen. Während sich die Vormittagsvortragenden im Integrativworkshop unter der Leitung von Peter Steyrer (Grüner Klub) zur Diskussion stellten, untersuchte Andreas Zumach (Journalist und UNO-Korrespondent, Genf) im Rahmen seines Workshops die kommenden Kriege und ihre mediale Vorbereitung. Die ZDF-Online-Redakteurin Nadine Bilke erarbeitete gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppe Aufgaben einer konstruktiven Konfliktberichterstattung im Sinne eines kritischen Friedensjournalismus, wie auch Ursula Gamauf (ÖSFK Stadtschlaining) die bunte Medienlandschaft zwischen Kriegspropaganda und Friedensjournalismus gemeinsam mit Gästen aus der Praxis beleuchtete. Werner Ruf (Universität Kassel) diskutierte Hegemonie-Konzepte in Anlehnung an Gramsci und in Bezug auf medial dominante und vergessene oder ausgesparte Themen. Auch Christine Bauer-Jelinek (Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin) befasste sich im Rahmen ihres Workshops mit dem Konzept der Macht und versuchte neben einer entsprechenden Analyse, ihren Teilnehmern einen bewussten Umgang mit eigenen und fremden Macht-Ansprüchen zu vermitteln. Fritz Hausjell (Universität Wien) ließ seine Arbeitsgruppe Argumente für und wider den Krieg anhand des Fallbeispiels Iran und unter Bezugnahme auf Literatur- und Internetrecherche erarbeiten. Rita Glavitza und Georg Leitner (StudentInnen der Kultur- und Sozialanthropologie, Wien) boten im Rahmen ihres Workshops erstmals einer jungen ForscherInnengeneration die Möglichkeit, eigene Arbeiten zum Thema der Sommerakademie zu präsentieren. Und schließlich setzte sich Hans-Peter Graß (Friedensbüro Salzburg) in einer pädagogischen Herangehensweise mit den während der Sommerakademie viel diskutierten (Kriegs-)Bildern und ihren Wirkungen auseinander und erörterte gemeinsam mit seiner Arbeitsgruppe über gemeinsame Auswege und mögliche Handlungsperspektiven.

Dokumentation
Unter dem Titel der Akademie wird im Spätherbst 2006 die Dokumentation der Schlaininger Sommerakademie im Verlag LIT erscheinen. Das Buch beinhaltet alle Plenumsvorträge und wird zum Preis von Euro 9,80 (zuzüglich Porto) unter aspr.vie@aspr.ac.at bestellbar sein.

Die Schlaininger Sommerakademie 2007 wird vom 8. – 13. Juli stattfinden. Das vorläufige Programm wird ab Dezember 2006 auf http://www.aspr.ac.at/sak2007.htm veröffentlicht.

* Rita Glavitza, Diplomandin am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Uni Wien, Praktikantin am ÖSFK Wien
** Georg Leitner, Student der Kultur- und Sozialanthropologie, Uni Wien, Praktikant am ÖSFK Wien
*** Thomas Roithner, Wissenschafter Mitarbeiter am ÖSFK, inhaltlicher und organisatorischer Verantwortlicher der Akademie, e-Mail: aspr.vie@aspr.ac.at



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