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Imageschaden begrenzen

Unternehmer versprechen mehr Transparenz bei Stiftungsprofessuren. Berliner Politologe kritisiert "Augenwischerei"

Von Ralf Wurzbacher *

Maßgebliche Vertreter des deutschen Unternehmertums haben Besserung bei der Einrichtung von Stiftungsprofessuren gelobt. Ein sogenannter »Code of Conduct« des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft soll die Wirtschaft dazu anhalten, mit Hochschulen künftig nur noch transparent und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Für Schlagzeilen hatte zuletzt eine Kooperation zwischen der Deutschen Bank und zwei Berliner Universitäten gesorgt, die diesen gravierende Einschränkungen ihrer wissenschaftlichen Freiheit aufnötigte. Mit Blick darauf stellte der Verband nun klar: »Stiftungsprofessuren sind kein Instrument zur Durchführung von Auftragsforschung«. Kritiker halten dies für ein Lippenbekenntnis.

Der Stifterverband ist laut Selbstdarstellung eine »Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft«, um »Wissenschaft, Forschung und Bildung voranzubringen«. Unter den 3000 Förderern befinden sich auch sehr namhafte Konzerne wie Daimler, Bosch und nicht zuletzt die Deutsche Bank AG. Diese soll die besagten Verhaltensregeln nach Verbandsangaben selbst mit erarbeitet haben, womit wohl signalisiert wird: Deutschlands größtes Finanzinstitut hat aus seinen Fehlern gelernt. Der Kodex umfaßt fünf Empfehlungen: So sollten Geldgeber »keinen Einfluß auf Forschung und Lehre und auf die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen« nehmen, die »Freiheit von Forschung und Lehre« gewährleistet werden und »Zweck und Inhalt der Förderung« für die Öffentlichkeit erkennbar und nachvollziehbar sein.

Für den Berliner Politologen Peter Grottian sind all die schönen Vorsätze »nichts als Augenwischerei«. Damit sollten die »Wogen geglättet werden, um dann wieder zur Tagesordnung überzugehen«, monierte er gestern gegenüber junge Welt. Grottian war es, der den in die Kritik geraten Sponsoren- und Kooperationsvertrag zwischen Deutscher Bank, der Technischen Universität (TU) und der Humboldt-Universität (HU) publik machte. Der geheime Kontrakt sicherte dem Institut weitgehende Mitspracherechte im akademischen Bereich zu, etwa bei der Besetzung von Professuren, der Lehrkonzeption und der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen (jW berichtete). Der Vorgang lieferte ein Paradebeispiel dafür, wie weit die Unterwerfung der Wissenschaft unter ökonomische Interessen inzwischen vorangeschritten ist.

Um so mehr gilt es jetzt, den angekratzten Ruf wieder aufzumöbeln. »An den Dingen ändern wird sich damit nichts«, meint allerdings Grottian. Nach seiner Einschätzung war der aufgeflogene Geheimvertrag »in seiner Härte und Schamlosigkeit ein Betriebsunfall«, den man jetzt vergessen machen wolle. »Es gibt viele andere Verträge, die viel intelligenter und geschmeidiger formuliert sind.« Als Beispiele nannte er die Chemie-, Automobil- und Pharmaindustrie. »Die Rechte der Hochschulen bleiben zwar auf dem Papier formal gewahrt, in der Praxis werden die ökonomischen Interessen der Geldgeber aber wirksam zur Entfaltung gebracht.« Das Hauptproblem bleibt laut Grottian bestehen: »Die staatlich massiv unterfinanzierten Hochschulen müssen sich in ökonomische Abhängigkeiten begeben, um überhaupt noch haushalten zu können.«

An diesem Mechanismus dürfte auch ein Mehr an Tranparenz kaum etwas ändern, wie sie von der Opposition im Bundestag gefordert wird. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einem aktuell vorgelegten Gutachten zu dem Ergebnis, daß einer teilweisen Veröffentlichungspflicht rechtlich nichts im Wege stehe. Denkbar sei die Einführung einer Offenlegung »hinsichtlich der Größenordung der gezahlten Gelder und der Laufzeit«, heißt es darin. Dies wäre jedoch eine Angelegenheit der Länder. »Die haben sich in der Sache aber überhaupt noch nicht zur Wort gemeldet, genausowenig wie die Hochschulrektorenkonferenz«, beklagte Grottian und weiter: »Die Verantwortlichen verstecken sich.«

* Aus: junge Welt, 18. August 2011


"Die Sprachregelung lautet: Alles nicht so schlimm"

Streit um Stiftungsprofessur an der Uni Bremen: Rüstungsforschung verstößt gegen Zivilklausel. Ein Gespräch mit Söhren Böhrnsen **

Sören Böhrnsen studiert Jura an der Universität Bremen und war aktives Mitglied im Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA).

An der Universität Bremen soll eine Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnik mit Unterstützung der auch im Bereich Rüstung tätigen OHB System AG eingerichtet werden. Dozenten und Studierende werten dies als Verstoß gegen die seit 1986 gültige Zivilklausel der Hochschule (jW berichtete). Gibt es noch ein Zurück?

Natürlich. OHB-Vorstandschef Marco Fuchs hat gerade erst in der Presse erklärt, die Zusammenarbeit werde eingestellt, wenn der akademische Senat die Zivilklausel dadurch verletzt sieht.

Ist mit einem entsprechenden Beschluß des Senats zu rechnen?

Nach Lage der Dinge leider nicht. Der Großteil der Senatsmitglieder will in dem Vorgang keinen Verstoß gegen die Zivilklausel erkennen. Die Begründung dabei ähnelt der von Universitätsdirektor Wilfried Müller: Das Unternehmen sei bloß im kleinen Rahmen im Rüstungsbereich tätig, bei dem Engagement an der Hochschule handle es sich um Grundlagenforschung und nicht um Rüstungsforschung im engeren Sinne. Die Sprachregelung lautet eben: Alles nicht so schlimm.

Was halten Sie dagegen?

Die OHB ist ganz eindeutig ein Rüstungskonzern. Das Unternehmen baut zum Beispiel »Galileo«-Satelliten, die ausdrücklich auch militärischen Zwecken dienen sollen. Der Konzern brüstet sich auch gerne damit, die Bundeswehr sei ein wichtiger Kunde. Zudem ist gar nicht absehbar, was am Ende bei sogenannter Grundlagenforschung herauskommt. Die Vorstellung, ein Unternehmen könne fernab eigener Profitinteressen an einer Hochschule Forschung fördern und betreiben, ist einfach blauäugig. Die OHB will eine Menge Geld für die Sache locker machen. Allein über diese Abhängigkeit lassen sich viele Dinge beeinflussen. Die Behauptung des Rektors, es bestehe keinerlei Gefahr für die Unabhängigkeit der Wissenschaft, ist Augenwischerei.

Rektor Müller hat angekündigt, die Zivilklausel ändern oder kippen zu wollen, denn »in einer Zeit, in der alles militärisch verwendet werden kann, kann eine solche Grenze gar nicht gezogen werden, wenn man das Wissenschaftssystem aufrechterhalten will«. Was sagen Sie dazu?

Nach dieser perfiden Logik soll künftig für alles und jeden geforscht werden dürfen – Hauptsache das Geld stimmt. Verklärt wird das mit der Argumentation, man wolle die Zivilklausel den neuen geopolitischen Bedingungen anpassen, nach dem Motto, die Kategorien Krieg und Frieden hätten seit Ende des Kalten Krieges keine Gültigkeit mehr. Die Klausel lehnt aber jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung und Zielsetzung ab. Sie ist angesichts vielfältiger kriegerischer Auseinandersetzungen weltweit noch immer hochaktuell. Sobald man die Klausel aufweicht oder abschwächt, ist sie wertlos.

Und Sie glauben, darauf hat es die Universitätsleitung abgesehen?

Das OHB-Engagement ist eine günstige Gelegenheit, die Zivilklausel auszuhebeln. Der OHB-Chef hat die Uni Anfang Juni vor die Wahl gestellt, die Klausel zu ändern – oder es werde nichts aus der Stiftungsprofessur. Das ist Erpressung und zeigt auch, in welche Lage die Hochschulen durch die jahrelange Unterfinanzierung geraten sind. Die Uni Bremen ist eine der drittmittelstärksten Hochschulen Deutschlands. Fast ein Drittel ihres Haushalts wurde im letzten Jahr von außen eingeworben, zum Großteil aus der Privatwirtschaft. Statt auf eine staatliche Vollfinanzierung zu pochen, legt es Rektor Müller darauf an, die Abhängigkeit von der Wirtschaft zu vergrößern. Das ist der eigentliche Skandal.

Dazu paßt die Meldung, daß aktuell auch die Uni Bremen von Studierwilligen überrollt wird. Auf 32000 Bewerber sollen lediglich 4000 Erstsemesterplätze kommen. Geld wird also dringend gebraucht.

Natürlich, aber das Geld muß vom Staat kommen und nicht von Konzernen, die ihre Forschungsabteilungen in die Hochschulen auslagern, sich in die universitäre Freiheit einmischen und die Wissenschaft in ihren Dienst stellen wollen.

Interview: Ralf Wurzbacher

** Aus: junge Welt, 19. August 2011


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