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Bundesweit für Zivilklauseln

Studierende und Uni-Mitarbeiter machen Druck gegen Militärforschung

Von Michael Schulze von Glaßer *

Am 1. Mai, dem internationalen Kampftag der Arbeiter, startete die bundesweite Aktionswoche gegen Militärforschung an deutschen Hochschulen. In vielen Städten – etwa in Rostock und München – reihten sich Studierende und Universitätsangestellte in die Gewerkschaftsdemonstrationen ein, um auf ihr Anliegen ziviler und friedlicher Forschung und Lehre aufmerksam zu machen. Ziel der Initiativen ist es, eine sogenannte Zivilklausel in der Grundordnung ihrer Hochschule zu verankern. Damit würden sich die Einrichtungen verpflichten, nicht mehr für militärisch-kriegerische Zwecke zu forschen. An vielen Universitäten fanden in den vergangenen Tagen teils aufsehenerregende Aktionen statt.

Im nordhessischen Kassel machte ein erst im März gegründeter »Arbeitskreis Zivilklausel« von Studierenden und Uni-Mitarbeitern mit Kunstblut, Plastikpanzern und Transparenten auf die an ihrer Hochschule betriebene Militärforschung aufmerksam. In der Stadt, die viele große Rüstungsbetriebe beherbergt, will der Universitätssenat demnächst einen Beschluß fassen, mit dem die Wehrforschung zementiert und eine Zivilklausel kategorisch ausgeschlossen wird. Die studentischen Vertreter im Senat werden daher einen gemeinsam mit den Zivilklausel-Aktivisten ausgearbeiteten Änderungsantrag einbringen: »Die Wissenschaft darf sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen«, erklärte Jörg Schrader vom AK Zivilklausel Kassel zu dem Senatsantrag. Die Studierenden übergaben Uni-Präsident Rolf-Dieter Postlep am vergangenen Mittwoch eine kleine Fahne mit einem durchgestrichenen Panzer. Für die Zukunft planen die nordhessischen Militärkritiker eine Urabstimmung über eine Zivilklausel unter den Studierenden.

Dies haben die Gruppen in Köln und Frankfurt am Main schon erfolgreich hinter sich gebracht – und dennoch bis jetzt keine Zivilklausel in den Grundordnungen ihrer Einrichtungen verankern können. Auch deshalb waren die Antimilitaristen erneut aktiv, haben weitere Aufklärungsarbeit unter den Studierenden geleistet und Druck auf die Uni-Leitungen ausgeübt. In Göttingen nahm auch die Uni-Präsidentin an einer Diskussion über eine mögliche Zivilklausel teil und äußerte sich grundsätzlich positiv zu dem Vorschlag.

Am heutigen Dienstag, dem letzten Tag der Aktionswoche, findet an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Bremen ein Vortrag zu »Kontrolle von Zivilklauseln, Transparenz und Diskussionskultur an Hochschulen« statt. Auch in anderen Städten sind noch Aktionen geplant: Die bundesweite Initiative gegen Militärforschung an Universitäten und die Deutsche Friedensgesellschaft Baden-Württemberg rufen für den 9. Mai zu einer Mahnwache vor dem Landtag in Stuttgart auf. Dort soll am Mittwoch von den Landtagsabgeordneten ein Beschluß für ein Weiterentwicklungsgesetz des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beschlossen werden, der jedoch keine Zivilklausel vorsieht.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 8. Mai 2012

Tage später erschien im "neuen deutschland" noch nachfolgender Kommentar zur Aktionswoche:

Forschen für den Krieg

Von Peter Nowak **

Am Mittwoch ist eine Aktionswoche zu Ende gegangen, mit der Studierende für die Einführung der Zivilklausel in die Hochschulverfassungen mobilisierten. Die Initiative »Hochschulen für den Frieden - ja zur Zivilklausel« rief Studierende, Lehrende und Hochschulmitarbeiter auf, sich für zivile Hochschulen als Ort für Studium, Lehre und Forschung einzusetzen. Jede Art von Militärforschung soll nach den Willen der Aktivisten ausgeschlossen werden.

»Mit den Waffen des Geistes soll gegen den Geist der Waffen mobilisiert werden«, heißt es im Aufruf zur Aktionswoche. Tatsächlich aber kann das Beschwören der humanistischen Bildungsideale nicht darüber hinweg täuschen, dass die Militärforschung ein großes Geschäft ist und die Reichweite der Zivilklausel meist dort endet, wo die Gefahr besteht, dass Drittmittelgelder gekürzt werden könnten. Deswegen geht es auch am Thema vorbei, wenn von Politikern die Wissenschaftsfreiheit in Stellung gebracht wird, um die Zivilklausel entweder ganz auszuschließen oder auf eine unverbindliche Absichtserklärung zu reduzieren.

Die Aktionswoche hat gezeigt, dass sich an vielen Hochschulen Studierende für eine nichtmilitärische Forschung einsetzen. Deutlich ist aber auch geworden, dass von einer größeren Bewegung keineswegs gesprochen werden kann. Wenn aber die Initiativen im Campusalltag präsent sind und dort ihre Forderungen nach einer militärfreien Wissenschaft mit sozialen Forderungen verbinden, könnte sich das ändern. Positiv war auch, dass die Forderung nach der Zivilklausel in verschiedenen Städten auch den gewerkschaftlichen Demonstrationen zum 1.Mai vertreten wurde. Damit wurde verdeutlicht, dass der Kampf auch außerhalb des Campus geführt werden muss.

** Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.

Aus: neues deutschland, Freitag, 11. Mai 2012



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