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Ohne praktische Konsequenz

Bremen: Künftiges Gesetz gegen Kriegsforschung soll nicht mehr leisten als geltende Zivilklauseln der Hochschulen. Gegen die wird regelmäßig verstoßen

Von Ralf Wurzbacher *

An Bremens staatlichen Hochschulen soll künftig ausnahmslos zu friedlichen Zwecken geforscht, gelehrt und studiert werden. So steht es im Entwurf für ein neues Hochschulgesetz, den die Landesregierung aus SPD und Grünen in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht hat. Die Vorlage sieht außerdem vor, dass sämtliche von externen Geldgebern finanzierten Forschungsprojekte in einer öffentlich einsehbaren Datenbank dokumentiert werden müssen. Bei Rektoren und der örtlichen CDU stoßen die Pläne auf Widerspruch. Sie sehen darin einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und warnen vor »Wettbewerbsnachteilen« für die deutsche Industrie.

Zudem verweisen die Gegner auf die bereits an den Landeshochschulen bestehenden Selbstverpflichtungen zu einer friedlichen Ausrichtung von Forschung und Lehre. Damit würde sich eine gesetzgeberische Regelung erübrigen, argumentieren sie. Die Universität Bremen hatte sich 1986 als bundesweit erste Hochschule eine entsprechende Zivilklausel gegeben. Inzwischen hat das Beispiel über 20 Nachahmer in ganz Deutschland gefunden. Allerdings wurde gegen die Vorschriften immer wieder verstoßen. Für Schlagzeilen hatte insbesondere eine durch das Rüstungsunternehmen OHB-System AG gesponserte Stiftungsprofessur an der Uni Bremen gesorgt. Auch das US-Pentagon hat dort für sich forschen lassen, wie Ende 2013 herauskam.

Dass sich solche Engagements öffentlicher Einrichtungen demnächst qua Gesetz erledigen, steht indes nicht zu erwarten. Im fraglichen Text heißt es: »Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke.« Ferner sollten die vom Land und von Dritten zur Verfügung gestellten Mittel einzig für Vorhaben verwendet werden, »die diesen Zwecken dienen«. Gleichwohl werde der »Wesensgehalt der verfassungsrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit« damit nicht berührt, liest man in der Begründung. »Es wird kein Verbot geben, mit bestimmten Firmen zu kooperieren«, unterstrich auch Christina Selzer, Sprecherin des Bildungssenats, gegenüber jW.

Und was heißt das etwa für den Fall der OHB? Die hat mit dem Knowhow von Forschern der Bremer Uni unter anderem das von der Bundeswehr genutzte satellitengestützte Spionagesystem »SAR-Lupe« entwickelt und sich dafür mit der »Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnologie/System Enabling Technologies« erkenntlich gezeigt. Deren Laufzeit endet planmäßig im Jahr 2022. Laut Selzer hat der Regierungsvorstoß »keine Auswirkung« auf die Kooperation. Deren Inhalte und Ziele seien bereits von der Uni Bremen im Lichte ihrer hauseigenen Zivilklausel geprüft und – weil angeblich keine militärischen Zwecke verfolgt würden – für mit ihr vereinbar befunden worden.

Auch im Hinblick auf die sogenannte Dual-Use-Problematik, wonach eine auf den zivilen Gebrauch zugeschnittene Technik mitunter auch militärisch genutzt werden kann – und umgekehrt –, schafft die geplante Neuregelung keine größere Trennschärfe. Diese komme damit »nicht in Konflikt (…), weil es auf den verfolgten Zweck ankommt und nicht darauf, dass ein Missbrauch immer möglich ist«. Bei »militärnahen Unternehmen« müssten die Hochschulen der Sprecherin zufolge »genau hingucken«, ob der Forschungszweck zivil sei. Selzers Fazit: »Unser Gesetz besagt lediglich das, was auch die Zivilklauseln der Hochschulen aussagen.« Dem jW-Einwand, damit bleibe dieses im Ernstfall also ohne praktische Konsequenz, begegnete sie mit einem Lacher.

Kopfschmerzen bereitet den Rektoren denn auch nicht so sehr die gesetzliche Zivilklausel, sondern vielmehr die vorgesehene Transparenzpflicht beim Einwerben von Geldern aus der Privatwirtschaft. Damit wollen SPD und Grüne einer übermäßigen Einflussnahme der Wirtschaft auf die Hochschulen – nicht nur der Rüstungsindustrie – Einhalt gebieten. In einer sogenannten Forschungsdatenbank sollen die »Identität der Drittmittelgeber, die Fördersumme und die Laufzeit der Projekte« kenntlich gemacht werden. Ab einer Fördersumme von 5.000 Euro soll sogar die Publikation der fraglichen Vertragstexte vorgeschrieben sein. Die Uni Bremen fürchtet, damit würden »offenkundig vitale Interessen von Drittmittelgebern massiv beeinträchtigt«, weil entsprechende Projekte womöglich nicht länger vor der Konkurrenz geheim gehalten werden könnten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 17. Februar 2015


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