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Kein Beifall für Fragen nach dem Warum

Bedachtes und "Vergessenes" beim bundesdeutschen Gedenken zum Ersten Weltkrieg: Ein Mammutprogramm und seine Leerstellen

Von Kurt Pätzold *

Wie weit muß man in die Geschichte der Bundesrepublik zurückdenken, um auf eine Erinnerungskampagne zu treffen, die mit soviel Aufmerksamkeit und Aufwand vorbereitet wurde, wie die momentan zum Ersten Weltkrieg in Gang gesetzte? Es sind noch knapp drei Monate, bis uns ein Jahrhundert vom Tage trennen wird, an dem das deutsche Kaiserreich dem russischen Zarenreich den Krieg erklärte und damit den drei Tage zuvor, am 28. Juli 1914, erfolgten kriegerischen Überfall der K. u. K.-Monarchie auf das benachbarte Serbien zum europäischen Krieg ausweitete, Denn ernsthaft war nicht daran zu denken, daß damit eine auf Osteuropa begrenzte Schlacht beginnen werde. Frankreich würde an die Seite seines russischen Verbündeten treten, Deutschland mithin einen Zweifrontenkrieg bekommen und das an der Seite des altersschwachen Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn, dessen historische Stunden abgelaufen waren.

Deutsche Heldensage

Die Ursachen und Antriebe der gegenwärtigen Regsamkeit in Sachen Geschichte sind nicht leicht zu ergründen. Ergebnisse von Befragungen, die den Grad tatsächlichen Interesses der Bürger anzeigen würden, liegen nicht vor. Sicher ist, daß schon bisher kein Zeitungsleser, Rundfunkhörer oder Fernsehzuschauer der Begegnung mit dem großen Thema entgangen ist. Und wenn er nur auf den unsäglichen Streifen »Die Männer der Emden« am Karfreitag in der ARD stieß. Da wurde eine deutsche Heldensage so geboten, wie sie schon in der Weimarer Republik und im Faschismus in Jugendbüchern erzählt worden war. Jeder »echte deutsche Junge« kannte den Namen des Schiffes und den seines Kommandanten.

Ein wenig plümerant war den Filmemachern über ihrer ideologischen Schmutzarbeit am Ende wohl doch geworden. Sie ließen ihr Kunstwerk mit einem vom Helden zum Deserteur gewandelten Offizier enden, der sich via Ostsee nach Schweden auf- und davonmacht, seine weiterkämpfenden und alsbald im Skagerrak absaufenden Kameraden im Stich lassend. Ist der Film eigentlich bundeswehrfrei? Wer sich zu dieser Produktion auf Zeitungsseiten äußern konnte und etwas auf sich hielt, hat sich von diesem den Militaristen gestohlenen Geschichtsbild abgewandt. Und wer sich durch den Streifen an »Das Boot« aus dem Jahre 1981 erinnert fühlte, konnte ermessen, wohin die »Bewältigung« der Geschichte hierzulande inzwischen geraten ist.

Wie es von Staats wegen darum steht, erzeugte noch vor Wochen beim Blick auf den nahenden »europäischen Gedenktag« des Kriegsbeginns auch besorgte Fragen. Blieben die Vorbereitungen darauf in Deutschland und insbesondere die Initiativen seiner Regierung hinter jenen zurück, die sich in Frankreich und Großbritannien seit längerem erkennen ließen? Und so wurde die Bundesregierung von Bundestagsabgeordneten – es war eine Gruppe aus der Linkspartei – mit Anfragen bestürmt, was sie unternehme, um die sich bietende Gelegenheit zur Aufklärung innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen zu nutzen.

Darauf erhielten die Fragesteller eine viele Seiten füllende Antwort. Was mitgeteilt wurde, verdient Durchmusterung und das gilt für Bedachtes, schon Geschehenes, Angekündigtes und Geplantes, wobei – um es vorweg zu sagen – auch manche Leerstelle hervortritt. Die kann ein Produkt des Zufalls sein, der Unwissenheit oder des Zwangs zur Auswahl, aber auch aus einer Haltung heraus entstanden sein.

Titel und Themen

Ausgewiesen werden Ausstellungen, Konferenzen, Tagungen, Vorträge, Schulungen, Buchvorstellungen, Besuche von Gedenkorten, internationale Begegnungen, vorwiegend von Schülern und anderen Jugendlichen, dazu Film- und Theateraufführungen. Deren Träger sind staatliche Einrichtungen wie die Bundeszentrale für politische Bildung, Botschaften, Goethe- und Deutsche Historische Institute, wissenschaftliche Lehranstalten, Bibliotheken und in hohem Maße Museen. Zahlreich beteiligen sich daran deutsch-französische Vereinigungen. Die meisten Veranstaltungsorte finden sich zwar in den beiden am Rhein benachbarten Staaten, aber es gibt sie auch auf dem Balkan, im russischen Petrosawodsk oder in Kansas City in den USA.

Weit fächern sich Titel und Themen. Ins Blickfeld gerückt werden der Kriegs­alltag von Mensch und Pferd, die Zerstörung von Landschaften, das Leben von Bewohnern so unterschiedlicher Städte und Gegenden wie Nancy und Koblenz, Le Havre, von Lorraine und Siebenbürgern. Das bezeugt auch Fortschritte in den lokal- und regionalgeschichtlichen Studien. Es gibt eine Konferenz über das Dasein der Kinder unter Kriegsbedingungen und eine Ausstellung von Büchern, die damals für sie bestimmt wurden. Viele Museen präsentieren aus ihren Sammlungen Erzeugnisse der Kunst, wozu auch Werke zum Kriegsthema aus Psychiatrien rechnen. Eher absonderlich mögen zwei Ausstellungen in Berlin anmuten, die eine heißt »Krieg und Kleider«, die andere nennt als Haupttitel »Kriegsgefühle«.

Kriegsziele

Weder die Bundesregierung noch einer ihrer Partner und auch nicht einer der von ihr geförderten Institutionen kam der Gedanke, sich des großen Themas der Kriegsursachen und des damit unausweichlich in Zusammenhang Stehenden anzunehmen: der Verantwortung und Schuld jener, die zu diesem Krieg trieben und ihn auslösten. Gewiß, die Antwort nach dem Warum, die am Ende jeder tiefer reichenden Beschäftigung mit einem Ereignis oder Prozeß der Geschichte steht, ist zumeist keine Einmaleins-Aufgabe. Doch läßt sich ihr näher kommen, wenn nach Kriegszielen gefragt wird. Indessen, auch dieser Begriff taucht im Programm nicht auf. Darob sollen die Veranstalter nicht verdächtigt werden, sie hätten diesen Fragenkomplex wegen seines Schwierigkeitsgrades gescheut. Die Dinge liegen einfacher. Das Forschen nach den Ursachen und Verursachern des Ersten Weltkrieges – und nicht nur dieses Krieges – ist hierzulande unbeliebt. Wer sich auf diesen Weg macht, darf auf Beifall nicht hoffen. Und dies namentlich dann nicht, wenn gefragt wird, welchen Anteil das Vaterland der Urgroßväter an jenem Weg in den 1. August 1914 hatte.

Das bekam vor mehr als einem halben Jahrhundert schon der Hamburger Hochschullehrer Fritz Fischer zu spüren, als er sein Buch »Griff nach der Weltmacht« veröffentlichte und darin die Greifenden in den herrschenden Eliten des Deutschen Kaiserreiches ausmachte. Von dieser Abneigung hat sich mehr als ein Rest erhalten. Denn nun, zwei Generationen danach, wird in deutschen Landen ein Buch begrüßt und auf den ersten Platz der sich am meisten verkaufenden Bücher gejubelt, das ganz generell die Frage stellt, ob es nötig sei, nach Kriegsschuld und -schuldigen zu fahnden: Christopher Clarks »Die Schlafwandler«. Das aber hatten schon unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur rachelüsterne, sondern manche weit schauende Zeitgenossen anders gesehen. Die wollten Wilhelm II., dessen Anteil am Weg in den Krieg dokumentiert war, auf einer Anklagebank sehen. Doch rückten die Niederländer, die am Krieg unbeteiligt gewesen waren, den getürmten Kaiser nicht heraus. Und die Nachkriegsprozesse, die in Leipzig vor dem Reichsgericht stattfanden, deren Ankläger das Führungspersonal verschonten und wenige, vergleichsweise niedere Chargen wegen Verbrechen gegen das fixierte internationale Kriegsrecht belangten und glimpflich davonkommen ließen, ähnelten mehr einer Farce denn einem Gerichtsverfahren.

Imperialismus beendet

Doch im und nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die historische Szene. Nun stellten Richter mehrerer Staaten erstmals die Frage nach der Kriegsschuld. Der Anklagepunkt zwei vor dem Nürnberger Tribunal lautete »Verbrechen gegen den Frieden«. Und auch in den Tokioter Prozessen wurden »Führer, Organisatoren, Anstifter oder Komplizen« angeklagt, welche »an der Planung oder Ausführung eines gemeinsamen Plans oder einer Verschwörung zum Führen von Angriffskriegen« beteiligt waren. Daß die Art des australisch-britischen Historikers Clark, Kriege zu analysieren, ohne die Frage nach ihrer Herkunft und ihren Ursprüngen zu stellen, einen Rückschritt darstellt, ist schwer zu bezweifeln. Und noch weniger, daß ihm seine Sicht, gewollt oder nicht, den Beifall aller einträgt, die darüber aus Gründen ihrer eigenen momentanen Politik in Asien und Afrika oder auch nur aus Rücksicht auf ihre lange verblichenen Klassengenossen nicht reden möchten.

Indessen: im Auskunftspapier der Bundesregierung werden einige wenige Themen genannt, die doch in die Nähe der Frage nach Kriegsursachen und -schuldigen führen. Sie gehören zu einer Vortragsreihe, die das Bundesministerium des Auswärtigen und das Deutsche Historische Museum gemeinsam veranstalten. In den Räumen des Amtes wurde über »1914 – Versagen der Diplomatie« vorgetragen und den fernen Vorgängern ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Daran knüpfte der Chef des Hauses auch in öffentlicher Erklärung noch die Mahnung, so etwas dürfe den Diplomaten 100 Jahre später nicht noch einmal passieren. Wäre damit ernstgemeint, daß sich Deutschland von Kriegen fern halten solle, ließe sich dagegen nichts einwenden. Wohl aber ist die Qualifizierung der Diplomaten, die vor einem Jahrhundert agierten, als Versager und damit zumindest partiell als unschuldig Schuldige so etwas wie ein fauler Zauber. Sie erweckt den Eindruck, das einstige diplomatische Personal hätte den Frieden schon gewollt oder mindestens wollen gesollt, aber ihn eben nicht gekonnt.

In Wahrheit befaßte sich ein Gutteil dieser Experten in jenen Monaten zuvor und dann während der Julikrise 1914 nicht mit der Vermeidung des Krieges, sondern mit seiner Vorbereitung, u. a. mit der Irreführung der ausgemachten Kriegsgegner, mit der Herstellung einer Konstellation, vor der die Lüge glaubhaft gemacht werden konnte, das Deutsche Reich sei »mitten im Frieden« von Neidern und Einkreisern überfallen worden. Und auf diesem Felde ihrer Aufgaben und Tätigkeiten läßt sich ihnen Versagen nicht anlasten, und wenn und wie der Außenminister das tut, tut er ihnen Unrecht.

Die Vortragsreihe im Außenamt wird übrigens mit der Erörterung des Themas »Kaiserreiche in ihrem letzten Kampf. Imperiale Spätzeit als Sicherheitsrisiko« enden. So wird der Imperialismus en passant, wie auch aus in der Bundesrepublik benutzten Schulgeschichtsbüchern zu lernen ist, mit dem Jahre 1914, an anderer Stelle mit 1918 für beendet erklärt. Die Heutigen, blicken sie in das Jahr 1914, treffen nicht nur auf eine ferne, sondern auf eine abgeschlossene Zeit. Da also braucht sich niemand mehr zu beunruhigen. Die »Fehler« von einst lassen sich unter den veränderten Umständen eigentlich gar nicht wiederholen.

Kreisen um »Versöhnung«

Nicht alle scheinen davon überzeugt. Vorsichtshalber wird folglich erörtert, ob die Erfahrung von 1914 für das gegenwärtige Politikmachen nicht doch etwas hergibt. So gilt ein Abend der Frage »Wiederholt sich die Geschichte?«, wobei erörtert werden soll, ob sich der Julikrise nicht etwas im Hinblick auf die » aktuellen Fragen der Sicherheitspolitik in Ost­asien« abgewinnen läßt. Von der Deutschen Botschaft in Paris erhalten unsere Nachbarn einen Vortrag »Ist Europa heute vor den Fehlern von 1914 sicher?« angeboten, eine ausgeklügelte Formulierung, läßt sie doch offen, ob das ganze Europa Opfer »deutscher Fehler« wurde oder ob jenseits der Reichsgrenzen, womöglich in Paris, seinerzeit auch Fehler gemacht wurden. In Mazedonien wird die deutsche Auslandsvertretung einheimischen Lehrern den Weg zu einer »gemeinsamen Annäherung an die Vergangenheit« finden helfen. Und in Portugal bietet das Goethe-Institut Jugendlichen eine Antwort auf die Frage: »Wie schreibt man die Geschichte zusammen?«

Keine Frage: Die bundesrepublikanische Auslandspropaganda zielt darauf, soweit die Erinnerung aus der Geschichte in die Politik führt, sie um den Begriff »Versöhnung« kreisen zu lassen. In keinem Land wird ein Vortrag angeboten, der sich auch nur dem Thema nach mit Deutschlands Rolle in den Vorkriegsjahren und der Vorkriegskrise befaßt. Das Bestreben, das Ganze nach der Weise »Wir sind alle kleine Sünderlein« zu intonieren und selbst so in eine Menge einzutauchen, verdirbt aber doch das erwünschte Ziel. Denn die heutigen Verbündeten machen das nicht mit. Gewiß: Joachim Gauck und François Hollande werden sich am Hartmannswillerkopf in den Vogesen treffen, dort Zehntausenden toten Deutschen und Franzosen gedenken und als ihr Publikum Schüler beider Staaten einladen.

Welchen historisch-politischen Ort dieser Krieg im Denken vieler unserer westlichen Nachbarn noch immer besetzt, wurde deutlich beim Tode des letzten französischen Kriegsteilnehmers. Der wurde in einem Staatsakt beigesetzt und hätte, würde er dem nicht widersprochen haben, seine letzte Ruhestätte im Invalidendom unfern Napoleons gefunden.

Gewiß: Daß der Krieg in Westeuropa vier Jahre lang auf belgischem und vor allem französischen Boden tobte und nicht auf deutschem, daß Städte, Dörfer und Landschaften dort teils bis zur Unkenntlichkeit verwüstet wurden und die Narben bis heute sichtbar sind, daß sich da riesige Friedhofsfelder mit den Gebeinen von Soldaten aller beteiligten Armeen befinden, während in Deutschland auf zivilen Begräbnisstätten wenige Gräber jener Soldaten liegen, die es als Schwerverwundete bis in die heimatlichen Lazarette geschafft hatten, dann aber dort starben – das alles macht Unterschiede. Und es bietet die auch jenseits des Rheins und des Ärmelkanals genutzte Chance, über die imperialistischen Interessen zu schweigen, die auch jene Großmächte verteidigten und verfochten, die sich zu Deutschlands Kriegsgegnern zusammenschlossen. Doch unverrückbar steht fest, daß das Kaiserreich die Kriegserklärungen an Petersburg und Paris richtete, wie vordem die K. u. K.-Monarchie und nicht Serbien den Krieg begann. Daher kann vollends nicht gelingen, das Gedenken auf Versöhnung zu beschränken und Fragen an die Geschichte in einem großen See der Tränen zu ersäufen. Dagegen stehen – Europa hin, Europa her – auch Interessen der nationalpolitischen Erziehung in den Ländern von Nachbarn und Verbündeten. Der Rituale samt Umarmungen wird es dennoch nicht ermangeln.

Kriegsgegner

Es gibt eine zweite, der erwähnten benachbarte Leerstelle. Eine Anzahl von Ausstellungen und Vorträgen erinnert an Menschen und Kräfte, die sich vor, während und dann nach dem Kriege gegen ihn wandten, in Wort und Schrift, mit Zeichenstiften, Pinseln, dem Gerät der Bildhauer und auch mit Kameras und Filmapparaturen. Dazu gehören der österreichische Filmregisseur Georg Pabst, an den und dessen Film »Westfront 1918« das Goethe-Institut in Nancy erinnert, und Erich Maria Remarque, über dessen Buch »Im Westen nichts Neues« und dessen Verfilmung am gleichen Institut in Bordeaux konferiert wurde und dem eine Ausstellung in Heidelberg gewidmet ist. Eine internationale Tagung in Paris befaßte sich mit der breiteren Themenstellung »Les défenseurs de la paix 1899-1917 – Die Verteidiger des Friedens 1899-1917«. Im Heinrich-Heine-Haus in Paris gab es ein Kolloquium »Le Voix de la paix – Die Stimmen des Friedens«. Im Duisburger Lehmbruck-Museum werden Antikriegsplastiken zu sehen sein.

Jenseits von Personen aus Literatur, Kunst und Film scheint das Interesse aber erloschen. In manchen Fällen läßt sich bedauern, so mit Blick auf Paul von Hindenburg, dessen Namen hierzulande, begrenzt auf die alten Bundesländer, noch immer eine Masse von Straßen trägt. Ein ungeschminktes Bild seiner Rolle im Weltkrieg könnte Anstoß geben, da »bewältigend« Wandel zu schaffen. Eine Ausnahme macht ein sozialdemokratischer Mordspatriot. Ludwig Franks, eines badischen Politikers, der sich freiwillig meldete und schon im September 1914 umkam, wird an einer Mannheimer Schule, die seinen Namen trägt, an seinem 100. Todestag gedacht. Insgesamt jedoch wurden Politiker, Industrielle und Wissenschaftler in die staatlich betriebenen oder geförderte Erinnerungskultur nicht einbezogen.

In einem Punkte, und auch da läßt sich an Zufall nicht glauben, bildet das freilich einen Skandal, und einen entlarvenden dazu. In dem Programm tauchen diejenigen Deutschen nicht auf, die am Jahrhundertbeginn am klarsten sahen, wohin die europäische Entwicklung mit maßgeblichem Anteil der deutschen Imperialisten treiben werde, wenn ihr nicht Massen Einhalt geböten. Und auch nicht jene, die im Verlauf des Krieges lernten, die Front wechselten und die Partei des Friedens ergriffen. Da wäre, um mit den Frauen zu beginnen, von Bertha von Suttner, Rosa Luxemburg und Käthe Kollwitz zu reden. Von Karl Liebknecht und dem Anarchisten und Dichter Erich Mühsam und auch von Hugo Haase, dem Sozialdemokraten, der von den »Vaterlandsverteidigern« zu den Friedenssuchern überlief. So bleibt denen, welche die Bewältigung, besser die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ohne Tabus betreiben, hinreichend zu tun.

* Kurt Pätzold (geb. 1930) ist Historiker. Er habilitierte sich 1973 mit der Arbeit »Antisemitismus und Judenverfolgung (Januar 1933 bis August 1935)« an der Humboldt-Universität, war dort bis 1990 Lehrstuhlleiter für deutsche Geschichte und wurde 1992 im Zuge der »Abwicklung« entlassen. Jüngste Buchveröffentlichungen: »Kriegerdenkmale in Deutschland« (2012); »Kein Streit um des Führers Bart. Kontroversen um Deutschlands ›dunkle Jahre‹ 1933 bis 1945« (2013); »1813. Der Krieg und sein Nachleben« (2013); »1914 – Das Ereignis und sein Nachleben« (2014)

Aus: junge welt, Mittwoch, 7. Mai 2014



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