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Weltweite Jagd auf Ackerflächen

Landnahme durch Konzerne und Staatsfonds geht oft zulasten der Nahrungsmittelsicherheit

Von Knut Henkel *

Der Wettlauf um fruchtbare Ackerflächen in Afrika, Asien und Lateinamerika ist in den letzten Jahren zu einem neuen Phänomen geworden. Etliche Millionen von Hektar werden mittlerweile alljährlich verkauft oder verpachtet, um Agrarprodukte für den Weltmarkt oder Biosprit zu produzieren. Ein Phänomen, welches die Ernährung der Bevölkerung in vielen Ländern bereits in Frage stellt.

Madagaskar ist nicht gerade ein Land mit ausgedehnten Agrarflächen. Jedes Jahr gehen auf der südostafrikanischen Insel durch Erosion etliche Tausend Hektar Anbaufläche verloren, kritisieren lokale Agrarwissenschaftler. Gleichwohl entschloss sich die Regierung in Antananarivo im Juli 2008, gleich 1,3 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zu verpachten. Auf diesen Äckern, die in etwa der Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche Madagaskars entspricht, sollten fortan Futtermais und Ölpalmen angebaut werden. Pächter war Daewoo Logistics aus Südkorea.

Dieser Deal ist nur einer der spektakulärsten in einer ganzen Reihe von Verträgen, die weltweit in den letzten Jahren zustande kamen. Land wird in immer größerem Maßstab gehandelt. Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn seit 2008 die Weltmarktpreise für wichtige Agrarprodukte auf Rekordmarken geklettert waren, ist Ackerland bei Investoren en Vogue. Das bestätigt auch eine Weltbank-Studie. Demnach wurden allein im vergangenen Jahr Vereinbarungen über den Verkauf von 45 Millionen Hektar getroffen. Die Käufer sind zumeist private oder staatliche Fonds sowie andere Investoren und Beteiligungsgesellschaften. Ein Ende dieses Trends ist, so die Experten, nicht abzusehen.

»Transnationaler Handel mit Ackerland« nennt sich das Phänomen, etwas klarer und pointierter wird auch von »Land Grabbing« (Landnahme) gesprochen. Besonders weit fortgeschritten ist der Ankauf von Acker- und Brachland in Afrika. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass dort der Zuckerrohranbau für die Ethanolproduktion den Anbau von Nahrungsmitteln verdrängt. Das ist in Sierra Leone der Fall, wie der Aktivist Mohamed Conteh dieser Tage auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Menschenrechtsorganisation FIAN und von »Brot für die Welt« darlegte. Rosig sind oft die Versprechen der Unternehmen, wenn sie ihre Projekte in Kenia, Uganda oder Madagaskar vorstellen. Doch in der Realität sieht es dann oft anders aus. In Madagaskar führte das »Land Grabbing« Anfang 2009 zum Sturz der Regierung: Präsident Marc Ravalomanana musste nach Protesten aus der Bevölkerung zurücktreten. Die Proteste waren wesentlich durch das Pacht-Abkommen mit Daewoo Logistics ausgelöst worden.

Ölpalmen werden auch in Kolumbien angebaut – für die kosmetische Industrie, aber auch für Biomasse-Kraftwerke. Auch nach Deutschland wird exportiert und Kolumbien ist mittlerweile einer vier größten Palmölexporteure der Welt. Dabei werden die Landrechte der lokalen Bevölkerung immer wieder ignoriert, wie die kolumbianische Juristin Judith Maldonado Mojica erläutert. Auch dies ist ein weltweites Phänomen, denn immer wieder wird Land über die Köpfe der Bevölkerung hinweg verkauft oder verpachtet. Traditionelle Nutzungsrechte werden dabei ebenso ignoriert wie kollektive Landtitel.

Besonders aktiv beim Run auf die Agrarflächen sind neben Südkorea auch China und Saudi-Arabien. Doch Fondsgesellschaften sind von Jahr zu Jahr aktiver in diesem Geschäftsfeld. Auch ein Grund, weshalb die Weltbank betont, dass Investoren Landnutzungsrechte beachten und die Nahrungsmittelsicherheit gewährleisten sollten. Agrarinvestitionen müssten verantwortlich sowie sozial und ökologisch nachhaltig sein, heißt es in dem jüngsten Bericht.

Dies ist nach den Erkenntnissen von Nichtregierungsorganisationen wie FIAN oder »Brot für die Welt« aber in aller Regel nicht der Fall. Durch Investitionen in Viehweiden oder Plantagen mit Ölpalmen gehen erfahrungsgemäß große Waldflächen verloren, während ihr Beitrag zur Armutsminderung nur gering ist. Die Gier nach Land schafft Hunger – eine Tatsache, die am heutigen Tag der Welternährung nicht unter den Tisch fallen sollte. Auch das belegt der Bericht der Weltbank, nur wird es nicht immer so deutlich ausgesprochen. Manche Experten hoffen nämlich auf positive Effekte der Investitionen.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Oktober 2010


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