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Preise steigen – Arme hungern

FAO und OECD stellten den neuen Landwirtschaftsbericht vor

Von Susanne Götze, Paris *

Wetterextreme, hohe Energiepreise und der Einsatz von Biokraftstoffen lassen die Preise für Getreide und Fleisch weltweit steigen. Was die Farmer freut, geht den Ärmsten in den südlichen Ländern an die Existenz.

Seit über vier Jahren werden Lebensmittel weltweit teurer, während die Zahl der Unterernährten steigt. 2008 gab es das erste Mal Hungerunruhen in vielen Ländern. 2010 zogen die Preise für Grundnahrungsmittel wieder kräftig an. Und auch in Zukunft bleibt Essen teuer: Bis 2020 werden die Getreidepreise um 20 Prozent, die Fleischpreise sogar um 30 Prozent steigen, schätzt der neue Landwirtschaftsbericht der FAO (Food and Agricultural Organisation) und der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), der Ende letzter Woche in Paris vorgestellt wurde.

»Wir können auch kein Interesse an niedrigen Preisen haben, schließlich profitieren die kleinen wie großen Farmer davon«, so OECD-Generaldirektor Angel Gurria bei der Präsentation des Berichtes. Des einen Freud, des anderen Leid: Statt auf Dumpingpreise zu hoffen, solle man lieber alles dafür tun, dass die Einkommen der Ärmsten ansteigen und mehr produziert werde. Dass allerdings ist ein schwacher Trost für die hungernden Menschen in den südlichen Ländern, denen die Preise tagtäglich an die Existenz gehen: Eine Studie der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam fand jetzt heraus, dass über die Hälfte der weltweit befragten 16 000 Menschen in den letzten zwei Jahren ihre Konsumgewohnheiten geändert hat, ein großer Teil davon aufgrund der höheren Nahrungsmittelpreise. Viele seien aus der Not heraus auf weniger nahrhafte Produkte umgestiegen, da beispielsweise viele Getreidearten nicht mehr bezahlbar seien.

Neben den Nahrungsmittelspekulanten, die sich in Krisenzeiten auf »bodenständige« Investitionen verlegen, macht der Bericht vor allem die steigenden Energie- und Futtermittelpreise, Wasserknappheit und Dürren für die hohen Preisen verantwortlich. Die weltweite Produktion steige laut FAO-Bericht deshalb nicht proportional zur Nachfrage aus den Schwellenländern. Die weltweite Produktion der Grundnahrungsmittel wird mit 1,7 Prozent pro Jahr bis 2020 langsamer wachsen als in den letzten Jahren. 2009 stieg sie noch um 2,6 Prozent.

Auch extreme Wetterphänomene werden sich laut Bericht verschärfen. Vom Klimawandel betroffene Regionen sind ohnehin schon arme Landstriche, unter anderem in weiten Teilen der Sub-Sahara.

Der hohe Ölpreis verschärft den Preisanstieg noch: Er führt dazu, dass die Nachfrage nach Biokraftstoffen zunimmt. Nahrungsmittel wie Zucker und Mais, die auch als Kraftstoffe verarbeitet werden können, stecken in einer weiteren Preisspirale nach oben: Die knappen und teuren Güter werden nochmals verknappt. So erreichte Mais im letzten Jahr Rekordpreise von 300 US-Dollar pro Tonne und der Rohrzuckerpreis stieg auf bis zu 600 US-Dollar – gegenüber 200 Dollar im Jahr 2000.

Die beiden Herausgeber des Reports geben sich trotzdem optimistisch: Die Preise könnten sich stabilisieren, große Schwankungen könnten zukünftig vermieden werden – wenn die Politik handelt, meinen Gurria und FAO-Direktor Jacques Diouf. Es fehle vor allem an Investitionen in landwirtschaftliche Forschung. Diese seien seit den 1960 kontinuierlich geschrumpft. Statt hohe Subventionen auszuschütten, solle das Geld in die Entwicklung der ländlichen Räume und in neue Technologien, Saatgutzüchtung und Boden- und Wasserschutz fließen. Viele Staaten wären nach den Hungerunruhen vor drei Jahren »aufgewacht«, meint Diouf. Von konkreten Schritten findet sich im Bericht, dessen Ergebnisse und Folgen diese Woche die Landwirtschaftsminister der G 20-Staaten beraten werden, allerdings nichts. Ob die von FAO und OECD erhoffte neue Agrarpolitik wirklich die Preisbildung an den Märkten »in den Griff« bekommen kann, ist also mehr als fraglich.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Juni 2011

Dokumentiert

OECD/FAO-Agrarausblick 2011

Zusammenfassung in Deutsch

Dies ist die siebzehnte Ausgabe des Agrarausblicks und die siebte in Zusammenarbeit mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erstellte Ausgabe.
In diesem Bericht werden die Trendentwicklungen an den Weltmärkten für Biokraftstoffe, Getreide, Ölsaaten, Zucker, Fleisch, Milchprodukte und zum ersten Mal auch für den Fischereisektor im Zeitraum 2011-2020 skizziert. Diese Ausgabe enthält auch eine Evaluierung der jüngsten Entwicklungen, Kernprobleme und Ungewissheiten an diesen Rohstoffmärkten.
Die Projektionen sind das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit nationalen Experten in OECD- und Nicht- OECD-Ländern. Die Kohärenz der Projektionen wird durch ein gemeinsam ausgearbeitetes Modellierungssystem gewährleistet, das auf dem OECD-Modell AGLINK und dem FAO-Modell COSIMO basiert. Im Kontext der G20-Diskussionen zur Landwirtschaft ist ein Teil des Berichts in diesem Jahr den Politikreaktionen auf die Preisvolatilität gewidmet.


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Das fünfte Jahr mit hohen und volatilen Preisen
  • Die Rohstoffpreise sind im August 2010 erneut stark gestiegen, da Ernteausfälle in den wichtigsten produzierenden Regionen und niedrige Bestände das verfügbare Angebot reduziert haben, wohingegen das in den Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften erneut anziehende Wirtschaftswachstum nachfragestützend wirkte. Die Periode hoher Volatilität an den Märkten für Agrarprodukte geht in ihr fünftes aufeinanderfolgendes Jahr. Die hohen und volatilen (Agrar-)Rohstoffpreise und ihre Auswirkungen in Form mangelnder Ernährungssicherheit zählen eindeutig zu den wichtigen Herausforderungen, denen sich die Regierungen heute gegenübersehen. Dies kam in den Diskussionen auf dem G20-Gipfel in Seoul im November 2010 und auch in den auf dem G20-Treffen in Paris 2011 zur Diskussion gestellten Aktionsvorschlägen sehr deutlich zum Ausdruck.
Die maßgeblichen Faktoren an den Märkten deuten auf anhaltende Preisvolatilität hin
  • Dieser Ausblick ist vorsichtig optimistisch in der Annahme, dass die Agrarpreise gegenüber ihrem Niveau von 2010-2011 sinken werden, wenn die Märkte auf diese höheren Preise und die mit ihnen einhergehenden Möglichkeiten der Rentabilitätssteigerung reagieren. Die Ernten sind in diesem Jahr ein kritischer Faktor, doch kann eine Wiederherstellung der Marktgleichgewichte einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis die Vorräte wiederhergestellt werden können, bleiben die Risiken weiterer nach oben gerichteter Preisschwankungen hoch. In diesem Ausblick wird die in den letzten Ausgaben vertretene Auffassung bekräftigt, dass die Preise für Agrarrohstoffe im Vergleich zum letzten Jahrzehnt im kommenden Zehnjahreszeitraum in realer Rechnung wahrscheinlich auf einem höheren Plateau verharren werden. Anhaltende Hochpreisperioden könnten die Erreichung des Ziels weltweiter Ernährungssicherheit erschweren und die finanzschwachen Verbraucher einer stärkeren Gefahr der Mangelernährung aussetzen.
Die Transmission von Marktsignalen an die Erzeuger ist für die Reaktion der Angebotsseite von entscheidender Bedeutung
  • Die höheren Rohstoffpreise sind ein positives Signal für einen Sektor, der jahrzehntelang in realer Rechnung Preisrückgänge erfahren hat, und zugleich ein Faktor, der die zur Befriedigung der wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln notwendigen Investitionen zu Gunsten einer Steigerung der Produktivität und Erhöhung der Produktionsmengen ankurbeln dürfte. Allerdings hängt die Reaktion der Angebotsseite von den relativen Kosten der Einsatzfaktoren ab, während die von den höheren Weltmarktpreisen gebotenen Anreize auf Grund der höheren Transaktionskosten oder innenpolitischer Interventionen nicht immer an die Erzeuger weitergegeben werden. In einigen der wichtigsten produzierenden Regionen haben Wechselkursaufwertungen auch die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors in Mitleidenschaft gezogen und mithin die Produktionsreaktionen in Grenzen gehalten.
Zur Steigerung der Produktivität sind Investitionen erforderlich
  • Es sind Anzeichen dafür vorhanden, dass die Produktionskosten steigen und das Produktivitätswachstum sich verlangsamt. Die energiebezogenen Kosten sind signifikant gestiegen, ebenso wie die Futtermittelkosten. Auch der auf den Ressourcen, insbesondere den Wasser- und Landressourcen, lastende Druck nimmt derzeit zu. Die in vielen traditionellen Anbauregionen für die landwirtschaftliche Nutzung verfügbaren Flächen unterliegen zunehmend Nutzungseinschränkungen, und der Anbau muss auf weniger erschlossene Regionen und Randgebiete mit geringerer Fruchtbarkeit ausgedehnt werden, in denen das Risiko ungünstiger Witterungseinflüsse größer ist. Es bedarf erheblicher weiterer Investitionen in Produktivitätssteigerungen, um zu gewährleisten, dass der Sektor in der Lage ist, der in Zukunft wachsenden Nachfrage zu begegnen.
Die Rohstoffpreise werden voraussichtlich auf einem höheren Plateau verharren
  • Unter der Annahme normaler Witterungseinflüsse wird sich die Agrarproduktion infolge einer erwarteten angebotsseitigen Reaktion auf das derzeit hohe Preisniveau auf kurze Sicht wahrscheinlich erhöhen. Die Agrarrohstoffpreise dürften gegenüber ihren Anfang 2011 verzeichneten Höchstständen sinken, wenngleich sie den Projektionen zufolge im Vergleich zum vergangenen Jahrzehnt im Zeitraum 2011-2020 in realer Rechnung für Getreide (Mais) durchschnittlich um bis zu 20% und für Fleisch (Geflügel) um bis zu 30% anziehen werden. Die Erhöhungen bei den Rohstoffpreisen schlagen sich nun über die Rohstoffkette in den Futtermittelpreisen für Nutztiere nieder.
Die Inflation der Nahrungsmittelpreise gibt Anlass zu Besorgnis
  • Da höhere Preise für Agrarprodukte über die Nahrungsmittelkette weitergegeben werden, deuten neueste Befunde darauf hin, dass die Inflation der Nahrungsmittelpreise auf Verbraucherebene in den meisten Ländern derzeit zunimmt, was mit zum gesamten Preisanstieg auf der Verbraucherstufe beiträgt. Diese Entwicklung lässt Befürchtungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Stabilität und Ernährungsunsicherheit in einigen Entwicklungsländern aufkommen, da die Kaufkraft ärmerer Bevölkerungsgruppen begrenzt ist.
Die Agrarproduktion wird den Projektionen zufolge langsamer wachsen
  • Die globale Agrarproduktion dürfte jährlich im Durchschnitt um 1,7% steigen, gegenüber 2,6% im vorangegangenen Zehnjahreszeitraum. Bei den meisten Anbaukulturen, insbesondere Ölsaaten und Grobgetreide, die von höheren Produktionskosten und langsameren Produktivitätsfortschritten betroffen sind, wird mit einem langsameren Wachstum gerechnet. Die Zunahme der Viehzucht liegt weiterhin nahe an den jüngst beobachteten Trends. Trotz der langsameren Expansion wird nach wie vor ein Anstieg der Pro-Kopf- Produktion um jährlich 0,7% projiziert.
  • Die globale Verlangsamung der projizierten Ertragssteigerungen bei wichtigen Anbaukulturen wird die Weltmarktpreise auch weiterhin unter Druck setzen. Ein höheres Produktionswachstum wird von den Lieferanten aus aufstrebenden Volkswirtschaften erwartet, wo die bestehenden Technologien ein gutes Potenzial für Ertragssteigerungen bieten, wenngleich die Ertrags- und Angebotsvariabilität höher sein kann. Der Produktionsanteil aus Entwicklungsländern nimmt im Projektionszeitraum weiter zu.
Zunahme der Fischwirtschaft auf der Grundlage der Aquakultur
  • Der Fischereisektor, der zum ersten Mal Gegenstand dieses Ausblicks ist, wird seine globale Produktion den Projektionen zufolge bis 2020 um 1,3% jährlich erhöhen, d.h. langsamer als im vorangegangenen Zehnjahreszeitraum, was durch die geringe Zuwachsrate der Aquakultur (2,8% gegenüber 5,6% in den Jahren 2001-2010) und einen schrumpfenden bzw. stagnierenden Fischfangsektor bedingt ist. Bis 2015 wird die Aquakultur den Projektionen zufolge den Wildfang als wichtigste Fischquelle für den menschlichen Verzehr überholen, und bis 2020 dürfte sie etwa 45% der gesamten Fischereiproduktion ausmachen (einschl. der Produktion, die für andere Zwecke als die Lebensmittelerzeugung verwendet wird). Im Vergleich zum Zeitraum 2008-2010 werden die Preise für Fangfisch 2020 in nominaler Rechnung um etwa 20% anziehen, die Preise für Fische aus Aquakultur zum Vergleich um 50%.
Am stärksten wächst die Nahrungsmittelnachfrage in den Entwicklungsländern
  • Der Pro-Kopf-Nahrungsmittelkonsum wird in Osteuropa, Asien und Lateinamerika am raschesten expandieren, wo die Einkommen derzeit steigen und sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt. Pflanzenöle, Zucker, Fleisch- und Milchprodukte dürften den größten Nachfrageanstieg verzeichnen.
Wachsende Nachfrage nach Agrarrohstoffen zur Erzeugung von Biokraftstoffen
  • Der Einsatz von Agrarprodukten zur Biokraftstoffherstellung dürfte sein robustes Wachstum beibehalten, das weitgehend den gesetzlichen Regelungen und diesbezüglichen Stützungsmaßnahmen zu verdanken ist. Bis 2020 werden schätzungsweise 13% der weltweiten Grobgetreideproduktion, 15% der Pflanzenölproduktion und 30% der Zuckerrohrproduktion für die Biokraftstoffherstellung verwendet werden. Höhere Ölpreise würden eine noch stärkere Zunahme des Einsatzes von Agrarrohstoffen zur Herstellung von Biokraftstoff zur Folge haben, und bei hinreichend hohen Ölpreisen wird die Biokraftstofferzeugung in vielen Ländern selbst ohne staatliche Unterstützung rentabel.
Der Agrarhandel dürfte langsamer wachsen
  • Es wird davon ausgegangen, dass der Handel bei einer nur moderaten Ausweitung der landwirtschaftlichen Produktion in traditionellen Exportländern und einer stärkeren inländischen Produktion in traditionellen Importländern jährlich um 2% wächst, d.h. weniger stark als im vorangegangenen Zehnjahreszeitraum. Das schnellste Wachstum wird voraussichtlich in erster Linie unter den aufstrebenden Exportländern Osteuropas und Zentralasiens sowie den lateinamerikanischen Ländern verzeichnet. In den Subsahara-Ländern wird mit wachsenden Nahrungsmitteldefiziten gerechnet, da die Nachfrage der Bevölkerung die steigende Inlandsproduktion übertreffen wird.
Dieser Ausblick bleibt mit einem hohen Maß an Ungewissheit behaftet
  • Stochastische Analysen veranschaulichen den unsicheren Charakter der Preisprojektionen, die sehr stark von den zu Grunde liegenden Arbeitshypothesen abhängen, und legen den Schluss nahe, dass das Risiko höherer Preise größer ist als das Risiko nachgebender Preise. Diese Analyse bestätigt ferner, dass ertragsabhängige Produktionsfluktuationen in großen Agrarexportländern eine der bedeutendsten Ursachen internationaler Preisvolatilität waren. Die Dürre und die Brände in der Russischen Föderation und der Ukraine ebenso wie die übermäßige Feuchte in den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr haben gezeigt, wie rasch sich Marktgleichgewichte verändern können. Witterungsbedingte Schwankungen bei den Ernteerträgen werden sich in Zukunft zu einem noch entscheidenderen Motor der Preisvolatilität entwickeln.
Preisvolatilität

Die Preisvolatilität hat viele Ursachen

Der Ausblick befasst sich eingehend mit den Hauptursachen der Preisvolatilität, die für die Hersteller, Händler, Verbraucher und Regierungen Unsicherheits- und Risikofaktoren darstellen. Die Preisvolatilität kann in den Industriestaaten wie auch den Entwicklungsländern stark negative Auswirkungen auf den Agrarsektor, die Ernährungssicherheit und die Wirtschaft im weiteren Sinne haben.
  • Wetter und Klimawandel – Der häufigste und wesentlichste Auslösefaktor der Volatilität sind unvorhersehbare Witterungsverhältnisse. Sicher ist, dass der Klimawandel die Witterungsbedingungen verändert, seine Auswirkungen auf extreme Wetterereignisse sind aber noch nicht geklärt.
  • Umfang der Vorräte – Vorräte spielen seit langem eine Rolle bei der Minderung der Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage bei Grunderzeugnissen im kurzfristigen Bereich. Wenn die zugänglichen Vorräte im Vergleich zum Bedarf gering sind, wie dies derzeit beim Grobgetreide der Fall ist, kann die Preisvolatilität hoch sein.
  • Energiepreise – Durch die zunehmenden Verknüpfungen mit den Energiemärkten sowohl über Inputs wie Düngemittel und Transport als auch die wachsende Nachfrage nach Agrarrohstoffen für die Biokraftstofferzeugung wird die Preisvolatilität von den Energie- auf die Agrarmärkte übertragen.
  • Wechselkurse – Über ihren Einfluss auf die inländischen Rohstoffpreise können Währungsfluktuationen die Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.
  • Wachsende Nachfrage – Wenn das Angebot mit der Nachfrage nicht Schritt halten kann, entsteht ein Aufwärtsdruck auf die Rohstoffpreise. Angesichts der weltweit steigenden Pro-Kopf-Einkommen und des in vielen armen Ländern erwarteten Anstiegs der Pro-Kopf-Einkommen um nicht weniger als 50% wird die Elastizität der Nahrungsmittelnachfrage zurückgehen, so dass größere Preisausschläge notwendig wären, um die Nachfrage zu beeinflussen.
  • Ressourcendruck – Höhere Kosten für Vorleistungen, langsamere Technologieanwendung, Expansion in eher marginale Nutzflächen und Einschränkungen beim Einsatz von Double-Cropping-Systemen (zwei Ernten pro Jahr) und von Wasser für Bewässerungszwecke halten das Produktionswachstum derzeit in Grenzen.
  • Handelsrestriktionen – Sowohl Export- als auch Importbeschränkungen verstärken die Preisvolatilität an internationalen Märkten.
  • Spekulation – Die meisten Forscher stimmen darin überein, dass ein hohes Maß an Spekulation an den Terminmärkten die Preisbewegungen auf kurze Sicht verstärken kann, wenngleich keine eindeutigen Belege für längerfristige systemische Auswirkungen auf die Volatilität vorhanden sind.
Politikherausforderungen

Verbesserung von Produktivität und Widerstandsfähigkeit sowie Verringerung von Verschwendung

In diesem Ausblick wird das Augenmerk sowohl auf bedeutende Herausforderungen für die Bewältigung der globalen Ernährungsunsicherheit als auch die großen Chancen gelenkt, die Herstellern von Nahrungsmitteln und Agrarerzeugnissen durch das für das kommende Jahrzehnt projizierte höhere durchschnittliche Preisniveau geboten werden. Für die politischen Entscheidungsträger besteht die große Herausforderung in der Förderung eines Produktivitätswachstums insbesondere bei Kleinerzeugern, das die Widerstandsfähigkeit des Markts gegenüber externen Schocks verbessert und Verschwendung reduziert sowie das Angebot an den lokalen Märkten zu erschwinglichen Preisen erhöht. Es bedarf öffentlicher Investitionen in die Agrarforschung und -entwicklung, Institutionen und Infrastruktur, um die Produktivität des Sektors und seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungs-/Klimaveränderungen und Ressourcenknappheit zu erhöhen. Ferner sind Investitionen vonnöten, um Nachernteverluste auf ein Mindestmaß zu reduzieren. In Anerkennung der Tatsache, dass die Volatilität auch weiterhin ein bezeichnendes Merkmal der Agrarmärkte bleiben wird, bedarf es kohärenter Politiken, um zum einen die Volatilität dort zu reduzieren, wo dies möglich ist, und zum anderen ihre negativen Effekte in Grenzen zu halten.

Verbesserung von Marktinformationen und Politikkohärenz
  • Minderung der Volatilität – Eine erhöhte Markttransparenz kann die Preisvolatilität reduzieren helfen. Es bedarf größerer Anstrengungen, um die globalen und nationalen Informations- und Überwachungssysteme in Bezug auf die Marktaussichten zu verbessern, darunter besseres Datenmaterial zu Produktion, Vorräten und Handel mit sensiblen Agrarerzeugnissen zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit. Eine Beseitigung oder Reduzierung der politikbedingten Verzerrungen, wie Import- und Exportbeschränkungen oder Subventionen und Vorschriften im Hinblick auf Biokraftstoffe kann die Preisvolatilität ebenfalls reduzieren. Angesichts der Bedeutung, die einer Harmonisierung der bei den Handelsgeschäften zum Einsatz kommenden Maßnahmen zukommt, sollten Informationsfluss und Transparenz an den Terminmärkten verbessert werden.
Gezielter Schutz der Armen und Annahme von Risikomanagementstrategien
  • Umgang mit der Volatilität – Soziale Sicherheitsnetze können den anfälligsten Verbrauchern im Fall eines Anstiegs der Nahrungsmittelpreise helfen, während Erzeuger-Sicherheitsnetze Niedrigeinkommen ausgleichen und mithin dafür sorgen können, dass die Erzeuger weiter in der Lage sind, Inputs zu kaufen und ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Notstandsreserven für gezielte Hilfen zu Gunsten der Armen sind sinnvoll, um den Effekt von Preissteigerungen einzudämmen. Größere Anstrengungen sind vonnöten, um marktbasierte Risikomanagementprogramme, darunter der Einsatz von Terminkontrakten und Warenterminbörsen, für Kleinerzeuger zugänglich zu machen. Ferner können die Regierungen auch Risikomanagementstrategien ergreifen, wie Versicherungen zur Finanzierung von Lebensmittelimporten in Fällen, in denen schlechte Witterung die inländische Produktion verringert, oder auch Optionskontrakte abschließen, um künftige Ankäufe von Nahrungsmitteln im Ausland festzuschreiben.
Quelle: OECD; Übersetzung durch den Deutschen Übersetzungsdienst der OECD; www.oecd.org




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