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Hätte, sollte, könnte ...

UN-Jahresbericht 2014 zu den Millenniumsentwicklungszielen in Berlin vorgestellt

Von Harald Neuber *

Die Millenniumsziele für die globale Entwicklung laufen kommendes Jahr aus. Vor allem im globalen Norden ist die Bilanz dürftig, es bleibt bei Versprechungen.

Bei der Präsentation der jährlichen Berichte zu den sogenannten Millenniumsentwicklungszielen der Vereinten Nationen mussten sich die Autoren auch in diesem Jahr wieder viel Mühe geben, das Erreichte nicht gänzlich schlecht dastehen zu lassen. Denn von den im Herbst 2000 gesetzten Zielen konnten viele nicht erreicht werden. Deutlich wurde das auch bei der Präsentation des diesjährigen Berichtes in Berlin am Montag. Wenige Stunden bevor UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York zu dem Papier Stellung nahm, stellte in der deutschen Hauptstadt der Vertreter des UN-Entwicklungsprogramms, Richard Dictus, den Rapport vor.

Dabei wurden die Defizite deutlich: Eine Milliarde Menschen müssen weiterhin ohne sanitäre Anlagen auskommen, was die Verbreitung von Seuchen mit sich bringt. Das im Jahr 2000 formulierte Ziel, binnen 15 Jahren 75 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Sanitäranlagen zu gewähren, ist kaum mehr erreichbar, konstatierte die Presseagentur epd. Auch bei der Mütter- und Kindersterblichkeit liegen die Staaten erheblich hinter den Zielsetzungen zurück. Der Kampf gegen Hunger, Armut und Krankheiten droht zu scheitern, wenn beim Folgeprogramm nicht das Ruder herumgerissen wird. Ab 2015 sollen den bisherigen Millenniumszielen, den MDG, die »Nachhaltigen Entwicklungsziele« folgen, SDG. Aber wird sich mit dem Namen auch die Politik ändern?

Als Deutschland vor wenigen Tagen die Präsidentschaft der G7 übernahm, kamen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wohlfeile Worte. Man wolle den Vorsitz der Allianz von Industriestaaten nutzen, um den internationalen Klimaschutz voranzubringen, kündigten Merkel und Müller an. Allerdings nicht ganz selbstlos. Wenn man die globale Erwärmung nicht auf zwei Grad Celsius begrenze, dann »müssen wir mit 200 Millionen Klimaflüchtlingen rechnen«, sagte Müller.

Vertretern der Opposition und von Nichtregierungsorganisationen reicht das freilich nicht. »Wenn wir ernsthaft über globale Nachhaltigkeitsziele sprechen wollen, dann müssen der Kampf um Ressourcen, die Freihandelspolitik und die Verantwortung der Industriestaaten ganz oben auf die Tagesordnung, das haben auch die G77-Staaten in ihrer Erklärung von La Paz eindrücklich gefordert«, sagte die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Heike Hänsel. Wenn die reichsten zwei Prozent der Weltbevölkerung mehr als 51 Prozent des weltweiten Vermögens besitzen, zeige dies, »dass wir uns mit dieser kapitalistischen Globalisierung nicht abfinden dürfen«.

Eine neue Politik in dem Bereich müsse auch das Verständnis für Entwicklung fördern, warf der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) ein. Dies aber setze ein breites gesellschaftliches Umdenken voraus. »Deutschland sollte sich aktiv an diesem Prozess beteiligen«, schrieben unlängst VENRO und elf weitere Organisationen in einem gemeinsamen Positionspapier. »Wenn wir wirklich nachhaltig und zukunftsorientiert wirtschaften wollen, dann können wir nicht so weitermachen, wie bisher«, betonte der Vorsitzende von VENRO, Bernd Bornhorst.

Während die Forderungen an die Bundesregierung nicht abreißen, kommen aus Berlin ernüchternde Statistiken. Anfang der zweiten Aprilwoche hatte in Paris das Entwicklungskomitee der Industriestaaten die anerkannten staatlichen Entwicklungsleistungen aus dem Jahr 2013 vorgestellt. Im Fall von Deutschland sind 10,591 Milliarden Euro ausgewiesen. Das entspricht weiterhin 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Im Jahr 2000 waren 0,7 Prozent vereinbart worden. Zwar heißt es im Koalitionsvertrag, man halte an dem 0,7-Prozent-Ziel fest und wolle weitere zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Doch ob das erreicht wird, steht in den Sternen.

Fortschritte gab es bei der Hungerbekämpfung in Lateinamerika. Kuba hat nach Angaben von Vertretern der Ernähungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) den Hunger besiegt. Auch Venezuela wurde von der FAO wegen seiner Erfolge im Kampf gegen den Hunger gewürdigt. Die UN-Organisation hat angesichts dieses Erfolgs ein entsprechendes Programm nach Venezuelas 2013 verstorbenem Präsidenten Hugo Chávez benannt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 8. Juli 2014


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