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Atomwaffen aus Ramstein abgezogen?

Friedensforscher Otfried Nassauer: Neue Dienstvorschrift der US-Luftwaffe in Europa sieht keine Nuklearinspektion für Ramstein vor

Letzte Woche machte eine Meldung von Otfried Nassauer die Runde: Der Friedensforscher vom BITS vertrat die Auffassung, dass der größte Teil der in Deutschland (und zwar in Ramstein) lagernden US-Atomwaffen mittlerweile still und heimlich aus Deutschland abgezogen worden seien. Übrig blieben demnach hier zu Lande "nur" noch rund 20 Atomsprengköpfe, die im Fliegerhorst Büchel gelagert werden. Diese Meldung wurde in verschiedenen Medien kolportiert, u.a. in der online.Ausgabe der Tagesschau und in der Süddeutschen Zeitung (12. Juli).
Wir dokumentieren hierzu die Originalmeldung von Nassauer sowie einen Kommentar aus der Presse und eine Presseerklärung der IPPNW.



Ramstein ohne Atomwaffen

Das größte Atomwaffenlager der USA in Europa, das sich auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz befindet, ist inzwischen wohl leer. Das geht zumindest aus einer neuen Dienstvorschrift der US-Luftwaffe in Europa aus dem Januar 2007 hervor, auf die am Montag die Vereinigung amerikanischer Wissenschaftler (FAS) in Washington aufmerksam gemacht hat. Die Anweisung schreibt vor, welche Flugplätze mit Nuklearwaffenlagern in Europa in den kommenden Monaten Besuch von amerikanischen Experten für Nuklearwaffensicherheit bekommen. Diese sollen den örtlichen Mannschaften bei der Vorbereitung auf regelmäßige nukleare Sicherheitsinspektionen helfen.

Alle bisher bekannten europäischen Nuklearwaffenstandorte sind dort gelistet: Für Deutschland ist nach wie vor der Fliegerhorst Büchel, auf dem das deutsche Jagdbombergeschwader 33 stationiert ist, verzeichnet. Ramstein aber fehlt erstmals. Da die Inspektionen für alle Nuklearstandorte in Europa Pflicht sind, geht Hans Kristensen von der FAS davon aus, dass in Ramstein keine Nuklearwaffen mehr vorhanden sind. Bestätigt haben das die amerikanischen Streitkräfte bisher nicht. Das wäre auch ungewöhnlich: Zur An- oder Abwesenheit von nuklearen Waffen an bestimmten Standorten äußert sich die US-Armee in der Regel nicht.

Der Luftwaffenstützpunkt „Ramstein Air Base“ beherbergt spezielle Lagerstätten für insgesamt 216 nukleare Bomben der Typen B-61-3 und B-61-4. In den Boden der Flugzeugschutzbauten sind 54 sogenannte Nuklearwaffengrüfte (vaults) eingelassen, die je vier Atomwaffen aufnehmen können. Etwa 130 Waffen waren dort zuletzt eingelagert. Während der umfangreichen Bauarbeiten auf der Air Base in den vergangenen Jahren – Ramstein hat inzwischen die Aufgaben der RheinMain-Air-Base in Frankfurt am Main übernommen – wurden die Atomwaffen aus Sicherheitsgründen ausgelagert. Das hatte der „Spiegel“ im Jahr 2005 berichtet. Vermutet wurde damals, dass die Waffen nach Abschluss der Bauarbeiten nach Ramstein zurückgebracht werden. Doch das ist wohl nicht geschehen.

Der Verzicht der USA auf die Wiedereinlagerung der Waffen in Ramstein ist eine späte Genugtuung für die ehemalige rot-grüne Bundesregierung. Deren Verteidigungsminister Peter Struck, und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hatten bei einem Besuch der Basis 2005 Zweifel an der Notwendigkeit geäußert, künftig noch Nuklearwaffen in Deutschland zu lagern.

Auswirkungen hat der Abzug von Atomwaffen auch auf das Tornado-Geschwader in Nörvenich in der Eifel. Die Atomwaffen für die Jets in Nörvenich lagerten bisher in Ramstein. Das dortige Geschwader soll in den kommenden Jahren ohnehin von nuklearfähigen Tornado-Flugzeugen auf den Eurofighter umgerüstet werden. Der Eurofighter aber ist nicht nuklearfähig.

In Zukunft gibt es somit nur noch einen aktiven Atomwaffenstandort in Deutschland. Beim Jagdbombergeschwader 33 in Büchel lagern in elf Atomwaffengrüften weiterhin etwa 20 atomare Bomben. Im Ernstfall sollen sie durch Tornados der deutschen Luftwaffe zum Einsatz gebracht werden. Eine amerikanische Wartungs- und Sicherheitsmannschaft ist vor Ort stationiert. Jede der Atomwaffen in Büchel hat ein Vielfaches der Zerstörungskraft der Atomsprengsätze, die Hiroshima und Nagasaki auslöschten.

Für die Bundesregierung wird es nun schwieriger, den Verbleib atomarer Waffen in Deutschland zu begründen. Experten bezweifeln, dass die Nuklearwaffen in Deutschland noch einen nachvollziehbaren, militärischen Zweck erfüllen. Sie binden vor allem teures Personal und verursachen hohe Kosten.

Abzugsbefürwortern hat die Bundesregierung bisher entgegengehalten, Washington halte weiter an der Stationierung nuklearer Waffen in Deutschland fest und Berlin sei in der Pflicht, Solidarität in der Nato zu zeigen. Das erste Argument ist nun hinfällig. Die Bundesregierung wird daher begründen müssen, warum sie an der Lagerung atomarer Waffen festhält, wenn selbst die USA dies in Deutschland nicht mehr für nötig halten.

* Otfried Nassauer ist Direktor des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit.

Hier geht es zur Website des BITS: http://www.bits.de/

Atomare Teilhabe

Von Olaf Standke *

Den meisten Bürgern in dieser Republik dürfte kaum bewusst sein, dass sie in einem Atomwaffenstaat leben. Nicht dass die Bundesrepublik selbst nukleare Sprengköpfe besäße, obwohl man in der Vergangenheit handfest von ihnen geträumt hat. Aber auch fast zwei Jahrzehnte nach Ende des Ost-West-Konflikts lagern hierzulande noch immer die schrecklichsten aller Massenvernichtungswaffen. Sie gehören den USA. Keine Bundesregierung, auch nicht die rot-grüne, die sich hinter dem NATO-Votum für dieses Kriegsgerät versteckte, hat einen ernsthaften Vorstoß unternommen, um Deutschland endlich zu einer Zone frei von Kernwaffen zu machen. Nun böte sich eine neue Gelegenheit.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die etwa 130 Atomsprengköpfe, die auf der US-Basis Ramstein stationiert waren, ins Ausland verlagert wurden. Doch nach wie vor sollen sich 20 auf dem Fliegerhorst Büchel befinden. Warum drängt Berlin nicht auf den vollständigen Abzug aller Kernwaffen? Warum verzichtet man nicht auf die so genannte atomare Teilhabe – deutsche Kampfpiloten üben bis heute den Abwurf der US-amerikanischen Bomben, für den im Ernstfall der Befehl aus dem Pentagon käme. Warum wird die Atomwaffenfreiheit nicht endlich im Grundgesetz verankert? Militärisch sind die Kernwaffen auf deutschem Boden unnütz, völkerrechtlich sind sie geächtet und politisch kontraproduktiv, wenn man nur die Forderungen an Iran vor Augen hat.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Juli 2007


Jetzt muss Deutschland atomwaffenfrei werden!

IPPNW fordert Abzug der letzten Atomwaffen

Berlin, 10.07.07 - Laut Informationen von Atomwaffenexperten in den USA und Deutschland - Hans Christensen (Federation of American Scientists) und Otfried Nassauer (Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit) - sind die US-Atomwaffen aus Ramstein klammheimlich abgezogen worden. An die Bundesregierung gewandt fordert die IPPNW jetzt deren öffentliche Entscheidung, Deutschland zu guter Letzt atomwaffenfrei zu machen und dafür den Abzug der restlichen US-Atomwaffen aus Büchel zu veranlassen.

»Deutschland hat, wenn es mit gutem Beispiel vorangeht, die Chance die Abrüstung zu fördern und die Weiterverbreitung der Atomwaffen zu verhindern«, sagt Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW. »Deswegen fordern wir die Aufgabe der deutschen nuklearen Teilhabe: D.h. keine Beteiligung an der Planung des Einsatzes von Atomwaffen; keine Übungen mit deutschen Tornado-Flugzeugen und deutschen Piloten. All dies ist und bleibt völkerrechtswidrig.«

Sollte es stimmen, dass die US-Atomwaffen aus Ramstein abgezogen sind, sollte man den Abzug erst feiern, wenn die Entscheidung eindeutig unumkehrbar ist. Für die IPPNW heißt das, dass Deutschland aus der nuklearen Teilhabe der NATO ausgestiegen ist und die Atomwaffenfreiheit Deutschlands im Grundgesetz verankert wurde.
»Damit wird z.B. die Glaubwürdigkeit des deutschen Außenministers in seinen Gesprächen mit dem Iran erhöht,« sagt Hall. »Man kann nicht von einem anderen Land den Verzicht fordern, wenn man selber nicht bereit ist, Atomwaffen auf eigenem Boden aufzugeben.«




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