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"Global Zero" ist das Stichwort

Bundestagsdebatte: Alle stehen hinter Obama - Aber die Atomwaffen sollen in Deutschland bleiben

Am 24. April debattierte der Deutsche Bundestag über den Vorschlag von US-Präsident Obama einer vollständigen Abrüstung der Atomwaffen, den er in seiner denkwürdigen Rede in Prag am 5. April 2009 offenbart hatte. Wir dokumentieren die Debattenbeiträge im vollen Wortlaut:



Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode
218. Sitzung: Berlin, Freitag, den 24. April 2009
V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 33 a und 33 b sowie die Zusatzpunkte 11 bis 14 auf:

33. a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Die Chance zur nuklearen Abrüstung nutzen - Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag zum Erfolg führen
- Drucksache 16/12689 -

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Keine Atomwaffen in Deutschland
- Drucksache 16/12684 -

ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Elke Hoff, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für einen Abzug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklearwaffen
- Drucksache 16/12667 -

ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Die NPT-Überprüfungskonferenz im Jahre 2010 zum Erfolg führen - Für ein klares Bekenntnis zu dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt
- Drucksache 16/12666 -

ZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung jetzt einleiten - Nichtverbreitungsvertrag stärken
- Drucksache 16/12685 -

ZP 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Initiative für eine atomwaffenfreie Welt unterstützen - Atomwaffen aus Deutschland abziehen
- Drucksache 16/12686 -

Diejenigen, die sich zwischenzeitlich aus dem Plenum entfernen, mache ich darauf aufmerksam, dass wir im Anschluss an die Aussprache vier namentliche Abstimmungen durchführen werden. Das wird in etwa einer Stunde der Fall sein; denn nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll diese Aussprache 60 Minuten dauern. - Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Innerhalb von drei Monaten, einem Vierteljahr, zwei Debatten über Abrüstung und Rüstungskontrolle zur Kernzeit und eine Debatte über Streumunition, die gestern Abend auf der Tagesordnung des Bundestages stand: Wann hat es das im Deutschen Bundestag je gegeben? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Dass dieses Thema nun verstärkt auf die Tagesordnung kommt, ist aus meiner Sicht ein gutes Signal. Die Abrüstungsdiskussion braucht eine neue Dynamik. Sicher ist, dass wir den Trend der letzten Jahre umkehren müssen. Ich frage mich und Sie: wann, wenn nicht jetzt?

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU))

Es ist notwendig; denn Sie wissen, dass die etablierten Nuklearmächte nach wie vor Tausende von Sprengköpfen besitzen. Proliferation und Nuklearterrorismus drohen das Nichtverbreitungsregime immer weiter zu unterminieren, und es war zu beobachten, dass das, was im konventionellen Bereich in den letzten Jahren mühsam an Abrüstungsarchitektur errichtet worden ist, langsam ins Rutschen gekommen ist.

Die Zeiten für einen neuen Aufbruch sind günstig - wer weiß, wie lange; aber zurzeit sieht es gut aus. Der russische Präsident Medwedew und der amerikanische Präsident Obama haben im Vorfeld des Weltfinanzgipfels in London eine deutliche Reduzierung ihrer strategischen Arsenale angesagt. Präsident Obama hat das - Sie erinnern sich - erst vor kurzem in seiner eindrucksvollen Prager Rede auf den Punkt gebracht: Frieden und Sicherheit in einer Welt ohne Nuklearwaffen.

Ich teile diese Vision, eine Vision, die schon vor zwei Jahren die vier Schwergewichte der amerikanischen Außenpolitik formuliert haben und die von unserer Seite von Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Hans-Dietrich Genscher und Egon Bahr aufgegriffen worden ist. Ich finde, dass es diese vier Deutschen waren, die eine Antwort auf die amerikanische Vision aus Deutschland gegeben haben, gereicht uns allen miteinander durchaus zur Ehre.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wie kehren wir den Trend um? Wie erreichen wir das Ziel? 2010 soll ein Zwischenziel erreicht werden; in dem Jahr steht die Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages an. Ob diese Überprüfungskonferenz scheitert oder gelingt, wird aus meiner Sicht entscheidend davon abhängen, ob es uns gelingt, das Herzstück dieses Vertrages wirklich zu erneuern. Sie wissen das; denn es gehört beides zusammen - manchmal gerät das in Vergessenheit -: die nukleare Abrüstung der Atommächte auf der einen Seite und die Verhinderung nuklearer Proliferation auf der anderen Seite. Beides ist schon jetzt bindende Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag. Sorgen wir dafür, dass aus dem Vertragstext endlich Politik wird. Das ist nötig.

(Beifall bei der SPD)

Aus meiner Sicht ist auf dem Wege dorthin Zweifaches nötig:

Einerseits brauchen wir Regelungen über einen verifizierbaren Produktionsstopp von waffenfähigem Spaltmaterial. Sie wissen, dass die Verhandlungen darüber jahrelang auf Eis gelegen haben. Die Europäische Union wird demnächst eine Initiative dazu ergreifen, um sie wieder in Gang zu bringen.

Das Zweite ist ebenso wichtig und genauso kompliziert. Sie wissen, dass jeder Staat nach dem Atomwaffensperrvertrag auch das Recht auf zivile Nutzung von Kernenergie hat. Natürlich darf die zivile Nutzung aber nicht als Deckmantel für militärische Programme dienen.

Deshalb habe ich selbst Vorschläge dazu auf den Tisch gelegt. Wir brauchen so etwas wie eine Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs, damit insbesondere neue Länder, Schwellenländer und Regionalmächte nicht den Ehrgeiz entwickeln, sich eine eigene Anreicherungstechnologie zu verschaffen. Andere machen den Vorschlag, eine internationale Brennstoffbank zu gründen. Wie auch immer: Wir brauchen jedenfalls schnellstmöglich einen Fortschritt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es schon bei der nächsten Tagung des Gouverneursrats der IAEO im Juni erste Willensbildungen und möglichst auch Vorbereitungen von Entscheidungen gibt. Wir brauchen hier einen Fortschritt.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden (CDU/CSU))

Sie alle wissen: Einen vollständigen Schutz sowohl vor Proliferation als auch vor Nuklearterrorismus wird es nur mit der vollständigen Abschaffung aller Atomwaffen geben. "Global Zero" ist das Stichwort. Ich weiß, und Sie wissen, dass der Weg dorthin nicht einfach wird und einen langen Atem erfordert.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jeder Marsch beginnt mit einem ersten Schritt!)

Ich nenne drei Aspekte dazu, die wir auf diesem Weg zu beachten haben:

Erstens. START-I-Nachfolgeabkommen. Es war still darum geworden, und ich habe auch gezweifelt, ob es noch bis zum Jahresende gelingen kann, ein Nachfolgeabkommen auszuhandeln, mit dem die Fortsetzung dieses Regimes ab dem 1. Januar 2010 sichergestellt wird. Medwedew und Obama haben sich in die Hand versprochen, dass das sein soll. Deshalb gehe ich davon aus, dass es ein Nachfolgeabkommen gibt.

Zweitens. Iran und Nordkorea. Obama geht mit dem Angebot von Verhandlungen mit dem Iran einen mutigen Weg. Wir müssen dem Iran klarmachen, dass auf diesen Vorstoß von Obama aus dem Iran eine angemessene, vernünftige und konstruktive Antwort kommen muss. Die Chance auf einen Neubeginn, der dort jetzt auf dem Weg ist, darf nicht verspielt werden. Das Risiko ist zu hoch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Drittens. Wenn wir über die nukleare Abrüstung reden, dann sprechen wir landläufig über die Abrüstung von strategischen Atomwaffen. Natürlich müssen aber auch die substrategischen bzw. sogenannten taktischen Atomwaffen der Nuklearstaaten einbezogen werden. Wie Sie wissen, ist das bisher nicht in formellen Verträgen geregelt. Hier können wir die Verantwortung auch nicht ganz einfach nur den USA und Russland zuschieben. Hier ist auch Europa gefragt.

(Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Genau!)

Wenn wir wollen, dass sich auch Europa zu einem nuklearfreien Gebiet entwickelt, dann gilt das, was ich sage, natürlich auch für die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

Zum Ende des Kalten Krieges gab es für eine kurze Zeit durchaus einmal Einvernehmen zwischen Russland und den USA über eine Reduktion auch dieser taktischen Atomwaffen. Diesen Faden müssen wir wieder aufnehmen. Auch bei dieser Art von Nuklearwaffen, den taktischen Atomwaffen, müssen wir eine substanzielle Abrüstung erreichen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die öffentliche Diskussion wird in der Regel durch die nukleare Abrüstung bestimmt. Sie alle wissen aber, wie ich, dass die Gefahren im Bereich der konventionellen Waffen nicht kleiner geworden sind. Ich habe am Anfang gesagt, hier ist vieles ins Rutschen gekommen. Die Abrüstungsarchitektur ist nicht gepflegt worden, und mit dem Moratorium für das KSE-Regime droht eine ganz gefährliche Entwicklung. Das müssen wir umkehren. Um den Stillstand zu überwinden, den es dort gibt, und um zu versuchen, das so wichtige KSE-Regime, das Herzstück der konventionellen Abrüstungsarchitektur, an die veränderte sicherheitspolitische Lage anzupassen, habe ich am 10. Juni nach Berlin eingeladen; für die Sicherheit in Europa. Wir brauchen das, und wir brauchen Entgegenkommen von allen Seiten.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckart von Klaeden (CDU/CSU))

Meine Damen und Herren, 2009 wird auch aus außen- und sicherheitspolitischer Sicht ein Jahr voller Herausforderungen und Risiken. Ich hoffe aber, es ist auch deutlich geworden, dass es ein Jahr voller Chancen ist. Politik hat sich im Jahr 2009 auch in der Außen- und Sicherheitspolitik zu bewähren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat der Kollege Werner Hoyer für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In die Abrüstungspolitik kommt endlich wieder Fahrt. Das ist sehr gut so. Präsident Obama hat mit seiner Prager Rede Signale ausgesendet, auf die die Welt lange gewartet hat, und darauf sollten wir eingehen.

Was mich enttäuscht, ja teilweise geradezu empört, sind bisweilen die Reaktionen darauf, auch in Deutschland; ausgerechnet dem Land, das mehr als jedes andere Land von Entspannungs- und Abrüstungspolitik profitiert hat. Einige versuchen, den amerikanischen Präsidenten mit seinen Vorschlägen geradezu der Lächerlichkeit preiszugeben, weil das alles per se und sowieso unrealistisch sei. Ich wundere mich über die Mutlosigkeit und die Fantasielosigkeit, die darin zum Ausdruck kommen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich wundere mich auch über das Beharren auf geopolitischen und geostrategischen Fehlannahmen, die schon die Politik der Neokonservativen geprägt hatten.

Präsident Obama ist alles andere als naiv, und er denkt bei aller Geschwindigkeit, mit der er ans Werk geht, in langfristigen Prozessen. Er hat gesagt, er denkt über Generationen hinweg. Was ihn aber von seinen Kritikern unterscheidet, ist, dass er nicht geradezu axiomatisch davon ausgeht, dass von den Gegnern im Kalten Krieg auch in Zukunft das größte Risiko für unsere Sicherheit ausgeht und dass deshalb Containment und nukleare Abschreckung die richtigen Argumente und Instrumente sein müssten.

Auch ich bin der Überzeugung, dass die nukleare Abschreckung unserer Sicherheit während des Kalten Krieges gute Dienste geleistet hat und dass sie ein Schlüssel gewesen ist. Wir müssen aber dazu sagen, wir haben auch Glück gehabt. Wenn man die Kuba-Krise historisch nachvollzieht, dann zeigt sich, dass wir ganz knapp an einer globalen Katastrophe vorbeigeschrammt sind.

Spätestens seit dem Prozess, der in Helsinki begonnen hat, ist uns zum einen bewusst, dass - wie Gorbatschow es einmal gesagt hat - "die Sicherheit der anderen als integraler Bestandteil des eigenen Sicherheitskonzeptes zu verstehen ist."" Zum anderen ist uns bewusst, dass nukleare Abschreckung der klassischen Form nicht mehr funktionieren kann, ja zu einer Gefahr wird, wenn sie in einer Dimension weiterbesteht, die immer schwerer zu kontrollieren ist.

Die massive nukleare Abschreckung hilft eben nicht, wenn in einer Ecke dieses Planeten Terroristen oder auch gescheiterte Staaten an Atombomben basteln. Es würde ohne Zweifel helfen, wenn deutlich weniger, am besten gar kein waffenfähiges Material herumliegen würde.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD))

Uns muss klar sein, dass wir hier über einen Prozess sprechen, der über Generationen geht. Das weiß auch Präsident Obama. Aber es geht darum, jetzt die Weichen zu stellen. Es ist völlig klar, dass gigantische Anstrengungen, übrigens auch intellektueller Art, unternommen werden müssen, um den Rahmen zu definieren, innerhalb dessen Atomwaffen eliminiert werden können, ohne dass die Führbarkeit konventioneller Kriege zunimmt; denn das kann nicht unser Interesse sein.

Das bedeutet erstens, dass wir einen Quantensprung, ja geradezu einen Paradigmenwechsel in der Verifikationspolitik brauchen; denn nachdem der Geist nun einmal aus der Flasche heraus ist, was zu beklagen ist, werden wir eine wirksame Verifikation der nuklearen Abrüstung nur dann durchziehen können, wenn die Vertragsparteien zu enormen Zugeständnissen bereit sind, wenn sie Verifikationsverfahren zulassen, die tief in die Substanz nationaler Souveränität hineinreichen.

Zweitens muss der ganz enge Zusammenhang zwischen nuklearer und konventioneller Abrüstung gesehen werden. Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen.

Das ist eine gigantische Aufgabe, die einen enorm hohen intellektuellen Input und die Bereitschaft, alte Denkschemata zu überwinden, voraussetzt. Wenn doch nur so viele intellektuelle Kapazitäten in die Frage investiert würden, wie man die Voraussetzungen gestalten kann, damit das Ziel erreicht werden kann, wie in die großen Ausarbeitungen, in denen wortreich belegt wird, dass das alles Unsinn ist, dann wäre schon sehr viel gewonnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich es für unverantwortlich hielte, den uns folgenden Generationen die Hoffnung auf eine nuklearwaffenfreie Welt geradezu präemptiv nehmen zu wollen.

Es geht also nicht sehr schnell. Aber auch Zwischenschritte können schon sehr hilfreich sein, wenn man an den Bereitschaftsstatus bestimmter Waffensysteme und Ähnliches denkt. Hier ist Mut gefragt. Das beginnt durchaus zu Hause.

Meine Fraktion legt Ihnen zum Ende dieser Debatte einen Antrag zur namentlichen Abstimmung vor, mit dem wir die Bundesregierung auffordern, sich bei unseren amerikanischen Verbündeten sowie im Rahmen der NATO dafür einzusetzen, dass die verbliebenen taktischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist übrigens eine Mär, dass das mit einem Verlust an Sicherheit für uns und mit einer Schwächung unserer Position im Bündnis verbunden wäre. Die Erfahrungen anderer Bündnispartner belegen, dass dies nicht der Fall sein muss und auch nicht ist. Ich glaube, dass wir es hier mit nichttragfähigen Scheinargumenten zu tun haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist erfreulicherweise, wie wir gerade gehört haben, auch die Position des Bundesaußenministers und SPD-Kanzlerkandidaten. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion heute ihrem Kanzlerkandidaten und übrigens auch ihrem gerade beschlossenen Wahlprogramm folgen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Eckart von Klaeden für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nuklear-Ecki!)

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir feiern in diesem Jahr 20 Jahre Mauerfall. Der Mauerfall steht symbolhaft für das Ende des Kalten Krieges. Während der Zeit des Kalten Krieges gab es in Deutschland über viele Jahrzehnte die höchste Dichte an konventionellen und nuklearen Waffen in unserer Geschichte. Seitdem ist erfreulicherweise massiv abgerüstet worden. Die NATO hat ihr strategisches, substrategisches und taktisches Nuklearwaffenpotenzial seitdem um etwa 95 Prozent reduziert und den Bereitschaftsstatus der verbliebenen Nuklearwaffen weiter gesenkt. Gleichwohl gibt es nach Schätzung des angesehenen SIPRI-Instituts nach wie vor über 20 000 Nuklearwaffen, allein 14 000 - so SIPRI - in russischen und ungefähr 5 400 in amerikanischen Arsenalen.

Auch meine Fraktion begrüßt daher ausdrücklich die Initiative des amerikanischen Präsidenten Barack Obama und des russischen Präsidenten Medwedew für eine Reduzierung strategischer Atomwaffen und für ein Nachfolgeabkommen für START I. Wir begrüßen auch die Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, dem Senat das Atomteststoppabkommen zur Ratifizierung vorzulegen.

Nach meiner Einschätzung wird es dazu möglicherweise in diesem Jahr nicht mehr kommen, weil sich der Kongress vorgenommen hat, zunächst einmal das dann verhandelte Nachfolgeabkommen zu START I zu ratifizieren. Ich hoffe aber, dass es dazu kommen wird, bevor im nächsten Jahr die Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages beginnt.

Die Rede von Barack Obama in Prag ist von meinen beiden Vorrednern erwähnt worden. Ich teile die Bewunderung für diese Rede.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch für die Türkeiteile?)

Ich teile insbesondere das Bekenntnis Barack Obamas zu einer nuklearwaffenfreien Welt. Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass dies schon lange bindendes Völkerrecht ist; denn diese Verpflichtung steht im Nichtverbreitungsvertrag. Erreichen werden wir diese Ziele gegenseitiger und verifizierter nuklearer Abrüstung aber nur dann, wenn sich alle dieser Vision und diesem Prinzip verpflichtet fühlen.

Obama hat in seiner Rede bewiesen, dass er ein pragmatischer Visionär ist. Er hat darauf hingewiesen, dem Ziel der Abrüstung verpflichtet zu sein, aber auch, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind. Er sagte, dieses Ziel werde nicht schnell zu erreichen sein, möglicherweise nicht zu seinen Lebzeiten. Er hat die große Entschlossenheit zur Abrüstung zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig aber unterstrichen, dass diese Bereitschaft zur Abrüstung der Sicherheit seines Landes und der Sicherheit der Bündnispartner dienen muss. In diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika so lange auf Nuklearwaffen nicht werden verzichten können, wie solche Waffen existieren. Da beides dem Ziel dienen soll, die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, gehören einerseits die Entschlossenheit zur Abrüstung und andererseits die Bereitschaft zur Aufrechterhaltung der nuklearen Abschreckung, soweit sie erforderlich ist, zusammen.

Die NATO hat das in ihrer jüngsten Declaration on Alliance Security anlässlich des Jubiläumsgipfels von Strassburg und Kehl noch einmal betont. Dieses Dokument ist von den Außenministern - auch von unserem Außenminister Steinmeier - endverhandelt worden. In diesem Dokument ist festgelegt, dass die nukleare Abschreckung trotz der veränderten Umstände ein unverzichtbarer Bestandteil der NATO-Strategie ist. Das doppelte Bekenntnis, der Double-Track-Ansatz, einerseits alles zu erreichen, was im Rahmen der Abrüstung möglich ist, und andererseits auf die nukleare Abschreckung nicht zu verzichten, soweit sie erforderlich ist - das hat der Außenminister für die Bundesregierung verhandelt -, findet die ausdrückliche Unterstützung meiner Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach dem Abzug der möglicherweise noch in Deutschland stationierten taktischen Nuklearwaffen. Wir müssen leider feststellen, dass die Proliferationsgefahren in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern weiter zugenommen haben. In ihrem jüngsten Bericht hat die Internationale Atomenergiebehörde festgestellt, dass der Iran möglicherweise nur noch Monate von der Fähigkeit entfernt ist, einen nuklearen Sprengkörper herzustellen. Auch Länder wie Indien, China und Pakistan modernisieren ihre Nuklearstreitkräfte mit großem Aufwand. Die nukleare Rüstung dieser Staaten erfolgte im Wesentlichen aufgrund der Einschätzung - möglicherweise aufgrund der Fehleinschätzung - rein nationaler Sicherheitsinteressen. Die nukleare Aufrüstung Indiens ist eine Folge des chinesischen Angriffs von 1962 gewesen. Die pakistanische Aufrüstung ist eine Folge der indischen Nuklearbewaffnung. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass es auf der Nachfolgekonferenz zum Nichtweiterverbreitungsvertrag zu einem neuen Ansatz in der nuklearen Abrüstung kommt.

In diesem Zusammenhang wird viel über eine israelische Nuklearrüstung gesprochen. Den defensiven Charakter des potentiellen israelischen Nuklearprogramms kann man übrigens daran erkennen, dass Israels arabische Nachbarstaaten 30 Jahre dieses Programm nicht als einen Grund angesehen haben, selber eine Nuklearmacht zu werden, aber angesichts der iranischen nuklearen Ambitionen angekündigt haben, sich selbst nuklear zu bewaffnen. Das heißt, dass die Nachbarstaaten Israels und Irans 30 Jahre mit einem möglichen israelischen Nuklearprogramm, aber nicht zehn Minuten mit einem iranischen Nuklearprogramm glauben leben zu können. Das zeigt, dass beide Faktoren für die Schaffung von Sicherheit erforderlich sind. Nicht nur die Frage nach Abrüstung an sich ist wichtig. Vielmehr entsteht Bedrohung aus der Kombination von Waffen und Politik. Deswegen ist der neue Ansatz des amerikanischen Präsidenten, mit dem Iran Gespräche aufzunehmen und auf eine langfristige Veränderung der Politik zu setzen, der richtige.

Gleichwohl sind die Nachrichten, die wir gerade in den letzten Monaten über das iranische Nuklearprogramm bekommen haben, besorgniserregend. Dazu gehören unter anderem die Raketentests, die der Iran im Februar durchgeführt hat. Weitere Raketentests, auch einer in diesem Jahr, sind angekündigt. Deswegen müssen wir darüber nachdenken, wie es gelingen kann, einerseits den langfristigen Ansatz der amerikanischen Administration zu einem grundlegenden Politikwechsel gegenüber dem Iran zu unterstützen, andererseits aber das kurzfristige Ziel zu erreichen, dass der Iran keine Nuklearmacht wird. Wir müssen beide Strategien so aufeinander abstimmen, dass das eine Ziel nicht durch das andere konterkariert wird. Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Ansätze. Den einen Ansatz hat der Außenminister schon angesprochen. Er findet unsere volle Unterstützung. Es handelt sich um die Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs, sodass keine Nation, die von dem Recht Gebrauch machen will, die Kernenergie zivil zu nutzen, auf ein nationales Anreicherungsprogramm angewiesen ist. Die zweite Möglichkeit liegt in der Multilateralisierung des INF-Vertrages; denn wenn es gelingen kann, den Iran relativ bald in solche Verhandlungen einzubeziehen, dann könnten die Trägersysteme entfallen oder so eingeschränkt werden, dass eine nukleare Bewaffnung, von der der Iran selber behauptet, dass er sie anstrebt, nicht mehr sinnvoll wäre.

Mein letzter Punkt betrifft die Frage der konventionellen Abrüstung. Wir teilen den Wunsch und das Anliegen, den AKSE-Vertrag zu ratifizieren und den KSE-Vertrag als ein Kernstück der konventionellen Abrüstung und der konventionellen Sicherheit in Europa zu erhalten. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch deutlich machen, dass durch das russische Verhalten - einerseits die Suspendierung des Vertrages und andererseits der Abschluss der Verträge mit den abtrünnigen georgischen Landesteilen Südossetien und Abchasien, in diesen Landesteilen jeweils 3 800 Soldaten zu stationieren - die Verpflichtungen, die Russland eingegangen ist, als der AKSE-Vertrag 1999 in Istanbul unterzeichnet worden ist, schwer verletzt worden sind. Ich will darauf hinweisen, dass die Istanbul-Verpflichtungen 1999 - dazu gibt es einen sehr lesenswerten Artikel unseres Kollegen Wolfgang Gerhardt in der FAZ aus dem Jahr - keine zusätzlichen Auflagen, sondern geradezu Zugeständnisse Russland gegenüber gewesen sind, das sich zu der Zeit im zweiten Tschetschenien-Krieg befand. Man hatte damals die Sorge, dass dann, wenn man diese Vereinbarung mit Russland nicht trifft, der alte KSE-Vertrag und der angepasste KSE-Vertrag von Russland von vornherein verletzt werden. Es ist also ein Zugeständnis an Russland gewesen. Deswegen müssen wir darauf dringen, nicht nur aus Gründen der Vertragstreue, sondern weil es ein wesentlicher Bestandteil der konventionellen Sicherheit in Deutschland ist, dass Russland diesen Verpflichtungen weiter nachkommt. Deswegen ist ein Junktim - das ist mein letzter Satz, Herr Präsident - zwischen konventioneller Abrüstung in Europa und der strategischen nuklearen Abrüstung falsch; denn dann entsteht die Gefahr, dass es aufgrund des engen Zeitfensters, das für die Verhandlungen über den START-I-Vertrag bis zum Ende des Jahres besteht, und wegen der Schwierigkeiten, die sich bei der konventionellen Abrüstung und bei der Ratifizierung des KSE-Vertrags ergeben können, nicht rechtzeitig zu einem Nachfolgeabkommen kommt. Beides ist wichtig.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege von Klaeden.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Aber beides darf nicht vollständig miteinander verbunden werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass beides nicht gelingt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege von Klaeden, Sie hatten vor geraumer Zeit einen Schlusssatz in Aussicht gestellt, was mich zur Wiederholung meiner Empfehlung veranlasst, dass es sich dann, wenn Schlusssätze einen Großteil der zugemessenen Redezeit beanspruchen, empfiehlt, mit diesen Schlusssätzen rechtzeitig zu beginnen.

(Heiterkeit und Beifall - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): 10 Prozent, Herr Präsident!)

Nun erhält der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Fangen Sie mal mit dem Schlusssatz an! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt auf unserer Erde 10 000 Atomsprengköpfe, davon 4 500 in der NATO. Das heißt, die Menschheit ist in der Lage, sich vielfach und vollständig zu vernichten. Den Sinn konnte mir noch niemand erklären. Ich begrüße deshalb ausdrücklich, dass - ich glaube, sogar als erster amerikanischer Präsident, seit Amerika Atomwaffen besitzt - Obama jetzt erklärt hat, er wolle eine atomwaffenfreie Welt. Daran haben wir in jeder Hinsicht zu arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos) - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Ronald Reagan zum Beispiel auch!)

Der Vertrag von 1968 über die Nichtverbreitung von Atomwaffen enthält drei verschiedene Verpflichtungen. Er enthält einmal die Verpflichtung zur Abrüstung, die nicht erfüllt wurde, zum Zweiten das Verbot der Verbreitung von Atomwaffen und zum Dritten die Zusage an eine friedliche Nutzung von Atomenergie, egal wie wir jetzt dazu stehen.

189 Staaten - das darf man nicht vergessen - haben diesen Vertrag unterschrieben und ratifiziert, nur nicht Indien, Pakistan und Israel. Nordkorea ist 2003 ausgetreten; das ist ein weiteres Problem. Die letzte Überprüfungskonferenz fand 2005 statt und brachte nichts, da die USA damals an Abrüstung noch nicht interessiert waren.

Es gibt inzwischen sicher acht Nuklearmächte: die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan und Israel. Bei Nordkorea besteht Unsicherheit, und dem Iran wird vorgeworfen, Atomwaffen herstellen zu wollen. Das alles bereitet große Sorgen, nicht nur wegen Nordkorea und Iran, sondern zum Beispiel auch wegen Pakistan, wenn man an die instabile Situation in diesem Land, an die Rolle der Taliban usw. denkt. Bei Indien darf ich Sie an den Kaschmirkonflikt und andere Dinge erinnern.

2000 war ich in Indien und habe mit dem damaligen indischen Außenminister gesprochen. Was er mir erzählt hat, war wirklich interessant. Ich habe dort natürlich pflichtgemäß kritisiert, dass Indien Atomwaffen baut. Daraufhin hat er mich gefragt: "Waren Sie eigentlich für oder gegen den Jugoslawienkrieg?" Ich habe gesagt: "Ich war dagegen." Er fragte weiter: "Hatte Jugoslawien Atomwaffen?" Ich sagte: "Nein." Dann sagte er: "Glauben Sie, Belgrad wäre bombardiert worden, wenn Jugoslawien Atomwaffen gehabt hätte?" Das war seine Antwort. Es ist nicht so, dass ich darauf nichts geantwortet hätte.

Mir ist aber klar geworden: Wir können glaubwürdig den Verzicht auf Atomwaffen nur durchsetzen, wenn die Atommächte ihre Atomwaffen ernsthaft abbauen, bis hin zu Null. Einen anderen Weg gibt es nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Sonst bleibt das ein Privileg, weil Staaten immer wieder sagen werden, sie seien ja nur unangreifbar, wenn sie selber die Atomwaffen besitzen, und genau das müssen wir abbauen.

Wir begrüßen den Vorschlag von Obama. Es ist auch zu begrüßen, dass er zusammen mit dem russischen Präsidenten einen neuen START-Vertrag abschließen will. Es ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, dass er gesagt hat, er verzichte auf Atomtests.

Ich glaube, dass wir diesen Weg gehen müssen. Ich sage es noch einmal: Nur wenn die Atommächte jetzt vereinbaren, wie sie schrittweise die Atomwaffen abbauen bis zur Zahl Null, sind sie auch berechtigt, nicht nur zu fordern, sondern international durchzusetzen, dass nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt mehr eine einzige Atombombe gebaut wird. Genau das muss das Ziel sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Von Deutschland ging im letzten Jahrhundert der schlimmste Krieg aus, der Zweite Weltkrieg. Deshalb müssen wir an Abrüstung ein besonderes Interesse haben, das wir durch Signale ganz besonders zum Ausdruck bringen müssen. Auch Deutschland kann einen Beitrag zur nuklearen Abrüstung leisten. Das Erste wäre die Forderung nach einem Abzug der noch vorhandenen US-Atombomben in Deutschland. Wer braucht denn diese Atombomben?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Die Deutschen brauchen sie am allerwenigsten, Europa und die USA brauchen sie auch nicht. Wir können diese Atomwaffen loswerden. Wenn Obama glaubwürdig ist in seinem Wunsch nach atomarer Abrüstung, hat er nicht ein einziges Argument dafür, die Atomwaffen in Deutschland zu belassen. Das müssen wir nutzen. Deshalb gibt es Anträge, die fordern, der Bundestag solle das beschließen.

Zweitens müssen wir auf einen eindeutigen Verzicht auf die nukleare Teilhabe in der NATO durch die Bereitstellung von Trägersystemen, von Bundeswehrpersonal oder durch anderweitige Unterstützung setzen. Auch das ist möglich. Griechenland und Kanada haben keine nukleare Teilhabe in der NATO. Sie waren die Ersten, die diesen Weg gegangen sind. Auch Deutschland muss diesen Weg jetzt gehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Interessant ist, dass die Union dagegen ist. Sie wollen nicht, dass die Regierung aufgefordert wird, mit der amerikanischen Regierung über einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu verhandeln, und schon gar nicht wollen Sie die nukleare Teilhabe in der NATO aufgeben.

Die Bundeskanzlerin hat das in der Bundestagsdebatte am 26. März 2009 begründet. Sie hat wörtlich Folgendes gesagt - ich darf zitieren -:

Wir sollten gut aufpassen, dass wir Ziel und Weg nicht vermischen.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Weg ist das Ziel!)

Außerdem hat sie gesagt:

Die Bundesregierung hat deshalb die nukleare Teilhabe in der Allianz im Weißbuch verankert, weil wir wissen, dass sie uns Einfluss im Bündnis sichert.

Das ist eine Denkweise aus dem Kalten Krieg, die wir heute überhaupt nicht mehr gebrauchen können. Wollen Sie denn ernsthaft sagen, dass Kanada und Griechenland keinen Einfluss in der NATO haben, nur weil sie auf die nukleare Teilhabe verzichtet haben? Bei unserer Geschichte hätten wir die Ersten sein müssen, die verzichten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Die Ersten können wir nicht mehr sein. Nun lassen Sie uns wenigstens die Dritten werden!

Wir unterstützen den Antrag der Grünen, der unserem Antrag ganz ähnlich ist.

Der Antrag der FDP ist unserem auch ähnlich, hat allerdings einen Mangel. Die nukleare Teilhabe kritisieren Sie im Feststellungsteil, aber im Forderungsteil kommt der Verzicht nicht zum Ausdruck, was ich schade finde; denn die Bundesregierung müsste aufgefordert werden, diesbezüglich einen anderen Weg zu gehen.

Herr Steinmeier, es ist ja ganz schön, was Sie hier verkünden, aber in dem Antrag von Union und SPD gibt es nicht einen Halbsatz zu den amerikanischen Atomwaffen in Deutschland

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sehr richtig! Genau so ist es!)

und findet sich nichts dagegen, dass wir eine nukleare Teilhabe in der NATO haben.

Jetzt werden Sie mir erklären, dass das wieder an der Union liegt - die Erklärung kenne ich seit vielen Jahren -; ich sage Ihnen: Das ist ein Problem. Das Problem besteht in Folgendem: Es gibt von der Bevölkerung gewählte politische Mehrheiten im Bundestag, die nichts erreichen, weil die politische Konstellation dagegenspricht. Erklären Sie den Leuten mal, dass es eine Mehrheit gibt, nämlich von SPD, Grünen und uns Linken, die für einen gesetzlichen Mindestlohn ist, dass ein solcher Mindestlohn im Bundestag aber nicht zu beschließen ist! Erklären Sie den Leuten mal, dass es eine Mehrheit von SPD, Linken, Grünen und FDP gibt, die die Regierung auffordern will, dafür zu sorgen, dass die amerikanischen Atomwaffen so schnell wie möglich aus Deutschland verschwinden und wir auch auf die nukleare Teilhabe in der NATO verzichten, dass aber trotz dieser Mehrheit kein solcher Beschluss zustande kommt! Es gibt eine Mehrheit, die das Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern will, aber auch dieser Beschluss kommt nicht zustande, und zwar deshalb nicht, weil Sie sich regelmäßig der Union unterordnen. Wenn das so ist, dann müssen Sie im Wahlkampf auch sagen, dass Sie Versprechungen in die ganze Welt hinein machen, damit aber nichts zu tun haben, weil letztlich die Union entscheidet, was Sie dürfen und was Sie nicht dürfen. Das ist die Konstellation, mit der wir es im Bundestag gegenwärtig zu tun haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Gysi, Sie müssen - -

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Deshalb ist das Ganze nicht glaubwürdig. - Herr Präsident, ich bin schon fertig.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das ist ja nicht zu fassen.

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Ich war so was von diszipliniert. - Ich hoffe, wir werden die Atomwaffen so schnell wie möglich los.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Gert Winkelmeier (fraktionslos))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, so ist es: Die einen haben sehr pragmatische Visionen, und die anderen sind sprachlos. Präsident Obama hat in Prag in der Tat einen Paradigmenwechsel in der Abrüstungspolitik eingeleitet. Der mächtigste Staat unterstützt nun die Perspektive einer Welt ohne Atomwaffen. Und was macht die Bundesregierung? Folgt sie Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker? Nein, Frau Merkel ist seitdem weitgehend in Sprachlosigkeit verfallen. Man merkt ihr irgendwie an, dass sie den Wechsel von George W. zu Barack Obama mental noch nicht so richtig verarbeitet hat.

Ihr Außenminister, der liebe Frank Steinmeier, redet dafür umso lauter, aber eigentlich immer nur auf Seminaren der Friedrich-Ebert-Stiftung und auf SPD-Parteiversammlungen.

(Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Sicherheitskonferenz!)

Die Frage bleibt natürlich: Was macht die Bundesregierung?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist ihr konkreter Vorschlag, den sie in diesen Prozess einbringen will? Was ist ihr Zeitplan? Welchen Vorschlag wird die Bundesrepublik Deutschland im Mai bei der Vorbereitungskonferenz für die Überprüfungskonferenz machen? Werden Sie - gemeinsam vielleicht mit dem Bundesverteidigungsminister - vorschlagen, dass Deutschland endlich den Zustand beendet, dass jeden Tag deutsche Soldaten in Tornados steigen, um den Abwurf von Nuklearwaffen zu üben?

Ich sage Ihnen eines, Herr Steinmeier - den Zwischenruf mit der Münchner Sicherheitskonferenz habe ich gehört -: Für eine Regierung reicht es nicht, zu reden. Eine Regierung, auch eine Große Koalition, ist dafür gewählt worden, zu handeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Handeln heißt in dieser Frage: Beenden Sie die nukleare Teilhabe. Sie müssen sich nicht hinter den USA verstecken. Es ist eine souveräne Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland, ob wir weiterhin eine Mitmach-Atommacht sind oder nicht.

Das hat auch Konsequenzen. Nur wer selbst bereit ist, ohne Atomwaffen zu leben, kann glaubwürdig von anderen verlangen, es genauso zu tun. Solange Atomwaffenstaaten oder Nukleare-Teilhabe-Staaten wie Deutschland behaupten - Frau Merkel hat das erneut getan -, dass Atomwaffen für die eigene Sicherheit unverzichtbar seien, so lange werden diese Waffen für andere interessant bleiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese krude Logik hat uns nach einer Phase der Abrüstung in den 90er-Jahren dahin gebracht, dass wir inzwischen wieder mehr statt weniger Atomwaffen haben. Solange die atomwaffenbesitzenden Staaten ihren im Nichtverbreitungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen nicht nachkommen, so lange können sie sich von allen Bemühungen über strengere Regeln und bessere Kontrollen zur Nichtverbreitungspolitik nicht ernsthaft versprechen, dass diese zum Erfolg führen.

Die Doppelstandards zwischen den Technologieinhabern - das sind nicht nur die atomwaffenbesitzenden Staaten - haben das Nichtverbreitungsregime 2005 kurz vor den Kollaps gebracht. Anstatt daraus Lehren zu ziehen, hat die Bundesregierung aktiv vorwärtstreibend eine Rolle dabei gespielt, unter Bruch wesentlicher Prinzipien des Nichtverbreitungsvertrages den U.S.-India Nuclear Deal durch die Nuclear Suppliers Group durchzupeitschen. Anders kann man das nicht sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun gibt es seit der Rede von Barack Obama die Hoffnung, dass 2010 anders sein wird als 2005. Beim Lesen des Antrags der Großen Koalition frage ich mich aber wirklich - dazu habe ich in der Rede des Bundesaußenministers auch nichts gehört -: Was wollen Sie eigentlich? Sie sagen, der Atomteststoppvertrag sei wichtig. Natürlich ist er wichtig. Wir haben ihn hier ratifiziert. Des Weiteren sprechen Sie davon, dass es ein Folgeabkommen zu START geben müsse. Ja, das stimmt. Aber das interessiert die Bundesrepublik Deutschland doch nicht.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Oh doch!)

- Lieber Herr von Klaeden, eigenes Handeln findet in diesen Anträgen überhaupt nicht statt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Eigenes Handeln hätte geheißen: Wir brauchen Verhandlungen über eine nichtdiskriminierende, verifizierbare und durchsetzbare Nuklearwaffenkonvention. Wir brauchen ein Kernwaffenregister. Wir müssen als Europa dem Raketenabwehrschild eine Absage erteilen. Wir müssen endlich darangehen, die Sicherheitsstrategie der NATO zu entnuklearisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist eigenes Handeln. Es reicht nicht aus, auf der Tribüne zu kommentieren, während andere spielen.

Sie haben gesagt, es gebe auch eine moralische Verantwortung zum Handeln. Das steht darin. Betrachten Sie doch bitte einmal selbstkritisch Ihre eigene Geschichte. Wer hat denn das große Loch in den Nichtverbreitungsvertrag hineinverhandelt - ein Loch, so groß wie ein Scheunentor -, dass die Technologie der Anreicherung und Wiederaufarbeitung nicht dem Nichtverbreitungsregime unterliegt? Das war damals Deutschland. Wenn Sie heute hier zu Recht vor den Gefahren des iranischen Atomprogramms warnen, muss ich Sie um der historischen Wahrheit willen darauf hinweisen, dass die Tür für Ahmadinedschad durch die Art und Weise, in der Franz Josef Strauß dieses Loch seinerzeit hineinverhandelt hat, geöffnet worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Solange die Situation so ist, kommen Sie in Bezug auf die Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs nicht zu einem diskriminierungsfreien Regime.

Eigenes Handeln - die eigene Bereitschaft, die Wiederaufarbeitung und die Anreicherung in Deutschland, beispielsweise in Gronau, endlich selber solchen Regeln zu unterwerfen - ist also die Voraussetzung für Fortschritte in der Nichtverbreitungspolitik. Eigenes Handeln heißt aber auch: eigenes Handeln im Bereich der nuklearen Teilhabe. Wir müssen Schluss damit machen, dass Obama vorlegt, Merkel schweigt und Deutschland in der Abrüstungspolitik weiter herumeiert. Ich finde, die Zeit der Ausreden ist vorbei. Wir wissen heute: Eine Welt ohne Atomwaffen ist möglich. Es kommt darauf an, endlich anzufangen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Norman Paech (DIE LINKE))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rolf Mützenich, SPD-Fraktion.

Dr. Rolf Mützenich (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, heute ist ein guter Tag, und zwar nicht nur, weil wir heute einmal vormittags im Deutschen Bundestag über die nukleare Abrüstung sprechen, sondern auch, weil zeitgleich in Rom die amerikanischen und die russischen Verhandlungspartner zum ersten Mal zusammenkommen, um über Abrüstung im Bereich der strategischen Atomwaffen zu sprechen.

(Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Genau!)

Herr Trittin, ich finde schon, dass man deutlich sagen muss, dass Deutschland ein großes Interesse an der Abrüstung der strategischen Atomwaffen hat. Deutschland ist ein verantwortlich handelndes Land innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Deswegen haben wir dieses Thema auch in den Koalitionsantrag aufgenommen. Unsere Sicherheit wird gestärkt, wenn es gelingt, das einzuhalten, was sich Präsident Obama und Präsident Medwedew versprochen haben, nämlich bei den strategischen Atomwaffen deutlich abzurüsten. Deswegen begrüßen wir das gerade am heutigen Tag.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kollege Hoyer hat vollkommen recht: Die nukleare Abschreckung war während des Ost-West-Konflikts eine Last. Einige behaupten ja immer noch, wir hätten es der nuklearen Abschreckung zu verdanken, dass wir sozusagen über die Runden gekommen sind. Wenn man die Dokumente, die die Archive freigegeben haben, heute liest, wird einem jetzt noch mulmig zumute. Dann denkt man darüber nach, was alles hätte passieren können. Dabei geht es nicht nur um die Kuba-Krise, sondern auch um NATO-Manöver, um Fehler auf der sowjetischen Seite und viele andere Dinge.

Präsident Obama ist ein Realist, wenn er Visionen hat. Ich sage das ganz bewusst als Sozialdemokrat; denn er hat einen guten Fürsprecher, Helmut Schmidt, der, wie Sie wissen, den einen oder anderen Visionär zumindest während seiner Kanzlerschaft anders bezeichnet hat. Gerade deswegen ist seine Fürsprache bedeutsam. Wir unterstützen Präsident Obama in seiner realistischen Strategie, damit die Kernwaffen von dieser Erde verschwinden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist gut und richtig, dass der Außenminister zweierlei tut: Bei seinen nächsten Gesprächen in den USA wird er mit seiner amerikanischen Kollegin über die in Deutschland lagernden Atomwaffen sprechen. Er wird aber auch sagen, dass die substrategischen Atomwaffen aus Europa verschwinden müssen. Das ist ein realistischer Ansatz. Darum geht es.

Ihre Anträge dienen im Grunde nur der Nabelschau. Sie suggerieren den Leuten draußen, dass wir sicherer wären, wenn die Atomwaffen weg wären. Damit widerlegen Sie aber Ihre eigene Argumentation im Hinblick auf die nukleare Abschreckung und die Verfügungsgewalt über zahllose Atomwaffen. Es war richtig, dass der Außenminister gesagt hat, dass er diese beiden Aspekte zusammenbringen will. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, genau diesen Aspekt haben Sie in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt. Sie gehen nur auf die Atomwaffen ein, die sich auf deutschem Territorium befinden. Ich finde, das ist zu wenig. Wenn man eine seriöse Sicherheitspolitik betreiben will, wenn man für nukleare Abrüstung und Abrüstung insgesamt eintritt, muss man diese Dinge gemeinsam ansprechen. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Sie machen nur Spektakel. Ich bin froh, dass Frank-Walter Steinmeier keine Fisimatenten - Entschuldigung: keinen Unfug; als Rheinländer sagt man das so - macht, sondern genau den von mir bezeichneten Aspekt in die Gespräche einbringt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Werner Hoyer (FDP): Dann können Sie ja beiden Anträgen zustimmen!)

Kollege Hoyer, ich würde Sie gerne einmal fragen - diese Frage habe ich mir schon während Ihrer Rede überlegt -, mit wem Sie das, was in Ihrem Antrag steht und was Sie eben hier vorgetragen haben, eigentlich erreichen wollen. Mit Ihrem Wunschpartner, der nebenan sitzt?

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Na klar!)

Verstehen Sie das unter Seriosität bei diesen Themen im kommenden Wahlkampf? Ich finde, dass der außenpolitische Aspekt dazugehört. Sie müssen sagen, mit welchem Partner Sie das nach dem 27. September umsetzen wollen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU - persönlich auf jeden Fall -, aber ich kann Ihnen Geschichten erzählen, die zeigen, wie schwer es in den letzten Jahren gewesen ist, das eine oder andere auf den Weg zu bringen.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Dönekes! Erzählen Sie doch mal! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das beruht auf Gegenseitigkeit!)

Deswegen bin froh, dass wir es geschafft haben, den Antrag von CDU/CSU und SPD heute auf den Weg zu bringen.

Ich war enttäuscht - ich versuche, eine ehrliche Debatte zu führen -, als die Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten einen zwar lesenswerten Beitrag zur Sicherheitskonferenz in München geschrieben hat, es aber nicht geschafft hat, das umzusetzen, was wir innerhalb der Europäischen Union brauchen, nämlich eine ernsthafte Debatte mit den europäischen Partnern, mit Großbritannien und mit Frankreich, über die Atomwaffen zu führen. Ich hätte diesen Artikel sofort unterschrieben, wenn die Bundeskanzlerin es geschafft hätte, vom französischen Präsidenten, der ja sehr eigenwillig ist - das gebe ich gern zu - und vielleicht gar nicht so einfach in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann, die Aussage zu erhalten, dass er zumindest auf die Modernisierung der französischen Atomwaffen verzichtet. Auch dafür tritt der deutsche Außenminister ein. Ich glaube, dass er in nächster Zukunft mit seinem britischen Kollegen über wichtige Bereiche sprechen wird, bei denen es um nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle geht.

Wir brauchen wieder eine politische Kultur der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir brauchen den Einsatz für die konventionelle Abrüstung; dies ist eben angesprochen worden. Wir haben das in unser Grundsatzprogramm und auch in unser Wahlprogramm aufgenommen. Die Menschen können darüber befinden, ob es für Deutschland der richtige Weg ist, diese beiden Aspekte - die hier lagernden Atomwaffen und die weltweite Abrüstung - zusammenzuführen. Dafür treten wir ein. Daher sollten Sie unserem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollegin Elke Hoff für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Elke Hoff (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Vorwurf der Fisimatenten - lieber Kollege Mützenich, das ist ein Wort, das wohl nur die Rheinländer verstehen können -

(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Entschuldigung! - Mechthild Rawert (SPD): Nein! Wir auch!)

weise ich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich zurück. Wir versuchen nicht, den Eindruck zu erwecken, dass man die taktischen Nuklearwaffen sozusagen von heute auf morgen von deutschem Boden abziehen könnte. Vielmehr sagen wir einerseits, dass wir ein Zeichen setzen möchten. Andererseits möchten wir im Diskussionsprozess in der Nuklearen Planungsgruppe die Möglichkeit haben, über den weiteren Umgang des Bündnisses mit Nukleartechnologie als strategischem Instrument zu reden. Ich halte das für einen sehr klugen und guten Weg, um vernünftige Gespräche mit den Partnern zu erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben heute sehr häufig gehört, dass spätestens seit der Rede des neuen US-Präsidenten Obama in Prag das Ziel einer kernwaffenfreien Welt nun endgültig von einer politischen Utopie zu einer historischen Chance geworden ist. Das ist richtig; aber wir sind gleichzeitig aufgefordert, lieber Kollege Mützenich, vor der eigenen Haustür zu kehren. Wer, wenn nicht wir, kann hier ein Zeichen setzen? Wir als Deutscher Bundestag sollten fordern, dass die auf deutschem Boden verbliebenen Nuklearwaffen abgezogen werden. Ich hoffe sehr, dass das Parlament unserem Antrag heute mit breiter Mehrheit Folge leisten wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir Europäer dürfen uns nicht damit zufriedengeben, jetzt auf die Abrüstungsinitiativen der Vereinigten Staaten zu warten. Deutschland und Europa müssen sich zu ihrer eigenen abrüstungspolitischen Verantwortung bekennen und vor allen Dingen das überkommene sicherheitspolitische Denken aus den Zeiten des Kalten Krieges über Bord werfen. Denn nur wenn Deutschland seinen eigenen Abrüstungsverpflichtungen nachkommt, können wir als glaubwürdiger Nichtkernwaffenstaat international vorangehen.

Bevor ich zum Dreh- und Angelpunkt der heutigen Debatte komme, nämlich dem Abzug der auf deutschem Boden verbliebenen Nuklearwaffen, eines vorweg: Die Regierungspartner können noch so viele wohlklingende und natürlich auch wohlgemeinte Anträge einbringen, die dazu aufrufen, die Chancen für eine weltweite Abrüstung zu nutzen. Sie werden damit nicht verbergen können, dass Deutschland in den knapp vier Jahren Regierungszeit der Großen Koalition nicht die abrüstungspolitische Vorreiterrolle übernommen hat.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die koalitionsinterne Uneinigkeit spiegelt sich im vorliegenden Abrüstungsantrag wider. Wenn der Bundesaußenminister diese Forderung gegenüber den Bündnispartnern tatsächlich aktiv erheben will, dann hätte man das in den Antrag schreiben können. Das hätte ihm geholfen und ihm Rückenwind gegeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, überlegen Sie, ob Sie nicht doch Ihre Zustimmung dem Antrag, den wir vorgelegt haben, erteilen können.

(Beifall bei der FDP - Mechthild Rawert (SPD): Nein!)

Meine Redezeit läuft ab, insofern lassen Sie mich zum Schluss kommen. Dass Deutschland die Mitgliedschaft in der Nuklearen Planungsgruppe verlieren oder auch nur ein formales Mitspracherecht einbüßen würde, sollten die US-Atomwaffen abgezogen werden, ist, wie Kollege Hoyer schon gesagt hat, mit Verlaub ein Ammenmärchen. Es wird damit auch nicht die Axt an den Kernbestand der NATO gelegt. Kanada und Griechenland - das ist heute bereits erwähnt worden - haben dies vorgemacht.

Man kann aber nicht, wie dies die Bundesregierung bisher getan hat, auf eine Zeitenwende bei der nuklearen Abrüstung hoffen und gleichzeitig an der technisch-nuklearen Teilhabe, einem Relikt des Kalten Krieges, festhalten. Das passt nicht zusammen. Deshalb ist es nur konsequent, diese Waffen abzuziehen und die technisch-nukleare Teilhabe Deutschlands zu beenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Eduard Lintner für die CDU/CSU-Fraktion.

Eduard Lintner (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute führen, findet - darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden - unter dem Eindruck der Rede von Barack Obama in Prag statt. Dort hat der Präsident die Vision einer Welt ohne Atomwaffen aufgegriffen und sich zu diesem Ziel bekannt. Wie wir alle miterleben konnten, hat er damit viel Hoffnung geweckt und einen Wunsch vieler Menschen artikuliert.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die heutige Debatte natürlich auch unter dem Schatten des nordkoreanischen Raketenstarts am selben Tag und auch der Bekanntmachung des Irans, dass das Land seine Anstrengungen zur Urananreicherung signifikant erhöht habe, stattfindet. Diese Meldungen haben wiederum verdeutlicht, dass der Weg zu einer kernwaffenfreien Welt sehr weit und bei Weitem nicht leicht sein wird. Er kann eben nur geduldig und in vielen kleinen Schritten gegangen werden. Wir dürfen den Menschen nicht vorgaukeln, dass all das demnächst schon erreicht werden könnte, wie dies einige Redner leider getan haben.

Die bevorstehende Sitzung des Vorbereitungsausschusses für die nächste Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages kann ein solcher Schritt sein. Ich hoffe, sie wird es auch. Dieser Vertrag ist zwar wie die Atomwaffen selbst ein Relikt des Kalten Krieges, aber er ist heute wichtiger denn je, da sich mehr Staaten als früher zielstrebig darum bemühen, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Gerade von diesen nuklearen Ehrgeizlingen geht heute eine der größten Gefahren für die internationale Sicherheit aus, denn sie werden zum Teil von unberechenbaren Regimen regiert, sind meist in gefährliche Regionalkonflikte verstrickt oder gar vom Zusammenbruch staatlicher Gewalt bedroht.

Die nuklearen Ambitionen dieser Staaten drohen ganze Regionen zu destabilisieren und ziehen dann zwangsläufig eine weitere Verbreitung nuklearer Waffen nach sich. Hauptziel einer Revision des Atomwaffensperrvertrages muss es vor diesem Hintergrund sein, die Verbreitung von Wissen und Material zur Herstellung nuklearer Waffen effektiver als bisher zu kontrollieren und wirksame Sanktionsmechanismen zu schaffen. Auch Präsident Obama - daran sei erinnert - hat in seiner Prager Rede gerade solche Schritte als eine zwingende Vorbedingung für weitere nukleare Abrüstung genannt.

Solche Vorbedingungen setzen auch die Grenzen für die Möglichkeiten zu uni- und bilateralen Abrüstungsverpflichtungen, wie zum Beispiel beim angestrebten START-Nachfolgeabkommen zwischen Russland und den USA. Keine Nuklearmacht wird sich freiwillig entwaffnen, wenn sie nicht sicher sein kann, dass sie nicht von anderen Staaten nuklear bedroht wird. Nukleare Abschreckung ist daher nach wie vor notwendig und unverzichtbar. Deshalb sollte auch die NATO weiterhin eine nukleare Komponente haben und muss Deutschland weiter im System der nuklearen Teilhabe integriert bleiben.

Ein Verzicht auf die nukleare Teilhabe, wie er hier gefordert wird, würde jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Beitrag zu einer weiteren globalen Abrüstung leisten. Ich bin sicher, weder Herr Ahmadinedschad noch Kim Jong II würden sich vom Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland sonderlich beeindruckt zeigen.

Die Teilhabe ist darüber hinaus nicht zuletzt - das sollten wir nicht vergessen - auch ein manifestes Zeichen transatlantischer Solidarität und Zusammenarbeit, auf das wir nicht verzichten können. Deutschland wäre daher schlecht beraten, unilateral einen Verzicht zu erklären. Ein solcher Schritt ist nur als Ergebnis einer gründlichen Diskussion mit unseren Verbündeten über die gemeinsame Verteidigungsstrategie überhaupt vorstellbar.

(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD))

In diesem Kontext muss, wie ich meine, auch ernsthaft über die Möglichkeiten der Raketenabwehr nachgedacht werden. Denn eine effektive Raketenabwehr vermindert zum Beispiel die eigene Verwundbarkeit durch nukleare Angriffe und verringert daher letztlich die Notwendigkeit des Besitzes eigener Nuklearwaffen zum Zwecke der Abschreckung.

(Beifall des Abg. Eckart von Klaeden (CDU/CSU))

Systeme zur Raketenabwehr können daher eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer nuklearwaffenfreien Welt spielen.

Konkret stellt sich für Deutschland auf dem Gebiet der Nuklearpolitik neben dem Engagement für eine Revision des Sperrvertrages zurzeit vor allem die Frage nach dem Umgang mit dem Iran. Zusammen mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen haben wir hierfür Verantwortung übernommen; Herr Kollege Trittin, das ist auch Ihnen bekannt, und das ist durchaus ein konkreter Beitrag, wie Sie ihn einfordern. Der Ansatz dieser Bemühungen hat sich durch die diplomatische Offensive der neuen US-Regierung gewandelt. Es wird sich zeigen, ob der Iran auf die neue Offenheit der USA anders reagiert als auf die harte Haltung der Bush-Administration.

Die bisherigen Reaktionen aus Teheran sind nicht gerade ermutigend. Der neue Ansatz der Obama-Administration ist aber, wie ich glaube, eines Versuches und unser aller Unterstützung wert. Sollte er aber scheitern, meine Damen und Herren, muss der Westen und muss auch Deutschland wieder zu weiteren Sanktionen bereit sein. Nur so bleiben wir in unserem Bekenntnis zur Verhinderung der Verbreitung nuklearer Waffen glaubhaft. Glaubhaftigkeit ist auch hier die zwingende Voraussetzung für den Erfolg, den wir alle erzielen wollen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Gert Winkelmeier.

Gert Winkelmeier (fraktionslos):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die zu Ende gehende Sitzungswoche hat gute Aussichten, als historisch in unsere Parlamentsgeschichte einzugehen. Wer von Ihnen kann sich daran erinnern, dass einmal alle Fraktionen dieses Hauses in drei Themen der Verteidigungspolitik im Grundsatz übereingestimmt haben: erstens bei der Schließung des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock, zweitens beim Verbot von Streumunition und drittens - heute - bei der nuklearen Abrüstung?

Auch wenn Präsident Obama noch nicht Mitglied der Friedensbewegung ist, so gilt: Er hat mit seiner Ankündigung, auf eine atomwaffenfreie Welt hinzuarbeiten, offensichtlich Schwung in die Abrüstungsdebatte gebracht. Ich hoffe, dass damit eine Schubumkehr einsetzt, die die verheerende Politik der Regierung Bush Stück für Stück revidiert, eine Politik, deren sichtbarer Ausdruck das Scheitern der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages im Jahre 2005 und die einseitige Kündigung des ABM-Vertrages über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen im Jahre 2002 ist.

Den Atommächten, die den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag ratifiziert haben, kommt nach Art. VI des Vertrages ohne Zweifel die Hauptverantwortung zu, wenn es darum geht, eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Von dieser Verantwortung war bisher leider nicht viel zu sehen. Denn entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung werden immer neue Waffen und Trägersysteme entwickelt. Auch geistig ist weiter aufgerüstet worden. Ich erinnere nur an die US-Doktrin für gemeinsame nukleare Operationen in der Joint Publication 3-12, die bei einer vermuteten Bedrohung durch ABC-Waffen explizit einen Präventivangriff vorsieht.

Ich komme zur Verantwortung der nichtatomaren Mitglieder des Vertrages. Hiermit meine ich besonders diejenigen, die in der NATO Einfluss haben. Dem Bündnis gehören schließlich drei der fünf Nuklearmächte an, die dem Vertrag beigetreten sind.

Da muss ich die Frage stellen, ob die Bundesregierungen seit Ende des Kalten Krieges das ihnen Mögliche getan haben, eine Weiterverbreitung zu verhindern, und ob ihre Politik dazu beigetragen hat, das Vertrauen der nichtatomaren Vertragsstaaten in die Ziele des Vertrages zu stärken. Mir als Rheinland-Pfälzer fällt da als Erstes Büchel ein. Das dort stationierte Jagdbombergeschwader 33 ist die letzte verbliebene Klammer zur sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschlands, an der die Bundesregierung aus mir unerfindlichen Gründen immer noch festhält.

In Reichweite der Tornados bzw. eines Nachfolgeflugzeuges sehe ich keinen Staat, der Deutschland feindlich gesinnt wäre. Vereinbaren Sie also mit den USA den Abzug der noch immer in Büchel lagernden Atomwaffen! Hier kann der Außenminister konkret Wort halten, und Deutschland stünde nicht mehr im Verdacht, das Gebot der Nichtverbreitung zu unterlaufen.

Welche Forderungen muss die Bundesregierung aus meiner Sicht heute an den Vorbereitungsausschuss für die Überprüfungskonferenz 2010 des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages stellen? Es muss erstens erheblicher Druck auf die vier Staaten Indien, Israel, Nordkorea und Pakistan ausgeübt werden, diesem Vertrag beizutreten. Das heißt zweitens, dass diese Staaten ihr Atomwaffenpotenzial vernichten müssen. Drittens müssen die fünf Atomwaffenstaaten, die bereits vor dem 1. Januar 1967 Atomtests durchführten, endlich ihrer vertraglichen Verantwortung gerecht werden und qualitativ atomar abrüsten. Wenn die Präsidenten Obama und Medwedew diese Politik einleiten würden, wären sie wirklich glaubhafte Abrüstungspolitiker.

Ich komme zum Schluss. Für die Abrüstungspolitik insgesamt gilt: Der durch den US-Präsidenten ausgelöste Schwung muss genutzt werden, um in den kommenden Monaten Fakten zu schaffen, an denen auch inneramerikanische Gegenkräfte zur Abrüstungspolitik nicht vorbeikommen; denn die sind bereits dabei, sich neu zu formieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem Kollegen Gert Weisskirchen für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gert Weisskirchen (SPD):

Wir wollen, dass die nuklearen Waffen abgeschafft werden, die bei uns noch gelagert sind. Sie müssen aber im Rahmen eines Prozesses wegverhandelt werden; genau dies steht im Antrag der Großen Koalition.

Ich bitte Sie darum, manche Spiele der Parteitaktik sich selbst zu überlassen.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): So eine Eierei!)

Hier geht es um einen historischen Moment, auf den wir jetzt mit vernünftigen Verhandlungsprozessen eingehen müssen. Deswegen ist das, was die Große Koalition verabredet hat, ein sinnvoller und richtiger Verhandlungsschritt. Am Ende dieses Prozesses werden auch die noch in Deutschland gelagerten Atomwaffen wegverhandelt sein, und dann wird die gesamte Welt nuklearwaffenfrei werden. An diesem Ziel sollten wir in diesem Hause in großem Konsens gemeinsam arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Am Schluss spreche ich bewusst die Christdemokraten an. Jetzt kommt es darauf an, dass das, was Obama selbst will, auch im Senat durchgesetzt wird. Für die Ratifizierungsprozesse beim CTBT braucht er eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Gegenwärtig fehlen ihm dazu noch acht Stimmen. Das sind Stimmen der Republikaner. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wie wir unsere Aufgabe und Verantwortung gegenüber den Demokraten im Senat wahrnehmen,

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nehmen Sie hier die Verantwortung wahr!)

bitte ich dringend und herzlich darum, dass auch Sie, die Christdemokratische Union, dabei mithelfen, dass es am Ende eine Zweidrittelmehrheit im Senat geben wird.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Hier haben Sie die Mehrheit!)

Dann werden wir die Chance haben, das zu realisieren, was Barack Obama will: eine Welt frei von Nuklearwaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Es ist verlangt worden, über vier Anträge namentlich abzustimmen. Ich gehe davon aus, dass wir die namentlichen Abstimmungen hintereinander durchführen können und im Anschluss daran zu den einfachen Abstimmungen kommen. - Sie sind damit einverstanden. Dann verfahren wir so. Da wir also gleich vier namentliche Abstimmungen hintereinander haben werden, bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten, die sie verwenden, ihren Namen tragen.

Tagesordnungspunkt 33 a. Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung, und zwar zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/12689 mit dem Titel "Die Chance zur nuklearen Abrüstung nutzen - Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag zum Erfolg führen". Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Wir kommen zur zweiten namentlichen Abstimmung und damit zu dem Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/12684 mit dem neuen Titel "Keine Atomwaffen in Deutschland". Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Abstimmungsurnen an ihren Plätzen und die Schriftführerinnen und Schriftführer da? - Das ist der Fall. Dann ist die zweite Abstimmung eröffnet.

Darf ich fragen, ob auch rechts die Abstimmung beendet ist? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Wir kommen jetzt zur dritten namentlichen Abstimmung, und zwar über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/12667 mit dem Titel "Für einen Abzug der in Deutschland noch verbliebenen US-Nuklearwaffen". Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist offensichtlich geschehen. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Darf ich fragen, ob alle Kollegen, die im Raume sind, abgestimmt haben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich diese Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Wir kommen zur vierten namentlichen Abstimmung und damit zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/12686 mit dem Titel "Initiative für eine atomwaffenfreie Welt unterstützen - Atomwaffen aus Deutschland abziehen". Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist erfolgt. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte auch hier die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Die Ergebnisse der vier namentlichen Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.

Bevor wir mit zwei einfachen Abstimmungen fortfahren, bitte ich Sie, sich zu Ihren Plätzen zu begeben, damit es etwas übersichtlicher ist.

Wir kommen zum Zusatzpunkt 12. Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/12666 mit dem Titel "Die NPT-Überprüfungskonferenz im Jahre 2010 zum Erfolg führen - Für ein klares Bekenntnis zu dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt".

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Über den Antrag ist gerade namentlich abgestimmt worden!)

Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der FDP bei Stimmenthaltung der Grünen und Nichtbeteiligung der Linksfraktion abgelehnt.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Nein, wir haben gerade namentlich darüber abgestimmt! Wir haben zugestimmt!)

- Nein, Sie haben sich geirrt.

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Wir haben zugestimmt! Ich habe die Hand gehoben!)

- Gut, dann korrigiere ich das Ergebnis: bei Zustimmung der Linksfraktion.

Zusatzpunkt 13: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/12685 mit dem Titel "Konkrete Schritte zur nuklearen Abrüstung jetzt einleiten - Nichtverbreitungsvertrag stärken". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und der Grünen abgelehnt.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt zunächst beendet. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung werden Ihnen später bekannt gegeben.

Quelle: Plenarprotokoll - Vorab-Veröffentlichung; www.bundestag.de


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