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Brüchiges Völkerrecht und "nukleare Apartheid"

Ein Beitrag zum Hiroshima-Tag 2000 von Christoph Krämer (IPPNW)

Heute, 55 Jahre nach dem ersten Atombombenabwurf, der Menschheitsgeschichte, destabilisieren eine Politik der »nuklearen Apartheid«, das Weltherrschaftsstreben einer einzelnen Großmacht sowie die vorsätzliche Demontage des Völkerrechts das zwischenzeitliche Gleichgewicht des Schreckens. Die Zahl der Atomsprengköpfe ist unterdessen krebsartig gewachsen. Die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit für die Bedrohungen ist freilich gering - und hat eher noch abgenommen. Ein Entkommen aus dieser zerstörerischen Falle ist nur vorstellbar, wenn die Bedrohten ihre zahllosen Gegensätze untereinander nicht hegen, sondern hintanstellen.

Der Krieg lag in den letzten Zügen und in Trümmern die halbe Welt. Nazi-Deutschland, das in der Sowjetunion mehr als 20 Millionen Tote hinterlassen und sechs Millionen Juden systematisch ermordet hatte, hatte vor drei Monaten kapituliert, Hitler war tot. Das japanische Kaiserreich war zwar aus vielen der von ihm besetzten Ländern vertrieben, fügte aber mit zum Selbstmord abgerichteten Soldaten der vorrückenden US-Armee immer noch deutliche Verluste zu.

In dieser Situation wurde am 6. August 1945, 15 Minuten und siebzehn Sekunden nach acht Uhr morgens, 580 Meter über dem japanischem Hiroshima, einer Großstadt von 256 000 Einwohnern, »Little Boy« gezündet - eine Uranbombe mit der Sprengkraft von etwa 12 500 Tonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT. Fast 100 000 Menschen wurden sofort getötet. Nicht weil man sie als militärische Gegner sah - eine derartige Begründung haben auch verantwortliche US- Strategen nie angeführt. Sondern zur Einschüchterung. In anderen Zusammenhängen wird so etwas als Terror bezeichnet. Nur drei Tage später - ein Effekt in Richtung Kapitulation wurde überhaupt nicht abgewartet - detonierte eine zweite Bombe, diesmal aus Plutonium, wieder über einer Großstadt: Nagasaki. Ergebnis dieser Aktion: Über 70 000 Menschen starben sofort. Das einzig vorstellbare Ziel kann nur ein technisch aufschlußreicher Vergleich gewesen sein: Ob sich Plutonium oder Uran besser als Mordwaffe eignet.

Unabschätzbare Folgen

Der Schrecken dieser - durch das Kriegsvölkerrecht verbotenen - Massenvernichtungswaffe wird in Zahlen unzureichend erfaßt. Durch die Spätfolgen beider Bomben sind wahrscheinlich nicht weniger Menschen umgekommen als durch ihre Sofortwirkung: an Strahlenkrankheit, Schilddrüsenzerstörung, schleichenden Schäden des Abwehrsystems und bösartigen Erkrankungen. In der Regel ein langes, quälendes Leiden mit grausamem Ende. Das Wörtchen »wahrscheinlich« muß hinzugefügt werden, obwohl die Größenordnung sicher ist. Denn exakte Zahlen konnten nie ermittelt werden - zum einen aufgrund der Komplexität der Schadwirkungen auf den menschlichen Organismus, zum zweiten aufgrund der Vielzahl der freigesetzten radioaktiven Isotope (Halbwertszeit Pu241: 14,4 Jahre, Pu-242: 376 000 Jahre). Doch auch das Desinteresse der japanischen Nachkriegsregierungen spielt eine Rolle - diese fanden sich nie zu einem eindeutigen rechtlichen Votum gegen Atomwaffen bereit (ähnlich wie die bundesdeutschen).

Über die später entwickelten Waffengenerationen - z.B. die Wasserstoffbombe, die eine Sprengkraft im Megatonnenbereich, also von Millionen Tonnen TNT hat - läßt sich nur noch sagen, daß der menschliche Geist zwar zu ihrer Schaffung in der Lage ist, nicht aber zur Erfassung ihrer Destruktivität. Das gleiche gilt für die Zahl von etwa 30 000 Nuklearsprengköpfen, die inzwischen, zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, sogar eher wieder zu- als abnimmt.

Hiermit soll keineswegs behauptet werden, daß die Politiker und Militärs, die diese anfordern und befehligen, irrationale Spinner seien. Es soll nur gesagt werden: Wenn sie eingesetzt werden, ist der menschliche Geist mit der Erfassung der Folgen überfordert. Dies gilt nicht nur für die Situation des sprichwörtlich gewordenen »Overkill«, also der Freisetzung einer größeren Zerstörungskraft, als zur Auslöschung sämtlichen Lebens auf der Erde erforderlich ist. Sondern auch für die Option eines »begrenzten Atomkriegs« - wobei nach wie vor umstritten ist, ob so etwas überhaupt denkbar ist.

Einmal angenommen, ein begrenzter Atomkrieg wäre möglich (das Bestreben von Politikern und Militärs ging in jüngerer Zeit mit der Schaffung wieder kleinerer Atomwaffen in diese Richtung): Auch hier besteht bei der Folgenabschätzung das Problem der Komplexität. Was zum Beispiel können Ärzte tun beim Komplettausfall der Verkehrsmittel, der Energie- und Wasserversorgung, auch der meisten Ärzte vor Ort, die selbst tot, verletzt oder strahlenkrank wären? Eine Ahnung von den Strategiekonzepten für diesen Fall mag ein Blick in die »Triage«-Richtlinien der deutschen Katastrophenmedizin vermitteln: Medizinisch zu behandeln sind nur diejenigen, deren Behandlung mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgversprechend ist. Leicht- sowie Schwerstverletzte sind auszuselektieren und »abwartend« zu behandeln.

Atomwaffensperrvertrag

Mancher wird nun sagen: Aber zur Eindämmung dieses Übels wurde doch 1970 der Atomwaffensperrvertrag (NPT) geschlossen - dessen Verlängerung 1995 schließlich gelungen ist. Positiv am NPT sind zweifellos folgende Gesichtspunkte: Die Eigendynamik, daß das Teufelswerkzeug in immer mehr und immer unterschiedlichere Hände gelangt, wird eingedämmt. Und zwar durch das Verbot der »horizontalen Proliferation« von Kernwaffen und kernwaffenfähigem Material. Auch die Sekundäreffekte dieser Dynamik werden eingedämmt, insbesondere ein alle größeren Länder erfassendes, unvorstellbar teures Atomwettrüsten, das Armut, Elend und soziale Spannungen noch mehr vergrößern würde, als es schon die konventionelle Rüstung tut. Positiv ist auch, daß es sich um einen in den UN-Kontext eingebundenen, also völkerrechtlich fundierten Ansatz handelt - trotz aller Widersprüchlichkeiten und Nachteile.

Problematisch aber ist: Der NPT begründet ein Zweiklassensystem. Er unterscheidet grundsätzlich zwischen denjenigen Staaten, die Atomwaffen besitzen dürfen, und denjenigen, denen das verboten ist. Erstere sind nur fünf: USA, Großbritannien, Frankreich, Sowjetunion (heute Rußland als deren Nachfolger) und die VR China. Letztere sind die übrigen etwa 180 UN-Mitglieder. Dies ist der Grund, warum große, nicht unwichtige Staaten wie etwa Indien von »nuklearer Apartheid« sprechen und die Legitimität des NPT grundsätzlich in Frage stellen. Außerdem verbietet der NPT nur die »horizontale«, nicht hingegen die »vertikale Proliferation«. Das heißt: Den Nicht-Atomwaffenstaaten verbietet er Atomwaffen völlig, während er die immer weitere Hochrüstung im »Club der fünf« nicht verhindert. Zwar spricht er das Problem an, indem er in einem einzelnen, kurzen Artikel (Art. 6) zu Verhandlungen »in redlicher Absicht« und Maßnahmen auffordert, die zur Beendigung des Atomrüstungswettlaufs und zu nuklearer Abrüstung führen sollen. Dies geschieht aber in äußerst vorsichtiger und völlig unkonkreter Form.

Geradezu absurd ist, daß der NPT den zivilen Nuklearsektor ausdrücklich fördert. Für entwickelte Länder, die über eine längerfristige politische Strategie unter Einschluß des Umweltaspekts verfügen, gibt es für ein ziviles Atomprogramm überhaupt kein ziviles Argument. Denn unter Mitberechnung der ökologischen Folgekosten (bis heute existiert weltweit kein einziges atomares Endlager und keine einzige Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke) ist Atomenergie einfach unwirtschaftlich. Andererseits würde ein Großteil der Kosten eines Atomprogramms auch ohne die Produktion von Strom anfallen. Daher gilt umgekehrt: Ein ziviles Atomprogramm ist sowohl logistisch als auch wirtschaftlich als auch legitimatorisch essentiell für den Aufbau eines militärischen.

Der NPT enthält weitere Widersprüche. Erwähnt sei nur noch die deutsche Besonderheit: die »nukleare Teilhabe« der Bundeswehr an der Atombewaffnung anderer NATO- Staaten, besonders der USA. Beim Tauziehen um die Beteiligung der BRD am NPT Ende der sechziger Jahre ging es um diesen Punkt. Die exakte Wortwahl bei dem Vertragstext sowie seiner NATO-Interpretation wurde letztlich von der Position der Bundesregierung (damals CDU/SPD!) bestimmt. Diese wollte dem NPT nur dann beitreten, wenn die BRD nur formaliter als Nicht- Atomwaffenmacht behandelt werden würde, nicht aber de facto (M. Küntzel: Bonn und die Bombe, Frankfurt M./New York 1992). Ergebnis war die bis heute bestehende Situation: Im Kriegsfall entscheidet der US-Präsident über die Übertragung von Atomwaffen-Verfügungsgewalt an die Deutschen, der NPT wird also unwirksam! Und im Frieden? Da werden Bundeswehrsoldaten schon mal vorsorglich an US-Nuklearwaffensystemen trainiert ...

Wo stehen wir heute? Werfen wir einen Blick auf das »andere Ende« der Welt, nach Indien - das nicht nur eines der größten Entwicklungsländer, sondern bevölkerungsmäßig das zweitgrößte Land der Welt und eines der wichtigsten Mitglieder der Blockfreien-Bewegung ist. 1974 wurde dort unter der Regierung von Indira Gandhi zum ersten Mal eine Atombombe getestet - ohne daß sich Indien deswegen zur Atommacht erklärt oder in der Folgezeit weitere Kernsprengsätze gezündet hätte. Das Land hatte andere Sorgen: Es trug noch immer an der Zerstörung seiner wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur durch den Kolonialismus (N. Chomsky: Wirtschaft und Gewalt, Lüneburg 1993).

Der Wendepunkt 1995

Erst 24 Jahre später testete Indien erneut: Vom 11. bis 13. Mai 1998 ließ die BJP-Regierung - gewissermaßen der Gegenpol zur Kongreßpartei Gandhis - fünf Atomsprengsätze auf dem Testgelände Pokhran in Nordwest-Indien zünden - und bekannte sich diesmal offen zu deren militärischem Zweck. Um die euphorische Reaktion der großen Mehrheit der indischen Bevölkerung hierauf zu verstehen, kommen wir nicht umhin, einen genaueren Blick auf die Entwicklung des Atomwaffensperrvertrages seit seinem Inkrafttreten vor 30 Jahren zu werfen.

Während es den Atommächten vor allem um die Sicherung ihres Privilegs ging, existierte von Anfang an ein weltweites Interesse am Verbot der Kernwaffen. Die große Mehrheit der Blockfreien, darunter so unterschiedliche Staaten wie Mexiko, Vietnam oder Südafrika, treten für die Abschaffung der Atomwaffen ein, weil ihnen klar ist, daß es sich hier um ein Wettrennen handelt, das sie nie gewinnen können, das ihnen nur schaden würde.

Der bisher wichtigste Wendepunkt seit Hiroshima kam 1995, als der historische NPT nach 25-jähriger Laufzeit endete und es um seine Verlängerung oder Nicht- Verlängerung ging. Die Welt hatte sich inzwischen mit dem Ende der Blockkonfrontation tiefgreifend verändert, und viele hofften nun auf nukleare Entspannung. Hinzu kam, daß eines der wichtigsten NPT-Nichtmitglieder, Indien, anbot, dem Vertrag nun beizutreten - unter der Bedingung, daß Artikel 6 konkretisiert würde, und zwar durch die verbindliche Verpflichtung zu vollständiger Abrüstung aller Vertragsparteien innerhalb einer definierten Frist. Dies hätte eine Veränderung des alten Vertragstextes bedeutet - was nach den epochalen Veränderungen angemessen gewesen wäre.

Dies lehnten jedoch die »offiziellen« Atommächte kategorisch ab - allen voran die drei westlichen (USA, Großbritannien und Frankreich). Sie setzten dagegen die Parole von der »unveränderten und unbefristeten« Verlängerung des Vertrages, die uns alle großen Medien mit Penetranz und Ausdauer immer wieder einhämmerten. Gleichzeitig verunglimpften sie alle, die dem widersprachen: Sie seien gegen einen erneuten Nicht-Weiterverbreitungs- Vertrag, denn seine unveränderte und unbefristete Verlängerung sei die einzig realistische Option. Zudem übernahmen einige der wenigen übriggebliebenen Friedensforschungsinstitute, etwa die hessische HFSK, diese Argumentation. Andererseits ergab eine Abstimmung unter den Blockfreien (überwiegend Dritte-Welt-Länder, die zahlenmäßig deutliche Mehrheit in der UNO) ein klares Votum für die völlige Abschaffung aller Atomwaffen innerhalb eines befristeten Zeitrahmens. Das war Ende 1994, als wichtige Friedensorganisationen mit so klaren Aussagen noch zögerten - mit dem Argument, das sei keine »Realpolitik«.

Spaltungslinien

Im Vorfeld der New Yorker NPT-Verlängerungskonferenz setzten zwei Spaltungslinien ein: Zum einen begannen die westlichen, also die reichen Atomwaffenstaaten intensive bilaterale Gespräche. Darin brachten sie, teils mit Bestechung, teils mit wirtschaftlicher Erpressung, ein blockfreies Land nach dem andern zur Änderung seiner Haltung. Zum andern war die Friedensbewegung im Westen schlecht informiert über die ursprüngliche Position des Südens und ließ sich von der Propaganda der eigenen Regierungen beeinflussen. Dabei stellt sie einen politisch bedeutsamen Faktor dar, zumal z.B. die IPPNW über einen offiziellen Beobachterstatus bei der UNO verfügt und eine intensive Arbeit unter den Konferenzteilnehmer vor Ort in New York betrieb. Eine wirksame Solidarisierung aber kam nicht bzw. nicht rechtzeitig zustande. Wobei zum Abschluß der Konferenz eine Abstimmung vermieden und statt dessen per Akklamation dazu aufgefordert wurde, der »unveränderten und unbefristeten Verlängerung« zuzustimmen. Eine merkwürdige Verfahrensweise bei der Tragweite des Gegenstands.

Die Konsequenzen waren erwartungsgemäß gravierend: Indien trat dem NPT nicht bei und hat sich inzwischen explizit zur Atommacht erklärt. Dies führte dazu, daß der traditionelle US-Verbündete Pakistan umgehend mit eigenen Nukleartests nachzog. Das wiederum hat aufgrund der Spannungen mit Indien nicht nur geopolitische, sondern auch erhebliche lokale Brisanz. Hinzu kommen die desaströsen Effekte des finanziellen Aufwands für den nach wie vor von Massenelend und inneren Spannungen gebeutelten Subkontinent.

Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien hat der Problematik inzwischen eine weitere Dimension hinzugefügt: Der Krieg hat nicht nur gegen das Völkerrecht verstoßen, sondern es nachhaltig beschädigt. Und zwar vorsätzlich: So lautet der Titel eines US-Regierungsdokuments, das der neuen NATO- Doktrin voranging: »With the United Nations whenever possible, without them when necessary«. Das scheint erst einmal eine rein abstrakte Sache zu sein und wird daher unterschätzt. Das Völkerrecht wurde jedoch, man erinnere sich, einstmals als Lehre aus zwei Weltkriegen geschaffen, die schon mit einem Bruchteil der heute zur Verfügung stehenden Sprengkraft die halbe Welt zertrümmert hatten. Es ist kaum zu glauben, wie rasch dies in Vergessenheit geraten, wie leichtfertig und mutwillig es über Bord geworfen werden konnte. Die kanadische Ärztin und Welt-Co-Präsidentin der IPPNW, Prof. Mary-Wynne Ashford, war während des Krieges gegen Jugoslawien nach Rußland gereist, um den Hintergrund von Zeitungsmeldungen zu erkunden, russische Atomwaffen würden wieder auf Ziele in NATO-Ländern ausgerichtet. Das war noch vor der Bombardierung der chinesichen Botschaft (eines weiteren Atomwaffenlandes).

Zu ihrer Bestürzung mußte sie feststellen, daß nicht nur Militärs, Politiker und Duma-Abgeordnete, Wissenschaftler und »Menschen auf der Straße« russische Atomwaffen wieder für unverzichtbar hielten, sondern selbst Mitglieder der eigenen Friedens- und Anti-Atomwaffenorganisation. »START II ist tot«, schrieb sie anschließend in einem Artikel für eine kanadische Zeitung. Die zwischenzeitliche Entwicklung hat gezeigt, wie recht sie mit dieser Einschätzung behalten sollte. Die USA haben derweil nichts besseres zu tun, als mit ihrem Raketenkriegsprogramm NMD den ABM- Vertrag von 1972 auch noch zu zerstören. Mit welchen Mitteln, fragt man sich da, lassen sich derart (größen-)wahnsinnig gewordene Rechts- und Vertragsbrecher noch stoppen?

Was tun?

Immerhin: Die Friedensbewegung fand noch 1995 gemeinschaftlich zur »utopischen« Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen und gründete mit dem Ziel, dies bis zum Jahr 2000 zu erreichen, das Netzwerk »Abolition 2000«. Das gelang zwar nicht fristgerecht, es gab aber doch einige Schritte in diese Richtung: 1996 gestand der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen ein. Inzwischen sind über 2 000 Organisationen weltweit Mitglied von »Abolition 2000«; wichtige Verbündete wurden gewonnen wie z.B. der ehemalige US-Atomwaffengeneral Lee Butler. Ein Entwurf für eine Atomwaffen-Konvention - ein internationaler Ächtungsvertrag, entsprechend den bereits existierenden B- und C-Waffen - wurde formuliert. Freilich: Um den Hasardeuren rechtzeitig das Handwerk zu legen, sind Ideen, Anstrengungen und rasches Handeln gefragt. Daß sich die politischen Bedingungen gravierend verändern, darauf können wir derzeit nicht hoffen. Verändern können wir nur unser eigenes Vorgehen, z.B. mit der Überwindung traditioneller Trennungen. Dies ist auch ein Grund, warum ich mich über die Einladung gefreut habe, einen Beitrag für diese Zeitung zu schreiben - trotz einiger zu erwartender mißtrauischer Blicke aus den eigenen Reihen ...

(*) Christoph Krämer ist Arzt und Koordinator des Arbeitskreises »Süd-Nord« der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin. Tel. 030/6930244, Fax 030/6938166, Internet: www.ippnw.de. Die IPPNW wurde 1980 zum Zeitpunkt des NATO- Raketenbeschlusses von dem sowjetischen Kardiologen Prof. Jewgeni Tschasow und seinem US-Kollegen Prof. Bernard Lown gegründet und erhielt u.a. den Friedensnobelpreis 1985. Heute gehören ihr in über 60 Ländern in Nord, Süd, Ost und West etwa 150 000 Kolleginnen und Kollegen an. Sie unterhalten Kontakte mit Opfern von Kriegen und Gewalt ebenso wie mit Tätern.

Aus: junge welt, 5. August 2000

Zu weiteren Beiträge über Atomwaffen und atomare Abrüstung:

Atomwaffen

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