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Friedensbewegung fordert die Ächtung aller Massenvernichtungsmittel und ihre vollständige Abrüstung

Erklärungen zum Hiroshima-Tag vom Bundesausschuss Friedensratschlag, dem Netzwerk Friedenskooperative und von Pax Christi

Im Folgenden dokumentieren wir drei Pressemeldungen zum bevorstehenden Hiroshima-Gedenken, und zwar von:

Hiroshima mahnt

65 Jahre nach den Atombombenabwürfen: Nuklearwaffen bleiben größte Bedrohung der Menschheit

Friedensbewegung begeht Hiroshima-Gedenken - Regierung gefordert

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, Hamburg, Frankfurt, Berlin, 1. August 2010 - Anlässlich des bevorstehenden weltweiten Gedenkens an die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme in Kassel:

Vor 65 Jahren

Es waren nur wenige Wochen zwischen dem ersten Atomtest im US-Bundesstaat New Mexico und dem ersten Praxistest in Hiroshima. Am 16. Juli war die im Manhattan-Projekt entwickelte Atombombe auf dem Testgelände bei Alamogoro gezündet worden; ihre Sprengkraft betrug 21 Kilotonnen TNT. Die Explosion war erfolgreich, aber über die tödliche Wirkung konnte der Test nichts Definitives aussagen. 20 Tage später detonierte die 12,5-Kilotonnen-Bombe mit dem niedlichen Namen "Little boy" in Hiroshima, drei Tage später eine weitere Bombe namens "Fat Man" über Nagasaki. Die Wirkung der Bomben war kolossal: Zwischen 90.000 und 200.000 Menschen starben unmittelbar. Weitere 130.000 Menschen starben bis Jahresende. Bis 1950 war die Zahl der Spätopfer in beiden Städten auf insgesamt 230.000 gestiegen. Strahlenopfer sind auch heute noch in der dritten Generation zu beklagen.

Die Friedensbewegung muss man nach den Motiven fragen für dieses monströse Kriegsverbrechen. Japan war zu dieser Zeit militärisch besiegt und stand kurz vor der Kapitulation. Doch die USA fürchteten, dass ihr Kriegsallierter Sowjetunion - seit der Oktoberrevolution ein politischer Gegner - den sowjetisch-japanischen Nichtangriffspakt kündigen und in den letzten Kriegstagen noch in den Krieg gegen Japan eintreten würde. Dies hätte bedeutet, dass die UdSSR ebenfalls Einfluss auf die Nachkriegsordnung in Japan beanspruchen würde. Der Atombombeneinsatz sollte die japanische Kapitulation beschleunigen und so den sowjetischen Kriegseinsatz verhindern. Zugleich - und das war das zynische Spiel mit der Massenvernichtungswaffe - sollten die Atombomben den Sowjets als Mahnung gereichen: Seht her, wir verfügen über die tödlichste Waffe seit Menschengedenken und wir sind bereit sie auch einzusetzen. Demnach bestimmen wir, wer das Sagen hat im Pazifischen Raum und in der übrigen Welt.

Kalter Krieg und danach

Doch die UdSSR zog bald nach. 1949 zündete sie ihre erste Atombombe, 1955 ihre erste Wasserstoffbombe. Das Gleichgewicht des Schreckens etablierte sein zweifelhaftes Angstregime des "Kalten Krieges". Dazwischen etablieren sich Großbritannien, Frankreich und später die Volksrepublik China als weitere offizielle Kernwaffenstaaten. Ihnen folgten Indien, Pakistan und Israel sowie Nordkorea mit eigenen größeren und kleineren nuklearen Potentialen - sozusagen außerhalb des anerkannten Atomclubs der fünf erstgenannten Staaten.

Es werden in den nächsten Jahren unweigerlich neue Staaten dazu kommen - wenn nicht endlich Ernst gemacht wird mit der Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag zur atomaren Abrüstung. Trotz zahlreicher Sonntagsreden über "Global Zero" sind die Großmächte nicht bereit, mit gutem Beispiel voran zu gehen und ihre Arsenale wirklich auf null zu reduzieren. Um es klar zu sagen: Wer Angst hat vor der iranischen Bombe, muss für einen atomwaffenfreien Nahen Osten antreten - so wie es die Überprüfungskonferenz im Mai d.J. in New York gefordert hat! Und wenn der Iran nur auf den Verdacht hin, er könnte den Besitz von Nuklearwaffen anstreben, von der EU mit den schärfsten Wirtschaftssanktionen bestraft wird - wie müssen dann die Sanktionen gegen einen Staat wie Israel aussehen, der nachweislich seit Jahren über mehr als 200 einsetzbaren Kernwaffen verfügt?!

Wofür die Friedensbewegung eintritt

Es führt kein Weg an der atomwaren Abrüstung vorbei, die zunächst jene Staaten beschreiten müssen, die diese Waffen auch haben. Der 6. und 9. August darf deshalb auch kein Tag des ritualisierten Gedenkens werden, sondern muss Anstöße zur politischen Gegenwehr gegen die Atommächte liefern. So versteht die Friedensbewegung ihre Aktionen zum Hiroshimatag: weltweit und hier zu Lande. Über 90 Initiativen haben dieses Jahr Veranstaltungen angekündigt: Sie reichen von einem Fahrradmarathon (Heilbronn) über nächtliche Lichterdemonstrationen (in den Nächten zum 6. August und 7. August) bis zu Aktionen auf öffentlichen Plätzen und manchen Gedenkorten (z.B. Hiroshima-Park in Kiel, Hiroshima-Ufer in Kassel).

Die Hauptforderung der Friedensbewegung an die Atomwaffenstaaten lautet demnach:
  • Verhandelt endlich über eine Nuklearwaffenkonvention mit dem Ziel "Global Zero"!
Und an die Adresse der Bundesregierung heißt die Forderung:
  • Verlangen Sie von Barack Obama ultimativ den Abzug der US-Atomwaffen von deutschem Boden!
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Bundesregierung soll Nuklearwaffenkonvention voranbringen

An die Presse, 30.07.2010

Zum 65. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki fordern Friedensinitiativen nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative in 90 Veranstaltungen den Abzug der letzten verbliebenen US-Atombomben, den Verzicht der Bundesrepublik auf die sogenannte „Nukleare Teilhabe“ und ein stärkeres Engagement der Bundesregierung für eine atomwaffenfreie Welt.

Als erste Aktion findet am (morgigen) Samstag der 6. „Pacemakers- Radmarathon für eine friedliche und gerechte Welt ohne Atomwaffen“ als Rundkurs ab Bretten über Heilbronn statt (s. www.pace- makers.de).

Am 5. August folgen am späten Abend ab 20.15 Uhr parallel zu den Gedenkveranstaltungen in Japan zahlreiche Aktionen zur „Nacht der 100.000 Kerzen“, mit denen an die Opfer der Atombombenabwürfe erinnert wird. Weitere Aktionen, Gedenk- und Diskussionsveranstaltungen finden zwischen dem 6. und 9. August statt.

Die Friedensbewegung will zügige Verhandlungen über eine Nuklearwafenkonvention nach dem Vorbild des Verbots von chemischen und biologischen Waffen ereichen.

Enttäuschung hatte das Ergebnis der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffenspervertrag (NPT) im Mai in New York hervorgerufen. Auch die Bundesregierung habe dabei zum Scheitern beigetragen und einen mit gro+er Mehrheit getragener Beschluss des Deutschen Bundestages zu dieser Konferenz nicht ausreichend vertreten, kritisiert die Friedenskooperative. Fünf Jahre bis zur nächsten Konferenz seien jetzt vertan, um die Menschheit von der Gei+el der Atombombe zu befreien. Umso dringender sei, mit den Vorbereitungen für Verhandlungen zu einer Nuklearwaffenkonvention zügig zu beginnen. Ziel der Internationalen Friedensbewegung, u.a. den weltweiten „Bürgermeistern für den Frieden“ ist eine Atomwaffenfreie Welt bis 2010.

Zahlreiche Organisationen fordern von der Bundesregierung nachdrückliches Engagement:
  • Für den Abzug der letzten US-Atomwaffen aus Deutschland
  • Für einen Stopp aller Modernisierungspläne für Atomwaffen und ihre Trägermittel
  • Gegen Atomwaffen in der neuen NATO-Strategie
  • Für einen unverzüglichen Beginn von Verhandlungen zu einer Nuklearwaffenkonvention, die eine -chtung von Atomwaffen vorsieht, wie es in der UN – Generalversammlung und durch den UN- Generalsekretär in seinem 5-Punkte-Plan bereits mehrfach vorgeschlagen wurde
  • Für einen Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen
  • Für Sicherheitsgarantien der Atomwaffenmächte gegenüber allen Nicht-Atomwaffenstaaten und atomwaffenfreien Zonen.
Der Deutsche Bundestag wird aufgefordert, einen Beschluss über die Nuklearwaffenkonvention herbei zu führen.
(siehe auch Infos unter u.a.: www.atomwaffenfrei.de)

gez. Manfred Stenner
(Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative)


Neue Chancen schaffen für eine Welt ohne Atomwaffen - Verhandlungen über Atomwaffenkonvention beginnen

Berlin, den 04.08.2010

Gemeinsame Erklärung des Präsidenten der deutschen Sektion von pax christi, Bischof Heinz Josef Algermissen und des Friedensbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms:

Zum 65. Mal jähren sich am 6. und 9. August 2010 die atomaren Angriffe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Die Erinnerung an den Tod Hundertausender ist bis heute Mahnung an uns, jeden weiteren Einsatz von Atomwaffen zu verhindern.

Gerade in diesem Jahr hat die Vision einer Welt ohne Atomwaffen neue politische Bedeutung erlangt. Dazu beigetragen hat nicht nur US-Präsident Obama mit seiner Prager Rede sondern auch ungezählte Menschen, die sich im Vorfeld der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag (=Nichtverbreitungsvertrag) im Mai 2010 für die Abschaffung aller Atomwaffen eingesetzt haben. Millionen Unterschriften aus aller Welt - darunter allein 14 Millionen aus Japan und aus Deutschland 25 000 unter dem Appell „Für eine Zukunft ohne Atomwaffen“ - sind Ausdruck des weltweit gemeinsamen Traums einer neuen Wirklichkeit ohne Atomwaffen. Denn eine Welt ohne diese furchtbaren Waffen ist keine Utopie, sondern eine konkrete Verpflichtung der Unterzeichner des Nichtverbreitungsvertrages.

Solange Atomwaffen existieren, bestehen Gefahr und Anreiz zu ihrer weiteren Verbreitung. Jede zivile Nutzung von Atomkraft birgt das Risiko, dass für zivile Zwecke hergestelltes Material in waffenfähiges Material umgewandelt wird. Militärstrategien, die Atomwaffen mit dem Ziel der Sicherheit und Verteidigung oder als Machtfaktor einplanen, bremsen den Prozess der internationalen nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung. Nur die Überwindung der nuklearen Abschreckung durch die Ächtung aller Massenvernichtungsmittel und ihre vollständige Abrüstung kann die Gefahr bannen, die von der Existenz dieser Waffen ausgeht.

Frieden braucht Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit kann einzig erreicht werden, wenn internationale Vereinbarungen streng eingehalten werden. Das ist auch die Basis für vertrauensbildende Maßnahmen zugunsten globaler Sicherheit und weltweiter Nichtverbreitungspolitik. Dem werden die Ergebnisse der diesjährigen Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag nicht gerecht. Denn das Versprechen zur Abrüstung wurde wieder nicht eingelöst. Der Erfolg, dass wieder ein gemeinsames Abschlussdokument zustande gekommen ist, bedeutet vor allem die Rettung des Nichtverbreitungsvertrages an sich, aber noch keinen Fortschritt für die in Artikel VI des Vertrages vor 42 Jahren vereinbarte Abrüstung. Das Fehlen eines Zeitplanes für die Umsetzung der Aktionen, die das Abschlussdokument beschreibt, ist das falsche Signal der Atomstaaten gegenüber der Mehrheit der Staaten, die sich im Nichtverbreitungsvertrag auf den Verzicht auf Atomwaffen verpflichtet haben. Um die Staaten, die technisch sofort zur nuklearen Rüstung in der Lage wären, weiterhin von Atomwaffenprogrammen abzuhalten, müssten die Atomstaaten ihre Abrüstungsabsicht endlich mit konkreten Zusagen untermauern. Zur Verhinderung von nuklearer Aufrüstung und der Verbreitung von Atomwaffen reicht es nicht aus, längst vereinbartes erneut zu bekräftigen.

Wichtige Zwischenschritte wie die Aufforderung zur Verringerung der Rolle und Bedeutung von Atomwaffen in Sicherheitskonzepten und Strategien bleiben im Abschlussdokument der Überprüfungskonferenz unverbindlich. Besonders enttäuschend ist, dass eine Vereinbarung über den kurzfristigen Abzug amerikanischer Atomwaffen aus nichtnuklear gerüsteten europäischen Staaten wie Deutschland ebenso fehlt wie die Verpflichtung der Atomstaaten, die Modernisierung ihrer Arsenale zu beenden, die Produktion militärisch nutzbaren Spaltmaterials einzustellen und die vorhandenen Vorräte internationaler Kontrolle zu unterstellen.

Die internationale Staatengemeinschaft steht jetzt vor der Herausforderung, für den Weg zur tatsächlichen Abschaffung der Atomwaffen einen neuen Rahmen zu schaffen. Mit diesem Ziel haben sich 118 der 190 Staaten bei der Überprüfungskonferenz im Mai in New York für die Aufnahme von Verhandlungen über eine Atomwaffenkonvention ausgesprochen. Vorbild dafür sind die Chemiewaffenkonvention und der Vertrag von Ottawa zum Verbot von Antipersonenminen.

Die Bundesregierung sollte diesen Weg unterstützen und sich dafür einsetzen, sobald wie möglich mit multilateralen Verhandlungen über einen Vertrag zu beginnen, der die überprüfbare Abschaffung der Atomwaffen transparent und konkret in einem festen Zeitrahmen regelt. Denn im Beginn internationaler Verhandlungen über eine Atomwaffenkonvention liegt eine neue Chance, die Gefahren, die von der Existenz nuklearer Massenvernichtungsmittel ausgehen, zu bannen und diese Waffen vollständig abzuschaffen.

Ansprechpartnerin bei pax christi für die Presse:
Christine Hoffmann


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