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Atomare Rüstungsspirale

Der bevorstehende indisch-amerikanische Nuklearpakt. US-Senat stimmt noch im September über bilaterale Vereinbarung ab

Von Dago Langhans *

Während die allgemeine mediale Aufmerksamkeit seit Monaten gezielt auf die iranische Nuklearproduktion oder nordkoreanische Raketentests gerichtet ist, bleibt ein folgenreicher Deal zwischen den USA und Indien journalistisch weitgehend ausgespart.

Der indische Premierminister Manmohan Singh und US-Präsident George W. Bush haben im Juli 2005 in der US-Hauptstadt eine weitreichende gemeinsame Vereinbarung vorgelegt. Es geht im Kern um die Wiederaufnahme der Lieferung von Brennstoffen und ziviler Nukleartechnologie durch die USA und die zukünftige internationale Position Indiens als akzeptierte Atommacht, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat.[1]

Anfang März diesen Jahres waren in Neu-Delhi nach »schwierigen Verhandlungen« die Weichen gestellt: Der indische Premier Manmohan Singh und seine Staatsgäste George W. Bush und Condoleezza Rice unterzeichneten ein gemeinsames Atomabkommen.[2]

Am 27. Juli hat sich das US-Repräsentantenhaus mit 359 zu 68 Stimmen deutlich für die Annahme des Paktes ausgesprochen. Nach der parlamentarischen Sommerpause wird der US-Senat in diesem Monat voraussichtlich mit seiner Entscheidung die zukünftige zivile Nuklearkooperation beider Länder besiegeln. Damit dürfte die internationale Isolation Indiens nach dem eigenen Atombombentest 1974 und insbesondere nach den verschärften Liefersanktionen, die auf eine indische Nuklearwaffentestserie 1998 erfolgten, beendet sein. Die Kritik an dem Nuklearpakt in Indien hat verschiedene Wurzeln. Die Koalitionspartner der regierenden Kongreßpartei verlangen ein bislang nicht vorgesehenes parlamentarisches Votum. Die beiden kommunistischen Parteien empören sich über die Zusatzkondition der US-Parlamentarier, in den Vertrag eine Vorbehaltsklausel unterzubringen, die eine zukünftige Unterstützung des Iran beim Aufbau der dortigen Atomindustrie ausschließt.

Renommierte Nuklearwissenschaftler in Indien befürchten, daß der beabsichtigte Atompakt ein nukleares Wettrüsten in der Region auslöst. Homi Sethna, ehemaliger Vorsitzender der indischen Atomenergie-Kommission, beispielsweise erklärte, die Regierung in Neu-Delhi wäre besser bedient, wenn Indien den sogenannten Atomwaffensperrvertrag unterzeichnete. Dieser 1970 in Kraft getretene Nichtverbreitungsvertrag (NVV) basierte bisher auf einer zentralen Grundbedingung: Nur diejenigen Länder, die sich verpflichtet haben, auf ein eigenes Atomwaffenprogramm zu verzichten, konnten internationale Hilfe beim Aufbau einer zivilen Atomindustrie erwarten. Im Gegenzug erklärten sich die Atomwaffenmächte USA, die Sowjetunion, Frankreich, Großbritannien und China bereit, mit der Unterzeichnung des Vertrages das eigene Nuklearwaffenpotential abzubauen. Argentinien, Brasilien und Südafrika verpflichteten sich daraufhin, die Forschung und Entwicklung eigener militärisch nutzbarer Atomprogramme einzustellen. Mittlerweile sehen die Entwicklungsperspektiven dieses internationalen Vertragssystems dank der diversen Sonderwege von Atommächten wie Frankreich und den USA eher düster aus, wie bei der 2005 stattgefundenen Verlängerungs- und Überprüfungskonferenz des Atomsperrvertrages sichtbar wurde.[3] Für die ­Bush-Administration stand dort das Konzept einer möglichst großen militärpolitischen Handlungsfreiheit im Vordergrund. Eine verbindliche Durchsetzung eines Abkommens zur Beendigung der Spaltstoffproduktion für Waffenzwecke (FMCT) wurde von den US-Vertretern dort ebenso zurückgewiesen wie die Einbeziehung taktischer Kernwaffen in zu vereinbarende Abrüstungsziele. Daß es die US-Militärplaner mit dem Rückbau strategischer Atomrüstung nicht so genau nehmen, beweist der gekündigte ABM-Vertrag mit Rußland und die hartnäckige Weigerung, auf Atomwaffentests zu verzichten. Statt dessen werden neuartige nukleare Sprengkopftypen in den Atomlabors der USA entwickelt und das Atomwaffenarsenal modernisiert.

Das deckt sich durchaus mit den strategischen Gewichtsverlagerungen im Streitkräftepotential der USA, die Anfang 2006 vom Pentagon in der Quadrennial Defense Review dargestellt wurden. Der Rüstungskritiker Daryl Kimball, leitender Direktor der Arms Control Association, erläuterte dem Boston Globe: »Die Geschichte beweist, daß die US-Politik bezüglich der Nichtverbreitung von Atomwaffen dank ausgedehnter Wirtschaftsverbindungen und dem Willen, zu befreundeten Ländern gute Beziehungen aufrechtzuerhalten, beständig unterlaufen wird«.[4]

Unmittelbar vor der Entscheidung des US-Repräsentantenhauses versuchte das konservative britische Wirtschaftsblatt Economist, ausdrücklich auf mögliche Konsequenzen des Abkommens zu verweisen: »Eine Unterstützung des indischen Nuklearwaffenprogrammes – die dieses Geschäft unausweichlich mit sich bringen wird – widerspricht dem Nichtverbreitungsvertrag, der sowohl eine direkte als auch indirekte Hilfe an jene Länder ausschließt, die vom Vertrag her nicht als Atommächte anerkannt sind (und Indien ist es nicht)«.[5] Der Kommentator sah jedoch die erfolgte Zustimmung durch das US-Repräsentantenhaus voraus und orientierte sich auf andere Akteure. »Das überläßt die Verantwortung der Gruppe der wichtigsten nuklearen Lieferländer (Nuclear Suppliers Group) und dem Direktorium der Internationalen Atomenergiebehörde. Dort muß entschieden werden, ob gegen Atombewaffnung eindeutige Regeln aufrechterhalten werden, oder ob man sich zum Komplizen von deren Demontage macht«.

Globale Machtverschiebungen

International wird der auf drei Jahrzehnte ausgelegte Nuklearpakt mit Skepsis betrachtet, denn Indien gehört trotz der Entwicklung eigener ziviler und militärischer Nukleartechnologie nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrages. Die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erhält nach Abschluß des bilateralen Abkommens keine Möglichkeit einer vollständigen Kontrolle der indischen Atomeinrichtungen.

Die internationale nukleartechnologische Isolation, in die sich Indien mit seinen Atomwaffentests 1974 und 1998 hineinmanövriert hatte, scheint nun nach indischer Lesart überwunden. Unmittelbar nach den Bombenversuchen hagelte es Sanktionen, gestützt auf den Atomwaffensperrvertrag von 1968. Die USA verhängten per Gesetz ein Exportembargo von Nukleartechnik, das durch den Atompakt im Falle Indiens sein Gültigkeit verliert.

Die Japan Times verurteilt angesichts der weiteren Aufweichung internationaler Standards den Pakt zwischen USA und Indien als »schlechtes Beispiel«.[6] »Amerika – im eigenen Selbstbild sowohl Weltpolizist als auch Weltrichter – verdient die härteste Kritik. Eine Zustimmung zu diesem Abkommen öffnet alle Tore für eine unkontrollierte Weiterverbreitung von Atomwaffen. Was wird China beispielsweise daran hindern, Pakistan oder sogar Nordkorea beim Ausbau eigener Atomwaffenarsenale zu unterstützen?« Die Reaktion beider Länder auf die heftig umstrittene Nuklearpartnerschaft zwischen den USA und Indien erfolgte prompt. Experten erwarten, daß der chinesische Präsident Hu Jintao im November bei seinem Staatsbesuch in Islamabad ein gemeinsames Kooperationsabkommen unterzeichnet. Hauptbestandteil wird die Lieferung von sechs 300-Megawatt- Atomreaktoren an Pakistan sein.[7]

Angesichts eines immer größer werdenden Netzes von US-Militärstützpunkten um China herum wird der bilaterale Atompakt dort als neues Indiz einer langfristigen »Einkreisungsstrategie« der USA betrachtet. Besonderen Argwohn dürfte nicht nur bei chinesischen Militärpolitikern die Tatsache hervorrufen, daß die indische Luftwaffe ab Ende des Jahres einen von indischen Ingenieuren ausgebauten tadschikischen Flugplatz im Grenzgebiet zu Afghanistan nutzen wird. Damit steigt Indien neben den USA, der BRD und Rußland in den Kreis der »Großmächte« auf, die eigene Militärbasen im strategisch wichtigen zentralasiatischen Raum betreiben.

Die Bedenken des ebenfalls kernwaffenfähigen indischen Nachbarn Pakistan versucht die US-Administration mit hochtechnologischen Rüstungsexporten zu besänftigen. Der weltgrößte Rüstungskonzern Lockheed Martin verdient an der geplanten Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen fünf Milliarden US-Dollar. Zu einer ersten Lieferung von 18 Maschinen gehört die Umrüstung von 26 bisherigen Flugzeugen, die Ausstattung der pakistanischen Luftwaffe mit neuzeitigen Bewaffnungssystemen, die technische Wartung der kompletten F-16 Flotte und eine zugesagte Exportoption von weiteren 18 Maschinen des gleichen Typs. Die Gesamtsumme übersteigt den kompletten pakistanischen Verteidigungshaushalt von 2005.

Um dem US-Kongreß eine positive Entscheidung plausibler zu machen, wurde auf Betreiben des State Department eine Klausel zur Beendigung der Spaltstoffproduktion für Waffenzwecke (FMCT) eingefügt. Diese Bedingung steht jedoch den mit den USA abgestimmten Planungen der indischen Regierung diametral gegenüber. Insgesamt vierzehn indische Kernkraftwerke, von denen einige noch gebaut werden, sollen bis 2014 den Kontrollen der Internationalen Atomaufsichtsbehörde (IAEA) zugänglich gemacht werden. Dazu gehören sechs alte vom Ausland erworbene Atommeiler, die jetzt schon den Standardüberprüfungen der IAEA unterliegen. Indien behält sich allerdings das Recht vor, acht andere Reaktoren und eine unbekannte Anzahl noch zu bauender Meiler von dem internationalen Kontrollreglement auszunehmen. Der frühere Vorsitzende des Streitkräftekomitees des US-Senates Sam Nunn bezeichnet das kurz und knapp als »eine nukleare Katze im Sack«.[8] Angesichts der fortgesetzten Drohungen gegen den Iran, die Entwicklung eigener Urananreicherung aufzugeben, läßt sich die Strategie der USA bestenfalls als Heuchelei bezeichnen. Denn exakt mit diesen von der indischen Regierung einer internationalen Kontrolle entbundenen Technologiekomponenten läßt sich waffenfähiges Spaltmaterial herstellen. Perspektivisch formulierte Sam Nunn: »Wenn nicht heute, dann werden sicherlich morgen andere Länder den gleichen Deal wie die Inder verlangen. Wie werden wir unseren Freunden in Brasilien, Taiwan, Saudi-Arabien, Ägypten, Japan und Südkorea erklären, daß wir den Indern bei ihrer Nuklearproduktion vertrauen und ihnen nicht? Das geringe Uranvorkommen in Indien hat bislang das indische Atomwaffenpotential begrenzt. Nach dem Fall der Boykottbarrieren wird die Lieferung von Nuklearbrennstoffen aus den USA und anderen Ländern möglich sein. Dann wird Indien hingegen nicht weiter gezwungen sein, sich entscheiden zu müssen, ob man die eigenen begrenzten Uranvorkommen nun für das zivile Nuklearprogramm nutzt oder für das Atomwaffenprogramm«.

Wie der Draht gezogen wurde

Als wichtigste Initiatoren des Abkommens gelten Außenministerin Rice und ihr Staatssekretär Nicholas Burns. Burns hatte im Vorfeld des Staatsbesuches des indischen Premierministers Singh im Juli 2005 die Rahmenbedingungen für das Abkommen geschaffen. Verständlicherweise ist für die Akzeptanz der Vereinbarung eine gründliche Lobbyarbeit notwendig, um die weitverbreiteten Vorbehalte gegenüber der indischen Nuklearrüstung aus dem Weg zu schaffen. Laut Washington Post steht die Beratungsfirma Patton Boggs LLP im Zentrum der notwendigen Überzeugungsarbeit. Graham Wisner leitet dieses Unternehmen. Geldgeber von Wisners Firma ist der »U.S.–India Business Council« (US-indischer Unternehmensrat), dem es genauso wie der in New Dehli ansässigen »Confederation of Indian Industry« (CII) um die »Förderung des kommerziellen Handels« geht. Die indische Industrieorganisation CII hat sich im April 2005 offiziell in den USA als Lobbygruppe registrieren lassen. Die bekannte Beratungsfirma Barbour Griffith & Rogers LLC erhielt von der indischen Industriellenvereinigung 520000 Dollar zur Beeinflussung von Entscheidungsträgern im Weißen Haus, im Pentagon, im Außenministerium und im Kongreß.

Nach Untersuchungen des Center for Public Integrity hat der indische Industrieverband CII von 2000 bis 2005 für 19 US-Kongreßmitglieder, elf Ehepartner und 58 Kongreßmitarbeiter insgesamt 538000 Dollar an Reisekosten ausgelegt. Wisners Bruder Frank, Exbotschafter in Indien und zwischenzeitlich Vorsitzender des US-indischen Unternehmensrates, ist inzwischen Vizechef der American International Group. Mitverantwortlich für die erfolgreiche Herstellung von nützlichen geschäftlichen und politischen Beziehungen bei Barbour Griffith & Rogers LLC ist ein weiterer ehemaliger US-Botschafter in Indien, Robert D. Blackwill. Blackwill durfte auch am 20. Juni den bisherigen Höhepunkt der Kampagne des US-indischen Unternehmensrates anmoderieren. Bei der mondänen Galaveranstaltung in der US-Handelskammer in Washington DC charakterisierte Vizepräsident Dick Cheney als Hauptredner die strategische Bedeutung des Abkommens als »eine der wichtigsten außenpolitischen Initiativen unserer Regierung«. Nach dem Menü lauschten die ausgewählten Anwesenden den musikalischen Darbietungen Anoushka Shankars, der Tocher des indischen Sitar-Virtousen Ravi Shankar. Dieser Abschlußfeier war eine viertägige Konferenz vorausgegangen, organisiert vom einflußreichen außenpolitischen Think-Tank Aspen Institute und mitfinanziert vom indischen Industrieverband CII. Es war die achte Tagung eines handverlesenen Zirkels aus indischen und US-amerikanischen Industrievertretern, Spitzenpolitikern, Diplomaten und Militärs. Die Aspen Strategy Group arrangierte im Rahmen des Kongresses für die indische Delegation Treffen mit Generalstabschef Peter Pace, mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Gordon England und mit dem US-Energieminister Samuel Bodman.

Als politischer Mentor des Paktes agiert der indisch-amerikanische Sicherheitsfachmann Ashley Tellis von der Carnegie Stiftung für Internationalen Frieden. Er arbeitete unter Blackwill als Sonderberater der US-Botschaft in Neu-Delhi und stieg anschließend auf zum leitenden Experten im US-Sicherheitsrat für strategische Planung in Süd­asien. Tellis’ Vorabinformationen bereiteten in entscheidenden Komiteesitzungen sowohl des Repräsentantenhauses als auch des Senates den Boden für die richtungsweisenden Entscheidungen für die neue strategische Allianz. Anfang September ist ein zusätzliches Schwergewicht in den Ring gestiegen, um die öffentliche Stimmung vor dem Votum des US-Senates in die gewünschte Richtung zu lenken. Vom indischen Industriellenverband und der indischen Niederlassung des Aspen-Institutes nach Neu-Delhi eingeladen, betonte die frühere Außenministerin Madeleine Albright gegenüber der indischen Presse die Notwendigkeit der gemeinsamen Nuklearallianz. Albrights Engagement für den Pakt signalisiert ein Umdenken in den führenden Kreisen der Demokratischen Partei.

Das Geschäft und seine Macher

Die internationale Konkurrenz beim Bau von Atomkraftwerken und der Lieferung von Nuklearmaterialien ist übersichtlich. Wenn es um Verkauf, Konstruktion und Wartung von Nuklearanlagen oder den Export von Brennstäben für zivile Atomtechnik geht, versuchen sich letztlich vier Weltkonzerne den Markt aufzuteilen. Der französische Staatskonzern Areva, die japanische Toshi­ba Corporation, die unlängst die Nuklearsparte des ehemaligen US-Unternehmens Westinghouse von der British Nuclear Fuels Company übernommen hat, der kürzlich gebildete russische Konzern Atomprom und die US-amerikanische General Electric Corporation. Das deutsche Kapital fühlt sich durch den sogenannten Atomausstieg der damaligen SPD-Grünen-Regierung bei nuklearen Exportchancen ausgegrenzt. Das machte Wirtschaftsminister Michael Glos bei seinem Besuch Ende August in Neu-Delhi deutlich.[9]

Die Business Week bezeichnete »als bislang unerwähnten Anreiz« des beidseitigen Abkommens »das gewaltige Wirtschaftspotential für US-Unternehmen wie General Electric, den Nuklearbrennstofflieferanten US Enrichment und staatliche Vertragsunternehmen und Exportfirmen wie Bechtel, Lockheed und Boeing. ... Wenn die indische Atomindustrie auf internationale Nuklearbrennstofflieferungen, ausländische Investitionen und technologische Beratungen zugreifen kann, lassen sich mit Verträgen für Atomreaktoren und damit verknüpfte Exporte in den nächsten Jahrzehnten geschätzte 60 Milliarden US-Dollar abgreifen.«[10] General Electric beispielsweise möchte die eigenen Exporte nach Indien im Wert von einer Milliarde US-Dollar im Geschäftsjahr 2005 bis 2010 auf acht Milliarden Dollar steigern. Boeing hat bereits im Januar einen Liefervertrag für 68 Passagierflugzeuge mit der staatlichen Air India abgeschlossen. Der ehemalige Botschafter und frühere US-Handelsgesandte in Indien Thomas R. Pickering erklärte der Washington Post unumwunden: »Die Erwartungen der Geschäftswelt sind im letzten Jahrzehnt angewachsen und sie beginnen sich auszuzahlen«.[11] Der Mann muß es wissen, denn er war fünf Jahre lang verantwortlich für internationale Beziehungen beim Rüstungsgiganten Boeing. Pickering erklärte, Boeing plane, der indischen Luftwaffe über 120 Kampfflugzeuge zu verkaufen. Nach seinen Einschätzungen bahnt sich hier das größte Exportrüstungsgeschäft innerhalb des aktuellen Jahrzehntes, »wenn nicht sogar des Jahrhunderts« an. Ebenfalls auf diesen Deal schielt der weltgrößte Waffenkonzern Lockheed Martin, der seine Kampfmaschine F-16 exportieren möchte. Nach Billigung des gemeinsamen Nuklearabkommens mit Indien durch den US-Kongreß sind umfangreiche Rüstungsexporte nach Indien, die unter Präsident Lyndon B. Johnson anläßlich des indisch-pakistanischen Krieges unterbrochen worden waren, neu verhandelbar. Der indische Militäretat von aktuell 23,5 Milliarden Dollar bietet internationalen Waffen- und Rüstungsunternehmen gediegene Absatzchancen.

Als Konkurrent bei Rüstungsgeschäften mit Indien ist inzwischen die deutsche Rüstungsindustrie massiv engagiert. Der Staatsbesuch von Glos in Indien war der verhandlungstechnische Auftakt für ein bilaterales Verteidigungsabkommen, daß am 6. September von Verteidigungsminister Franz Josef Jung und seinem indischen Gegenpart Pranab Mukerjee in Berlin unterzeichnet wurde.[12]

Fußnoten
  1. Der Vereinbarungstext beider Staaten vom Juli 2005: www.whitehouse.gov/news/releases/2005/07/20050718-6.html;
  2. Text der Pressekonferenz von Bush und Singh: www.whitehouse.gov/news/releases/2006/03/20060302-9.html;
  3. Harald Müller, »Die Zukunft der nuklearen Ordnung«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 4/2005 bzw. in der ursprünglichen Version: »Vertrag im Zerfall? Die gescheiterte Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages und ihre Folgen«, HSFK-Report 4/1985;
  4. Farah Stockman, Trade plan would allow nuclear sales to India, Boston Globe, July 3, 2006;
  5. America’s nuclear deal with India, From bad to worse; Economist, July 20, 2006;
  6. B. Gautam, U.S.-India nuclear deal sets bad example, Japan Times, August 8, 2006;
  7. www.india-defence.com/reports/2323, China to build six nuclear reactors in Pakistan, August 12, 2006;
  8. Sam Nunn, Nuclear Pig in a Poke, Wall Street Journal, May 24, 2006;
  9. Can Merey, Deutsche verpassen in Indien Milliardengeschäft, Financial Times Deutschland, 31.8.2006;
  10. Manjeet Kripalani, India’s Nuclear Build-Out, Business Week, August 2, 2006;
  11. Steven Mufson, New Energy on India, Washington Post July 18, 2006;
  12. Sabine Muscat, Indien fordert deutsche Rüstungstechnologie, Financial Times Deutschland, 8.9.2006.
* Aus: junge Welt, 14. September 2006


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