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Atomkrieg bleibt Option

Von Rüdiger Göbel *

Das US-Verteidigungsministerium plant weiterhin den Einsatz von Atombomben, ungeachtet der von Präsident Barack Obama zu Monatsbeginn in Prag verkündeten Initiative für eine Welt ohne Nuklearwaffen. Das geht aus den Vorbereitungen für den Bericht zur Nuklearstrategie hervor, wie AP am Freitag unter Berufung auf das Pentagon berichtete. Die »Nuclear Posture Review« soll Anfang 2010 vorgelegt werden und die Grundlage für die Militärstrategie der nächsten fünf bis zehn Jahre bilden. Laut AP soll es im Zuge der weiteren Rüstungskontrolle eine Reduzierung des Atomarsenals geben. Grundlage sei aber die »Beibehaltung eines sicheren Abschreckungspotentials«. Die von Obama genannte Absicht, die Atomwaffen ganz abzuschaffen, also auf »global zero« zu reduzieren, »findet in dem Dokument dem Vernehmen nach keinen Niederschlag«, konstatierte die US-Nachrichtenagentur. Am Freitag in Rom begonnene russisch-amerikanische Verhandlungen haben ebenfalls lediglich die Begrenzung der jeweiligen Atomwaffenarsenale zum Ziel, nicht deren gänzliche Verschrottung.

Ähnlich doppelzüngig agieren SPD und die Unionsparteien in der BRD. Im Bundestag wurde am Freitag (24. April) die Abrüstungsankündigung von US-Präsident Obama eimmütig unterstützt, ein sofortiger Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland aber mit den Stimmen der Koalitionsparteien ausdrücklich abgelehnt. Entsprechende Anträge von Linkspartei, FDP und Bündnis 90/Die Grünen wurden zurückgewiesen – nachdem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zuvor noch für die Verbannung der Atombomben made in USA plädiert hatte. Der Trick: Der SPD-Kanzlerkandidat wollte sich einfach nicht auf einen Zeitpunkt festlegen, wann das massenmörderische Kriegsgerät außer Landes geschafft werden soll.

Politiker der Opposition warfen dem Sozialdemokraten denn auch inkonsequentes Verhalten vor. »Wir wissen heute, eine Welt ohne Atomwaffen ist möglich. Es kommt darauf an, endlich anzufangen«, sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Gregor Gysi (Die Linke) betonte, Obama habe nicht ein einziges Argument, die nuklearen Sprengköpfe in Deutschland zu belassen. »Ich hoffe, wir werden die Atomwaffen so schnell wie möglich los.« FDP-Politiker Werner Hoyer schließlich wies die Behauptungen, ein Atomwaffenabzug könne einen Verlust der Sicherheit von Deutschland bedeuten, als »nicht tragfähige Scheinargumente« zurück.

Auf dem Militärstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz vermuten Experten etwa 20 US-Atombomben. Über die sogenannte nukleare Teilhabe sichert sich Deutschland die Mitsprache bei ihrem möglichen Einsatz. Im Gegenzug ist die BRD verpflichtet, mit Atomwaffen bestückbare Kampfflugzeuge bereitzuhalten. In dem von der Koalition eingebrachten Antrag »Die Chancen zur nuklearen Abrüstung nutzen – Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag zum Erfolg führen«, der mit 427 zu 80 Stimmen verabschiedet wurde, wurden die Atomwaffen auf deutschem Territorium nicht erwähnt. Jens-Peter Steffen, Sprecher der »Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW), charakterisierte die Bundestagsdebatte als nicht »auf dem Stand«. »Der existierende Entwurf einer Atomwaffenkonvention wurde mit keinem Wort erwähnt.« Das Papier war bereits 1997 von Costa Rica als offizielles Dokument A/C.1/52/7 bei der UNO eingereicht worden.

* Aus: junge Welt, 25. April 2009


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