Atommächte warnen vor Atomterror
US-Präsident ruft auf Gipfel in Washington zur Vorsorge auf / Merkel fordert Rechtsgrundlage *
US-Präsident Barack Obama hat dazu aufgerufen, konkrete Schritte gegen
Nuklearterrorismus zu ergreifen.
Beim Atomsicherheitsgipfel in Washington berieten auf Einladung von US-Präsident Obama führende Politiker aus 47 Staaten über den Umgang mit der Gefahr des Nuklearterrorismus.
Zum Auftakt der Gipfel-Hauptberatungen am Dienstag (13. April) warnte
der US-Präsident vor einer »Katastrophe für die Welt«, wenn es
Terroristen gelänge, sich Atommaterial anzueignen. »Heute ist die
Gelegenheit da, nicht einfach zu reden, sondern zu handeln«, sagte
Obama. Wie er mitteilte, will Südkorea 2012 ein Folgetreffen zur
nuklearen Sicherheit abhalten. Im Kern ging es in Washington darum,
Mittel und Wege zu finden, damit Terroristen nicht in den Besitz von
Nuklearmaterial kommen. Das Treffen müsse konkrete Ergebnisse bringen,
jedes Land solle einen eigenen Beitrag leisten, »damit die Welt ein
bisschen sicherer wird«, sagte Obama.
Zunächst hatte jedoch der Atomstreit mit Iran, das - wie Nordkorea -
nicht zum Gipfel eingeladen wurde, das Treffen überlagert. Das Thema
stand im Mittelpunkt einer ganzen Reihe von Zweiertreffen, so bei der
Begegnung zwischen Obama und dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao. Die
USA sprachen anschließend von einem Fortschritt. »Die Chinesen haben
klargemacht, dass sie bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten«, sagte
Obamas Asien-Berater Jeff Bader. Es solle in wenigen Wochen eine neue
UNO-Resolution geben. »Es gibt hoffnungsvolle Anzeichen, dass auch mit
China und mit Russland, die ja bekannterweise sehr zurückhaltend waren,
Gespräche weitergeführt werden«, sagte auch Bundeskanzlerin Angela
Merkel am Rande des Gipfels. Sie verwies auf ein Gespräch der Vertreter
der fünf ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat - USA, China,
Russland, Frankreich, Großbritannien - plus Deutschland am Vorabend.
Unterdessen kündigte Teheran laut Mitteilung der israelischen Botschaft
in Berlin weitere angebliche Erfolge bei der Realisierung seines
Atomprogramms an. »Iran wird innerhalb eines Monats dem atomaren Klub
beitreten, und dann wird kein Staat auch nur daran denken, uns
anzugreifen.« Das habe der stellvertretende Leiter der iranischen
Atombehörde, Behzad Soltani, gegenüber der Nachrichtenagentur Fars erklärt.
Merkel würdigte den Atomsicherheitsgipfel insgesamt als ersten wichtigen
Schritt für gemeinsames internationales Handeln gegen mögliche atomare
Anschläge. Ein ungelöstes Problem sei die fehlende Rechtsgrundlage für
Strafen und Sanktionen, wenn Staaten Nuklearmaterial an terroristische
Organisationen weitergeben.
Die Niederlande schlugen die Schaffung eines Sondergerichtshofes in Den
Haag vor. Ein solches internationales Nukleartribunal könne Staaten zur
Rechenschaft ziehen, die Terroristen Zugang zu atomarem Material
ermöglichten oder anderweitig gegen Absprachen zur
Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen verstießen, sagte
Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Obama habe positiv auf den
Vorschlag reagiert.
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sagte auf dem Gipfel zu,
bis 2012 das in seinem Land befindliche hochangereicherte Uran entsorgen
zu wollen.
* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2010
Obama läßt lügen
Von Knut Mellenthin **
Die großen Medien in Deutschland sind am Dienstag (13. April) in Sachen
Iran wieder einmal zu Hochform aufgelaufen. »China unterstützt
USA-Arbeit an neuen Iran-Sanktionen«, meldete die Agentur Reuters. »Die
Präsidenten Obama und Hu wollen neue Strafmaßnahmen gegen Iran
vorbereiten«, behauptete Zeit online. Und das Internetportal des Spiegel
schrieb nach dem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem
chinesischen Kollegen Hu Jintao in Washington: »Im Atomstreit mit
Teheran lehnte China harte Strafen bislang ab - jetzt scheint sich
Washington durchzusetzen (...) Die USA und China wollen gemeinsam eine
neue Runde von UNO-Sanktionen gegen Iran vorbereiten (...).« Von einem
»Schulterschluß mit China« und einem »Durchbruch bei Iran-Sanktionen«
war in der Überschrift die Rede. Aber stimmt das wirklich? Wenn, wie in
diesem Fall, zwei Politiker nach ihrem Gespräch nicht zusammen vor die
Presse treten und auch kein gemeinsames Kommuniqué unterzeichnen, läßt
das auf erhebliche Meinungsverschiedenheiten schließen.
Die deutschen Mainstream-Medien, die China nach dem Treffen in
Washington auf Sanktionskurs sehen, können sich nur auf die einseitige
Darstellung von Jeffrey Bader berufen. Er gehört dem Nationalen
Sicherheitsrat, einem Beratergremium des US-Präsidenten, an. Auf einer
Pressekonferenz am Montag (Ortszeit) erklärte Obamas Mann: »Die Chinesen
teilen ganz eindeutig unsere Besorgnis über das iranische Atomprogramm.
(...) Die beiden Präsidenten sind übereingekommen, ihre Delegationen
anzuweisen, zusammen mit den 5-plus-1-Staaten und den Vertretern im
UN-Sicherheitsrat an einer Sanktionsresolution zu arbeiten. Die
Resolution wird dem Iran die Kosten der Verfolgung eines Atomprogramms
deutlich machen, daß seine Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten
verletzt. Die Diskussion war ein Zeichen der internationalen Einheit zum
Thema Iran.«
Ganz anders klingt jedoch die Zusammenfassung des Gesprächs der beiden
Staatsoberhäupter durch die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Das
Wort »Sanktionen« taucht darin nicht einmal auf. Statt dessen heißt es
dort: »Zum iranischen Atomthema sagte Hu, China hoffe, daß die
Beteiligten fortfahren werden, ihre diplomatischen Bemühungen zu
verstärken und aktiv nach wirkungsvollen Wegen zu suchen, das Problem
durch Dialog und Verhandlungen zu lösen. China und die USA haben beim
iranischen Atomthema dasselbe Gesamtziel, sagte Hu. China sei bereit,
Beratung und Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und anderen
Parteien innerhalb des 5-plus-1-Mechanismus, in der UNO und über andere
Kanäle fortzusetzen, setzte er hinzu.« - Als »5 plus 1« werden die sechs
Staaten bezeichnet, die die Verhandlungen mit dem Iran führen: die fünf
ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats China, Frankreich,
Großbritannien, Rußland und die USA sowie Deutschland.
Eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums bekräftigte gestern, daß
China nach wie vor »Verhandlungen und Dialog« als den besten Weg zur
Erreichung einer Verständigung mit Iran ansehe. »Druck und Sanktionen«
hingegen seien keine Lösung. Daran anknüpfend erklärte das iranische
Außenministerium in Teheran, die chinesischen Kommentare würden - im
Gegensatz zu den westlichen Pressemeldungen - nicht auf eine Einigung
auf »neue ungerechte Maßnahmen« hindeuten.
Auch in anderen Fragen gab es zwischen Obama und seinem Gast keine
Übereinstimmung. So wehrte Hu Jintao das Drängen auf eine Aufwertung der
chinesischen Währung um bis zu 40 Prozent mit dem Hinweis ab, China
werde darüber »auf der Grundlage seiner eigenen wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Entwicklungsbedürfnisse« entscheiden. Hu forderte
außerdem gegenseitigen Respekt für die »Kerninteressen« des Partners. Er
kritisierte in diesem Zusammenhang die US-Unterstützung für Taiwan und
die tibetischen Separatisten.
** Aus: junge Welt, 14. April 2010
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