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Wieczorek-Zeul: "Es gibt keine Klärung durch Krieg, sondern nur durch politische Lösungen" - Hänsel: "Sparen wir uns die unsinnige Libanonmission"

Teil IV der Haushaltsdebatte im Bundestag: Entwicklungspolitik

In der Haushaltsdebatte im September 2006 ging es natürlich auch um die Entwicklungspolitik, d.h. um den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Einzelplan 23). Auch hierzu wurde eine grundsätzliche und in Teilen kontroverse Diskussion geführt.
Dieser Teil der Haushaltsdenatte am 6. September wurde von der zuständigen Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul eingeleitet. Danach kamen folgende Redner/innen zu Wort:

Auf die Wiedergabe von Beifallsäußerungen und Zwischenrufen haben wir verzichtet.






Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte von dieser Stelle aus herzliche Grüße und Genesungswünsche an den Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses, unseren Kollegen Herrn Hoppe, richten, der heute wegen Krankheit nicht anwesend sein kann. Wir wünschen ihm von hier aus alles Gute und gute Genesung.

Wir alle haben in den Wochen der entsetzlichen militärischen Auseinandersetzungen mit den betroffenen Menschen in Israel, in Palästina und im Libanon gelitten. Wir haben auf einen Waffenstillstand gehofft und wir alle wünschen einen dauerhaften Frieden für den Nahen Osten. Uns ist klar: Es gibt keine Klärung durch Krieg, sondern nur durch politische Lösungen.

Teil einer politischen Lösung muss die Stärkung der staatlichen Autorität des Libanon für sein gesamtes Territorium sein. Ziel muss es sein, funktionierende Staatlichkeit herzustellen. Ich habe in Absprache mit Bundeskanzlerin Merkel im Vorfeld der Konferenz für den Libanon, zu der die schwedische Regierung und die UN eingeladen hatten, den Libanon besucht und mir einen eigenen Eindruck über die Notwendigkeit der Wiederaufbauhilfe verschafft. Ich möchte an dieser Stelle sagen: Präsident Siniora braucht internationale Unterstützung; er ist ein mutiger Mann, vor dessen schwieriger Aufgabe ich großen Respekt habe.

Wir müssen der Hisbollah, die kaltblütig zivile Opfer in Kauf genommen hat und sich nun als Helfer in der Not gibt, den Nährboden entziehen. Bei dieser Aufgabe ist das Land auf internationale Unterstützung, auch auf unsere Unterstützung angewiesen. Wir werden den Libanon deshalb wieder zum Partnerland unserer Entwicklungszusammenarbeit machen. Das möchte ich für die Bundesregierung an dieser Stelle ausdrücklich sagen.

Ich weiß, dass es Menschen gibt, die fragen: Müssen wir eigentlich wiederaufbauen? Diesen Menschen sage ich: Dort, wo Leid und Elend sind, ist es eine humanitäre Pflicht, den Menschen zu helfen. Der Frieden im Nahen Osten wird auch für unsere eigene Sicherheit von Bedeutung sein. Israel hat durch die Angriffe der Hisbollah in hohem Umfang Schäden erlitten, für die es keine internationale Hilfe anfragt. Israel will diese Schäden selber beseitigen. Aus all diesen Gründen sage ich: Es ist wichtig, dass wir auf dem Gebiet des Wiederaufbaus des Libanon gemeinsam tätig sind.

Auf der Konferenz in Stockholm wurden für den Libanon Mittel in Höhe von insgesamt 940 Millionen US-Dollar zugesagt. Über die Hälfte davon kommt übrigens von arabischen Staaten. Das ist richtig und gut so. Auf dieser Konferenz habe ich für die Entwicklungszusammenarbeit in 2006 - Bereiche Wasserversorgung im Süden des Libanon und Förderung der beruflichen Bil-dung - 10 Millionen sowie weitere Mittel aus dem Haushalt des Finanzministers für die Kontrolle an den Landgrenzen zugesagt.

Wir erbringen in diesem Jahr Unterstützungsleistungen in Höhe von mindestens 22 Millionen Euro. Wir leisten Unterstützung bei der Beseitigung der Ölverschmutzung. Weitere finanzielle Unterstützung werden andere Ressorts unserer Regierung beschließen, sodass die Mittel seitens der Regierung, auch meines Ministeriums, im nächsten Jahr aufgestockt werden.

Im Moment gefährdet nicht explodierte Streumunition das Leben von zurückkehrenden Flüchtlingen im Süden des Libanon. Blindgänger töten unschuldige Menschen, spielende Kinder und gefährden UNIFIL-Truppen. Sie sind ein Problem für den Wiederaufbau. Lassen Sie uns an dieser Stelle gemeinsam sagen: Wir müssen alles dafür tun, dass Streubomben weltweit verboten werden!

Das muss eine unserer Schlussfolgerungen sein.

Den Frieden in der Region werden wir aber nur erreichen - das ist heute immer wieder deutlich geworden -, wenn der Kernkonflikt zwischen Israel und Palästina eine Lösung findet. Israel hat ein selbstverständliches Recht, in Frieden und ohne Furcht vor entsetzlichen Angriffen zu leben. Das Existenzrecht des Staates Israel muss gesichert werden. Gleichzeitig geht es darum, einen eigenständigen palästinensischen Staat zu verwirklichen, der in Frieden mit seinen Nachbarn lebt und Israel anerkennt.

Auf der Konferenz in Stockholm wurden für die humanitäre Hilfe in Palästina - die Situation dort ist insbesondere für die Jugendlichen dramatisch - 450 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Wir haben den so genannten Temporären Internationalen Finanzierungsmechanismus mitfinanziert, dessen Ziel es ist, trotz der bestehenden Hamas-Regierung dafür zu sorgen, dass zumindest die Bedürftigsten eine Unterstützung erhalten. Auf diese Art und Weise werden bis Ende September immerhin rund 600 000 Menschen in Palästina Hilfe erhalten. Das ist richtig und gut so.

Die europäische Erfahrung zeigt doch, dass es möglich ist, Hass und Gewalt zu überwinden. Warum sollte das, was in Europa, in der KSZE gelungen ist - wenn auch unter völlig anderen Bedingungen -, nicht auch im Nahen Osten möglich sein, wo doch die große Mehrheit der Menschen Frieden will. In einer dauerhaften Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten könnten Fragen der Sicherheitspolitik, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und des menschlichen Zusammenlebens besprochen und geregelt werden. Engagieren wir uns gemeinsam für diesen Weg zum Frieden!

Nun zu einem Thema, das uns jeden Tag beschäftigt und immer aufs Neue beschäftigen muss. In dieser Welt sterben pro Tag 8 000 Menschen an Aids; so viele würden auch sterben, wenn jeden Tag zwanzig vollbesetzte Jumbojets abstürzen würden. Die Aidskonferenz in Toronto war wichtig, um die Aufmerksamkeit wieder auf diese dramatische Situation zu lenken. Was tun wir gegen Aids? Wir werden - das habe ich auf der Konferenz auch deutlich gesagt - unsere Maßnahmen gegen HIV und Aids verstärken, die Mittel für die Jahre 2007 und 2008 um rund 100 Millionen Euro auf jährlich 400 Millionen Euro aufstocken, unsere bilateralen Mittel und die Schuldenumwandlungen einsetzen und den Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV, Aids, Malaria und Tuberkulose entsprechend finanziell stärken.

Warum? Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal erläutern. Es handelt sich vor allen Dingen für junge Frauen und Mädchen um eine dramatische Situation. Während sie noch vor zehn Jahren 12 Prozent aller Infizierten ausgemacht haben, machen Frauen heute fast die Hälfte aller Infizierten aus. Das hängt damit zusammen, dass sie schwächer sind und sich in vielen Situationen nicht mit ihren eigenen Schutzmöglichkeiten durchsetzen können. Deshalb haben wir ausdrücklich die Mittel zugesagt, die für die Entwicklung von Mikrobiziden wichtig sind, die es den Frauen ermöglichen, sich selbst zu schützen und nicht auf den Schutz durch Männer angewiesen zu sein. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Aspekt, um den Frauen in den Entwicklungsländern zu helfen.

Gleichzeitig geht es auch darum, dass wir die Programme stärker auf Frauen orientieren. Wir müssen uns unsere Programme sehr genau ansehen und vor allen Dingen mit dafür sorgen, dass in den Partnerländern die Gremien, die über die Verteilung dieser Mittel entscheiden, tatsächlich mit Frauen besetzt sind und sie damit ihre Stimme erheben können.

Die deutliche zweite Steigerung des Haushalts nach dem Haushalt 2006 zeigt, dass wir unsere internationale Verantwortung und auch unseren Stufenplan zur Steigerung der Entwicklungszusammenarbeit ernst nehmen. Das sind keine Kosten, sondern Investitionen in die Zukunft unserer Kinder, Investitionen in Gerechtigkeit, in eine friedlichere Welt, in Armutsbekämpfung und die Bewahrung der Schöpfung. Es sind gut investierte Mittel. Es ist auch ein Signal in Richtung der EU-Ratspräsidentschaft und der Präsidentschaft der G 8 durch unsere Bundesregierung im nächsten Jahr. Ich bin überzeugt, dass wir im nächsten Jahr weitere entschlossene Schritte in diesem Sinne machen werden.

Ich möchte mich bei der Koalition für die Unterstützung bedanken. Eine breite parlamentarische Mehrheit hat in diesen Fragen große Vorteile. Ich möchte mich aber auch bei der Opposition bedanken. Denn es ist immer gut, wenn es weiteren Druck und weitere Unterstützung gibt.

Ich möchte zum Abschluss Kofi Annan zitieren. Er hat gesagt: "Ob es Afrika gelingt, dem Ziel der Halbierung der extremen Armut näher zu kommen, wird in hohem Maße von der Führungsrolle Deutschlands im nächsten Jahr abhängen." - Dazu sollen dieser Haushalt und unsere Verantwortung in EU und G 8 beitragen. Ich möchte an dieser Stelle Kofi Annan danken. Er wird Ende dieses Jahres aus seinem Amt ausscheiden. Er hat Großes für die Entwicklung und für den Frieden in dieser Welt geleistet. Wir erwarten von ihm jetzt in seinem Amt, aber auch danach Großes für das gemeinsame Ziel.

Ich bedanke mich sehr herzlich.

Hellmut Königshaus (FDP):

(...)
Frau Ministerin, Sie haben im Übrigen - wie häufig in der vergangenen Zeit - den Einsatz von Streubomben durch Israel kritisiert. Darüber kann man sicherlich diskutieren.

Aber eines will ich Sie in diesem Zusammenhang fragen: Warum klagen Sie nur andere an? Vielleicht haben die Israelis ja lediglich das getan, was die Koalitionsfraktionen erst am 28. Juni dieses Jahres, allerdings für die Bundeswehr, gefordert haben: Streumunition einzusetzen, allerdings nur dann, "wenn geeignete alternative Munition nicht verfügbar ist"? Vielleicht hatten die Israelis auch nichts anderes, was geeignet war, zur Verfügung. So geht das jedenfalls nicht, meine Damen und Herren. Sie müssen schon Konsequenzen ziehen.

Sehen Sie sich Ihren Antrag an dieser Stelle noch einmal an und gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Frau Ministerin, in den vergangenen Wochen konnte man häufig den Eindruck gewinnen - auch heute haben Sie ihn wieder erweckt -, als seien unsere Haushaltsberatungen im Grunde genommen entbehrlich. Man hat immer wieder gehört, was Sie alles versprochen haben - das haben Sie eben bestätigt -: 100 Millionen Euro mehr für die Aids-Bekämpfung, wohlgemerkt aus künftigen Haushalten, 22 Millionen Euro hier, andere Beträge dort usw. Sie haben Versprechungen gemacht - das ist okay -, aber dem Parlament haben Sie erst in allerletzter Minute die Erläuterungen und Projektlisten zur Beratung Ihres Haushalts übersandt. Dafür mag es Gründe geben. Aber eigentlich hätten wir schon eine Erklärung erwartet.

Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, wie Sie das sehen, aber so kann man eigentlich keinen Haushalt beraten. Vielleicht haben Sie sich damit abgefunden, dass die Regierung "durchregiert" und Sie faktisch nur noch zum Abnicken bestellt werden. Ich jedenfalls finde das nicht normal und denke, wir sollten wieder zum normalen Verfahren zurückkehren: dass der Haushalt zunächst beschlossen und erst dann die Mittel verteilt werden.

Jedes der genannten Vorhaben mag sinnvoll sein. Aber in den Haushaltsberatungen sollten wir zumindest die Chance haben, uns mit ihnen zu befassen.

Diese Oberflächlichkeit und dieser Mangel an Konkretheit sind auch in den Strukturen des Haushalts festzustellen. Nehmen Sie nur die Neustrukturierung der Durchführungsorganisation. Das ist natürlich ein wichtiges Thema. Denn nur eine wirksame Organisation kann politische Vorgaben tatsächlich kostengünstig und effizient umsetzen. Aber bisher liegt bloß eine Ausarbeitung - anders kann man das nicht nennen - eines Beratungsunternehmens vor, die handwerklich so dürftig ist - das muss ich so sagen -, dass man sich scheut, das Institut namentlich zu nennen.

In dieser Ausarbeitung wurde überhaupt keine tragfähige Istanalyse vorgenommen. Noch schlimmer: Auch die Ausgangslage ist völlig falsch. Sie beginnt mit der Betrachtung an der Außengrenze der Ministerien. Das eigentliche Problem ist aber nicht die unzureichende Umsetzung, sondern zunächst einmal die mangelhafte politische Steuerung.

Der Kollege Mark hat vorhin am Beispiel des Auswärtigen Amtes erläutert, dass es auch dort Entwicklungsaktivitäten gibt. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass hier auch andere Ressorts mitmischen. Was wir brauchen, ist deshalb eine Reform, die die Steuerungsfähigkeit der Politik vergrößert und das unproduktive und aufreibende Nebeneinander sowie das eifersüchtige Miteinander-Rangeln der Ministerien beendet. Diesem Anspruch kommen Sie mit Ihrem Haushaltsansatz allerdings ganz gewiss nicht nach. Selbst wenn der Haushalt solide und nachvollziehbar wäre, müsste man also schon deshalb bezweifeln, dass Sie die Mittel überhaupt effizient einsetzen können.

Aber auch inhaltlich schreibt dieser Haushaltsentwurf alte Übel fort. Da sind insbesondere die ausufernden Globalzuweisungen. Es handelt sich insgesamt um 28 Milliarden Euro - ich habe die Liste hier -, die aus dem Bundeshaushalt global zugewiesen werden; ein großer Teil davon sind Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Wofür diese Mittel eingesetzt werden sollen, das sollen wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen selbst heraussuchen. Meine Damen und Herren, das muss anders eingetaktet werden. Ich glaube, wir müssen in Zukunft auch im Hinblick auf die Struktur unserer Entwicklungspolitik anders arbeiten. Denn die Globalzuweisungen haben zur Folge, dass es letztlich nur darum geht, die ODA-Quote zu erfüllen. Hauptsache ist, das Geld fließt ab, egal wohin und egal wie: ob Weltbank, EU oder ADB. Kein Wunder, dass hier der Überblick verloren geht!

Der krasseste Punkt ist der Europäische Entwicklungsfonds - dazu habe ich schon oft etwas gesagt -: 700 Millionen Euro wollen Sie im kommenden Jahr an diese Organisation überweisen. Das ist eine vollkommen undurchsichtige und parlamentarisch nicht kontrollierte Geschichte. Das kann im Grunde genommen so nicht weitergehen. Niemand weiß, was mit diesem Geld tatsächlich passiert. Wir wissen nur eines: 25 Prozent dieser Mittel, 175 Millionen Euro, fließen als Budgethilfen in die Haushalte einiger weniger AKP-Staaten. Ich habe kürzlich mit einem führenden Europapolitiker aus dem Kreise der Koalition gesprochen - ich sage jetzt nicht, wer es war -, dem ich gesagt habe: Es ist doch unglaublich, dass es so etwas gibt, was parlamentarisch nicht kontrolliert wird. Darauf sagte er, das sei interessant und ich solle ihm Informationen darüber zukommen lassen.

Es kann doch wohl nicht richtig sein, dass wir solche Institutionen haben und niemand davon wirklich weiß. Aus diesem Fonds werden auch die überseeischen Gebiete und Länder unserer EU-Nachbarn mit finanziert - jedenfalls zum Teil -, beispielsweise Guadeloupe, Martinique und Französisch-Guayana. Ist es wirklich die Aufgabe unserer Entwicklungspolitik, dass wir den französischen, den niederländischen oder andere Staatshaushalte entlasten? Das ist doch verrückt. So etwas muss doch aufhören. Zahlen denn die Franzosen für uns Straßen in Mecklenburg-Vorpommern?

Noch schlimmer sind im Übrigen die Haushaltsrisiken - über die ich hier schon mehrfach gesprochen habe -, die das BMZ beim EEF in den letzten Jahren heimlich, still und leise angehäuft hat. Sie, Frau Ministerin, haben per 1. Januar 2006 die offenen Forderungen des EEF auf über 4 Milliarden Euro beziffert - über 4 Milliarden Euro! Nur ein Bruchteil davon ist gedeckt, nämlich das, was wir dieses Jahr in die Haushalte einstellen, also 661 Millionen Euro. Der Rest ist ungedeckt. Selbst wenn es stimmt, was Sie nun behaupten, die absehbaren Abrufe des EEF seien im Haushalt des kommenden Jahres berücksichtigt - 2005 stimmte es bekanntlich nicht -, verschieben Sie doch damit die Probleme nur in die Zukunft und lösen sie nicht. Das soll uns hier dann als seriöse Haushaltsplanung verkauft werden? Das kann so nicht weitergehen. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass Ihnen jetzt wieder nur einfällt, in Zukunft tiefer in die Taschen der Bürger zu greifen, diesmal mit der geplanten Ticketabgabe und anderen - wie Sie es dann nennen - innovativen Instrumenten. Wie wäre es stattdessen einmal mit Sparen?

Stampfen Sie beispielsweise das Ankerländerkonzept ein. - Frau Kollegin, helfen Sie dabei mit. Das kostet nur Geld und führt zu Zuständigkeitsstreitigkeiten mit dem Auswärtigen Amt, die Sie nicht gewinnen können. Hören Sie auf, immer mehr Geld in undurchschaubare Töpfe und Fässer zu schütten. Setzen Sie Prioritäten, die den Kernanliegen gerecht werden, die wir in der Entwicklungspolitik durch die MDG vorgegeben haben: keine U-Bahnen, Autobahnen und sonstigen Prestigeprojekte mehr, weniger Beton, mehr für die Bürger in den Nehmerländern, mehr Impfstoffe, Medikamente usw.

Sichern Sie den Haushalt ab gegen die Risiken, die ich angesprochen habe. Wir sind gern bereit, Ihnen von der Opposition dabei zu helfen und gemeinsam nachzubessern, wenn Sie zur Kooperation bereit sind. In der jetzigen Form jedenfalls - das kann ich Ihnen vorhersagen - werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen können.
Ich bedanke mich.

Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):

(...) Mit dem Haushaltsentwurf für 2007 - das möchte ich jetzt nach den Ausführungen meines Vorredners voranstellen - unterstreicht die schwarz-rote Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel erneut ihr klares Bekenntnis, den Spielraum der Entwicklungspolitik zu erhöhen. Durch das Engagement der Ministerin und ihres Hauses ist es erneut gelungen, den Etat für den Einzelplan 23 im Haushaltsentwurf signifikant zu erhöhen, und zwar weit über dem Wachstum des Gesamthaushalts.

Damit hat Schwarz-Rot in zwei Jahren Haushaltsführung Steigerungen um fast 18 Prozent im Entwicklungsetat beschlossen, während der Entwicklungshaushalt unter Rot-Grün von 1998 bis 2005 um 1 Prozent gesunken ist. Das, glaube ich, ist schon ein starkes Stück unserer neuen schwarz-roten Koalition.

Damit können wir bisher insgesamt 600 Millionen Euro mehr einsetzen, um den gestiegenen entwicklungspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden. Das ist eine Meldung, die man, glaube ich, gut vertreten kann und mit der wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

Die Ereignisse in diesem Jahr unterstreichen, dass das strategische Gewicht der Entwicklungspolitik gewachsen ist. Die Entwicklungen im Kongo, in Afghanistan, im Nahen Osten, die Migrationsbewegungen in Afrika zeigen doch, wo die neuen, internationalen Herausforderungen für Deutschland liegen: Es gibt keine friedliche Welt ohne Entwicklung.

Die Steigerung der ODA-Quote, die wir alle anstreben, für die wir alle kämpfen, dient deshalb nicht nur der Herstellung von Gerechtigkeit in der Welt, sondern ist auch ein signifikanter Beitrag für unsere eigene Sicherheit. Der Haushalt des BMZ ist darüber hinaus ein investiver Haushalt: Er sichert mindestens 200 000 Arbeitsplätze im Jahr in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen hat er massive ökonomische Auswirkungen im eigenen Land. Das sollten wir auch der Öffentlichkeit immer wieder sagen: Es geht nicht etwa um entwicklungspolitische Träumereien, es geht auch um Sicherheit und es geht auch um unsere eigenen Arbeitsplätze.

Mit dem Haushalt 2007 werden diese neuen, strategischen Ansätze konsequent fortentwickelt. Wir stehen im Vorfeld des G-8-Gipfels und unserer Präsidentschaft im Europäischen Rat. Da müssen wir - und werden wir auch - sowohl konzeptionell als auch finanziell etwas auf den Tisch legen. Herr Königshaus, ich gebe Ihnen Recht - da habe ich Ihnen schon immer Recht gegeben und Sie mir auch, Gott sei Dank -, wenn Sie sagen: Geld ist natürlich nicht alles, es geht auch um Effizienz. Wir - auch die Koalition - sind ständig aufgefordert, die Effizienz gerade auch in diesem Politikbereich zu diskutieren.

Da möchte ich etwas zu dem schon zitierten Gutachten sagen. Die Akteure der deutschen Entwicklungszusammenarbeit leisten Großartiges. Sie genießen großes Ansehen in der Welt; daran gibt es nichts zu rütteln. Aber die Strukturen auch der deutschen Entwicklungspolitik sind vielfach noch Strukturen, die vor 20, 30 Jahren begründet worden sind, zum Teil kann man sagen: Strukturen vor dem Hintergrund der Notwendigkeiten des Kalten Krieges. Die neuen Herausforderungen erfordern ein Umsteuern in der Zusammenarbeit - das haben wir ja auch alle beteuert -: weg von der Projektarbeit allein hin zur Strukturpolitik, zum Verändern und zum Überwinden gesellschaftlicher und politischer Strukturen. Aus diesem Grunde ist es natürlich wichtig, dass wir immer wieder auch an der Optimierung der Durchführungsstruktur arbeiten, sie durchdenken. Dafür stellt das vorliegende Gutachten meiner Ansicht nach eine gute Diskussionsgrundlage dar für weitere Schritte zur Gestaltung einer zukunftsfesten Aufstellung deutscher EZ.

Wir wollen natürlich eine EZ aus einem Guss, wie sie auch von außen deutlich sichtbar werden muss. Was wir nicht wollen, sind Teillösungen oder eine Organisationsreform mit Siegern und Besiegten; darüber sind wir uns auch in der Koalition einig. Für Effizienzsteigerungen müssen wir Lösungen finden, die von allen als besser als der Status quo angesehen werden. Da, glaube ich, sollten wir sensibel vorgehen. Aus unserer Sicht muss neben der Betrachtung der einzelnen Instrumente - TZ, FZ, KfW, GTZ - auch nach der Einbettung dieser Instrumente in das Gesamtsystem gefragt werden. Zu klären ist auch, wie in einer modernen Aufstellung die Zuordnung von BMZ und den Durchführungsorganisationen aussehen soll und was mit den Teilen der EZ betreffend Aus- und Fortbildung und personelle Zusammenarbeit passieren soll. Vor allem müssen wir klären, wie die Außenstruktur aussehen soll; das ist für uns, SPD und CDU/CSU, ganz wichtig. Das sind Dinge, bei denen man nicht einfach aus der Hüfte schießen kann, da muss man zwar zügig und konsequent, aber doch auch mit der nötigen Vorsicht ans Werk gehen. Effizienzsteigerung bedeutet für mich aber auch - auch das ist schon angeklungen -, die regionale und die sektorale Konzentration voranzutreiben. Herr Königshaus, Sie haben die Anker- und die Schwellenländer angesprochen. Ich sage Ihnen eines: Etwas mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Auswärtigen Amt tut auch der FDP gut.

Mir ist um die Auseinandersetzung mit dem Auswärtigen Amt nicht bange, wenn die besseren Argumente auf unserer Seite sind. Da befinden wir uns auch untereinander in der Diskussion darüber, was die Kriterien für diese Auswahl sein sollen. Ich glaube, das darf nicht nur die Bedürftigkeit sein, sondern es müssen auch Kategorien wie das Gefahrenpotenzial und das Potenzial für strategische Partnerschaften eine Rolle spielen. Man kann sich mit wichtigen Schwellen- oder Ankerländern natürlich sehr wohl über die weitere Zusammenarbeit unterhalten.

Bei den begrenzten Mittel müssen wir natürlich immer wieder auch die Frage stellen, was wirklich eine Entwicklung bewirkt und was die Armut wirklich bekämpft. Gerade im islamischen Bereich existiert allein schon durch die Vielzahl der arbeitslosen Jugendlichen, deren Anzahl jedes Jahr größer wird und die in die Welt und in diese Gesellschaften drängen, ein Pulverfass. Ich glaube, viele islamische Länder sind auf die Zusammenarbeit mit uns und darauf angewiesen, dass wir unsere Konzepte im gegenseitigen Interesse austauschen. Es ist doch vor allem für Entwicklungspolitiker völlig unbefriedigend, wenn man zuerst zum Aufbau eines Landes beiträgt und danach dann alles zusammengeschossen wird, sodass man wieder sagen kann: Gut, wir sind bereit, das wieder aufzubauen. Das kann ja nicht das Ende vom Lied sein. Vielmehr müssen wir eine vorausschauende Entwicklungspolitik betreiben und Strukturen verändern. Das ist unsere Aufgabe.

Dazu ist es natürlich auch erforderlich - das ist klar -, dass wir unsere Anstrengungen für ressortübergreifende Konzepte und Koordinationen fortsetzen. Komplexe Situationen wie im Kongo und im Nahen Osten erfordern natürlich, dass alle Ressorts parallel an den richtigen Stellschrauben drehen. Es reicht nicht allein aus, dass man Soldaten schickt oder die dortige Polizei ausbildet. Die Menschen in diesen Entwicklungsländern müssen auch spüren, dass sich der Einsatz für Demokratie, dass sich Wahlen und dass sich die Beachtung der Menschenrechte lohnen. Deswegen ist es auch eine ganz entscheidende Kernaufgabe der Entwicklungspolitik, in der Postkonfliktphase die Probleme schneller und besser zu lösen, als das bisher gelungen ist.

Herr Königshaus, noch ein Punkt, in dem wir uns alle einig sind: Zu dem Bereich der Effizienzsteigerung gehört auch eine bessere internationale Arbeitsteilung. Auch hier rennen Sie offene Türen bei uns ein. Das ist aber eine Knochenarbeit. Wir müssen ja nicht uns selber von der Notwendigkeit einer besseren Koordination in der EU überzeugen, sondern wir müssen vor allem die EU-Partner davon überzeugen. Das ist eine Knochenarbeit. Wir haben uns heuer aber vorgenommen, gerade diesen Punkt anzugehen. Lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, wie weit die Ministerin und wir mit dieser Knochenarbeit kommen. Wir werden sie dabei jedenfalls tatkräftig unterstützen.

Dasselbe gilt natürlich auch für die Versuche, das UN-System transparenter zu machen und zu straffen. Auch hier sind wir uns einig. Aber auch das ist eine Knochenarbeit. Das können wir nicht par ordre du mufti im Bundestag entscheiden, sonst hätten wir Koalitionäre das schon abgewickelt. Das dauert halt eine Weile. Hier muss uns Kofi Annan auch noch zur Seite stehen.

Wir wollen die Präsidentschaften - sowohl hinsichtlich der G 8 als auch hinsichtlich der EU - nutzen, um auch unsere Themen vorwärts zu bringen. Das gilt vor allem für das Problem der Arbeitsteilung in der EU. Auch auf Afrika soll ein bestimmter Fokus gelegt werden. Wir treten aber auch dafür ein, dass die Diskussion tiefer gehen muss. Es darf nicht nur um Geldfragen gehen. Mit Geld allein sind die Probleme Afrikas eben nicht zu lösen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen weiter denken und Konzepte anbieten und darüber diskutieren, wie ein mit Rohstoffen so reich gesegneter Kontinent wie Afrika viel mehr aus eigenen Kräften in der Lage sein kann, etwas daraus zu machen. Ich glaube, wir müssen einfach erkennen, dass eine schlechte Regierungsführung auch in Afrika ein Hauptübel ist. Der Run auf das Öl und andere Rohstoffe macht viele - auch unsere eigenen - Anstrengungen für eine gute Regierungsführung oft kaputt.

Meine Damen und Herren, ich möchte natürlich auch die vielen nicht staatlichen Akteure, die für die Entwicklungszusammenarbeit so wichtig sind - Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und viele andere - erwähnen. Sie sind für diesen Prozess des Strukturwandels, für den Aufbau von Zivilgesellschaften und für die Initiierung von gesellschaftlichen Prozessen, die für eine auf Entwicklung zielende Politik entscheidend sind, wichtig.

Herr Königshaus, ich ziehe mir Ihren Schuh nicht an, dass wir in den zukünftigen Haushaltsberatungen alles abnicken. Das ist ein Schmarren. Wir werden über die eine oder andere Änderung in den weiteren Beratungen im Detail und sehr konstruktiv diskutieren. Wir sollten gerade diese Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen, die im Koalitionsvertrag erwähnt sind, und andere dadurch stärken, dass wir hier Akzente setzen. Daneben müssen wir neue Akzente in dem Bemühen setzen, die Schöpfung zu bewahren. So ist der Regierungsentwurf für das Haushaltsjahr 2007 ein Entwurf, der neue Akzente setzt. (...)

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwicklungsetat soll für 2007 erhöht werden. Das ist natürlich zu begrüßen. Wer könnte etwas dagegen sagen? Wir selbst fordern das auch. Allerdings ist völlig klar, dass allein mehr Geld überhaupt nichts über die Qualität von Entwicklungszusammenarbeit aussagt und keine Garantie für die friedliche Entwicklung und die Verbesserung von Lebensverhältnissen bietet. Entwicklungspolitik findet immer vor dem Hintergrund konkreter politischer Rahmenbedingungen statt, die vor allem durch wirtschafts- und außenpolitische Entscheidungen festgelegt werden.

Wir haben heute viel über den Krieg im Libanon und die Situation im Nahen Osten gehört. Dort zeigt sich, dass wir im Grunde eine völlig andere Außenpolitik benötigen, wenn wir ernsthaft Entwicklung für die Menschen in der Region ermöglichen wollen. Herr Kauder hat in diesem Zusammenhang heute mehrmals einen Spruch verwandt, den er von Erwin Teufel abgekupfert hat: "Politik beginnt mit dem Erkennen der Realität."

Allerdings hat er dabei selbst Teile der Realität einfach ausgeblendet.

Der Nahe Osten ist eine der am höchsten gerüsteten Regionen der Welt. Nur ganz wenige aber sprechen da-rüber, woher diese Waffen kommen. Zahlreiche deutsche Firmen liefern mit Genehmigung der Bundesregierung Waffen in diese Krisenregion, und zwar an alle Seiten. Bereits im Juli listete ein sehr guter Bericht des Magazins "Monitor" zahlreiche dieser Waffenexporte auf, die unter anderem nach Ägypten, Jordanien, Kuwait und Saudi-Arabien gingen. Bilder zeigten palästinensische Hamas-Kämpfer mit deutschen Maschinenpistolen und G-3-Sturmgewehren. Es ist interessant, dass ausgerechnet Volker Kauder immer ein Lobbyist von Heckler & Koch war, dem Hersteller der G-3-Gewehre, weil er sich stets für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze in dieser Firma eingesetzt hat.Wer weiß, wo diese G-3-Gewehre sonst noch gelandet sind? Es gab nämlich auch offizielle Lizenzen für deren Produktion in Pakistan, Saudi-Arabien und Iran. Woher kommen die Waffen der Hisbollah?

Iran ist der Hauptwaffenlieferant der Hisbollah. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wer die Verantwortung für die Aufrüstung in dieser Region übernimmt.

Wir fordern einen sofortigen Stopp sämtlicher Waffenexporte in diese Region und in sämtliche andere Krisenregionen. Wer Waffen exportiert, ist immer mit dafür verantwortlich, dass sie eingesetzt und mit ihnen Menschen getötet werden.

Das betrifft natürlich auch die andere Seite, in diesem Fall Israel. Es gibt Lieferungen deutscher U-Boote an Israel und von deutscher Technik für israelische Kampfpanzer und Kampfjets. Diese Waffen wurden im Krieg gegen den Libanon und sie werden in den besetzten palästinensischen Gebieten eingesetzt, zum Beispiel im Gazastreifen. In zahlreichen Fällen wurde zivile Infrastruktur bombardiert; ebenso wird die Zivilbevölkerung bombardiert. Es ist ganz klar, dass auch wir Verantwortung dafür tragen.

Herr Ruck hat es gesagt: In den betroffenen Regionen, so in den palästinensischen Gebieten und im Libanon, bauen wir mit EU-Geldern Entwicklungsprojekte auf - also auch mit deutschen Steuergeldern -, die anschließend bombardiert und zerstört werden. Das Absurde daran ist, dass dies zum Teil mit deutschen Waffen geschieht. Was ist das für eine Politik? Dies lehnen wir entschieden ab. Die Verantwortlichkeiten müssen hier noch einmal klar benannt werden.

Diese Politik hat sehr viele Menschen in der Region das Leben gekostet.

Übrigens hat Herr Steinmeier geäußert, dass er unsere Kritik an der Entsendung deutscher Soldaten in den Libanon nicht ertragen könne. Als viel unerträglicher erachte ich das Schweigen der Bundesregierung in den letzten Wochen hinsichtlich der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand sowie die Bilder von Angela Merkel und George Bush beim Grillfest in Stralsund just an dem Tag, an dem der Krieg gegen den Libanon begann.

In diesem Zusammenhang möchte auch ich - wie schon zahlreiche andere heute - Ihnen, Frau Wieczorek-Zeul, unsere Unterstützung dafür zum Ausdruck bringen, dass Sie sich im Kabinett als Einzige für einen sofortigen Waffenstillstand eingesetzt haben und dass Sie bei der UNO eine Untersuchung über den Einsatz von Streubomben gefordert haben.

Wir haben heute viel über internationale Verantwortung gehört. Das ist eine Standardvokabel, die auch Herr Arnold vorhin benutzt hat. Vor allem die Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss, aber auch die Außenpolitiker verwenden den Begriff "internationale Verantwortung" gerne. Was aber bedeutet der Begriff, wenn es konkret wird? Es geht immer nur um Militäreinsätze, im Grunde für deutsche Interessen. Das Wort Verantwortung wird nicht mehr anders verstanden.

Wir sind jedoch gewählt worden, um politische Verantwortung zu tragen und politische Lösungen für politische Probleme zu entwickeln, aber nicht, um unsere Verantwortung an das Militär abzugeben. Das ist kein Zeichen von Verantwortung; es ist vielmehr ein deutliches Zeichen von politischer Schwäche.

Wir sind jetzt fast am Ende der Debatte und ich habe heute selber schon sehr viel anhören müssen. Ich möchte noch von unserer Ausschussreise berichten. Wir waren mit dem Ausschuss in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten. Ich denke, die Kolleginnen und Kollegen können es bestätigen: Mit gesundem Menschenverstand kann man erkennen, dass die Situation der Unterdrückung bei den Palästinensern und Palästinenserinnen ständig Hass und damit auch Gewaltbereitschaft erzeugt. Deshalb ist es überfällig - wir fordern das schon seit langem -, einen neuen umfassenden Friedensprozess in der Region einzuleiten, an dessen Ende zwei lebensfähige Staaten in sicheren Grenzen stehen müssen.

Es war viel vom Existenzrecht Israels die Rede, das wir ganz klar unterstützen. Aber das Existenzrecht allein ist noch keine Garantie für die Sicherheit der israelischen Bevölkerung. Dafür brauchen wir eine umfassende Friedenspolitik. Denn die Sicherheit der israelischen Bevölkerung und die Sicherheit der Palästinenser und der Libanesen sind zwei Seiten einer Medaille. Wir müssen beide zusammen bedenken. Deshalb haben wir die Verantwortung, uns für eine Friedenspolitik in dieser Region einzusetzen.

Für mich war auf unserer Reise interessant, dass wir sehr viele mutige Menschen getroffen haben - Israel ist auch eine multikulturelle Gesellschaft mit unterschiedlichen Vorstellungen; Zehntausende haben gegen den Krieg in Israel demonstriert; das wird viel zu wenig erwähnt -, die sich für einen Dialog auf palästinensischer wie auf israelischer Seite einsetzen. Diese Kräfte müssen wir unterstützen. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass wir viel mehr Ressourcen in den Aufbau der Zivilgesellschaft auf allen Seiten investieren.

Sparen wir uns die unsinnige Libanonmission, die überhaupt keinen Sinn hat! Wir sollten das eingesparte Geld stattdessen direkt in Friedensprojekte in der Region und den Aufbau des Libanon investieren.

Wir brauchen dringend eine Logik des Friedens gegen die Logik des Krieges. Das haben wir in den letzten Wochen erlebt. Dazu kann die Entwicklungspolitik unserer Ansicht nach einen entscheidenden Beitrag leisten. Es kann nicht sein, dass Militärmissionen uns jetzt sogar als humanitärer Beitrag und als Entwicklungsbeitrag verkauft werden.

Es ist entscheidend, dass wir konsequent eine zivile Politik entwickeln.

Viele Stimmen weltweit haben das längst erkannt. Sie wurden bereits zitiert. Auch wir stehen auf dieser Seite und halten es für unsinnig, wenn der Bundeswehretat noch erhöht werden sollte. Wir setzen uns für eine aktive Friedenspolitik ein.

Kurzintervention von Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Kollegin, wer laut und aufgeregt argumentiert, hat nicht allein deswegen Recht. Wenn Sie vom Krieg gegen den Libanon sprechen, dann möchte ich das im Deutschen Bundestag so nicht stehen lassen.
Jeder, der sich mit der Frage beschäftigt, muss wissen - auch Sie als Parlamentarierin sollten das wissen -, dass die Hisbollah über Jahre hinweg im Süden des Libanon, als dort nach dem Abzug der israelischen Truppen ein politisches Vakuum entstanden war, Raketen aufgebaut hat, mit denen ständig, und zwar über einen langen Zeitraum, Angriffe auf den Norden Israels geflogen worden sind.
Es war dann die Entführung von zwei israelischen Soldaten auf israelischem Boden und die Tötung von acht Soldaten, die dazu geführt haben, dass Israel angefangen hat, sich zur Wehr zu setzen. Das will ich in diesem deutschen Parlament richtig stellen. Es ging nicht um einen Krieg gegen den Libanon. Wir wissen, dass die libanesische Regierung mit der schwierigen Situation leben musste, nicht mehr die Souveränität über das ganze Land zu haben. Das ist die Situation, in der nun die internationale Truppe ihre Funktion erfüllen soll.

Erwiderung Heike Hänsel (DIE LINKE):
Frau Beck, das sehe ich ganz anders. Die Menschen im Libanon, die fast vier Wochen bombardiert wurden, dürften das ebenfalls anders sehen. In meinen Augen war es ein Angriffskrieg gegen die gesamte Bevölkerung des Libanon. Hat dieser Krieg die Hisbollah in irgendeiner Form ausgeschaltet? Nein. Die Hisbollah existiert weiter. Es war ein gezielter Krieg gegen die zivile Infrastruktur - das sagt Amnesty International -, und zwar unter Inkaufnahme von über 1 000 toten Menschen in der Region. Das kann man nicht als einen Krieg gegen die Hisbollah bezeichnen. Egal welche internationale Stimme Sie nehmen, es war ein Krieg gegen die gesamte Bevölkerung des Libanon.

Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Zum Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: 7,8 Prozent Steigerung der Barmittel, ich finde, dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dass auch Mittel betreffend die Verpflichtungsermächtigungen für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit 2007 um 430 Millionen Euro angehoben werden, ist ebenfalls richtig.

Ein Blick zurück, auf den Haushalt 2006, zeigt aber, in welchem Zustand sich die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesregierung befindet: in dem der Orientierungslosigkeit; denn noch in diesem Jahr haben Sie die Mittel betreffend die Verpflichtungsermächtigungen für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit um 130 Millionen Euro gekürzt. Das nenne ich einen Zickzackkurs. Die Regierung müsste doch wissen: Um nach dem EU-Zeitplan das 0,7-Prozent-ODA-Ziel zu erreichen, kann sich Deutschland ein solches Hott und Hü gar nicht leisten. Uns läuft nämlich schon jetzt die Zeit davon. Unser gemeinsames Ziel ist die Umsetzung der Millennium Development Goals. Dabei ist es wichtig, die Verpflichtungsermächtigungen genau ins Visier zu nehmen; denn sie sind die Barausgaben von morgen und die Grundlage für neue Kooperationsangebote, die Sie heute den Entwicklungsländern in den Regierungsverhandlungen machen können.

Tun Sie, was Sie sich selbst im Koalitionsvertrag vorgenommen haben! Sie wollen den EU-Stufenplan mit der Erhöhung der Haushaltsmittel, der Entschuldung der Entwicklungsländer und mittels der Einführung innovativer Finanzierungsinstrumente umsetzen. Wir unterstützen Sie dabei nach besten Kräften. Damit Sie aber in Bewegung kommen, haben wir Ihnen eine Brücke gebaut und einen Antrag auf Einführung einer Flugticketsteuer in den Bundestag eingebracht. Mit diesem Antrag tun wir nichts anderes, als Ihnen Ihre Koalitionsvereinbarung und die Erklärungen Ihrer Kanzlerin zur Entwicklungsfinanzierung ins Gedächtnis zu rufen. Aber was tun Sie? Sie verhindern mit der Koalitionsmehrheit die Befassung mit diesem Antrag in den Ausschüssen, auch im AwZ-Ausschuss.

Sie begehen damit einen großen Fehler. Sie machen sich international unglaubwürdig. Sie können nicht jahrelang mit unseren Partnern über innovative Finanzierungsinstrumente diskutieren und sich in der Pilotgruppe für die Einführung von Solidaritätsbeiträgen zugunsten von Entwicklung tummeln, um dann, wenn andere wie beispielsweise Frankreich, Brasilien und Südkorea Ernst machen, unterzutauchen. Mittlerweile sind es schon 18 Länder, die eine Ticketabgabe eingeführt oder diese verbindlich beschlossen haben. Dabei ist zum Beispiel Schweden gar nicht mitgezählt. Sie könnten in Deutschland durch eine Flugticketsteuer - wenn wir das Minimalmodell Frankreichs zugrunde legen - mindestens 300 Millionen Euro jährlich mobilisieren.

Würden Sie es so machen wie die Schweden, käme sogar knapp 1 Milliarde Euro heraus. Die Briten haben bereits seit 1994 eine Flugticketabgabe und erwirtschaften damit heute jährlich 1,45 Milliarden Euro. Es sind nicht allein die zusätzlichen Mittel, die die Flugticketabgabe so bedeutend machen. Das Besondere daran ist - das wissen Sie -, dass es eine international verabredete gemeinsame Initiative von Industrie- und Entwicklungsländern ist und dass die Mittel sehr kontinuierlich und sehr verlässlich sprudeln. Weder in Großbritannien noch in Schweden hat die Abgabe zu Einbrüchen im Flugverkehr geführt. Das sage ich denen, die dagegen sind. Ganz im Gegenteil, der Flugverkehr ist sehr gewachsen und bedarf schon allein aufgrund der Gerechtigkeit gegenüber anderen Transportmitteln einer zusätzlichen Besteuerung.

Lassen Sie mich zum Haushaltsentwurf 2007 hinzufügen: Wir brauchen mehr Mittel für die ländliche Entwicklung, für Grundbildung, für die Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose. Wir müssen Frauen stärken, dafür sorgen, dass Frauen Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen können, und den Kampf gegen Gewalt und Vergewaltigung intensivieren. Wir brauchen Umsetzungsstrategien für die Einführung erneuerbarer Energien und den Ressourcenschutz in den Entwicklungsländern. Ich sehe in Richtung Christian Ruck und unterstreiche, dass wir mit der Ausrichtung der Vertragsstaatenkonferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt 2008 in Deutschland eine große Verantwortung haben, unsere Kooperation aufzubauen. Wir müssen sowohl die staatliche Entwicklungszusammenarbeit als auch die wertvolle Arbeit von Nichtregierungsorganisationen entschieden stärken. Wenn ich mir den Haushaltsentwurf anschaue, dann stelle ich fest: Für diese Gruppen, für die Nichtregierungsorganisationen - nicht für die Kirchen und Stiftungen; die meine ich nicht -, für die nicht staatlichen zivilen gesellschaftlichen Gruppen haben wir nichts im Haushalt. Dem Titel für private Träger wurden weder 2006 noch 2007 zusätzliche Barmittel zur Verfügung gestellt. Hier besteht dringender Nachholbedarf. (...)

Ebenso meine ich, dass die entwicklungsorientierte Not- und Übergangshilfe besser ausgestattet werden muss. Hier muss endlich etwas passieren.
Ich wiederhole es gerne: Der von Ihnen vorgelegte Entwurf für den Einzelplan 23 weist zwar in die richtige Richtung; trotzdem wird nicht erkennbar, wie Sie das 0,7-Prozent-Ziel erreichen wollen. Dafür ist ein jährlicher Mittelzuwachs von 1 Milliarde Euro für die gesamte öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 nötig. Mit Trippelschritten ist dies nicht zu machen.

Die Kanzlerin hat hier im Bundestag ihr Bekenntnis zum EU-Stufenplan mit folgenden Worten bekräftigt: Ich weiß, was ich da sage. Das sind ganz anspruchsvolle Ziele. Aber wir müssen lernen: Die Probleme ereilen uns im Inland, wenn wir es nicht schaffen, die Probleme anderswo einer Lösung zuzuführen. Das ist ein Auftrag auch an die Entwicklungszusammenarbeit. Das ist ein Auftrag an uns. Wir haben eine ganze Menge zu tun. Den Sätzen ist nichts hinzuzufügen, außer dass wir nicht nur schöne Worte hören wollen, sondern couragierte Taten erwarten. Die stehen immer noch aus.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Dr. Bärbel Kofler (SPD):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Worten der Opposition gefolgt ist, dann könnte man meinen, zu dem Haushaltsentwurf, der jetzt eingebracht worden ist und über den wir heute in erster Lesung, Herr Königshaus, diskutieren, wäre nichts Positives anzumerken oder es wäre ein schlechter Entwurf. Ich muss sagen: Das Gegenteil davon ist der Fall.

Lassen Sie uns auf den Haushaltsentwurf zurückkommen. Wir haben im Haushalt 2007 einen Aufwuchs von 7,8 Prozent. Das sind 324 Millionen Euro, um es deutlich zu machen. Das ist neben dem Etat des Familienministeriums der zweitgrößte Aufwuchs aller Ministerien. Auch das ist wichtig und richtig. Wie die Ministerin zu Recht betont hat, ist es eine Zukunftsinvestition, ein investiver Haushalt, ein Haushalt, in dem sich die Auseinandersetzung mit den Problemen dieser globalisierten Welt widerspiegelt. Deshalb ist dieser Aufwuchs von ganz besonderer Bedeutung.

Dieser Haushalt ist auch ein Zeichen dafür, dass wir als Regierungskoalition das im Aktionsplan festgeschriebene Ziel, die ODA-Quote bis 2015 auf 0,7 Prozent zu erhöhen, ernst nehmen, Frau Koczy. Da können Sie uns etwas Vertrauen entgegenbringen.

Wir haben in diesem Haushalt einige wesentliche Punkte aufgegriffen, die die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit angehen. Ich verweise auf die Technische Zusammenarbeit. Die entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen wurden ganz deutlich aufgestockt, nämlich um 430 Millionen Euro. Das war ebenfalls richtig und wichtig. Es ist lange gefordert worden. Auch das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Es war dringend nötig und verschafft den Durchführungsorganisationen die nötige Planungssicherheit für ihre zukünftigen Projekte. Auch daran wird die langfristige Planung sichtbar.

Frau Hänsel, Sie haben sicherlich Recht: Allein mehr Geld bringt es noch nicht. Ich möchte anhand einiger Punkte, die gerade unsere bilaterale Entwicklungszusammenarbeit betreffen, deutlich machen, dass wir beim Haushalt sehr wohl auf Qualität setzen. Der Barmittelansatz bei der bilateralen EZ steigt um 10 Prozent. Warum steigt er? Weil wir mit diesen Mitteln zu Recht die gute Arbeit unserer Durchführungsorganisationen fördern wollen und müssen.

An dieser Stelle möchte ich vonseiten der SPD-Fraktion den Durchführungsorganisationen - seien es KfW, GTZ, INWENT, DED, CIM, Stiftungen, Kirchen oder viele andere Nichtregierungsorganisationen - noch einmal ein Lob für ihre wirklich hervorragende Arbeit aussprechen. Ich denke, auch in einer Haushaltsdebatte ist es angemessen, dies einmal zu sagen.

Unser Ausschuss hat sich für seine Arbeit sehr wichtige Ziele gesetzt. Sehr wichtige Ziele enthält auch dieser Haushaltsentwurf: Bekämpfung der Armut, Millennium Development Goals. Wir waren auf unseren Reisen zum Beispiel in China und haben gesehen, wie sinnvolle Projekte durch die Arbeit der Durchführungsorganisationen, durch das, was wir für die bilaterale Zusammenarbeit finanziell zur Verfügung stellen, geschaffen werden, die gerade den ländlichen Raum unterstützen, die gerade dazu beitragen, nachhaltige Wirtschaftsentwicklungen zu fördern, Menschen in die Situation zu versetzen, sich selbst zu helfen, aber auch Demokratie und zivilgesellschaftliche Strukturen zu fördern. Das sind wichtige Punkte, die man nicht einfach mit dem Satz "Na ja, durch unsere EZ passiert ja nichts Wichtiges" abtun kann. Wir tragen hier wirklich zu Strukturveränderungen in den Partnerländern, auch im Dialog mit diesen Ländern, bei. Auch damit leisten wir einen Beitrag zur Erreichung der Millennium Development Goals.

Ich möchte anhand von zwei Haushaltstiteln noch darauf eingehen, dass wir sehr wohl Strukturveränderungen anstoßen und besondere Beiträge leisten. Frau Koczy, Sie haben angesprochen, dass Zuhörer den Eindruck haben könnten, dass keine Mittel für zivilgesellschaftliche Organisationen und private Träger in diesem Einzelplan vorgesehen sind. So mag es jemandem erscheinen, der diesen Haushalt nicht kennt. Ich darf daran erinnern, dass dafür ungefähr 480 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Ein Titel betrifft die Förderung der Sozialstrukturen. Auch dieser Titel wird in diesem Haushaltsentwurf aufgestockt. Ich finde übrigens, es ist ein sehr wichtiger Titel, weil durch ihn Mittel gerade für Institutionen zur Verfügung gestellt werden - ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Bildungswerk des DGB -, die sich mit den Fragen von Sozialstandards, von Kernarbeitsnormen auseinander setzen. Das sind Fragen, die wahrscheinlich sehr viele Menschen innerhalb und außerhalb dieses Saales bewegen. Dabei geht es darum, wie wir weltweit das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit durchsetzen, wie wir entsprechende Arbeitnehmerrechte und Verbote der Diskriminierung am Arbeitsplatz organisieren.

Auch das ist ein Titel, der in diesem Haushaltsentwurf aufwächst. Ich finde das positiv. Das ist auch etwas, was von der SPD-Arbeitsgruppe sehr positiv aufgenommen wurde.

"Ziviler Friedensdienst" ist ein weiterer Titel, der deutlich aufwächst. In vielen Beiträgen, auch außenpolitischen Beiträgen, heute ist deutlich angeklungen, wie wichtig die Arbeit ziviler Friedensdienste in den verschiedensten Krisenregionen dieser Erde ist. Ich bin sehr froh darüber, dass dieser Titel aufwächst, bei den Barmitteln und noch deutlicher bei den Verpflichtungsermächtigungen. Damit wird eine Richtung für die nächste Zeit aufgezeigt und deutlich gemacht, dass wir Krisenprävention, Konfliktnachsorge bei traumatisierten Menschen und Ausgleich zwischen ehemaligen Konfliktparteien mit den Mitteln in unserem Haushalt besonders unterstützen wollen.

Wenn man das alles in einer Zusammenschau sieht, dann stellt man fest: Der Entwurf des Haushalts 2007, den wir jetzt diskutieren, weist einen ordentlichen Mittelaufwuchs auf. Die Verpflichtungsermächtigungen sichern ordentliche Beiträge für die Zukunft. Mit dem Barmitteleinsatz für die bilaterale EZ werden deutliche Akzente gesetzt. Deshalb ist dieser Haushalt ein richtiger und wichtiger Schritt für unsere Entwicklungszusammenarbeit in der Zukunft.

Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur multilateralen EZ und zur künftigen Finanzierung machen. Herr Königshaus, ich habe schon fast befürchtet, dass Sie wieder den EEF ansprechen. Es ist richtig und wichtig, dass man sich mit europäischen Themen und europäischen Fonds auseinander setzt. Der Kollege Ruck hat aber sehr richtig gesagt: Man muss dabei bereit sein, auch einmal Knochenarbeit zu leisten. Man darf Kritik nicht nur in der Form üben, dass man den Fonds in Bausch und Bogen verurteilt.

Zur Erinnerung sollte man noch einmal sagen: 78 Länder, die AKP-Staaten - Afrika, Karibik, Pazifik -, sind die Hauptprofiteure des EEF. Es ist richtig und wichtig, dass wir uns mit diesen Ländern beschäftigen und ihnen Mittel zur Verfügung stellen. Wer, wenn nicht die Europäische Union, sollte das tun? Es betrifft schließlich unseren Nachbarkontinent Afrika. Wir werden mit den Problemen Afrikas konfrontiert und werden auch mit europäischer Entwicklungspolitik dort tätig werden müssen.
(...)
Wer sich den Finanzplan der Bundesregierung ansieht, wird feststellen, dass die innovativen Finanzierungsinstrumente auch dort deutliche Erwähnung finden. Es ist vollkommen unstrittig, dass wir zur Erreichung des 0,7-Prozent-Kriteriums diese innovativen Finanzierungsinstrumente brauchen. Das haben wir als SPD-Arbeitsgruppe bei der letzten Haushaltsberatung gesagt und das sagen wir selbstverständlich auch bei dieser Haushaltsberatung. Ebenso stehen wir nach wie vor unverändert zur Flugtickettax.v Ich möchte noch auf Ihren Antrag eingehen. Der Antrag, den Sie gestellt haben, ist nicht verhindert - er wird im Ausschuss debattiert -, sondern vertagt worden, weil es da um eine Entscheidung geht, die man nicht übers Knie brechen kann, die man nicht am Rande einer Sitzung kurz vor der Sommerpause in fünf Minuten abhandeln kann, sondern die gebührender Aufmerksamkeit in den Beratungen bedarf. Die wird sie in der nächsten Zeit in den Ausschussberatungen auch bekommen; da bin ich vollkommen sicher.

Zusammenfassend möchte ich deutlich darauf hinweisen, dass der Haushalt 2007 ein guter Haushalt ist. Ich denke, wir werden in den Beratungen noch einige Aspekte der Fachpolitiker positiv einbringen können. Ich freue mich auf die interessante Debatte zur Flugticketabgabe und zu anderen Punkten in den nächsten Wochen im Ausschuss.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und ein Dank geht an die Ministerin für ihr Engagement.

Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind am Ende eines Debattentages, an dem wir den Kanzlerhaushalt, den Haushalt des Außenministeriums, des Verteidigungsministeriums und jetzt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutieren. Wer die Debatte über den gesamten Tag verfolgt hat, hat festgestellt, dass diese Koalition ganz deutlich Politik aus einem Guss macht. Das begann bei der internationalen Diplomatie, die die Kanzlerin angesprochen hat, ging über die Präventionsdiplomatie, von der der Außenminister gesprochen hat, und das Einbinden der Friedensmission durch Verteidigungsminister Jung in diese Diplomatie bis hin zur Eröffnung dieser Debatte durch unsere Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Nach meiner persönlichen Überzeugung zeigt sich für uns ein großes Problem. Wir haben in den vergangenen Jahren Naturkatastrophen erlebt, bei denen unser Ministerium als Reparaturbetrieb herhalten musste. Es gibt eine Vielzahl von bewaffneten Konflikten; auch da wird dieses Ministerium zu Reparaturarbeiten herangezogen. Das heißt, wir machen humanitäre Entwicklungspolitik und Krisenreaktion. Leider werden dadurch die Mittel eingeschränkt, die man bräuchte, um stärker perspektivisch tätig zu werden. Wir müssen versuchen, auf dem Wege internationaler Diplomatie dahin zu kommen, dass wir mehr Mittel und Kapazitäten in den Bereich der Prävention einbringen können.

Man muss sich einmal vor Augen führen, wie viele Konflikte wir derzeit auf dieser Erde haben. Insgesamt sind es 39 Konflikte; die meisten in Entwicklungsländern. 90 Prozent der Konflikte seit 1945 haben in der Dritten Welt stattgefunden. 15 kriegerische Konflikte gibt es derzeit in Asien und elf in Afrika. Meine Damen und Herren, das zeigt die besonderen Herausforderungen in der Folge der Konflikte für die Diplomatie, aber auch für uns alle. Das heißt: Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit in Teilbereichen zentralisieren und effektiver gestalten.

Wir haben beschlossen, in Zukunft mit weniger Staaten zusammenzuarbeiten. Wir wollen die Zusammenarbeit auf 60 Staaten reduzieren. Das bedeutet eine stärkere Kooperation mit der EU und eine stärkere Kooperation mit anderen Ländern. Wir müssen eine internationale Arbeitsteilung vornehmen. Nicht jeder kann in jedem Land arbeiten; vielmehr sollten wir uns auf die Bereiche konzentrieren, in denen wir am besten Schwerpunkte setzen können, also insbesondere auf die Bereiche Infrastruktur, Grundversorgung bei Wasser und Nahrung sowie Bildung und Gesundheit. Es bedeutet insbesondere aber auch Capacity-Building bei der Unterstützung von Staaten, um in weiten Bereichen von schlechter Regierungsführung zu besserer Regierungsführung zu kommen.

Wir müssen uns multilateral engagieren. Dazu gehört auch - das ist eine besondere Aufgabe, der wir uns stärker stellen müssen -, dass wir personell in den internationalen Institutionen mit eingebunden sind, damit wir frühzeitig auf diese Projekte einwirken können.

Wir sollten bei der Auseinandersetzung um die Entwicklungszusammenarbeit die deutschen Interessen mit in den Vordergrund stellen, damit die Partner wissen, dass wir Entwicklungspolitik auch im eigenen Interesse machen. Es gibt humanitäre Gründe, aber es gibt vor allen Dingen auch Gründe, die wir derzeit jeden Tag an unseren Grenzen oder im Augenblick auf den kanarischen Inseln erleben.

Die Migration hat erschreckende Ausmaße angenommen. Migration ist ein Zeichen von Armut und von Hoffnungslosigkeit. Lassen Sie mich nur die Zahlen der letzten Tage noch einmal nennen: 399 Flüchtlinge am 4. September, 1 433 Flüchtlinge am vergangenen Wochenende, 5 880 Flüchtlinge derzeit auf den kanarischen Inseln. Weltweit gibt es zurzeit zwischen 20 Millionen - nach Angaben des UNHCR - und 40 Millionen - nach Angaben anderer Stellen - Flüchtlinge, davon über 10 Millionen Flüchtlinge in Lagern. Das sind Menschen, die keine Hoffnung haben, und am meisten leiden darunter die Kinder.

Wir wissen, dass von den 15 Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeit allein 14 Länder in Afrika sind. Wir wissen, dass jährlich 4 Millionen Kinder an Krankheiten sterben, die auf verschmutztes Trinkwasser und auf mangelnde Hygiene zurückzuführen sind. Was sind denn die Folgen der Mangelernährung? Jährlich sterben noch immer 1,5 Millionen Babys, weil sie nicht gestillt und daher nicht ausreichend versorgt werden. Rund 50 Millionen Kinder bleiben durch Jodmangel in ihrer geistigen Entwicklung zurück. Jährlich erblinden über 500 000 Kinder infolge von Vitamin-A-Mangel.

Armut fördert Migration. Armut macht anfällig für Neid und Hass. Armut bereitet einen Nährboden für Fundamentalismus, wie wir das im Umfeld von Flüchtlingslagern erleben. Arme in der Dritten Welt erleben in Fernsehbildern virtuell unseren Wohlstand. In manchen Ländern sehen die Menschen aus den Townships, die nicht genügend zu essen haben, über Satellit das Werbefernsehen, wenn sie zufällig an einem Fernsehgeschäft vorbeikommen. Dass ihre Hoffnungslosigkeit sie dann dazu verleitet, unter Lebensgefahr in Booten ihre Länder zu verlassen, ist klar. Aber gleichzeitig können diese Menschen zu einem Risiko in unseren Ländern werden.

Deshalb müssen wir einen Schwerpunkt dabei setzen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und diese Mittel konsequent einzusetzen.

In diesem Zusammenhang will ich sagen, dass die deutschen Nichtregierungsorganisationen, die von der GTZ umgesetzten Projekte und die Finanzierungsprojekte ebenso wie die Unterstützung zum Beispiel durch deutsche Polizisten beim Aufbau von Sicherheitssystemen und durch deutsche Juristen beim Aufbau von Rechtssystemen in diesen Ländern ein hohes Ansehen genießen. Auch wenn das keine Sachprodukte, sondern menschliche Leistungen sind, wird das in diesen Ländern als "made in Germany" angesehen und außerordentlich positiv besetzt. Deshalb erhoffe ich mir von der Konzentration der Entwicklungszusammenarbeit auf diese 60 Länder gleichzeitig eine Konditionierung des Verhaltens derjenigen Staaten, mit denen wir im Hinblick auf Good Governance zusammenarbeiten.

Lassen Sie mich noch auf Folgendes hinweisen: Wer wie einige von Ihnen nicht nur die Situation in den Kriegsgebieten in Asien - in Indien allein in fünf Provinzen -, sondern auch im Kongo persönlich erlebt hat, wer die Hoffnung darauf setzt, dass dort durch die Wahlen ein Friedensprozess in Gang gesetzt wird, der wird mit mir darin einig sein, dass wir jetzt eine Nachwahlstrategie zur Stabilisierung der dann gewählten Regierung vorbereiten müssen.

Das wäre zum Beispiel ein Projekt, bei dem man sich gemeinsam mit anderen europäischen Staaten so engagieren kann, dass aus dieser Krisenregion mit über 4 Millionen Toten in den vergangenen Jahren eine Zukunftsregion wird. Wenn man dann begleitend eine Rohstoffökonomie betreibt, in deren Rahmen sich die Länder international verständigen sollten - ich will dies ausdrücklich sagen -, damit nicht ein Land wie China dort unkonditioniert Rohstoffe ausbeutet und andere Länder konditionierte Hilfen geben, wäre das nach meiner Überzeugung - ich sehe das Zeichen, dass ich aufhören muss - einer der Ansätze für eine konstruktive Entwicklungszusammenarbeit.
Vielen Dank.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Quelle: Deutscher Bundestag: Protokoll der 46. Sitzung (06.09.2006);
www.bundestag.de



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