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Kalte Schulter für Steinmeier

Deutscher Außenminister versucht sich als Vermittler zwischen Georgien, Abchasien und Rußland

Von Knut Mellenthin *

Als »unannehmbar« hat Abchasiens Präsident Sergej Bagapsch am Freitag (18. Juli) den deutschen Drei-Stufen-Plan zurückgewiesen, der den Dauerkonflikt zwischen Georgien und der kleinen Republik am Schwarzen Meer lösen soll. Damit ist die Reise von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, die ihn über Georgien nach Abchasien und von dort (nach jW-Redaktionsschluß) auch noch nach Moskau führte, offenbar gescheitert. Georgische Politiker hatten am Donnerstag den Plan zwar »im Prinzip« begrüßt, aber wesentliche Veränderungen gefordert, die eine Annahme durch die abchasische Seite vollends unmöglich machen würden. Ebenfalls schon am Donnerstag hatte Rußlands Außenminister Sergej Lawrow zentrale Elemente des deutschen Vorschlags kritisiert.

Das Papier, das die politische Handschrift Steinmeiers tragen soll, wurde bisher nicht veröffentlicht. Lediglich Spiegel online hatte Anfang Juli unter Berufung auf anonyme Quellen über die angebliche Struktur des Planes berichtet. Demzufolge soll die erste Phase etwa ein Jahr dauern und der Einleitung von »vertrauensbildenden Maßnahmen« dienen. Dazu sollen die Unterzeichnung eines Nichtangriffsvertrags und die Rückkehr der noch übrigen Flüchtlinge dienen: Während des von Georgien begonnenen Krieges Anfang der 1990er Jahren waren über 200000 Georgier aus Abchasien geflohen. Zwischen 50000 und 70000 konnten bisher zurückkehren. Sie leben überwiegend in Gali, dem einzigen Bezirk Abchasiens mit einer georgischen Bevölkerungsmehrheit.

In der zweiten Phase des deutschen Vorschlags soll es um den Beginn des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der immer noch von den Kriegsfolgen geprägten Republik gehen. Deutschland will zu diesem Zweck eine Geberkonferenz organisieren. Auf der dritten Stufe schließlich soll über den »politischen Status« Abchasiens gesprochen werden.

Bagapsch bekräftigte beim Treffen mit Steinmeier in Gali, daß der Status der Republik kein Verhandlungsgegenstand sein kann. »Abchasien ist ein unabhängiger Staat, das steht nicht zur Diskussion«. Außerdem seien ohne vorherigen Abzug der georgischen Truppen aus dem oberen Kodori-Tal Gespräche unmöglich. Dieses zu Abchasien gehörende, militärstrategisch wichtige Gebiet hält Georgien unter Bruch des Waffenstillstandsabkommens vom Mai 1994 seit Sommer 2006 besetzt und hat dort in einem Bergdorf eine »Gegenregierung« eingesetzt. Über eine Rückkehr von weiteren Georgiern nach Abchasien könne erst nach Abschluß eines Nichtangriffsvertrages gesprochen werden. Außerdem müsse sie auf Gali beschränkt bleiben, solange der Konflikt nicht beigelegt sei.

Der russische Außenminister Lawrow hat ebenfalls den Abzug der georgischen Streitkräfte aus dem Kodori-Tal und einen Nichtangriffsvertrag als Voraussetzungen einer Verständigung bezeichnet. Außerdem erfordere die Rückkehr weiterer Flüchtlinge nach Abchasien zunächst eine Beruhigung der Lage und sei unter jetzigen Verhältnissen »unrealistisch«.

* Aus: junge Welt, 19. Juli 2008

Lawrow kommentiert Vorteile deutscher Friedensvorschläge für Abchasien

Deutschlands Ansatz bei der Konfliktregelung zwischen Georgien und dessen abtrünniger Republik Abchasien ist konzeptuell richtig, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach dem Treffen mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier.

„Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Arbeit fortgesetzt werden soll, um die Konfliktparteien möglichst schnell zu überzeugen, direkte Gespräche aufzunehmen“, so Lawrow am Freitagabend.

Lawrow hat am deutschen Plan insbesondere die Aufforderung an die Konfliktparteien gelobt, ein Abkommen über den Gewaltverzicht zu unterzeichnen.

Steinmeier stellte seinerseits fest, dass die Konfliktparteien in ihren Vorstellungen nach wie vor weit auseinander lägen. Daraus dürfe aber keine Ablehnung der Friedensregelung resultieren.

Noch vor dem Treffen hatte Russlands Außenminister auch auf einige Nachteile hingewiesen: „Bei den Ideen, die von der deutschen Seite bislang dargelegt wurden, gibt es aber ein Problem: Es wird vorgeschlagen, gleichzeitig eine Vereinbarung über die Rückkehr der Flüchtlinge zu unterzeichnen. Das ist aber absolut nicht realistisch“, so Lawrow.

Zuvor hatte auch der abchasische Präsident Sergej Bagapsch gesagt, die vom Plan vorgesehene Rückkehr der georgischen Flüchtlinge nach Abchasien sei erst nach einer endgültigen Beilegung des Konfliktes denkbar. Solange der Konflikt aber nicht beendet sei, könne die Heimkehr der Flüchtlinge zu einem neuen Krieg führen.

"Wir sind mit dem Plan grundsätzlich nicht einverstanden", sagte Bagapsch. "Wir haben dem deutschen Außenminister vorgeschlagen, seinen Plan um zwei Punkte zu ergänzen." Es gehe dabei um den Abzug der georgischen Truppen aus dem Kodori-Tal sowie um den Abschluss eines Abkommens über einen gegenseitigen Gewaltverzicht.

Steinmeier hatte am Donnerstag (17. Juli) in Georgien einen Drei-Stufen-Plan zur Lösung des georgisch-abchasischen Konfliktes vorgestellt. Deutschen Medienberichten zufolge sieht der Plan in der ersten Phase die Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den beiden Konfliktparteien, die Unterzeichnung eines Abkommens über einen gegenseitigen Gewaltverzicht sowie eine Rückkehr der georgischen Flüchtlinge nach Abchasien vor.

In der zweiten Etappe sollen Wiederaufbauarbeiten beginnen, die durch Spenden von Geberstaaten finanziert werden sollen. Der politische Status Abchasiens soll erst in der dritten Etappe festgelegt werden.

Abchasiens Außenminister Sergej Schamba hat die dritte Etappe des Plans gleich als unannehmbar bezeichnet: "Der Status unserer Republik ist nicht Gegenstand von Verhandlungen", betonte er. Man könne nur über eine Herstellung von "staatlichen Beziehungen" mit Georgien oder über eine Anerkennung der abchasischen Unabhängigkeit durch Georgien verhandeln.

1992 hatte Abchasien seine Unabhängigkeit von Georgien erklärt, was zu einem blutigen Krieg führte. Im Mai 1994 wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Bislang sichert ein aus russischen Soldaten bestehendes Friedenskontingent der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) den Waffenstillstand zwischen beiden Seiten. Die Friedensverhandlungen zwischen Tiflis und Suchumi wurden im Juli 2006 abgebrochen, nachdem georgische Truppen in das an der Grenze liegende Kodori-Tal einmarschierten.

Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 18. Juli 2008




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