Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Krieg? Selbstverständlich!

Propaganda, Aufrüstung, gesteigerte "Durchhaltefähigkeit": Die große Koalition setzt ganz auf Militärpolitik zur Sicherung "deutscher Interessen"

Von Peer Heinelt *

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, wird die Bundeswehr allein im ersten Quartal dieses Jahres mehr als 800 Propagandaveranstaltungen durchführen. Den bei weitem größten Teil davon bestreiten die »Karriereberater« und »Jugendoffiziere« der Truppe. Während erstere für die Rekrutierung – oftmals noch minderjähriger – Heranwachsender zuständig sind, haben letztere die Aufgabe, vorzüglich Schüler, Studenten und Lehramtsanwärter militärpolitisch auf Linie zu bringen. Überraschend kommt die neuerliche Werbeoffensive der deutschen Streitkräfte nicht, heißt es doch im zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag: »Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich.«

Gleichfalls selbstverständlich ist für die Koalitionäre der Umbau der Truppe zur weltweit agierenden Interventions- und Besatzungsarmee – euphemistisch »Neuausrichtung« genannt. Geht es nach den Regierungsparteien, sollen die deutschen Streitkräfte nicht nur über ein »breites« kriegerisches »Fähigkeitsspektrum« verfügen, sondern auch über eine gesteigerte »Durchhaltefähigkeit« auf fremdem Territorium. Der Eliteeinheit »Kommando Spezialkräfte« (KSK) kommt in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung zu, ist sie doch in der Lage, als Feinde »deutscher Interessen« identifizierte politische Gegner weltweit auszuschalten. In Afghanistan etwa war das KSK bereits in gezielte Tötungsoperationen involviert, worüber die hiesige Öffentlichkeit in aller Regel so gut wie nichts erfuhr. Nach dem Willen der großen Koalition soll das auch in Zukunft so bleiben: »Einsätze des Kommandos Spezialkräfte sind immer mit einer hohen Gefährdung unserer Spezialkräfte verbunden und unterliegen der Geheimhaltung. Wir werden die Unterrichtung des Parlaments über KSK-Einsätze in der bewährten Form sicherstellen.« Kurz: An der Politik der verdeckten Kriegsführung und ihrer Vertuschung wird sich nichts ändern.

Um ihre anspruchsvollen Aufgaben zu meistern, braucht die Bundeswehr den Regierungsparteien zufolge selbstverständlich die »bestmögliche Ausrüstung«. Die Koalitionsvereinbarung betont denn auch das »elementare Interesse« Deutschlands an einer »innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie«. Hiesige Waffenschmieden dürfen somit weiterhin mit üppigen Staatsaufträgen und Subventionen rechnen, wie gleich im Anschluß klargestellt wird: »Wir setzen uns für den Erhalt ausgewählter Schlüsseltechnologien und industrieller Fähigkeiten, insbesondere auch bei mittelständischen Unternehmen, ein.« Die Luft- und Raumfahrtindustrie steht bei den Koalitionären ganz hoch im Kurs, spielt sie doch ihrer Ansicht nach als »Vorreiter für die Entwicklung und Erprobung neuer Technolo­gien« eine »wichtige strategische Rolle für unseren Wirtschaftsstandort«.

Selbstverständlich ist damit auch die Drohnentechnologie gemeint, zu deren Nutzung und Ausbau sich die Koalitionäre freimütig bekennen: »Unbemannte Luftfahrzeuge spielen bereits heute beim Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan bei der Aufklärung und dem Schutz unserer Soldaten eine wichtige Rolle. Auch künftig wird die Bundeswehr auf derartige Fähigkeiten angewiesen sein. Die Koalition wird eine europäische Entwicklung für unbemannte Luftfahrzeuge voranbringen.« Damit einhergehend will man nach eigenem Bekunden »einheitliche Standards bei Zertifizierung und Zulassung« von Kampfdrohnen implementieren, die für alle EU- und NATO-Staaten gelten sollen und von einer deutschen »militärischen Luftfahrtbehörde« erarbeitet werden.

Während sich Militärs und Rüstungsindustrielle also ganz darauf verlassen können, daß die Regierungsparteien ihre Interessen durchsetzen, haben Kriegsgegner und andere linke Querulanten nichts zu lachen: Der Koalitionsvertrag beinhaltet nicht nur die Ausweitung der Entwicklung von Repressions- und Überwachungstechnik (»zivile Sicherheitsforschung«), sondern auch den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Die hierfür vorgesehenen, aus Reservisten bestehenden »Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte« sollen, wie es heißt, »angemessen ausgestattet« werden. Selbstverständlich.

* Aus: junge Welt, Samstag, 11, Januar 2014


Zur Seite "Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik" (Beiträge ab 2014)

Zur Seite "Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik" (Beiträge vor 2014)

Zur Militärinterventions-Seite

Zur Militärinterventions-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage