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Milzbrand in den USA: Häppchenweise neue Erkenntnisse ...

... über das Biowaffen-Programm der US-Armee

Am 21. Dezember schickte uns Jan van Aken den folgenden Text, worin er noch einmal die wichtigsten kritischen Punkte zusammenfasst, die zur Milzbrandaffaire in den USA zu sagen sind. In seinem Begleitschreiben heißt es noch: "Ich hoffe, das verdirbt nicht den Appetit auf Gänsebraten und Karpfen..." - Keine Angst, Jan! Friedensaktivisten sind hard boiled.

In den vergangenen Tagen sind in den USA häppchenweise neue Erkenntnisse über die mögliche Quelle der Bakterien in den Milzbrandbriefen bekannt geworden. Im Mittelpunkt steht dabei das Biowaffen-Programm der US-Armee. Bereits am 12. Dezember berichtete die Baltimore Sun erstmals, dass eine Einrichtung der US-Armee seit 1998 auch getrocknetes Milzbrandpulver für Versuchszwecke hergestellt hat. Am 16. Dezember berichtete die Washington Post, dass der in den Briefen verwendete Milzbrandstamm nur in fünf Laboratorien verwendet wurde, die ihn alle vom zentralen Biowaffenforschungslabor der US-Armee erhalten haben. Anfang der Woche bestätigte der Sprecher des Weissen Hauses, Ari Fleischer, dass die „Verdachtsmomente zunehmend auf eine hausgemachte Quelle hindeuten“. Eine aktuelle Meldung des Fernsehsenders ABC, nach der das FBI einem gefeuerten Mitarbeiter eines Biowaffen-Forschunginstitutes auf der Spur sei, scheint jedoch auf eine schon lange erledigte Uralt-Geschichte aus dem September zurückzugehen.

Dugway Proving Ground

Die Produktion getrockneter, feingemahlener Milzbrandproben fand auf dem „Dugway Proving Ground“ statt, einem Übungs- und Versuchsgelände der Armee in Utah, 87 Meilen südwestlich von Salt Lake City. Dugway hat eine einschlägige Geschichte, in den sechziger Jahren starben außerhalb des Versuchsgeländes tausende Schafe, wahrscheinlich an Nervengasen, die versehentlich herübergeweht sind. Bekannt war seit längerem, dass in Dugway auch Aerosolversuche mit Milzbrand stattfinden, bei denen feine Nebel aus flüssiger Bakterienbrühe erzeugt werden, um so beispielsweise Impfungen oder Nachweissysteme zu testen. 1998 hat William Patrick, bis 1969 der leitende Wissenschaftler des früheren offensiven Biowaffen-Programmes der USA, die Forscher in Dugway in der Kunst des trockenen Anthrax unterrichtet. Laut Washington Post vom 14.12. hat Patrick die Methode zur Trocknung der Sporen vorgeführt und einige Gramm des Pulvers hergestellt, das nach Armeeangaben benötigt wird, Methoden zur Dekontamination sowie Nachweissysteme zu testen. Armeesprecher haben am Donnerstat dieser Woche bestätigt, dass auch Milzbrandsporen in getrockneter, pulverisierter Form produziert wurden, die sich in der Form als Waffe eigenen würden.

Laut Baltimore Sun vom 13. Dezember ist ca. ein halbes Dutzend Wissenschaftler in Dugway in der Lage, getrocknetes Anthrax herzustellen.

Es wurden in der Vergangenheit mehrfach Milzbrand-Proben zwischen Dugway und dem Armeeforschungsinstitut für Infektionskrankheiten (USAMRIID) in Fort Detrick, Maryland, hin- und hergeschickt. USAMRIID ist das zentrale Labor für die Biowaffen-Abwehrforschung der US-Armee. In Fort Detrick sollten die Milzbrand-Proben durch Bestrahlung unschädlich gemacht werden, bevor sie in Dugway für weitere Versuche zum Einsatz kamen. Laut Dugway-Offiziellen wurden jedoch keine getrockneten Sporen, sondern aus Sicherheitsgründen ausschließlich feuchter Bakterienschlamm auf den Postweg geschickt. USAMRIID hat nach Angaben eines Armeesprechers selbst keine Möglichkeiten zur Trocknung von Sporen. Laut Washington Post vom 13. Dezember wurde letztmals am 27. Juni 2001 eine Sendung Milzbrand-Sporen von Dugway nach Fort Detrick geschickt, am 4. September ging die gleiche Fuhre zurück.

Genetische Tests

Am 16. Dezember meldete die Washington Post, dass anhand eines genetischen Fingerabdrucks einige Laboratorien identifiziert werden konnten, die den Milzbrand-Stamm aus den Briefen besitzen. Zwar haben sehr viele Laboratorien den so genannten Ames-Stamm, doch lässt sich mit Hilfe genetischer Untersuchungen die Herkunft der Sporen in den Milzbrandbriefen noch weiter eingrenzen. Nur die Bakterien aus fünf Laboratorien haben nach den bisherigen Ergebnissen perfekte genetische Zwillinge der Brief-Sporen: USAMRIID und Dugway Proving Ground, zwei Bakterien-Banken (Louisiana State University und Northern Arizona University) sowie das britische Biowaffen-Abwehrlabor in Porton Down. Alle Proben gehen auf USAMRIID zurück: Dugway und Porton Down wurden in den vergangen Jahren direkt von USAMRIID beliefert, die Proben in den Bakterien-Banken stammen wiederum aus Porton Down.

Drei weitere Einrichtungen wurden auch noch mit dem Ames-Stamm von USAMRIID beliefert: das kanadische Biowaffen-Labor Suffield, die University of New Mexico sowie das Battelle Memorial Institute in Columbus, Ohio. Hier steht der Gentest noch aus.

USAMRIID hat den Ames Stamm 1980 von der Iowa State University bekommen. Zwar versuchen US-Armee-Angehörige in diesen Tagen, die Bedeutung der genetischen Tests mit dem Hinweis darauf herunterzuspielen, dass ja auch andere Laboratorien die Bakterien von der Universität bekommen haben könnten. Aber bereits am 19. Oktober hat die Iowa State University in einer Presseerklärung mitgeteilt, dass sie a) die Probe 1980 aus einer Kuh in Iowa isoliert haben, b) die Probe direkt ans USAMRIID verschickt haben und c) weder eigene Forschung daran betrieben noch die Kultur aufbewahrt habe.

Im Kern bleibt festzustellen, dass nach heutigem Kenntnisstand Dugway das einzige Labor ist, das den „richtigen“ Stamm zur Verfügung hatte und außerdem die Technologie zur Produktion feinster Bakterienstäube beherrscht.

Sunshine Project Germany
Dr. Jan van Aken



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