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Jung will abheben

Von Nick Brauns *

Obwohl ein Jahr nach dem geplanten Erstflugtermin des Militärtransporters A400M noch keine einzige Testmaschine vom Boden abgehoben ist, wollen die europäischen Regierungen offenbar an dem Milliarden teuren Rüstungsprogramm festhalten. Er rechne mit einem entsprechenden Beschluß der am heutigen Freitag (24. Juli) im südfranzösischen Castellet bei Nizza tagenden Verteidigungsminister, erklärte Ressortchef Franz Josef Jung (CDU) am Donnerstag in Berlin gegenüber der Presse.

Im Mai 2003 hatten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Türkei, Belgien und Luxemburg den 20-Milliarden-Euro-Vertrag über das bislang größte europäische Militärprojekt mit dem Airbus-Mutterkonzern EADS geschlossen. Von rund 190 bestellten A400M sollen 60 an die Bundeswehr und 50 an die französischen Streitkräfte gehen. Doch die für Herbst 2009 geplante Erstauslieferung wird sich bis mindestens Ende 2012 verschieben. Die Entwicklungskosten sind bereits um mehrere Milliarden Euro gestiegen. Nach Experteneinschätzung sind die Turboprop-Triebwerke technisch noch nicht ausgereift, außerdem hapere es bei der vorgesehenen Reichweite und Transportkapazität. Laut Vertrag hätten die bestellenden Staaten aufgrund der Verzögerungen bereits Ende März von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen können, doch damals wurde die Schonfrist auf Ende Juli verlängert. Nun soll sie in Castellet noch einmal bis Ende des Jahres ausgedehnt werden. Jung dürfe nicht alleine darüber entscheiden, forderte unterdessen der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Jürgen Koppelin. Er verlangt eine Zustimmung der zuständigen Bundestagsausschüsse und die Anpassung des Vertrages an die geänderte Situation. Der Bundesrechnungshof hatte bereits eine Reduzierung auf 40 Maschinen für die Bundeswehr vorgeschlagen.

Im Falle eines Ausstiegs müßte Airbus nicht nur sechs Milliarden Euro zurückzahlen. Es entstände auch ein enormer Imageschaden für die von der Wirtschaftskrise gebeutelte europäi­sche Luftfahrtindustrie. Doch zentral für das Festhalten an dem lahmen Vogel sind für die Bundesregierung offenbar militärische Gründe. Die Bundeswehr brauche den A400M dringend für ihre strategische Lufttransportfähigkeit, erklärte Unionsverteidigungsexperte Bernd Siebert. Daher gäbe es in der jetzigen Phase »kaum eine Alternative, als mit der Industrie an einem Strang zu ziehen«. Die Landesverteidigung dürfte der CSU-Mann dabei nicht im Blick haben. Denn der A400M ist als »taktischer Allwetter-Militärtransporter mit strategischen Fähigkeiten« ausdrücklich für Langstreckenflüge konzipiert. Schon für die laufenden Auslandseinsätze mußte die Bundeswehr Antonow-Transporter aus der Ukraine anmieten.

Gegenüber den seit den 60er Jahren von der Bundeswehr eingesetzten Transportflugzeugen vom Typ C-130 »Transall« und C-160 »Hercules« sollen sich mit den A400M Reichweite und Nutzlast verdoppeln. Bei einer maximalen Ladekapazität von 37 Tonnen soll der A400M sechs Geländewagen mit Anhänger oder acht Kleinpanzer vom Typ »Wiesel« oder zwei Kampfhubschrauber vom Typ Eurocopter »Tiger« oder einen »Puma«-Schützenpanzer aufnehmen können. Die anvisierte maximale Reichweite mit Zusatztanks soll 9000 Kilometer betragen. Auch vollgeladen hätte der A400M der auch auf Gras- und Lehmflächen landen und von kurzen Behelfsstartbahnen von weniger als 1000 Meter Länge starten soll, noch eine Reichweite von 3100 Kilometern. Zudem soll derA400M für die Luftbetankung von Hubschraubern und Kampfflugzeugen eingesetzt werden und Fallschirmjäger absetzen können.

* Aus: junge Welt, 24. Juli 2009

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Verteidigungsminister geben Airbus Gnadenfrist für A400M

Trotz der kritischen Entwicklungsprobleme beim A400M halten Deutschland und die sechs weiteren beteiligten Staaten an dem Airbus-Militärtransporter fest. Auf einem Treffen am Freitag (24. Juli) im südfranzösischen Le Castellet räumten sie Airbus eine neue Frist bis Jahresende ein, einen konkreten Vorschlag für die Fortführung des 20 Milliarden Euro teuren Programms zu präsentieren, wie Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung bekanntgab.

Die finanziellen und technischen Einzelheiten sollten grundsätzlich überarbeitet werden, erklärte der französische Ressortchef Hervé Morin. Die Bundeswehr und die Luftwaffen der anderen Staaten brauchen die Neuentwicklung, um ihre altersschwachen Transall- und Hercules-Transportmaschinen zu ersetzen.

Ein Aus des Programms wäre für Airbus und den Mutterkonzern EADS ein 5,7 Milliarden Euro teures Desaster. EADS begrüßte die Entscheidung aus Le Castellet: Man setze nun alles daran, «eine auf technischer und vertraglicher Ebene für beide Seiten akzeptable Einigung zu finden», hieß es in einer Erklärung.

Der britische Verteidigungsminister Quentin Davies sprach von einem «wichtigen Tag», weil man nun die Versicherung habe, das «dieses hervorragende Flugzeug gebaut wird». Ein neuer Vertrag, in dem die Lastenteilung sowie ein exakter Zeitplan bis zur Auslieferung stehen, soll nun am Tag des Erstfluges Ende 2009 oder Anfang 2010 unterzeichnet werden.

Das 2003 gestartete Programm hat massive Probleme bei Triebwerken, Verkabelung, Software und Gewicht. Die sieben Länder, neben Deutschland sind dies Belgien, Britannien, Frankreich, Luxemburg, Spanien und die Türkei, haben insgesamt 180 Flugzeuge bestellt, die Bundeswehr davon 60. Eine Ausstiegsfrist wäre ohne die Entscheidung vom Freitag Ende Juli ausgelaufen. Airbus erhält nun weitere Zeit, zugleich behalten die Erstbesteller die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt kündigen zu können. Die bisherigen Verzögerungen haben den Airbus-Mutterkonzern EADS bereits 2,3 Milliarden Euro gekostet.

Quelle: AP, 24. Juli 2009




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