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Mehr Sorge um Soldaten-Seelen

Parlament zur Behandlung traumatisierter Bundeswehrangehöriger

Von Nicolaus Schütte *

Krieg hinterlässt auch Spuren, die nicht sichtbar sind. Seelische. Was Soldaten bei ihren Auslandseinsätzen erleben müssen, führt nicht selten zu Traumata. Wie man den Betroffenen helfen kann, war gestern (12. Feb.) Thema im Bundestag.

2008 wurden laut Bundespsychotherapeutenkammer 245 traumatisierte Soldaten gezählt, 2007 lag die Zahl bei 149 und 2006 bei 83 Patienten. Die mittel- und langfristigen Folgen sind unter anderem Depressionen, Gereiztheit, Verschlossenheit oder auch Suchtprobleme.

Die Dunkelziffer ist hoch. Es könne auch »zur Dienstunfähigkeit führen«, heißt es in der Begründung eines interfraktionellen Antrages von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen. Die wichtigsten Forderungen, die darin erhoben werden, sind ein neues Bundeswehr-Forschungszentrum zur Behandlung von »Betreuung bei posttraumatischen Belastungsstörungen« (PBTS), eine anonyme Hotline für traumatisierte Soldaten, der Wissenstransfer mit alliierten Sanitätsdiensten sowie eine Studie über die Dunkelziffer von PBTS.

Lesen Sie hier die ganze Debatte im Bundestag:

"Seelische Verwundungen sind aus meiner Sicht genauso ernst zu nehmen wie körperliche Verwundungen"
Der Bundestag debattierte über "posttraumatische Belastungsstörungen" von Bundeswehrsoldaten im Kriegseinsatz (Die Debatte im Wortlaut)



Bei der ersten Lesung des Antrages, der ohne Beteiligung der LINKEN entstand, forderten die anderen Fraktionen eine bessere Betreuung bei posttraumatischen Belastungsstörungen von Soldaten der Bundeswehr. Damit nimmt der Antrag Forderungen eines 17-Punkte Programms des Bundeswehrverbandes auf. »Es ist ein Lichtblick, dass der Bundestag sich in der kommenden Woche mit der PTBS-Problematik beschäftigen will«, so der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant Ulrich Kirsch.

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), räumte ein, dass die Behandlung traumatisierter Soldaten zu lange vernachlässigt wurde. Gleichzeitig sei der Umgang mit psychischen Erkrankungen sowohl gesellschaftlich aber »insbesondere bei der Bundeswehr« stigmatisiert. »Der innere Ehrenkodex hindert viele Soldaten daran, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen«, so der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Professor Rainer Richter. Norbert Kröger, der ehemalige leitende Psychologe im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin, sagt: »PTBS ist eine normale Reaktion eines normalen Menschen auf ein unnormales Ereignis.«

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) stellte zunächst einmal klar: »Was die Soldaten tun ist letztlich im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger.« Der Minister verwies vor dem Parlamentsplenum darauf, dass es neben der geplanten Hotline und einem PTBS-Zentrum in Berlin auch Hilfe über die bestehende Homepage für traumatisierte Soldaten www.angriffaufdieseele.de. geben soll.

Elke Hoff von der FDP betonte, die »Einmütigkeit im Bundestag« sei »beispielhaft«. Jörn Thießen von der SPD verwies auf falsche Bedenken, »die Moral der Truppe sei gefährdet«. Der Grüne Winfried Nachtwei, ein ausgewiesener Kenner der Situation in Afghanistan, schilderte »die menschliche Reaktion auf Situationen, die verrückt machen«.

Innerhalb der Linksfraktion war abgesprochen, dem Antrag der anderen Fraktionen zuzustimmen, »weil es um die betroffenen Menschen geht – und nicht um Parteipolitik«, so der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Paul Schäfer. Mit einigem Missmut konstatierte er, dass seine Fraktion ausgeschlossen worden war, als es um die Formulierung des entsprechenden Antrages ging. »Die Union konnte einfach nicht über die Schatten des Kalten Krieges springen. Sie zog Ausgrenzung vor«, so Schäfer.

Der Kassler Friedensratschlag hält eine andere Therapie bereit. Peter Strutinsky propagiert die Losung: »Willkommen zu Hause!«

*Aus: Neues Deutschland, 13. Februar 2009


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