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Das Konzept der Grünen zur Bundeswehrreform

Presseerklärung der Bundestagsfraktion vom 16.05.2000

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedete am 16. Mai 2000 Grundlinien zur "Zukunft der Bundeswehr". Mit eine Freiwilligenarmee von insgesamt 200.000 Mann wollen die Grünen auf die "friedenspolitischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts" reagieren. Keine "Interventionsarmee" soll es sein, sondern die Armee soll "zur Stärkung der kollektiven Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen und regionaler Systeme auf der Grundlage von VN-Mandaten beitragen können". Abschaffung der Wehrpflicht, Frauen gleichberechtigt auch an die Waffen, weniger Geld für die Bundeswehr - das sind weitere Essentials für die Grünen. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

Zukunft der Bundeswehr

"Die bisherigen Debattenbeiträge zur Reform der Bundeswehr beschränken sich auf eine Militärreform. Dies greift zu kurz, denn die Reform der Bundeswehr muss eingebettet sein in die Fortentwicklung einer an Frieden und Menschenrechten orientierten Außen- und Sicherheitspolitik. In diesem Zusammenhang muss die Bundeswehr auf Prävention, Einhegung und Minimierung von Gewaltandrohung und Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen ausgerichtet sein.

Bundeswehr reformieren und zivile Prävention stärken

Eine Reform der Bundeswehr ist für uns untrennbar verbunden mit einer substanziellen Verbesserung der nationalen und internationalen Fähigkeiten zur Krisen- und Gewaltprävention. Die Erfahrungen im Umgang mit aktuellen Krisen der 90er-Jahre haben wiederholt deutlich gemacht, dass Instrumente der Krisenprävention und Krisenreaktion nicht ausreichend entwickelt sind. Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung muss mit mehr Ernsthaftigkeit, Beharrlichkeit betrieben und mit mehr Mitteln ausgestattet werden. Dies gilt sowohl für die Begrenzung und Beseitigung struktureller Krisenursachen als auch für den Bereich der raschen Reaktionsfähigkeiten. Besonderen Handlungsbedarf sehen wir dabei im Bereich der Früherkennung, dem Aufbau von polizeilichen und zivilen Kräften für internationale Missionen der OSZE und Vereinten Nationen, der Unterstützung und Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure, der Unterstützung der friedensbereiten Kräfte aus Konfliktregionen und der Kommunikation und Koordination.

Eine neue Zeit braucht eine andere Bundeswehr

Durch die weltpolitischen Veränderungen hat die Landesverteidigung an Bedeutung verloren. Landesverteidigung ist heute vielmehr Bündnisverteidigung. Gleichzeitig werden wir im Rahmen der kollektiven Sicherheit mit neuen Anforderungen im Bereich der Krisen- und Konfliktbewältigung konfrontiert. Bündnis 90/Die Grünen wollen eine kleine, moderne und auf die friedenspolitischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtete Bundeswehr. Die außenpolitische Tradition des Multilateralismus sowie der militärischen und machtpolitischen Selbstbeschränkung muss, unabhängig von der zukünftigen Wehrform, ebenso weiter gelten wie das Primat der Politik. Dies bedeutet, dass die Bundeswehr auch in Zukunft kein Instrument der militärischen Machtprojektion oder globalen militärischen Interessendurchsetzung, also keine Interventionsarmee werden darf. Vielmehr soll die Bundeswehr zur Stärkung der kollektiven Sicherheit im Rahmen der Vereinten Nationen und regionaler Systeme auf der Grundlage von VN-Mandaten beitragen können. Auf Grund der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen kann der Gesamtumfang der Bundeswehr in den kommenden Jahren auf 200.000 Soldatinnen und Soldaten abgesenkt werden.

Auslaufmodell Wehrpflicht

Die Wehrpflicht hat jede plausible sicherheitspolitische und demokratische Begründung verloren. Dies liegt am völlig veränderten sicherheitspolitischen Umfeld, am Bedeutungsverlust der Landesverteidigung, an der Nichtbegründbarkeit der bisherigen Aufwuchsstärke und der gegenwärtigen und künftigen Priorisierung der Bündnisverteidigung. Spätestens mit der durch das EuGH-Urteil ausgelösten Öffnung der Bundeswehr für Frauen, muss für uns unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Freiwilligkeit des Wehrdienstes auch für Männer gelten. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich daher für ein zügiges und sozialverträgliches Auslaufen des Wehr- und Zivildienstes ein. Gleichzeitig sollen schon heute alle freiwilligen Dienste gefördert werden. Eine Wehrpflicht für Frauen oder eine allgemeine Dienstpflicht lehnen wir ab.

Alle müssen sparen - auch die Bundeswehr

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, durch einen Kurs der Haushaltskonsolidierung, Beschäftigungsoffensive und umfassenden Steuerreform Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen. Der damit verbundene Sparkurs zwingt alle Ressorts zu schwierigen Einschnitten. Trotzdem gibt es zum Kurs der solidarischen Konsolidierung keine verantwortbare Alternative. Eine Ausnahme für die Bundeswehr kann es nicht geben. Bei der Konsolidierung wollen wir das bisherige Missverhältnis der Ausgaben für Militär einerseits und für die Instrumente von Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung andererseits überwinden."

Zu weiteren Artikeln, Dokumenten und Berichten zum Thema Bundeswehr auf der
Bundeswehr-Seite

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