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Klose: "Ich will, dass die NATO-Länder in Afghanistan erfolgreich sind" - Paech: "Verabschieden Sie sich von einer Mission, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist"

Bundestag verlängert Kriegseinsatz "Enduring Freedom" - Die Debatte im Bundestag

Am 10. November 2006 stimmte der Deutsche Bundestag über die abermalige Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen des Anti-Terror-Einsatzes "Operation Enduring Freedom" ab. Wir dokumentieren im Folgenden wesentliche Teile der Debatte.
Es kamen in dieser Reihenfolge folgende Rednerinnen und Redner zu Wort:

Außer in den Fällen, wo es die Rede unbedingt verlangte, haben wir auf die Wiedergabe von Zwischenrufen und Beifallsbekundungen verzichtet.
Hier finden Sie den Verlängerungs-Antrag der Bundesregierung: BT-Drucksache 16/3150 (pdf-Datei) und hier den Ausstiegs-Antrag der Fraktion DIE LINKE: BT-Drucksache 16/3151 (pdf-Datei).



16. Wahlperiode
64. Sitzung
Berlin, Freitag, den 10. November 2006

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen.
Ohne weiteren Verzug rufe ich die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf:

a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

- Drucksachen 16/3150, 16/3321 -
- Drucksache 16/3324 -

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

- Drucksachen 16/3150, 16/3151, 16/3322 -

Außerdem liegt zu dem Regierungsantrag ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor.

Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 75 Minuten vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Hans-Ulrich Klose, SPD-Fraktion.

Hans-Ulrich Klose (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte knüpfen wir an jene Debatte an, die wir vor wenigen Wochen in diesem Hause geführt haben, als es um die Verlängerung des ISAF-Mandates ging. Schon damals haben wir nicht nur über dieses ISAF-Mandat gesprochen, sondern auch ganz allgemein über die Lage in Afghanistan, die von der Bundesregierung in dem von ihr vorgelegten Konzept angemessen - will sagen: realistisch, aber nicht resignativ - beurteilt wird.

Dieses Urteil wird durch den Brief der beiden zuständigen Minister zur Beteiligung deutscher Streitkräfte im Kampf gegen den internationalen Terrorismus aus Anlass der jetzt anstehenden Entscheidung über das Mandat "Enduring Freedom" ergänzt. Auch dieser sehr knapp gehaltene - vielleicht zu knapp gehaltene - Brief vom 6. November macht deutlich, dass über Afghanistan nicht geurteilt werden kann, ohne zugleich über beide Mandate zu sprechen.

Das Mandat "Enduring Freedom" ist ein Kampfmandat. Mit ihm wird auf die Anschläge vom 11. September 2001 reagiert. Es wird durch die zweimalige Feststellung des UN-Sicherheitsrates legitimiert, dass die Angriffe auf New York und Washington den Weltfrieden gefährden und dem angegriffenen Land, den USA, jedes Recht auf Selbstverteidigung zusteht.

Die Regierung der USA hat sich seinerzeit für ihren Verteidigungskrieg gegen al-Qaida und die Taliban in Afghanistan nicht auf die NATO-Allianz gestützt, sondern auf eine Koalition der Willigen. Ich habe das für einen Fehler gehalten, weil für mich der Gedanke der Bündnissolidarität immer besonderes Gewicht hatte und hat.

Die NATO, so glaube ich, wäre heute und morgen stärker, wenn dies auch die Regierung der Vereinigten Staaten seinerzeit so gesehen hätte.

Das ISAF-Mandat ist später hinzugekommen. Es soll die so genannten Bonner bzw. Petersberger Vereinbarungen, das heißt den politischen Prozess und den materiellen Wiederaufbau des Landes, abstützen. ISAF ist kein Kampfmandat, sondern, wie der Name sagt, ein Sicherheitsunterstützungsmandat; denn es heißt "Security Assistance". ISAF war zunächst auf den Großraum Kabul beschränkt, ist aber über die Jahre, vor allem nach Einrichtung der so genannten Provincial Reconstruction Teams, weit über den Raum Kabul hinaus auf ganz Afghanistan ausgedehnt worden.

Die Besonderheit des Mandats, das heute von der NATO geführt wird, besteht aus unserer - aus deutscher - Sicht in der chancenreichen Vernetzung von militärischen Sicherheitsvorkehrungen mit konkreter Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe, also der Zusammenarbeit von Soldaten und Zivilisten bzw. Nichtregierungsorganisationen. Die Bundesregierung betont wegen dieser besonderen militärisch-zivilen Vernetzung immer wieder die Unterschiedlichkeit der beiden Mandate. Sie will eine Belastung des ISAF-Mandats durch Kampfeinsätze vermeiden, was nicht ganz einfach ist; denn zum einen haben die Antiterroreinsätze des Mandats "Enduring Freedom" Auswirkungen auf die allgemeine Sicherheitslage - zumindest können sie diese haben -, zum anderen werden die ISAF-Soldaten vor allem im Süden Afghanistans immer häufiger von den wieder erstarkten Taliban angegriffen und in regelrechte Kampfhandlungen verwickelt, die sie bisweilen nur mit Unterstützung durch Kräfte des Kampfmandats überstehen können.

Die militärische Lage ist schwieriger geworden - nicht nur, aber vor allem im Süden und Osten des Landes. Um es zu wiederholen: Die Taliban sind wieder erstarkt und besser bewaffnet als zuvor. Sie rekrutieren ihre Kämpfer im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, das auf beiden Seiten der Grenze weitgehend unkontrolliertes Stammesgebiet ist. Sie dort zu besiegen, ist nahezu ausgeschlossen. Jedenfalls reichen dafür - so der ISAF-Kommandant David Richards - die bisher in Afghanistan eingesetzten internationalen Truppen nicht aus. Sie genügen aber, so Richards weiter, um die Lage in Afghanistan so zu verbessern, dass "die Leute hier mit uns und mit ihrer Regierung zufrieden sind".

Dass sie derzeit zufrieden seien, behauptet Richards klugerweise nicht. Seine insoweit eher skeptische Lagebeurteilung deckt sich weitestgehend mit unserer und mit der des UN-Beauftragten Tom Koenigs. Letzteren zitiere ich aus einem Interview, das in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 5 November 2006 abgedruckt wurde. Zitat eins:

Der Aufstand kommt aus den Dörfern, wo die Entwicklungshilfe nur schleppend eintrifft. Auch Reformen der Regierung haben nicht gegriffen. Zum Teil sind sie auch gar nicht erwünscht. Auf dem Land redet man über Familie, Religion und Ernten, und auf keinem dieser Gebiete konnte die jetzige Regierung bisher etwas bieten.

Zitat zwei:

Wahrscheinlich hätte man den lokalen und regionalen Strukturen viel mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Entwicklungshilfe heißt auch: Ausstattung mit Sicherheitskräften, von Gerichten und Verwaltungsstrukturen. Daß dies vernachlässigt wurde, sieht man jetzt.

Zitat drei:

... die Korruption und manche Fehler der internationalen Streitkräfte haben viele Bürger in die Opposition getrieben. Da greift man hier eben schnell zur Waffe.

Tom Koenigs, der kein Militär, sondern ein konflikterfahrener ziviler Administrator ist, urteilt am Ende des Interviews wie folgt:

Meiner Meinung nach muß man auch in Deutschland unbedingt bedenken, daß der Konflikt zwar nicht allein militärisch zu gewinnen ist, daß die Nato aber auch nicht verlieren darf. Es muß umfangreiche Entwicklungshilfe geben, und es braucht auch politische und diplomatische Initiativen in Richtung Pakistan. Und: Es muß eine gewaltige militärische Anstrengung gemacht werden, um eine Niederlage zu verhindern.

Ich teile diese Einschätzung und wiederhole deshalb hier, was ich in der Debatte am 28. September gesagt habe:

Ich will, dass die NATO-Länder in Afghanistan erfolgreich sind, damit Afghanistan an Zukunft gewinnt und die NATO ihre Glaubwürdigkeit behält. Die NATO darf nicht scheitern. ... Sie braucht aber dringlich eine abgestimmte und in den Prioritäten veränderte Strategie: ... Mit militärischen Mitteln allein ist der Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht zu gewinnen ...

Ich wiederhole das: Mit militärischen Mitteln allein nicht!

Wer aber meint, er könne ganz und gar auf militärische Mittel verzichten, der redet sich die Lage schön. Manch einer, der so redet, weiß das auch, was die Sache nicht besser macht. Zweifel sind erlaubt. Reden wider besseres Wissen nicht.

Ich will es nicht verschweigen: Auch in der SPD gibt es natürlich Zweifel. Niemand ist frei von Zweifeln, wenn es um die Entscheidung über militärische Einsätze geht. Auch ich bin es nicht. Ich glaube aber zu wissen, dass die Abkehr vom Mandat "Enduring Freedom" zu diesem Zeitpunkt ein ganz und gar falsches Signal wäre.

Das würde von den Taliban und dem vernetzt agierenden internationalen Terrorismus als Zeichen westlicher Schwäche und als Beweis für die Wirksamkeit der eigenen terroristischen Strategien gewertet werden. Das darf nicht sein. Das dürfen wir nicht zulassen.

Wir Politiker haben es uns angewöhnt, englische Formeln und Kürzel einfach so zu übernehmen.

Was heißt "Enduring Freedom" eigentlich? Das Wort "enduring" kann adjektivisch, aber auch als gerundive Ableitung des Verbums "to endure" verstanden werden. Im ersten Fall hieße die Übersetzung "andauernde, bleibende Freiheit", im zweiten Fall "Freiheit dauerhaft gestalten bzw. sichern". Ich glaube, dass die zweite Übersetzung treffend ist. Sie entspricht der Logik des Geschehens.

Um noch einmal auf Tom Koenigs zurückzukommen. Auf die Frage, wie derzeit die Stimmung in Kabul ist, antwortet er:

Alle haben Angst davor, daß sich die Welle der Selbstmordattentate ausdehnen könnte. Und davor, daß der internationalen Gemeinschaft der Atem ausgeht. Man befürchtet, daß Afghanistan wieder ins Chaos des Bürgerkriegs zurückfällt.

Ich sehe das genauso. Die Bedrohung unserer Freiheit durch den internationalen Terrorismus ist eine Herausforderung, die uns noch lange, wahrscheinlich noch Jahrzehnte, beschäftigen wird. Wir können sie nur bestehen, wenn wir uns auf einen lang andauernden Konflikt einstellen und den Menschen hier und in Afghanistan genau das sagen. Unsere Entscheidung hier und heute muss der Erkenntnis folgen: Freiheit dauerhaft gestalten und sichern - darauf kommt es an.

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir entscheiden heute über die Verlängerung des Mandats für die Operation "Enduring Freedom". Diese Entscheidung ist der FDP-Bundestagsfraktion nicht leicht gefallen.

Wir haben in den letzten Wochen immer wieder schlechte Nachrichten aus Afghanistan erhalten. Es entsteht der Eindruck, dass es in Afghanistan eher Rückschritte als Fortschritte gibt. Das führt in allen Partnerländern und zwischen den Partnern zu Diskussionen, auch über die Frage, wo Truppen stationiert werden sollen. Es wird immer wieder befürchtet - mein Vorredner hat das schon angesprochen -, dass die internationalen Partner in Afghanistan scheitern könnten. Das alarmiert uns.

Deshalb haben wir schon bei der Verlängerung des ISAF-Mandats gesagt, dass es eine Gesamtkonzeption für Afghanistan geben muss. Ich sage ganz deutlich: Dennoch stimmt die FDP dieses Mal dem Mandat zu. Erstens, weil die Operation "Enduring Freedom" mehr beinhaltet als nur den Einsatz in Afghanistan. Sie beinhaltet auch den Einsatz gegen den Terrorismus am Horn von Afrika und die NATO-Seeüberwachung im Rahmen von "Active Endeavour" im Mittelmeer.

In Richtung der Grünen sage ich ganz klar: Der Vorwurf, den Herr Kurnaz gegen die KSK erhebt, muss auf jeden Fall aufgeklärt werden - deswegen haben wir einen Untersuchungsausschuss eingerichtet -, er ist bisher aber in keiner Weise bestätigt. Ein solcher Vorwurf rechtfertigt nicht den kompletten Rückzug aus der Operation "Enduring Freedom".

Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang zwischen dem Mandat für die Operation "Enduring Freedom" und dem ISAF-Mandat, das wir gerade erst hier, im Deutschen Bundestag, verlängert haben. Für die FDP-Bundestagsfraktion - das sage ich ganz deutlich - kommt es nicht infrage, unilateral aus einer solchen Mission auszusteigen. Gerade angesichts der Situation, die jetzt innerhalb des Bündnisses, aber auch innerhalb der NATO vorherrscht, wäre das ein verheerendes Signal.

Sehr wichtig für uns ist, dass ein Mandat realistisch ist. Das von der Bundesregierung vorgesehene Mandat sieht eine Reduzierung der Oberzahl der einzusetzenden Soldaten um 1 000 auf 1 800 vor. Damit ist eine wesentliche Forderung der FDP erfüllt. Auch das ist ein Grund für uns, zuzustimmen.

Zwischenfrage Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Kollegin Homburger, warum hielten Sie es für ein verheerendes Signal, wenn die deutsche Seite erklärte, dass sie nicht mehr an der "Koalition der Willigen" bei "Enduring Freedom" teilnimmt, haben aber kein Problem damit, sich einer EU-Mission im Kongo oder einer VN-Mission im Libanon zu verweigern?


Birgit Homburger (FDP):

Herr Kollege Nachtwei, bei den von Ihnen angesprochenen Fällen ging es um die Erteilung eines Mandats, nicht um seine Verlängerung. Wir haben an der Kongomission kritisiert, dass es keine Konzeption gibt für die Stabilisierung des Landes, wenn die Truppen abgezogen sind, was demnächst der Fall sein wird. Was das UNIFIL-Mandat angeht, haben wir in einer intensiven Diskussion deutlich gemacht, dass wir der Meinung sind, dass wir uns die Möglichkeiten erhalten sollten, diplomatisch zu vermitteln. Doch hier, an dieser Stelle, geht es nicht um ein neues Mandat, es geht um die Fortsetzung eines bestehenden Mandats, eines Mandats, dem auch Ihre Fraktion einmal zugestimmt hat. Was jetzt aus Ihrer Fraktion an Einwänden vorgebracht wird - von Herrn Kuhn, aber auch von Ihrem Bundesvorsitzenden, Herrn Bütikofer -, ist, mit Verlaub gesagt, scheinheilig.

All diese Einwände hätten Sie schon beim ISAF-Mandat vortragen müssen. Doch diesem haben Sie zugestimmt. Deswegen ist das, was Sie jetzt machen, in keiner Weise nachvollziehbar.

Wir müssen über ein politisches Gesamtkonzept sprechen. In einer gemeinsamen Unterrichtung des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums ist deutlich gemacht worden, dass die politischen Maßnahmen von ganz besonderer Bedeutung sind. Das unterstreichen wir ausdrücklich. Aber es reicht eben nicht, dass wir auf UNO-Ebene Resolutionen gegen den Terrorismus verabschieden. Vielmehr müssen vor allen Dingen in Afghanistan Fortschritte erzielt werden. In einem Jahr, wenn dieses Mandat ausläuft, wird man hier im Deutschen Bundestag erneut darüber sprechen müssen. Bis dahin müssen deutliche Fortschritte in Afghanistan erkennbar sein. Sonst ist der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, warum wir uns weiter beteiligen sollen.

Deswegen steht für uns im Mittelpunkt: Es braucht insgesamt Reformen, es braucht Gespräche.

Erstens. Das Auftreten einiger Partner in Afghanistan im Zusammenhang von ISAF und OEF führt zu Beeinträchtigungen. Ich glaube, darüber müssen wir sprechen. Man darf nicht als Besatzer auftreten, sondern man muss die Herzen der Menschen gewinnen. Wir brauchen eine Art Verhaltenskodex.

Zweitens. Die bessere Verzahnung der Maßnahmen, die zivil-militärische Zusammenarbeit, ist für uns zentral. Hier muss es Fortschritte geben. Wenn Minister Jung das heute öffentlich einfordert, kann ich das nur unterstützen. Es ist dringend notwendig. Wir werden Sie in einem Jahr daran messen, welche Fortschritte es bei der Verzahnung ziviler und militärischer Vorhaben gegeben hat.

Drittens. Wir brauchen dringend Fortschritte beim Aufbau des Polizeiwesens. Hier hat die Bundesrepublik Deutschland eine Führungsrolle übernommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Anstrengungen deutlich zu verstärken, aber auch mit den Afghanen zu sprechen. Es kann nicht sein, dass Vetternwirtschaft und Korruption an der Tagesordnung sind. Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion mitgeteilt, dass bei der Besetzung von Polizeistellen Kandidaten der Vorzug gegeben wurde, die von ihr nicht vorgeschlagen worden waren, und schließt daraus, dies beeinträchtige das Beratungsmandat. Das ist deutliche Kritik. Deswegen ist es dringend erforderlich, der afghanischen Seite deutlich zu machen, dass Hilfe eigene Anstrengungen gegen Korruption voraussetzt.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte. Es geht uns auch um eine bessere Kontrolle solcher Mandate durch das Parlament, insbesondere was den Einsatz des KSK, den dieses Mandat beinhaltet, angeht. Wir haben klar gesagt, dass das Parlament das Recht braucht, von der Regierung informiert zu werden. Das ist wichtig, weil ein Einsatz des KSK, das verdeckt operiert, zu einer Mystifizierung führt, die, verbunden mit Gerüchten, Mutmaßungen und Verdächtigungen Vorschub leistet.

Daran kann auch die Regierung kein Interesse haben. Deswegen gehen wir davon aus, dass wir uns gemeinsam darauf verständigen, dass das Parlament über diese Einsätze zukünftig besser informiert wird.

Vielen Dank.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Der bisherige Verlauf der Debatte veranlasst mich, einige klarstellende Bemerkungen zum Mandat für die Operation "Enduring Freedom" zu machen.

Erster Punkt. Auch wenn wir hier sicherlich eine Debatte über die Erfolge in Afghanistan und darüber führen, was in Afghanistan noch zu verbessern ist - ich werde dazu gleich noch etwas sagen -, so muss doch deutlich werden, dass sich dieses Mandat nicht allein auf Afghanistan bezieht, sondern dass der gesamte Krisenbogen vom Maghreb über das Horn von Afrika, die arabische Halbinsel und Zentralasien bis hin zum Nordkaukasus mit einbezogen wird.

Ich werde im Laufe meiner Rede auch noch darauf eingehen, welche Entwicklungen es dort gibt - ein Stichwort ist zum Beispiel Somalia -, die wir mit zu berücksichtigen haben.

Zweiter Punkt. Der Kollege Klose hat den Ausdruck "Koalition der Willigen" in diesem Zusammenhang zutreffend verwendet. In der Tat teile ich seine Kritik, dass es besser gewesen wäre, die Bündnissolidarität unmittelbar nach dem 11. September 2001 zu betonen. Der Ausdruck "Koalition der Willigen" hat bei uns eine Konnotation erhalten, als handele es sich dabei um Ad-hoc-Bündnisse, die außerhalb völkerrechtlicher Vereinbarungen und Grundlagen bestehen.

(Beifall der Abg. Monika Knoche (DIE LINKE))

- Frau Kollegin Knoche, das trifft für dieses Mandat ausdrücklich nicht zu; denn dieses Mandat fußt auf einer klaren völkerrechtlichen Grundlage in Form von mehreren Resolutionen der Vereinten Nationen so wie Art. 5 des NATO-Vertrages.

Auch die Diskussion, die in den internationalen Gremien - in der Europäischen Union, in der NATO und vor allem auch in den Vereinten Nationen - seitdem geführt worden ist und fortgesetzt wird, zeigt, dass es eben nicht nur um den Einsatz von Militär geht, sondern dass es ein Vorhaben der gesamten internationalen Gemeinschaft ist, den Terrorismus umfassend zu bekämpfen und sich seiner Ursachen anzunehmen. Die Operation "Enduring Freedom" ist dafür kein hinreichender, aber ein wesentlicher und wichtiger Beitrag, der in ein politisches Gesamtkonzept eingebunden ist und auch weiterhin eingebunden bleibt.

Dritter Punkt. Ich will im Zusammenhang mit dem Einsatz des KSK auch auf die Information des Parlaments eingehen. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, als gehe es bei diesem Mandat insbesondere um die Verlängerung des KSK-Einsatzes in Afghanistan. Das ist in dieser Schlichtheit ebenfalls nicht richtig. Aufgrund dieses Mandats werden zwar auch wieder 100 Kräfte für den KSK-Einsatz in dem von mir beschriebenen geografischen Raum zur Verfügung gestellt, aber es geht ausdrücklich nicht alleine um den Einsatz des KSK in Afghanistan.

In diesem Zusammenhang will ich auch darauf hinweisen, dass seit der Regierungsübernahme der großen Koalition kein einziger KSK-Soldat im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" eingesetzt worden ist. Die Bundesregierung weist in ihrem Bericht darauf hin, dass der letzte Einsatz im Mai 2005 stattgefunden hat und dass im Oktober 2005 - also vor der Regierungsübernahme der großen Koalition - die letzten KSK-Soldaten aus Afghanistan abgezogen worden sind. Deswegen finde ich es, freundlich gesagt, problematisch, dass die Grünen einen Vorgang, für den sie selbst die Regierungsverantwortung getragen haben, jetzt zum Anlass nehmen, diesem Einsatz nicht weiter zuzustimmen.

Auch die vorgelegte Argumentation ist nicht überzeugend. Sie könnten eigentlich nur sagen, dass Sie die Operation "Enduring Freedom" nicht weiter fortsetzen wollen, es sei denn, dass Sie die Position vertreten, dagegen zu stimmen, weil die Mehrheit im Hause sowieso gesichert ist. Das wäre aber nicht sonderlich verantwortungsvoll und das will ich Ihnen auch nicht unterstellen. Das heißt, Ihre Ablehnung könnte nur dann Sinn machen, wenn Sie wirklich der Überzeugung wären, dass wir uns aus dieser Operation zurückziehen sollten und dass - das müsste ja die nächste politische Forderung sein - diese Operation nicht weiter fortgesetzt werden sollte. Das würde wiederum die politische Analyse voraussetzen, nach der sich die Situation in Afghanistan Ihrer Meinung nach so weit stabilisiert hat, dass man auf die Operation "Enduring Freedom" dort und auch in anderen Regionen verzichten kann.

Diese Analyse ist doch wirklich abenteuerlich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in Ihren Redebeiträgen in dieser Debatte darauf eingehen würden, was Ihr eigener Parteifreund Tom Koenigs - Herr Klose hat in seiner Rede aus diesem beeindruckenden Interview mehrfach zitiert - zur Lage in Afghanistan gesagt hat, und wie Sie sich vorstellen, wie der erforderliche militärische Beitrag ohne "Enduring Freedom" gewährleistet werden kann.

Eines ist völlig klar: Wenn wir Ihrem Vorschlag folgen würden, dann wäre die Anforderung an uns, im Rahmen des ISAF-Mandates mehr Truppen in den Süden zu schicken, daraus die logische Konsequenz. Sie würden kein vernünftiges Argument finden, diese Anforderung zurückzuweisen. Bündnissolidarität innerhalb der NATO kann nicht so funktionieren, dass die einen allein die Verantwortung für Stabilisierungsaufgaben und die anderen allein die für Kampfeinsätze übernehmen. Das kann nicht funktionieren.

Wer Bündnissolidarität und Konsultationen im Bündnis möchte, der muss zu einer Arbeitsteilung, einem Burden Sharing bereit sein, sodass die gefährlichen Einsätze eben nicht nur auf den Schultern der einen und die Stabilisierungsaufgaben, so schwierig sie auch sein mögen, auf den Schultern der anderen abgeladen werden.

Die Bundesregierung selbst spricht davon, dass wir es in Afghanistan mit einem zweigeteilten Land zu tun haben. Es ist offensichtlich, dass die Schwierigkeiten, die mit "Enduring Freedom" bekämpft werden sollen und auch bekämpft werden, insbesondere im Süden und Südosten des Landes auftreten. Daraus aber die Konsequenz zu ziehen, sich aus der Operation "Enduring Freedom" zurückzuziehen, ist nun wirklich unverantwortlich und mit der Analyse und der wichtigen Arbeit, die Tom Koenigs für die Vereinten Nationen in Afghanistan leistet, nicht vereinbar. Das ist in Ihrer eigenen Argumentation ein unüberwindbarer Widerspruch.

Ich will kurz einen Punkt aufgreifen, den auch der Kollege Klose angesprochen hat: Ich bin mir nicht sicher, dass sich die Bundesregierung mit dem hier festgelegten Truppenansatz für das gesamte Jahr der Mandatsdauer die erforderliche Flexibilität erhält, die nötig ist, wenn wir den Terrorismus in Afghanistan, aber auch in anderen Ländern engagiert bekämpfen wollen. Ich gehe davon aus, dass dieser Entscheidung eine sorgfältige Analyse zugrunde gelegen hat, auf deren Basis uns die erforderlichen Reserven bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zur Verfügung stehen. Es ist eine militärische Binsenweisheit, dass man ohne die erforderlichen Reserven nicht in eine solche Auseinandersetzung ziehen darf.

Ich will etwas zu der Frage der politischen Begleitung, der Plafondierung des Kampfes gegen den Terrorismus sagen. Dabei will ich gleichzeitig deutlich machen, dass ich den Begriff "Kampf gegen den Terrorismus" im Grunde für falsch halte. Beim Terrorismus geht es an sich nicht um eine Ideologie, sondern es geht beim Terrorismus um eine Methode, mit der eine Ideologie durchgesetzt werden soll. Bei dieser Ideologie handelt es sich um eine extremistische Spielart, eine Denkschule innerhalb des Islam, die totalitär ist, die keinen Unterschied zwischen Politik und Religion macht, die religiöse Toleranz nicht kennt und der jedes Mittel recht ist, die eigenen Interessen und die eigene Ideologie durchzusetzen.

Diese Spielart des islamistischen Extremismus gibt es spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie hat mit der Gründung der Muslimbrüderschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Ägypten erstmals organisatorisch Gestalt angenommen und damit in den politischen Kampf Eingang gefunden. Sie ist vor allem eine Bewegung, die innerhalb des Islam kämpft. Deswegen ist die Analyse, die wir immer wieder hören, wonach bei allen auftretenden Schwierigkeiten im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus der Kernkonflikt die Auseinandersetzung zwischen den Israelis und den Palästinensern sei, falsch. Richtig ist - das sehen wir bei der Auseinandersetzung innerhalb der palästinensischen Gebiete -, dass die Auseinandersetzung im Islam stattfindet, und zwar zwischen der radikalen Bewegung auf der einen Seite und den moderaten Kräften auf der anderen Seite.

Zwischenfrage Dr. Diether Dehm (DIE LINKE):

Herr Kollege, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie soeben Ihre Definition von "Terrorismus" ganz auf den Islam fokussiert haben?
Habe ich Sie auch richtig verstanden, dass Sie dabei den Terrorismus des christlichen Fundamentalisten George Bush völlig ausklammern?


Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Der zweite Teil Ihrer Frage, Herr Kollege, ist selbst unter Ihrem Niveau.

Zum ersten Teil will ich nur sagen: Ich bin dabei, eine extremistische Tendenz innerhalb des Islam zu beschreiben. Das heißt überhaupt nicht, dass wir nicht auch andere Formen des Terrorismus kennen. Gerade die Geschichte Ihrer Partei zeigt, dass es in der Geschichte unseres eigenen Landes auch andere Formen des Terrorismus gegeben hat. Wenn Sie Interesse daran haben, können wir uns darüber gerne einmal etwas länger unterhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP - Oskar Lafontaine (DIE LINKE): Sie meinen die Nazis in Ihrem Verein oder wen meinen Sie?)

- Nein, Herr Kollege Lafontaine, ich spreche - aber diese Form der Geschichtsverdrängung ist bei Ihnen auch nichts Neues - zum Beispiel von den Terroristen der RAF, die unter anderem in der DDR Unterschlupf gefunden haben und deren Ausbildung in der arabischen Welt auch von Ihrer Partei mit koordiniert worden ist.

Die Rechtsnachfolge haben Sie aus politischen Gründen bewusst nicht gebrochen.

Es ist Ihre Sache, wenn Sie Interesse daran haben, diese Diskussion zu führen. Ich finde, sie gehört jetzt nicht hierher. Terrorismus im umfassenden Sinne und seine Erscheinungsformen bilden jedoch ein Kapitel, über das in diesem Zusammenhang zu reden ist.

Zurück zur Frage des islamistischen Fundamentalismus. Die Folge daraus und die Konsequenz für unser eigenes Handeln ist, dass wir darauf achten, die moderaten Kräfte innerhalb des Islam zu unterstützen. Das ist ein wesentlicher Punkt dieses politischen Konzepts. Dabei müssen wir insbesondere auch auf die Transformation achten, die dafür erforderlich ist. Das Ansehen der Fatah-Bewegung in den palästinensischen Gebieten hat deswegen so sehr gelitten, weil sie als korruptionsanfällig gilt. Deswegen ist es unsere Aufgabe, einerseits die moderaten Kräfte zu stärken, andererseits aber auch auf eine Transformation in der islamischen Welt hinzuwirken, die Korruption bekämpft und dafür sorgt, dass erste Standards insbesondere in der Rechtsstaatlichkeit eingeführt werden, damit die Menschen in der Region erkennen, dass das Unternehmen, das wir gemeinsam gegen den islamistischen Fundamentalismus, gegen den Terrorismus führen, auch in ihrem Interesse ist.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zur Entwicklung in Somalia sagen. Wir müssen leider feststellen, dass sich die Sicherheitslage am Horn von Afrika durch die politischen Unruhen erheblich verschlechtert hat. Die Bundesregierung geht in ihrem Bericht darauf ein. Wir stellen fest, dass auch dort zur Stabilisierung der Handelswege, zum Schutz eines friedlichen Austausches der Einsatz der Bundeswehr weiterhin erforderlich ist. Insbesondere die Gefahren, die mit dem Umsturz und den politischen Unruhen, die wiederum beispielsweise zu einem Anstieg der Piraterie in dieser Region geführt haben, verbunden sind, müssen von "Enduring Freedom" entschlossen angegangen werden.

Es gibt immer mehr Schwierigkeiten aufgrund der Verknüpfung der Gefahren in der internationalen Politik. Wir können zum Beispiel die Frage der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht mehr so vom islamistischem Extremismus, von Failing States trennen, wie das vielleicht noch unmittelbar nach 9/11 der Fall gewesen ist. Deswegen kommen neue und wichtige Aufgaben auf uns zu.

Die Fortsetzung dieses Mandats ist erforderlich, damit wir die kommenden Gefahren abwehren und den politischen Prozess der Terrorismusbekämpfung, der Fundamentalismusbekämpfung entschlossen und erfolgreich fortsetzen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Oskar Lafontaine (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt den Antrag, den Kampfeinsatz der deutschen Bundeswehr im Rahmen dieses Mandats zu verlängern, ab. Wir begründen dies damit, dass schon die Überschrift dieses Mandats falsch ist. Das Mandat ist überschrieben mit "Enduring Freedom" - andauernde Freiheit. Nach unserer Auffassung wäre es besser, "andauernder Krieg" zu sagen. Dieser Kampfeinsatz dauert nun schon mehrere Jahre und verfehlt auch seine Ziele.

Man sollte aber nicht nur "andauernder Krieg" sagen. Unserer Überzeugung nach wäre es noch besser, von "Enduring Terrorism", also von "andauerndem Terrorismus", zu sprechen.

Ich will begründen, warum wir im Gegensatz zur Mehrheit dieses Hauses zu diesem Ergebnis kommen. Wir haben Sie immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht möglich ist, den Terrorismus zu bekämpfen, ohne zu wissen, was Terrorismus eigentlich ist. Einer der zuständigen Beamten hat, als der Entwurf eines Gesetzes zur Erstellung der Antiterrordatei vorgelegt wurde, dankenswerterweise zum ersten Mal eine Definition des Begriffes Terrorismus vorgenommen. Ich empfehle Ihnen, diese Definition zu lesen. In diesem Satz steht, dass solche Personen zu terroristischen Kreisen gehören, die rechtswidrig Gewalt als Mittel zur Durchsetzung international ausgerichteter politischer Belange anwenden oder eine solche Gewaltanwendung unterstützen, vorbereiten, befürworten oder durch ihre Tätigkeit vorsätzlich hervorrufen.

Das deckt sich mit der Definition, die ich hier immer wieder vorgetragen habe. Sofern die deutsche Sprache überhaupt noch einen Sinn hat, fällt diese Mission, die Sie unterstützen, in genau diese Kategorie. Das ist der Widerspruch, in dem Sie sich befinden und den Sie nicht auflösen können. Jawohl, der vorhin bereits angesprochene Präsident der Vereinigten Staaten hat rechtswidrig Gewalt angewendet. Nach dieser Definition ist er jemand, der - sofern die deutsche Sprache überhaupt noch einen Sinn hat - terroristisch vorgeht.

Wir werden mit großem Interesse verfolgen, wie Sie mit der Antiterrordatei umgehen bzw. welche Klimmzüge Sie veranstalten, um deutlich zu machen, dass diese Datei so auszulegen ist, dass Angehörige des muslimischen Glaubens, die rechtswidrig Gewalt anwenden, Terroristen sind, dass aber jemand aus der westlichen Welt, der rechtswidrig Gewalt anwendet, kein Terrorist ist. Aus diesem Widerspruch werden Sie nicht herauskommen.

Ich möchte jetzt auf den geschätzten Kollegen Klose eingehen, der in sehr sachlicher Form vorgetragen hat, wie er seine Befürwortung des Antrags auf Verlängerung des Mandats begründet. Der Kern seiner Aussage war, dass man diesen Kampf mit militärischen Mitteln allein nicht gewinnen könne. Er hat dies wie folgt präzisiert:

Wer aber meint, er könne ganz und gar auf militärische Mittel verzichten, der redet sich die Lage schön. Manch einer, der so redet, weiß das auch, was die Sache nicht besser macht. Zweifel sind erlaubt. Reden wider besseres Wissen nicht.

Das waren sehr nachdenkliche Ausführungen zum Einsatz militärischer Mittel.

Ich möchte dazu Folgendes sagen: Natürlich kann man militärische Mittel, wenn man den Frieden bewahren bzw. "enduring freedom" herstellen will, nie völlig ausschließen. Die Fragen sind aber: Wie werden sie angewandt? Auf welcher Grundlage werden sie angewandt? Und vor allen Dingen: Werden sie im Rahmen des Völkerrechts angewandt?

Wer das Völkerrecht nicht zur Grundlage seines Vorgehens macht, wird den Terrorismus nicht bekämpfen, sondern ihn immer wieder befördern.

Ich möchte dem Kollegen Klose unsere Position entgegenhalten: Das Völkerrecht ist nicht nur die Gewährleistung dafür, dass UNO-Beschlüsse, auf die er auch Bezug genommen hat, eingehalten werden. Das Völkerrecht wird verletzt, und zwar grob verletzt, wenn in immer größerer Zahl unschuldige Zivilisten ums Leben kommen, was die Genfer Konvention strikt verbietet. Dieser Kampfeinsatz verstößt permanent gegen die Genfer Konvention.

Dies ist der Grund, warum der Einsatz militärischer Mittel in diesem Fall nicht vom Völkerrecht gedeckt ist. Dies ist der Grund, warum wir sagen: Wer so vorgeht, der schützt unser Land nicht, sondern erhöht die Terroranschlagsgefahr in unserem Land; darauf haben die Geheimdienste immer wieder hingewiesen. Weil die beiden Missionen Enduring Freedom und ISAF eng miteinander verwoben sind - darauf hat Herr Klose hingewiesen -, ist das eine logische Konsequenz. Man muss allerdings bereit sein, diese Konsequenz zur Kenntnis zu nehmen.

Seitdem die NATO in immer größerem Umfang im Süden Afghanistans bombt, ist dieser Einsatz absurd geworden. Es ist doch kein Wunder, wenn die Nachfahren der Opfer dieser Bombenkämpfe eines Tages Terrorattentate bei uns in Deutschland und in anderen NATO-Staaten verüben. Genauso wie heute gesagt wird, dass unsere Freiheit bzw. unser Land am Hindukusch verteidigt wird, werden sie eines Tages sagen, dass sie ihre Ehre und ihre Familien in den NATO-Staaten verteidigen. Das ist dieselbe Logik. Das müssen auch Sie eines Tages nachvollziehen.

Ich fasse zusammen: Dieser Einsatz wird scheitern. Sie und die anderen Fraktionen werden eines Tages hier stehen - das prophezeie ich Ihnen - und eine Verlängerung dieses Mandats ablehnen. Wir appellieren an Sie: Kehren Sie rechtzeitig um! Dieser Einsatz ist nicht zu gewinnen. Er fördert den Terror, statt ihn zu minimieren.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Bitte bzw. einer Aufforderung an die Frau Bundeskanzlerin und den Herrn Außenminister beginnen. Frau Merkel, wir haben vor wenigen Wochen den Beschluss gefasst, deutsche Soldaten zur Unterstützung des UNIFIL-Mandats auf See vor dem Libanon einzusetzen.

Ich möchte Sie bitten, alles zu unternehmen, was der Bundesregierung möglich ist, um zu erreichen, dass die Israelis aufhören, permanent gegen die Resolution der Vereinten Nationen zu verstoßen. Der jüngste Zwischenfall im Zusammenhang mit den französischen Soldaten gefährdet meines Erachtens das ganze UNIFIL-Mandat. Es ist notwendig, liebe Frau Merkel, dass Sie sich nicht nur in Bezug auf die deutschen Schiffe auf See, sondern auch in Bezug auf die Landflüge über dem Libanon engagieren und dafür eintreten, dass solche Zwischenfälle in Zukunft unterbleiben.

Ich fordere Sie zu diesem Schritt auf, weil sonst das gesamte Mandat gefährdet wird.

Nachdem wir dem Mandat für die Operation Enduring Freedom in Afghanistan fünfmal zugestimmt haben - viermal in der Regierung und einmal in der Opposition -, werden wir heute seiner Verlängerung nicht zustimmen. Die große Mehrheit der Fraktion wird mit Nein stimmen; ein bedeutender Teil wird sich enthalten. Ich will das begründen.

Wir haben unsere Position, dass man in Afghanistan etwas unternehmen muss und dass auch der militärische Kampf gegen den Terrorismus notwendig ist, nicht aufgegeben. Unsere heutige Entscheidung ist auch nicht als Exitstrategie der Grünen in Bezug auf Afghanistan zu verstehen. Wir haben vor wenigen Wochen mit großer Mehrheit der Verlängerung des ISAF-Mandats zugestimmt.

Uns geht es um Folgendes: Im letzten Jahr eskalierten die Berichte der Militärs und - auch deutscher - Diplomaten, die unisono unmissverständlich klar machen - auch die Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Afghanistan, die vor wenigen Wochen bei uns zu Besuch waren, haben das bestätigt -, dass die Art und Weise, wie die OEF in Afghanistan durchgeführt wird, nicht geeignet ist, die Bevölkerung gegen die Taliban und für den neuen Staat, die Interessen der Völkergemeinschaft und das Nation Building einzunehmen; vielmehr wird der notwendige Kampf gegen den Terrorismus systematisch in seiner Legitimation untergraben. Das ist der Hauptgrund, warum wir diesmal nicht zustimmen können, Frau Merkel.

Wenn wir als Parlamentarier entscheiden, deutsche Soldaten möglicherweise in Kampfeinsätze zu schicken, dann müssen wir uns vor unserem Gewissen mehrere Fragen stellen. Dabei geht es zum einen um die Risiken - solche Einsätze sind riskant - und zum anderen um die Frage, ob das definierte Ziel, einen relevanten Beitrag gegen den Terrorismus leisten zu können, mit der Art des Mandates erreicht werden kann.

Wir meinen, dass bei dem OEF-Mandat wenig praktische Mitgestaltung möglich ist. Aus diesem Grund können wir nicht verantworten, der Verlängerung des Mandats zuzustimmen, wie Sie es begehren.

Das ist auch eine Antwort auf die Frage von Frau Homburger und Herrn von Klaeden. Ich will an dieser Stelle die Frage an Sie zurückgeben. Sie haben gefragt: Was wollt ihr eigentlich? Im letzten Jahr keinen KSK-Einsatz auf Land im Rahmen von OEF. - Ich verstehe nicht, Herr von Klaeden, wie man vor diesem Hintergrund jetzt vor dem Hohen Hause die deutsche Zustimmung als unverzichtbar darstellen kann.

Ich habe den Verdacht - das sollten wir klären -, dass einige die Vorstellung haben, dass wir im Falle unserer Zustimmung zur OEF - in der Hoffnung, dass wie im letzten Jahr keine Anforderung erfolgt - leichter um die unangenehme Diskussion in der NATO herumkommen, wie es mit dem ISAF-Mandat weitergehen soll. Aber mit dieser billigen Mogelpackung kommen wir aus der internationalen Verantwortung nicht heraus, ganz zu schweigen von der NATO-Konferenz in Riga am Ende dieses Monats. Ihre Argumentation stimmt meines Erachtens nicht. Das kann nicht funktionieren.

Interessant war die Argumentation von Herrn Klose. Er hat immer von der Stärkung der NATO gesprochen. Tom Koenigs hat in seinem Interview nur davon gesprochen, die NATO dürfe nicht verlieren. Aber heute geht es nicht um das NATO-Mandat ISAF, sondern um Enduring Freedom, was, wie wir alle wissen, kein NATO-Mandat ist.

Die Rede von Herrn Klose war eine Rede für eine Verstärkung der NATO-Arbeit im Rahmen von ISAF sowie vielleicht sogar für eine Neukonzeption von ISAF und für Überlegungen, ob zwischen ISAF und OEF weiterhin so getrennt werden kann wie bislang. Aber die Rede war mit Sicherheit keine Begründung für die Zustimmung zur Verlängerung des OEF-Mandats. Davon hat auch Tom Koenigs nicht geredet.

Ich will versuchen, die Differenz zwischen Enduring Freedom und dem ISAF-Mandat darzulegen. Das ISAF-Mandat ist eindeutig ein NATO-Mandat. Es gibt eine politische Plattform, auf der die Aufgaben und die Ziele bestimmt werden. Es gibt Rules of Engagement, die festlegen, wie das Mandat auszuführen ist. Das heißt, wir haben zusammen mit der Bundesregierung bei diesem Mandat direkt mitzureden. Auf der NATO-Konferenz in Riga am Ende dieses Monats wird es eine intensive Diskussion darüber geben, ob es mit militärischen Mitteln allein noch zu schaffen ist. Es gibt Aussagen des NATO-Generalsekretärs, die auf eine Neubestimmung hindeuten.

Enduring Freedom hat einen anderen Charakter. Wir haben dort offensichtlich nichts zu melden. Ohne aus geheimen Sitzungen zu berichten, kann ich aufgrund der Unterrichtungen, die es gegeben hat, sagen: Nie war das Schweigen der Bundesregierung lauter, wenn wir gefragt haben, was im Rahmen der Operation Enduring Freedom konkret geschieht und welchen Einfluss die Bundesregierung hat.

Sie haben immer über ISAF geredet, wenn wir nach Enduring Freedom gefragt haben. Das gibt Aufschluss über das Problem. Haben Sie nach den Berichten etwa des deutschen Botschafters in Kabul, der meine Analyse voll teilt, versucht, die Regeln, nach denen die OEF funktioniert, zu ändern, Frau Merkel? Haben Sie mit Bush geredet? Herr Außenminister, haben Sie mit der Außenministerin der Vereinigten Staaten darüber geredet, wie man den Kampf im Rahmen der OEF so gestalten kann, dass er nicht den Kampf gegen den Terrorismus insgesamt delegitimiert? Ich glaube, Sie haben es nicht getan. Jedenfalls haben Sie uns keinen entsprechenden Hinweis gegeben. Das wäre angesichts der krisenhaften Zuspitzung des OEF-Mandats in Afghanistan im letzten Jahr aber notwendig gewesen. Deswegen werden wir der Verlängerung des OEF-Mandats nicht zustimmen können.

Sie haben nach den Alternativen gefragt. Es hat Veränderungen gegeben. Die Truppenstärke im Rahmen von ISAF ist verdreifacht worden. Vieles, was zuvor im Rahmen von Enduring Freedom gemacht wurde, wird nun im Rahmen von ISAF durchgeführt, zum Beispiel Lufttransporte. Die Fragestellung, was sich vor Ort verändert hat und ob es jetzt noch verantwortbar ist, einer Verlängerung des OEF-Mandats zuzustimmen, ist nicht obsolet; denn vieles ist in Afghanistan bereits Realität geworden.

Herr Verteidigungsminister, Sie müssen ehrlicher werden. Gestern gab es eine interessante dpa-Meldung über Ihren Besuch in Kiel. Dort haben Sie - in Vorbereitung auf Riga - gesagt: Wir werden keine deutschen Soldaten in den Süden Afghanistans schicken. Des Weiteren haben Sie ausgeführt, dass die Arbeitsteilung zwischen dem, was wir im Norden machten, und dem, was andere NATO-Mitglieder im Süden machten, gut und sehr effektiv sei. Dann sagten Sie, Herr Jung, wörtlich:

Die Menschen sollen deutlich spüren, dass wir nicht Besatzer sind, sondern dass wir dazu da sind, diesem Land zu helfen.

Ein bemerkenswerter Satz. Das können wir unterschreiben. Aber in Bezug auf wen haben Sie diesen Satz eigentlich gesagt? Haben Sie das in Bezug auf OEF gesagt? Dann wäre der Antrag der Bundesregierung heute eine Unverschämtheit.

Haben Sie das in Bezug auf ISAF gesagt, dann, so finde ich, ist die Arbeitsteilung interessant. Die anderen NATO-Länder agieren also als Besatzer, während wir dies nicht tun. Ich finde, Sie müssen sich präziser ausdrücken, wenn Sie darüber sprechen. Ich würde Ihnen raten, mit einem solchen Satz nicht nach Riga zu fahren.

Ich komme zum Schluss. - Wir stimmen heute nicht zu, weil wir die Art und Weise, wie im Rahmen der OEF gekämpft wird, für delegitimierend in Bezug auf Nation Building und den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus halten. Wir werden weiterhin und würden auch heute dem ISAF-Mandat zustimmen, weil das ein vernünftiges Mandat ist, zu dem wir stehen. Ich glaube, damit ist die Position meiner Fraktion erklärt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Petra Heß (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich meinen Respekt auch für diejenigen im Parlament zum Ausdruck bringen, die sich mit der Entscheidung zum Einsatz von OEF schwer tun; denn das zeigt, dass die Debatte von der überwiegenden Mehrheit des Hauses mit sehr großer Nachdenklichkeit, mit einem hohen Maß an Verantwortung und vor allen Dingen nicht leichtfertig geführt wird.

Es ist wohl die schwierigste Entscheidung, die das Parlament in der zurückliegenden Zeit bezüglich eines Einsatzes der Bundeswehr treffen musste. Ich gebe aber zu bedenken, dass sich der Einsatz, über den wir heute abstimmen, in den deutschen außen- und sicherheitspolitischen Gesamtansatz einfügt und ein wichtiges Element desselben darstellt. Deutschland verfolgt mit seiner Außen- und Sicherheitspolitik einen umfassenden, einen präventiven und einen multinationalen Ansatz. Das umfassende Element resultiert aus der Erkenntnis, dass erfolgreiche Krisen- und Konfliktbewältigung nur durch die Kombination von zivilen und militärischen Mitteln erfolgen kann. Ich wünschte mir in diesem Zusammenhang übrigens wesentlich mehr Informationen und Berichte auch in den Medien von zahlreichen positiven Beispielen ebendieser zivil-militärischen Zusammenarbeit.

Es gibt nämlich in Afghanistan inzwischen eine Regierung und vor allen Dingen ein gewähltes Parlament, das sich zu über 27 Prozent aus Frauen zusammensetzt. Mädchen können wieder in die Schule gehen. Kinder dürfen wieder auf der Straße spielen, ohne mit der Todesstrafe rechnen zu müssen. 70 Prozent der Bevölkerung können eine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Zu Zeiten der Talibanherrschaft waren das gerade einmal 9 Prozent. Es wurden Brunnen gebohrt und Straßen gebaut. Es sind bestimmt nur viele kleine Schritte, aber es sind auch für die Afghanen sichtbare Schritte in die richtige Richtung und das ist ein Ergebnis dieses eben erwähnten umfassenden Ansatzes. Deshalb werden unsere Soldaten dort nicht als Besatzer wahrgenommen, sondern als Begleiter auf dem Weg hin zu Frieden und Entwicklung.

Ein umfassender Ansatz bringt nämlich politische, zivile, ökonomische und militärische Mittel verzahnt zum Einsatz, damit sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Die Operation Enduring Freedom ist dabei eine spezielle militärische Komponente dieses Gesamtansatzes.

Trotz der immer prekärer werdenden Sicherheitslage ist es unbedingt erforderlich, dass ISAF die Wiederaufbauarbeit kontinuierlich fortsetzen kann. Auch dazu brauchen wir, mein sehr geschätzter Herr Kollege Kuhn, unterstützend OEF. Damit diese Kontinuität erreicht werden kann, wird im Rahmen der Operation Enduring Freedom dafür Sorge getragen, dass die terroristischen Nachschubwege unterbrochen werden und ein Wiedererstarken der Taliban verhindert wird. Nur so kann Afghanistan die Stabilität gegeben werden, die das Land für eine friedliche Entwicklung so dringend benötigt.

Auch wir haben ein ureigenes Interesse an einer Befriedung Afghanistans; denn Terrorismus macht eben nicht vor unserer Haustüre halt, sondern findet auch in Europa statt. Deshalb zielt der präventive Ansatz der Außen- und Sicherheitspolitik darauf ab, Krisen, Konflikte und Instabilitäten möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen. Während ISAF in diesem Zusammenhang ermöglicht, die friedliche und demokratische Entwicklung in Afghanistan zu fördern und zu festigen, um der jetzigen Generation und vor allem der zukünftigen Generation eine Perspektive jenseits von Armut und Gewalt zu bieten, tragen wir gemeinsam mit circa 20 Nationen im Rahmen von OEF dazu bei, den Schutz vor einem Wiedererstarken der Taliban durch die dauerhafte Unterbindung der Kommunikations- und Transportwege und den aktiven Kampf gegen noch bestehende terroristische Verbände zu gewährleisten. So unterbindet beispielsweise die Marine im Rahmen von OEF am Horn von Afrika allein durch ihre Präsenz, aber auch durch gezielte Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen traditionelle Transportwege terroristischer Kräfte und schränkt damit den Zugang zu potenziellen Rückzugsgebieten ein.

Auch damit wird eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederaufbauarbeit in Afghanistan gewährleistet.

Vergessen Sie bitte in diesem Zusammenhang nicht, dass ein Rückzug von den Unterstützungsleistungen der Stabilisierungs- und Wiederaufbauarbeit in Afghanistan einer Entsolidarisierung mit den Vereinten Nationen gleichkommen und zudem die engagierte Arbeit von tausenden von Menschen - auch vieler Deutscher, die in Hilfsprojekten seit Jahren tätig sind - infrage stellen würde. Ein Ablassen von der Wiederaufbauarbeit in Afghanistan käme einer Aufkündigung unseres multinationalen Engagements und damit auch einer Schwächung der Vereinten Nationen gleich.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat nämlich erst unlängst die Staaten erneut dringend zur Zusammenarbeit aufgefordert, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu bekämpfen.

Wenn also die Bundeswehr im Rahmen von ISAF zusammen mit unseren Verbündeten in Afghanistan vor Ort Wiederaufbauarbeit leistet, schaffen unsere Soldatinnen und Soldaten zusammen im Rahmen von OEF und Hand in Hand mit unseren Verbündeten im Wesentlichen die Voraussetzung dafür, dass ISAF in der bisherigen Form weitergeführt werden kann. Hierfür möchte ich den Soldatinnen und Soldaten, aber auch den zahlreichen zivilen Helferinnen und Helfern sowie ihren Familien, die - in welchem Bereich auch immer - diesen Einsatz mittragen und unterstützen, in der ihnen gebührenden Form danken.

Glauben Sie denn wirklich, dass Menschen in Zukunft bereit sein werden, die in Afghanistan so dringend benötigte humanitäre Hilfe zu leisten, wenn der Schutz durch militärische Präsenz vor Ort gänzlich fehlt?

Genau an dieser Stelle muss folgende kritische Bemerkung erlaubt sein: Vor diesem Hintergrund zeugt es nicht gerade von Glaubwürdigkeit, wenn einige Kolleginnen und Kollegen eben noch für ISAF ihre wohl überlegte und begründete Zustimmung gegeben haben, aber einer Verlängerung des OEF-Einsatzes nunmehr ablehnend gegenüberstehen, zumal das neue Mandat an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst wird. In welcher Form das geschieht, haben wir eben schon gehört.

Lassen Sie uns die Augen nicht davor verschließen: Die Lage in Afghanistan ist sehr ernst. In den nächsten Monaten wird die Entscheidung fallen, ob es gelingt, Afghanistan zu stabilisieren. Es sind noch mehr Anstrengungen der beteiligten Nationen gefordert. OEF als eine der Voraussetzungen für das erfolgreiche Gelingen von ISAF muss vor diesem Hintergrund verlängert werden, auch um die militärisch-zivile Zusammenarbeit nicht zu gefährden.

Nur wenn alle Nationen - Nationen, die sich Werten wie Freiheit, Demokratie und Bürgerrechten verpflichtet fühlen - an einem Strang ziehen, haben wir eine Chance, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus erfolgreich zu führen und vor allen Dingen zu gewinnen.

Ich danke Ihnen.

Dr. Rainer Stinner (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns in diesem Hause über eine Tatsache weitestgehend einig: Der Kampf gegen den Terrorismus ist notwendig. Aber der Kampf gegen den Terrorismus ist mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen. Darüber herrscht, glaube ich, breiter Konsens in diesem Hause.

Gleichwohl bedarf es auch heute noch der militärischen Komponente. Auch das sollte unstrittig sein. Diese Komponente brauchen wir, weil das Militär ein Teil - aber auch nur ein Teil - dieses Kampfes ist. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.

Wir stimmen heute zu. Unsere Zustimmung ist aber verbunden mit der Erwartung an die Bundesregierung, diese militärischen Einsätze stärker als bisher in ein gesamtpolitisches Konzept einzubinden, um deutlich zu machen, welches politische Ziel mit diesen Einsätzen verbunden ist. Es stellt sich die Frage nach der Strategie bei OEF. Über das Ziel sind wir uns einig: Wir wollen den Terrorismus bekämpfen und möglichst besiegen. Aber ich bezweifele, dass wir eine gemeinsame Gesamtstrategie haben - Strategie heißt: Weg zum Ziel -, dass im Bündnis wirklich Konsens darüber besteht, mit welchen Mitteln wir dieses Ziel gemeinsam erreichen wollen.

Nach unserem Dafürhalten ist es dringend notwendig, dass wir uns über die Strategie, wie wir dieses Ziel erreichen wollen, stärker austauschen und Pflöcke einschlagen. Dazu beizutragen, ist Aufgabe der Bundesregierung. Wir werden in der Parlamentarischen Versammlung der NATO nächste Woche in Quebec darüber sprechen. Primär ist es natürlich Aufgabe der Exekutive, mit den Bündnispartnern darüber zu reden.

In den letzten Monaten hat ISAF von OEF den Süden und mittlerweile auch den Osten Afghanistans übernommen. Wenn man aber sieht, was jetzt im Süden stattfindet und wie dort gearbeitet und gekämpft wird, dann könnte man der Meinung sein: Eigentlich hat OEF dieses Gebiet von ISAF übernommen und nicht umgekehrt. Wir müssen über die Relation dieser beiden Mandate dringend deutlicher sprechen.

Eines ist völlig klar: Für den Erfolg in Afghanistan geht es nicht nur darum, was wir tun, sondern insbesondere darum, wie wir es tun.

Daher müssen wir neben unsere Rules of Engagement - wir müssen über sie reden; manchmal streiten wir auch über sie - etwas anderes stellen: Rules of Behaviour, also Regeln, wie wir eigentlich vorgehen sollen. Denn nur durch Rules of Behaviour, durch Verhaltensregeln, können wir dafür sorgen, dass wir gemeinsam Erfolg haben. Darüber muss geredet werden.

Wir erwarten von der Bundesregierung aber auch, dass sie uns über die Dauer des Gesamtmandats aufklärt. Ein wesentlicher Bestandteil des Gesamtmandats ist, Herr Minister, der Einsatz am Horn von Afrika. Im Augenblick befindet sich sogar die überwiegende Zahl unserer Soldaten im Auslandseinsatz dort. Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie lange die Schiffe dort eingesetzt werden sollen: So lange, bis der letzte Terrorist besiegt ist? Das kann ja wohl nicht sein.

Oder müssen wir nicht doch ehrlicher mit uns selber umgehen? Vielleicht sollten wir feststellen: Der Sinn des Mandats für den Einsatz am Horn von Afrika ist nicht nur die Bekämpfung des Terrorismus, sondern auch die Wahrnehmung anderer - vitaler - Interessen unseres Landes, zum Beispiel das Interesse an sicheren See- und Handelswegen. Jeder, der da war, weiß, dass es ganz wichtig ist, Informationen zu bekommen und diese Region entsprechend abzusichern.

Lassen Sie mich ein Wort zu den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen sagen. Sie lehnen diesen Antrag heute ab. Sie haben eine Abwägung vorgenommen und begründen Ihr Verhalten. Ich respektiere Ihre Begründung, auch wenn ich sie in diesem Zusammenhang für falsch halte. Ich bitte Sie wirklich, einmal darüber nachzudenken, mit welchen Vokabeln Sie uns bedacht haben, als wir vor einigen Wochen und Monaten uns anders entschieden haben. Das war eine schwierige Entscheidung. Wie Sie wissen, haben wir nicht alle dieselbe Entscheidung getroffen. Hier einige Vokabeln, mit denen Sie unser Verhalten beschrieben haben: innenpolitisch motiviert, populistisch, nicht sachorientiert usw. Ich bitte Sie herzlich: Rüsten Sie diesbezüglich ab!

Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, dass Ihre Argumentationslinie jedenfalls respektiert wird, dann tun Sie dies bitte auch in Bezug auf unseren Standpunkt. Herr Kuhn, Frau Künast und andere, das ist ein kleiner Wink für die Zukunft. Herr Nachtwei, ich weiß, Sie haben in Ihrer Fraktion eine Sonderrolle eingenommen. Das begrüße ich natürlich sehr. Aber die anderen machen es eben anders. Ich hoffe, ich habe Ihrer Karriere, Herr Nachtwei, jetzt nicht zu sehr geschadet. Das wäre sehr bedauerlich.

Völlig klar ist: Diese militärischen Einsätze müssen in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sein. Abschließend möchte ich kritisch bemerken: Leider gibt das Weißbuch zu wenig her, um über die gesamte politische Konzeption von militärischen Einsätzen Kenntnis zu erlangen. Die Diskussion muss angestoßen werden. Sehr geehrte Damen und Herren Minister, Frau Bundeskanzlerin, die Art, wie Sie die Diskussion über das Weißbuch angestoßen haben, und die Tatsache, dass Sie zu manchen Inhalten wenig konkret Stellung genommen haben, lassen leider befürchten, dass diese Diskussion in diesem Land nicht so umfassend geführt wird, wie es dringend geschehen müsste.

Vielen Dank.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Mit Ausnahme der Fraktion der Linken und insbesondere Herrn Lafontaines herrscht, glaube ich, Einigkeit darüber - das war den Reden in der Debatte heute Morgen zu entnehmen -, dass der Terror gegen Staaten des transatlantischen Bündnisses nach wie vor ein besonders besorgniserregendes Phänomen darstellt. Dies ist der Grund unserer Beteiligung an der Operation "Enduring Freedom". Das Mandat hat seine Grundlage auch in den Vereinten Nationen und dem Nordatlantischen Vertrag. Deshalb sind wir seit 2001 an diesem Einsatz beteiligt. Nicht nur wir sind an diesem Einsatz beteiligt, sondern über 20 Nationen.

Der Antrag der Bundesregierung, über den wir heute debattieren und entscheiden werden, lautet, dieses Mandat über den 15. November 2006 hinaus erneut für zwölf Monate zu verlängern.

In der heutigen Debatte ist meiner Meinung nach der Fokus zum Teil etwas zu stark auf Afghanistan gerichtet worden. Natürlich sind ISAF und Operation "Enduring Freedom" miteinander zu sehen. Wir müssen allerdings auch beachten, dass der deutsche Beitrag in Afghanistan nur einen relativ geringen Anteil darstellt; das galt ganz besonders in den letzten zwölf Monaten. Kollege von Klaeden hat schon darauf hingewiesen: Das beginnt ja am Horn von Afrika und geht über den Kaukasus bis hin zum Hindukusch.

Nach 2 800 Kräften maximal, die wir für diese Operation ja nie im Einsatz hatten, wird die Höchstgrenze jetzt auf 1 800 festgelegt. Ich will auch einmal darstellen, wie sich das auf die verschiedenen Kräfte verteilt, weil das offenbar nicht alle gelesen haben: 1 100 Seestreitkräfte, 100 Spezialkräfte, 200 Lufttransportkräfte, 200 Unterstützungskräfte und 200 Sanitätskräfte. Deshalb ist unser Beitrag am Horn von Afrika der wesentliche Teil.

Die deutschen Marinekräfte sind in der Tat der wichtigste Teil bei unserer Teilnahme am internationalen Kampf gegen den Terrorismus. Unsere Marinekräfte haben in den vergangenen zwölf Monaten über 2 380 Schiffe abgefragt. Sie haben 180 Schiffe einer genauen Prüfung unterzogen. Sie haben 14 Schiffe mit so genannten Boarding-Teams eingehend untersucht. Es ist, glaube ich, wichtig, auch einmal darauf hinzuweisen, was da getan wird und dass da nicht Kräfte im Einsatz sind, die sich mehr oder weniger nur die Zeit vertreiben.

Der Grund für diesen Einsatz ist, dass der Zugang zu den Rückzugsgebieten der Terroristen verwehrt werden soll und dass die Transportwege, auf denen Waffen und Munition bewegt werden, auf denen sich aber auch die Terroristen selbst bewegen, unterbrochen werden sollen.

Es bleibt absolut notwendig, den Strukturen des internationalen Terrors Aufmerksamkeit zu widmen und alles daranzusetzen, diese Strukturen zu zerschlagen.

Es ist für mich deshalb wirklich völlig unverständlich, dass Sie von der Fraktion der Grünen - Herr Kuhn, was Sie getan haben, war nichts anderes, als Salz süß zu reden - hier aussteigen wollen; denn es war ja Ihr Parteikollege Joschka Fischer als Außenminister, der damals nach dem 11. September 2001 vehement speziell für dieses Mandat geworben hat. Der Kollege Klose hat Tom Koenigs - auch ein Parteikollege von Ihnen - zitiert, der darauf hingewiesen hat, dass wir in diesem Kampf nicht nachlassen dürfen.

Natürlich ist uns allen bewusst, lieber Kollege Nachtwei - Sie werden hier im Haus niemanden finden, der eine andere Meinung hat -, dass die militärische Komponente nur eine Komponente bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Wir debattieren aber heute nicht nur über diese Komponente der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, sondern wir müssen auch entscheiden, ob wir unsere Beteiligung an der Operation "Enduring Freedom" um weitere zwölf Monate verlängern. Angesichts dessen ist es mir schlicht und einfach unverständlich, dass Sie von den Grünen sich jetzt aus diesem Einsatz zurückziehen wollen.

Leistungsfähige Kontingente der deutschen Streitkräfte sind im Einsatz und sind in die Gesamtheit der Antiterroroperationen eingebracht worden. Sie haben sich bei den Partnernationen hohes Ansehen erworben, zum einen aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit, zum anderen aber auch durch die Art, wie sie sich für die Menschen vor Ort einsetzen. Ich möchte von dieser Stelle unseren Soldatinnen und Soldaten Dank aussprechen, dass sie diesen Einsatz für unser Land und die Menschen in diesen Gebieten leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Zwischenfrage Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Kollege Kurt Rossmanith, Sie sind Sicherheitspolitiker, Sie sind auch Reserveoffizier. Aus beiden Erfahrungsbereichen wissen Sie, dass wir den Soldaten, die wir in einen Einsatz schicken, konkret und überzeugend vermitteln müssen, dass dieser Einsatz nicht nur grundsätzlich notwendig ist, sondern konkret auch zweckmäßig und verantwortbar ist. Ich habe in den letzten Tagen festgestellt, dass dieser Einsatz - ich habe immerhin zwölf Jahre Erfahrung in diesem Bereich - von der Bundesregierung so schlecht wie noch kein Einsatz zuvor begründet wurde. Ergreifen Sie jetzt die Chance, die Bundesregierung aus der Bredouille herauszubringen, und sagen Sie konkret, warum die deutsche Beteiligung an der Operation "Enduring Freedom" zweckmäßig und verantwortbar ist und weshalb die Hinweise, dass der Einsatz in Afghanistan immer kontraproduktiver geworden ist und inzwischen zur Gewalt- und Hassspirale beiträgt, nicht stimmt!


Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Lieber Kollege Nachtwei, das würde ich gerne tun. Ich glaube aber, dann wäre der Präsident nicht sehr glücklich mit mir.
Lassen Sie mich kurz drei Punkte nennen.

Erstens bin ich der Meinung, dass die Begründung, die die Bundesregierung für ihren Antrag gegeben hat, überzeugend ist.

Zweitens habe ich mit den Soldaten gesprochen und habe Ihnen, Herr Kollege Nachtwei, ja bezüglich unserer Seestreitkräfte aufgezeigt - ich könnte das für die anderen Streitkräfte auch noch machen, aber den wesentlichen Teil stellen ja unsere Seestreitkräfte dar - - Lieber Kollege Nachtwei, im letzten Absatz der Begründung dieses Antrags hat die Bundesregierung noch einmal dargelegt, dass sie die Information des Parlaments und der Fraktionsvorsitzenden entsprechend fortführen wird. Das ist für mich das entscheidende Moment.

Drittens weiß ich - ich bin nämlich häufig draußen bei den Soldaten, da ich noch aktiver Reservist bin -, dass die Soldaten aus Einheiten, die häufig in Einsätzen sind, nicht nur im Rahmen der "Enduring-Freedom"-Operation, sondern auch in anderen Operationen, sehr wohl wissen, welchen Auftrag sie wahrzunehmen haben, und dass sie sich dabei vom Parlament getragen wissen. Gerade deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, hier keine Spaltung vorzunehmen, sondern in einer breiten Mehrheit in diesem Parlament den Soldaten, denen wir diesen schwierigen und sehr gefährlichen Auftrag geben, zu zeigen, dass sie vom Parlament in toto - wenn ich die Linken einmal ausnehme - getragen werden.

Dr. Norman Paech (DIE LINKE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung möchte nun auch im sechsten Jahr die Bundeswehr am so genannten Antiterrorkrieg der USA beteiligen.

Unsere Fraktion hat das im vorigen Jahr abgelehnt und - ich wiederhole es; Oskar Lafontaine hat es bereits gesagt - wir lehnen es auch heute wieder ab, und zwar nicht, weil uns plötzlich die Hässlichkeit des Krieges durch geschmacklose Bilder von deutschen Soldaten präsentiert wird - so abscheulich das ist. Aber es muss vollkommen klar sein: Diese Bilder sind harmlos im Verhältnis zu dem, was täglich dort und in anderen Kriegen passiert.

Wir sind von Anfang an gegen die Operation "Enduring Freedom" gewesen, und zwar weil wir befürchtet haben, dass sie letztlich nur das produziert, was sie bekämpfen will, nämlich Krieg und immer weiteren Terror. Wir werden durch die Entwicklung des letzten Jahres leider bestätigt. Der Terrorismus ist nicht der klassische Feind und Gegner, den man mit den klassischen Mitteln des Krieges bekämpfen kann. Er hat faktisch in allen Ländern seinen Nachwuchs, seine Versorgungsdepots und seine Schlafstätten. Sie müssten eigentlich die ganze Welt unter Terrorverdacht stellen und einen permanenten Ausnahmezustand verkünden.

Die Geheimhaltung rund um das KSK ist - das haben jetzt alle begriffen - nicht akzeptabel. Was allerdings nie geheim war, ist der Auftrag der Bundeswehr unter dem OEF-Mandat. Ich bitte Sie, bevor Sie hier zur Entscheidung schreiten, sich dieses Mandat noch einmal anzusehen. Seit November 2001 befinden wir uns in einem Verteidigungskrieg und es gehört zu den Aufgaben der Bundeswehr - ich zitiere -,

Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten.

Aber gleichzeitig berichtet uns die Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage hin, dass die Bundeswehr genau das nicht tut. Die Bundeswehr nehme nämlich gar keine Personen fest und sie wisse auch nicht, ob Personen, die von Streitkräften anderer Länder festgenommen werden, vor Gericht gestellt würden.

Die Bundesregierung konnte uns auch nicht erklären, was eigentlich der Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika mit Terrorismusbekämpfung zu tun hat. Dafür bestätigt sie allerdings indirekt unsere Vermutung, dass der Begleitschutz durch die Bundesmarine vor Dschibuti viel mit dem Irakkrieg zu tun hat. Auf der Liste der Bundesregierung stehen fast ausschließlich Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens. Auffällig hoch war die Zahl der eskortierten Kriegsschiffe kurz vor dem Angriff auf den Irak im Februar und im März 2003.

Sie rechtfertigen den Einsatz nun schon lange mit der Behauptung, es finde immer noch ein bewaffneter Angriff auf die USA statt. Mir ist vor allem eines bekannt, dass es nämlich die USA sind, die in diesen fünf Jahren einen bewaffneten Angriff unternommen haben, und zwar auf den Irak. Es ist abenteuerlich, wie die Bundesregierung hier das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der UNO-Charta biegt und verdreht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor Sie nun entscheiden, lesen Sie doch bitte noch einmal im Antrag nach, was der Auftrag der Bundeswehr im Rahmen der Operation "Enduring Freedom" tatsächlich ist. Von Bündnissolidarität steht dort nirgends etwas. Wenn Sie schon uns nicht folgen wollen, dann folgen Sie diesmal den Grünen: Lehnen Sie den Antrag ab und verabschieden Sie sich heute von einer Mission, die wirklich keinen wirksamen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leistet und auch nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist!

Eine letzte Bemerkung in Richtung Bundesregierung. Blicken Sie einmal auf die USA, die offensichtlich jetzt beginnen, ihre Irakstrategie zu überdenken und zu verändern. Es wäre Bündnissolidarität, wenn auch Sie jetzt daran gingen, Ihre Strategie zu überdenken. In den USA wurde der ehemalige Verteidigungsminister schon Opfer entsprechender Überlegungen. Ich finde aber, kein Opfer ist zu groß, um die zurzeit gültige Strategie endlich zu ändern.

Danke sehr.

Detlef Dzembritzki (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, dass wir hier mit großer Ernsthaftigkeit die Debatte führen. Mich bewegen natürlich insbesondere die Argumente der Grünen, weil wir bis letztes Jahr gemeinsam eine Politik betrieben haben, die auch die Einsätze, die heute besprochen werden, einschloss. Dankenswerterweise hat mir der Kollege Nachtwei seine Positionsbeschreibung zur Verfügung gestellt. Denn noch vor wenigen Tagen haben wir sehr intensiv in Hammelburg über die Fragen globaler Verantwortung diskutiert.

Interessant ist - ich denke, man kann es so sagen -, dass die Grünen bestätigen, dass die Bedrohung der internationalen Sicherheit durch Netzwerke und Akteure des internationalen Terrorismus weiter anhält, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine zentrale Herausforderung für die internationale Gemeinschaft bleibt und dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der NATO und der OSZE ihren Beitrag zu leisten hat. Diese Aufgabe ist nicht kurzfristig, sondern nur mit langem Atem, Augenmaß und Konsequenz zu bewältigen. Ich denke, dem kann man voll und ganz zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie sagen sogar, dass die Einsätze von KSK-Soldaten im Rahmen von OEF klar von Einsätzen im Rahmen von ISAF in Afghanistan zu unterscheiden seien. Letztere seien notwendig und zum Schutz eigener ISAF-Kräfte ausgesprochen hilfreich. Wenn dem so ist, dann verstehe ich nicht, dass dieser Teil der Argumentation nicht die notwendige Berücksichtigung findet.

Dass wir einen Teil der internationalen Verantwortung zu tragen haben, ist ein entscheidendes Argument. Sie sprechen davon, dass die transatlantische Komponente beeinträchtigt sein könnte. Mich ärgert bei dieser Diskussion, dass die transatlantische Zusammenarbeit ausschließlich auf die USA und uns projiziert wird. Ich will aber betonen, lieber Herr Kollege Nachtwei, dass auch Kanada dazugehört. Schauen wir uns einmal den Beitrag der kanadischen Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Einsatzkräfte an. Unsere große Sorge ist, dass wir unsere Argumentation nicht in die internationale Gemeinschaft transportieren können, wenn wir uns aus dieser Gesamtverantwortung zurückziehen. Dadurch könnte der Eindruck entstehen - ich will das jetzt nicht überspitzen, aber ich will es zumindest andeuten -, wir würden uns generell aus dieser Verantwortung zurückziehen. Ich denke, das steht uns nicht an.

Es ist sehr interessant - ich will in meiner restlichen Redezeit auf Afghanistan zu sprechen kommen -, dass wir über diesen Punkt des Antrages am intensivsten diskutieren. Daran kann man sehen, dass wir größte Sorgen haben, dass das Projekt nicht erfolgreich sein könnte. Deswegen sage ich immer wieder: Es kommt nicht darauf an, Exit-Strategien zu entwickeln - wir sollten auch nicht auf ein Scheitern hoffen, um aus der Mission aussteigen zu können -, sondern wir müssen Erfolgsstrategien entwickeln, die in Verbindung mit einer Exit-Strategie gesehen werden müssen. Alles andere ist abzulehnen.

Ich will jetzt nicht weiter auf die Trennung von OEF und ISAF eingehen, weil meine Redezeit nur knapp bemessen ist. Ich will aber etwas zu den Spezialkräften sagen: Das Parlament wurde auf dem dafür vorgesehenen Weg über die Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses informiert. Offenbar reicht diese Information aber nicht aus. Deswegen war es richtig, dass die Bundesregierung am 25. Oktober erklärt hat, eine intensivere Informationspolitik in diesem sensiblen Bereich betreiben zu wollen. Darauf werden wir achten.

Generell sollte die Berichtstattung seitens der Bundesregierung zu Afghanistan in Umfang, Qualität sowie in der Vernetzung und Verzahnung militärischer und ziviler Leistungen, die wir für notwendig halten, besser werden. Man muss die Kohärenz deutlich erkennen können. Wir in unserer Fraktion werden das jedenfalls intensiv verfolgen und darauf achten. Ich ermutige also die Bundesregierung, die eigene Kohärenz zu stärken; der Verteidigungsminister hat das gestern erfreulicherweise in Agenturmeldungen erklärt.

Aber das Bemühen, Kohärenz herzustellen, muss natürlich - Herr Kuhn, einen Teil Ihrer Argumentation will ich durchaus aufgreifen - auf die internationale Zusammenarbeit übertragen werden. Das heißt, dass man sich mit seinen Partnern auseinander setzen muss. Angesichts der Diskussion im Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten sind auch wir Parlamentarier gefordert. Wir sind in der Parlamentarischen Versammlung der NATO und in der Versammlung der Westeuropäischen Union vertreten. Wir haben uns dort mit einzubringen und den Veränderungsprozess, der in den USA zurzeit stattfindet und sich in der Entlassung des Verteidigungsministers und der Stärkung derjenigen Kräfte ausdrückt, die einen anderen Dialog führen wollen, ein Stückchen zu berücksichtigen und diese Kräfte nicht vor den Kopf zu stoßen.

Ein konkretes Problem will ich aufgreifen: den Polizeiaufbau in Afghanistan. Dies ist ein Zweig, der die zivile Sicherheit verstärken soll. Wir sind dort verantwortlich; Herr Dr. Stinner, Sie haben das zu Recht angesprochen. Von der Qualität her machen wir eine ordentliche Arbeit; darüber haben wir schon im Parlament gesprochen.

Wir alle wissen aber, dass das quantitativ überhaupt nicht ausreicht. Nun wende ich mich einmal an das Parlament, an uns als Kolleginnen und Kollegen: Wir werden dazu bald eine Debatte führen; denn in der nächsten Sitzungswoche ist der Haushalt zu beraten. Wenn wir meinen, dass die jetzt vorgesehenen Mittel nicht ausreichen - ich meine das; wir müssen die Mittel verstärken; wir müssen zu einer höheren Quantität und zu einer besseren Verzahnung in den dezentralen Bereichen kommen -, dann müssen wir auch überlegen, wie wir in diesem Bereich etwas zulegen können. Mit den Millionen, die wir dafür vorgesehen haben, kommen wir nicht aus.

Das ist doch objektiv nicht zu leugnen. Wir dürfen nicht im Parlament große Debatten führen und mit dem Finger auf die Regierung zeigen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, den parlamentarischen Stempel aufzudrücken. Das fordere ich von uns ein.

Ich fordere aber auch die Regierung auf, zu schauen, was wir auf europäischer Ebene tun können. Es gibt zum Beispiel den Europäischen Entwicklungsfonds. Wir haben in diesem Zusammenhang einmal spontan 250 Millionen Euro für afrikanische Friedensfazilitäten zur Verfügung gestellt. Warum kann so etwas in dieser dringenden, schwierigen und brenzligen Situation in Afghanistan nicht auch getan werden? Warum schafft man es nicht, europäische Kapazitäten zu bündeln und temporär einzubringen?

Ich denke, dass es wirklich lohnenswert wäre, noch einmal darüber nachzudenken. Denn wir allein werden die Probleme in Afghanistan nicht bewältigen. Dies ist eine internationale Herausforderung, eine internationale Aufgabe. Wir müssen sie erfolgreich zum Abschluss bringen.

Vielen Dank.

Holger Haibach (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beschließen, ist immer ein schwieriges Geschäft. Das erfordert viel Nachdenken und es ist immer eine Gewissensentscheidung. Deswegen habe ich großen Respekt vor jedem, der sich heute anders entscheidet. Wir sollten die Debatte aber ehrlich und gut fundiert führen.

Herr Kollege Paech, deshalb sage ich in Ihre Richtung: Hören Sie endlich auf, die Dinge miteinander zu vermischen! Wir reden heute nicht über den Krieg im Irak, sondern wir reden über die Verlängerung der Operation "Enduring Freedom". Das ist etwas, was auf einer ganz klaren völkerrechtlichen Grundlage basiert, was auf einer ganz klaren völkerrechtlichen Grundlage stattfindet. Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen.

Wenn Sie mir nicht glauben, dann schauen Sie einmal in den Antrag der Bundesregierung. Da heißt es in Nr. 2:

Die Fortsetzung erfolgt auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen, des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ...

Man kann hier also wirklich nicht von einem völkerrechtswidrigen Vorgehen sprechen. Ich finde, Sie sollten endlich damit aufhören!

Mein zweiter Punkt richtet sich an den Kollegen Lafontaine: Zu Ihrer Totalverweigerung hat der Kollege Nachtwei interessanterweise während der Debatte, die wir vor einem Jahr über diesen Einsatz geführt haben, einen sehr interessanten Satz gesagt, den ich mit Genehmigung des Präsidenten zitiere:

Die Konsequenzen Ihrer Forderung, bezogen auf Afghanistan, sind ganz eindeutig und klar: volle Bewegungs- und Anschlagsfreiheit für die Taliban- und andere Terrorgruppen und Zerstörung des UN-mandatierten Stabilisierungsprozesses, der schon schwierig genug ist.

Das war damals wahr, das ist auch heute richtig. Deshalb kann ich die heutige Entscheidung der Grünen einfach nicht verstehen und nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie etwas von der veränderten Rolle von ISAF mitgekriegt? Nein!)

- Ich weiß, dass Sie sehr gern über die veränderte Rolle von ISAF sprechen, Herr Kollege Nachtwei. Ich würde Sie gern beim Wort nehmen. Im letzten Jahr haben Sie dazu Folgendes gesagt:

Umgekehrt: Ohne Enduring Freedom keine ISAF, keine Stabilisierungschance für Afghanistan. Deshalb hat sich Präsident Karzai - übrigens im Unterschied zu den Formulierungen im Antrag der Linkspartei - ausdrücklich für die Präsenz dieser Truppen ausgesprochen.

Wenn es richtig ist, dass OEF sozusagen der Rückhalt, der backbone des Einsatzes für ISAF ist - diese Operation ist natürlich wesentlich mehr; das wissen wir alle und das ist auch in der heutigen Debatte schon deutlich angeklungen -, dann sollten wir auch die Konsequenz ziehen und klar sagen: Jawohl, wir unterstützen auch weiterhin dieses für die Stabilisierung in Afghanistan wichtige und unabdingbare Mandat.

Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch darüber Gedanken machen müssen, wie die Zukunft der beiden Mandate aussehen muss und wie wir den Stabilisierungsprozess in Afghanistan weiter vorantreiben müssen. Das ist vollkommen richtig. Es bedeutet auch nicht, dass wir einfach weitermachen können. Wir müssen nur zur Kenntnis nehmen: Momentan ist die Kombination aus Operation "Enduring Freedom", “Active Endeavour“ und ISAF nicht ersetzbar. Ich glaube, das ist die Grundlage, auf der wir heute diskutieren müssen. Das müssen wir gemeinsam zur Kenntnis nehmen. Deshalb wird meine Fraktion mit ganz großer Mehrheit ganz deutlich sagen: Jawohl, wir unterstützten auch weiterhin den Kurs, den die Bundesregierung an dieser Stelle eingeschlagen hat.

Natürlich wurde heute auch viel über Interessen gesprochen. Es ist über unser Interesse gesprochen worden, an dieser Stelle zu sagen: Jawohl, die Bekämpfung des Terrorismus und die Stabilität in dieser Region sind für uns wichtige Dinge, die wir leisten wollen und müssen. Als jemand, der sich inzwischen mehr als vier Jahre lang im Bereich der Menschenrechte betätigt, sage ich auch: Die Stabilisierung kann nur dann funktionieren, wenn wir es schaffen, neben den militärischen Aspekten dieser ganzen Angelegenheit auch alle anderen Maßnahmen, die zum Beispiel unter die Begriffe Nation Building, Demokratisierungsprozess, Ausbildung, Austausch fallen, anzugehen und konsequent zu verfolgen. Auch das ist in der heutigen Debatte schon sehr häufig angeklungen.

Das Folgende, glaube ich, muss an dieser Stelle auch erwähnt werden. Wir haben oft erlebt, dass die internationale Staatengemeinschaft nach schlimmen Ereignissen - denken Sie an Srebrenica, an Ruanda und an viele andere Katastrophen - gesagt hat: Das wollen wir nicht noch einmal erleben, das werden wir nicht noch einmal zulassen. Meine Damen und Herren, es gibt schon genügend Gedenktage für schlimme Ereignisse. Lassen Sie uns mit der heutigen Entscheidung dafür sorgen, dass in Zukunft nicht noch ein weiterer Gedenktag hinzukommt!

Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abstimmungsergebnis

Damit war die Aussprache beendet. Anschließend wurde über den Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen (Drucksache 16/3366) abgestimmt. Der Antrag wurde abgelehnt.

Der Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung des Militäreinsatzes Enduring Freedom wurde wie folgt abgestimmt:
436 Abgeordnete stimmten mit Ja, 101 mit Nein, 26 Parlamentarier enthielten sich der Stimme.


Quelle: Deutscher Bundestag, V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG


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