DER NAME DES MÖRDERS: USA
Der Name des Helfers: von Guttenberg
Von U. Gellermann *
Zwei Meldungen kreuzen sich, wie Schiffe auf hoher See, in den Medien.
Zum einen tauchen neue Afghanistan-Papiere im Netz auf und beweisen das,
was alle halbwegs Gescheiten seit Jahren wissen: Der Krieg ist nicht
gewinnbar. Zum anderen wird ein Urteil gegen den früheren
Rote-Khmer-Funktionär Kaing Guek Eav gemeldet. Der Mann war ein
Vollstrecker jener durchgeknallten Mörderbande, die in den siebziger
Jahren an die zwei Millionen Kambodschaner umbrachte. Um die
Afghanistan-Papiere entbrennt gleich eine Diskussion: Ob ihre
Veröffentlichung nicht auch schädlich sei, wird gefragt und behauptet.
Jetzt könnten die Taliban ihre Wirksamkeit erst recht erkennen und die
Öffentlichkeit im Westen ihre tiefe Skepsis gegenüber diesem Krieg
verstärken. Wegen des verurteilten Khmer entsteht keine Debatte. Und
doch haben die Meldungen eine tiefe innere Verbindung: Ihr Name ist USA.
Anfang der siebziger Jahre - die USA wollte den von ihr angezettelten
Krieg in Vietnam dringend gewinnen - putschte sich in Kambodscha, dem
Nachbarland Vietnams, ein General im Auftrag und mit Unterstützung der
Amerikaner an die Macht: Lon Nol. In der Kriegslogik der amerikanischen
Politik war das ein beachtlicher Schlag gegen die Vietnamesen. Weil der
General aber mit einer Opposition im Land kämpfte, eben jenen Roten
Khmer, halfen die USA dem Mann: Mit ihren Flächenbombardements
beförderten die amerikanischen Truppen etwa 200.000 Kambodschaner vom
Leben zum Tod. Und sie verschafften den Roten Khmer Zulauf. Denn in der
Logik der Völker ist eigentümlich begründet, dass sie Bombardements auf
ihre Köpfe nicht leiden können und deshalb die fremden Truppen und ihre
Handlanger aus dem Land haben wollen. Die Roten Khmer siegten im Kampf
gegen den US-Import Lon Nol und begannen das, was man allgemein eine
Schreckensherrschaft nennt.
Weil den Roten Khmer ihr Territorium zu klein erschien und sie ihren
Terror gern weiter ausgedehnt hätten, legten sie sich mit den
benachbarten Vietnamesen an. Ein Krieg entbrannte, die Vietnamesen
siegten, eine neue kambodschanische Regierung versuchte die tiefen
Wunden des Landes zu heilen. Längst war in Washington, Paris oder
London, sogar im beschaulichen Bonn, bekannt, dass die Roten Khmer mit
schöner Konstanz ihr eigenes Volk umbrachten, folterten oder
wegsperrten. Allein in dem Gefängnis, das von dem jetzt verurteilten
Kaing Guek Eav geleitet wurde, quälten die Terroristen etwa 16.000
Menschen zu Tode. Es hätte ein Aufatmen durch die Welt gehen können, als
die Vietnamesen diese Verbrechen beendeten. Aber die Vereinten Nationen,
von den USA dominiert, erkannten weiterhin das Rote-Khmer-Regime als
einzig legitime Vertretung Kambodschas an. Britische Truppen, der
Special Air Service zum Beispiel, schulten die Roten Khmer, die jetzt
als Guerilla gegen die neue Regierung in Kambodscha kämpften. Sie
erhielten sogar die neuesten Panzerabwehrwaffen der guten deutschen
Firma MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm). Die barbarische Logik des
vorgeblich zivilisierten Westens hieß: Der Feind meines Feindes ist mein
Freund.
Ein guter Freund der USA wurde auch ein gewisser Mullah Omar. Dieser
Mullah hatte mit seiner Miliz in Afghanistan gegen die Sowjetunion
gekämpft. Mit der Sowjetunion waren die USA lange und gründlich
befeindet. Deshalb unterstützten sie - mal über Pakistan, mal mit
Direkteinsätzen der CIA - die diversen, antikommunistischen Milizen in
Afghanistan. Als die sowjetischen Truppen abgezogen waren, begann der
Kampf der Milizen untereinander: Jeder wollte die Beute allein besitzen.
Mullah Omar, der seine Truppen nun Taliban nannte, war in diesem Kampf
ziemlich erfolgreich. Auch weil er aus Pakistan (alter Freund der USA)
und aus Saudi Arabien (alter guter Freund der USA) mit Waffen und Geld
unterstützt wurde. Die Taliban waren zu der Zeit schon als das bekannt,
was sie bis heute sind: Eine durchgeknallte Mörderbande, fanatisierte
Religiöse und Meister der Frauenunterdrückung. Aber sie waren auch:
Anti-Iranisch. Und der Iran war ein erklärter Feind der USA. Außerdem
wollte die amerikanische Firma Unocal eine Erdgas-Pipeline zwischen
Turkmenistan und Pakistan bauen. Man brauchte in Afghanistan deshalb ein
Mindestmaß an Stabilität. Das versprachen Mullah Omar und seine
marodierenden Truppen. Bei so viel guten Gründen hatte die US-Regierung
einfach keine Wahl: Sie unterstützte die Taliban.
Die zarte Freundschaft der Amerikaner mit den Taliban zerbrach dann
später. Die Gründe sind bekannt. Und wer kein Freund der USA mehr ist,
der muss "befreit" werden. Ganz sicher gab es nicht wenige Afghanen, die
den Taliban nicht gewogen waren: Zu religiös, zu einseitig auf die
Volksgruppe der Paschtunen ausgerichtet und, mit zunehmender
Herrschaftszeit, auch immer mörderischer. Aber als dann, unter Führung
der USA, fremde Truppen ins Land kamen, wandelte sich die Stimmung. So
manches afghanische Dorf fiel als Kollateralschaden bei den Kämpfen
einfach weg, so manche Rakete traf jede Menge Zivilisten und auch die
tapfere Bundeswehr, mit den USA verbündet, erledigte auf einen Streich
zwei kaputte Tankwagen und über hundert Unbewaffnete, darunter gern auch
Kinder. Der Rüstungskonzern MBB heißt jetzt EADS und ist auch wieder
dabei. Der eigentümlichen Logik der Völker, dass sie fremde Besatzer und
Bomben auf ihre Köpfe nicht mögen, folgen jetzt auch die Afghanen: Sie
wollen die fremden Soldaten und deren Handlanger aus dem Land haben.
Dieser Krieg ist nur verlierbar.
Die Diskussion um den Afghanistankrieg, meint Verteidigungsminister von
Guttenberg, dürfe nicht "politisch strategisch motiviert" sein. Man
gewinnt den Eindruck, dass die deutsche Regierung ihre Minister aus den
geschlossenen Anstalten bezieht: Der Afghanistankrieg hat politisch
begonnen und ist nur politisch zu beenden. Jede militärische
Auseinandersetzung bedarf der Strategie. Dass müsste sogar der
offenkundig schlecht ausgebildete ehemalige Unteroffizier der
Gebirgsjäger Guttenberg wissen. Aber hinter Guttenbergs scheinbar
schwachsinniger Äußerung verbirgt sich das, was er für schlau hält: Nur
nicht jetzt über den Ausstieg aus Afghanistan reden, meint er, keine
politische und strategische Debatte darüber, das wünscht er sich. Und
plädiert so für die Verlängerung des Krieges.
Manchmal erwischen die Völker ihre Mörder. So wie gerade jetzt die
Kambodschaner, Jahrzehnte nach dem Morden, einen ehemaligen Folterer
verurteilen. Leider besteht nur eine geringe Hoffnung, dass die
eigentlich Verantwortlichen für Krieg und Mord, die imperialen Strategen
in Washington oder Berlin, jemals für ihre Taten zur Rechenschaft
gezogen werden.
* Aus: Rationalgalerie. Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer,
27. Juli 2010; www.rationalgalerie.de
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