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Wagenburg um den Verteidigungsminister

Während die Union ihren Star verteidigt, häufen sich Rücktrittsforderungen aus Politik und Wissenschaft *

Der unter Druck geratene Verteidigungsminister zu Guttenberg wird heute (23. Feb.) nicht persönlich zur Fragestunde im Bundestag erscheinen. An der aktuellen Stunde will er dagegen teilnehmen.

Die Rücktrittsforderungen an Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg werden lauter: Nachdem der CSU-Politiker am späten Montagabend angekündigt hatte, er werde auf den Doktortitel verzichten, hat etwa Linksfraktionschef Gregor Gysi den Rücktritt des – noch immer – populären Politikers gefordert.

Gysi gibt sich relativ sicher, dass es soweit kommen wird: »Sie werden den Rücktritt erleben, wann auch immer. Davon bin ich überzeugt«, so Gysi am Montag. Auch von anderen Seiten kommen Rücktrittsforderungen. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach etwa, selbst sogar Professor, nennt Guttenberg einen »sagen wir mal notorischen Schwindler«. Er sei untragbar. Kathrin Vogler, Abgeordnete der LINKEN im Bundestag, hat sogar Strafantrag gestellt: Guttenberg habe sich wegen »falscher Versicherung an Eides statt« und Titelbetruges strafbar gemacht – ihm drohten bis zu drei Jahren Haft.

Aber auch im nicht parteipolitischen Raum sorgt die offenbar weitgehend plagiierte Dissertation weiter für Unbehagen. Am Montag war es mit dem Düsseldorfer Professor Ulrich von Alemann ein staatstragendes Alphatier der westdeutschen Politologie, das Guttenberg zumindest vorerst nicht mehr im Amt sehen will: »Ich hätte es besser gefunden, wenn er sich in aller Bescheidenheit zwei, drei Jahre zurückziehen und eine Auszeit nehmen würde.«

CDU und CSU errichten derweil eine Wagenburg um den adligen Minister mit dem erschwindelten Doktortitel. An der heutigen Fragestunde zu der Causa im Bundestag werde der Minister nicht teilnehmen, kündigte etwa CSU-Landesgruppenchef Stefan Müller an. Die fünf Fragen, die dazu vorlägen, könnten ebenso gut durch die parlamentarischen Staatssekretäre beantwortet werden. Der von SPD und Grünen beantragten Aktuellen Stunde werde der Minister hingegen persönlich beiwohnen. Müller behauptet ferner, dass Guttenberg eine seinerzeit beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages bestellte juristische Ausarbeitung, die in der Doktorarbeit auftaucht, für seine Parlamentsarbeit gebraucht habe. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Guttenberg erneut den Rücken gestärkt.

Die Uni Bayreuth, die dem Plagiat aufgesessen war, will das Manuskript nun in aller Ruhe prüfen. Man werde sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen, so Unipräsident Rüdiger Bormann. Guttenbergs Angebot einer Titelrückgabe erleichtere aber die eigenständig zu fällende Entscheidung.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Februar 2011

Doktorwahn bei der Union treibt absurde Blüten

Kathrin Vogler [DIE LINKE.]: Strafantrag gegen "Minister Googleberg" Pressemitteilung, 22.02.2011

Kathrin Vogler, Bundestagsabgeordnete der LINKEN aus dem Münsterland, hat gegen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg bei der Staatsanwaltschaft in Bayreuth Strafantrag gestellt. Mit seiner in wesentlichen Teilen plagiierten Doktorarbeit habe sich der Minister wegen falscher Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) und wegen Titelbetrugs (§ 132a StGB) strafbar gemacht. Dem Minister droht im Falle einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

"Betrug und Täuschung bei akademischen Titeln ist auch für Adlige kein Kavaliersdelikt", begründet Vogler ihre Anzeige gegen "Googleberg". Als Jurist könne Guttenberg sich auch nicht darauf berufen, er habe nicht gewusst, was er tue, wenn er eine falsche eidesstattliche Versicherung unterschreibt.

Durch die Rückgabe seines Doktortitels will nun Guttenberg eine Überprüfung seiner Dok-torarbeit durch die Hochschule vermeiden. Vogler: "Offensichtlich ist dies eine weitere Vertuschungsstrategie. Wenn die Universität Bayreuth nicht mehr zuständig für die Überprüfung des Doktortitels ist, dann muss ein Gericht feststellen, ob hier bewusst betrogen wurde."

Vogler hatte in der Vergangenheit bereits den Titelbetrug des CDU-Abgeordneten Dieter Jasper zum Thema gemacht, der während des Bundestagswahlkampfs 2009 einen illegal käuflich erworbenen Doktortitel führte. Zur Causa Guttenberg sagt sie: "Guttenberg ist kein Einzelfall in der Union. Die Bedeutung von akademischen Titeln für die politische Karriere treibt bei CDU und CSU absurde Blüten. Ohne Doktortitel scheint man sich dort gewissermaßen nackt zu fühlen. Auf der anderen Seite ist das Unrechtsbewusstsein für Betrug und Täuschung offenbar massiv unterentwickelt, selbst bei Juristen wie Guttenberg. Bei Hinterbänklern ohne juristische Vorbildung kann man vielleicht noch nachsichtig sein, aber ein Verteidigungsminister, der Recht und Unrecht nicht unterscheiden kann, ist absolut untragbar."

Kathrin Vogler, MdB, Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses



Guttenberg – ein Sittenbild

Von Velten Schäfer **

Die Alma Mater hat noch nicht geprüft, doch mit dem »Angebot« Guttenbergs, den Titel »zurückzugeben«, ist es wohl amtlich: Ein Bundesminister, Repräsentant dieses Landes und Befehlshaber seiner Armee hat sich einen akademischen Grad erschwindelt.

Für die Kanzlerin ist diese Lage eigentlich sogar komfortabel: Der Mann, der ihr schon als Nachfolger präsentiert wurde, leckt einstweilen ihre Hände. Und die Sorge um den Stammtisch übernimmt »Bild« mit einer beispiellosen Kampagne. Alles paletti, mag Merkel denken, wer wird 2012 noch über Fußnoten reden?

Hier aber könnte sie irren. Merkel täte gut daran, genau zu verfolgen, wer da neben der Opposition allmählich noch zu grummeln beginnt: emeritierte Juraprofessoren, Germanisten, konservative Politologen. Repräsentanten des Bildungsbürgertums und seiner traditionellen Werte: Ehre, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit – und Bildung um der Bildung willen.

Schon der forsche Außenminister hat mit seiner peinlichen Tirade vom allgemeinen Untergang durch »spätrömische Dekadenz« nicht nur die Armen beleidigt, sondern auch seine historische Unbelesenheit demonstriert. Der Bildungsbürger dachte sich seinen Teil – und wird das nun wieder tun, da Guttenberg die Sitten verspottet. Laut wird es nie werden am Mittagstisch der Bildungsbürger. Aber man könnte auf den nächsten Urnengang verzichten.

** Aus: Neues Deutschland, 23. Februar 2011 (Kommentar)


Guttenberg verzichtet dauerhaft auf Doktortitel ***

Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg( CSU) will wegen der Plagiatsvorwürfe dauerhaft auf seinen Doktortitel verzichten. Bei einer CDU-Veranstaltung am Montagabend (21. Feb.) in Kelkheim bei Frankfurt am Main gestand er Fehler bei seiner Doktorarbeit ein. Er sagte aber, er wolle trotz des Sturms der Kritik seine Aufgabe für die Bundeswehr erfüllen.

Beim erneuten Lesen der Dissertation über das Wochenende habe er selbst Fehler gesehen, fügte er bei seiner ersten öffentlichen Rede seit Beginn der Affäre hinzu. Er habe »an der einen oder anderen Stelle den Überblick über die Quellen verloren«. Er entschuldigte sich bei allen, die er durch seine Fehler verletzt habe - auch bei seinem Doktorvater.

»Die Entscheidung, den Doktortitel, nicht zu führen schmerzt«, sagte zu Guttenberg. Schließlich habe er sieben Jahre in die Arbeit investiert. In Berlin hatte er am Freitag erklärt, er verzichte nur bis zum Ende der Untersuchung durch die Universität Bayreuth auf den Titel: »Ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf die Führung des Titels verzichten.« Diese Einschränkung machte er jetzt nicht mehr.

Zugleich versuchte zu Guttenberg, die Krise durch Witz zu überspielen. »Hier steht das Original, kein Plagiat«, sagte er vor etwa 900 unionsnahen Zuhörern, die ihn begeistert feierten. »Ich bin nicht als Selbstverteidigungsminister gekommen.«

Vor der örtlichen Stadthalle forderte ein halbes Dutzend Demonstranten den Rücktritt des Ministers. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stärkte zu Guttenberg den Rücken. Dieser sei eine der »herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Politik«, sagte Bouffier. »Wir wollen, dass das so bleibt.«

Guttenberg griff auch die Medien an, für die die Doktortitel-Affäre wichtiger sei als der gleichzeitige Tod von drei deutschen Soldaten in Afghainstan. »Es kann keine bedrückendere, traurigere Nachricht geben als das«, sagte er. Er wies die Kritik daran zurück, dass er seine Frau Stephanie vor Weihnachten zu einem Truppenbesuch nach Afghanistan mitgenommen habe. Vor dem nächsten Weihnachtsfest werde er sie wieder mit an den Hindukusch nehmen, bekräftigte Guttenberg frühere Ankündigungen.

*** Aus: Neues Deutschland, 22. Februar 2011


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