Manch' Gold lässt sich nicht versilbern
Das deutsche Militär braucht jeden Cent, denn es leidet unter vielen (echten und angeblichen) Fähigkeitslücken
Die Bundeswehr, der Einzelplan 14, der globale Anspruch und der
gebeutelte Steuerzahler
Von René Heilig *
Am Wochenende verabschiedete Bundespräsident Köhler deutsche
Olympia-Sportler nach Peking. Unter den Teilnehmern sind 127
Bundeswehrsoldaten aus speziellen Fördergruppen. Man rechnet sich Gold
aus - vor allem in Disziplinen, für die zum Gutteil Militärs gemeldet sind.
So gesehen hat die Bundeswehr einige Aussichten auf Gold. Besser noch
als Gold wäre Geld. Man habe zu wenig für zu viele Einsätze. Wollen und
Können sind zweierlei. Dass Friedensgruppen, Linke und zudem eine
Mehrheit der Bevölkerung da eine einfache Lösung parat hätten, nämlich
den Rückzug aus fernen Einsatzorten, wird von Generalinspekteur Wolfgang
Schneiderhan und seinen Haushältern natürlich ignoriert.
In ihren Planungen sind zunächst einmal 5,9 Milliarden Euro Bedarf als
Bezüge und Nebenleistungen für Berufs- und Zeitsoldaten aufgeführt.
Unter der Rubrik Wehrsold der Grundwehrdienstler sind fast 455 Millionen
Euro aufgelistet.
Im Entwurf für den sogenannten Einzelplan 14, also den haushalterischen
Vorgaben für die Bundeswehr, entdeckt man zwischen den Zeilen immer
wieder sogenannte »Fähigkeitslücken«. Mit dem alle Teilstreitkräfte
einbeziehenden Informationssystem kommt man nicht so recht voran. Die
Truppe wird weiter darüber zu meckern haben, dass es der Führung nicht
gelingt, eine für alle kompatible Funkausrüstung zu beschaffen. Auch die
lange gepriesene sogenannte Geschützte Militärische Seeverlegefähigkeit
lässt sich nicht bewerkstelligen. Also muss »weiter untersucht« werden.
Gleiches gilt für so hochfliegende Ziele wie den geplanten Ausbau
kosmischer Fähigkeiten. Die brauchen einen längeren Atem.
Den verschlägt es Angehörigen der Quick Reaction Force ohnehin, wenn sie
in einen »Marder« klettern müssen. Im Norden Afghanistans wird es
derzeit leicht über 50 Grad Celsius heiß. In den Schützenpanzern erwärmt
sich die Luft dann so sehr, dass die Arbeitsschutzvorschriften
eigentlich »Hitzefrei« verlangen. Eine Nachrüstung lohnt bei den
betagten Kettenfahrzeugen angeblich nicht, die neuen Schützenpanzer
»Puma«, zu sehen auf Hochglanzprospekten, sind noch nicht bei der Truppe
angekommen.
Diese Liste von Unzulänglichkeiten könnte man fortsetzen. Doch bedeutet
sie keineswegs, dass die Bundeswehr unterfinanziert ist.
Während man im Entwurf für den kommenden Einzelplan 14 bei der
Beschaffung von Sanitätsmaterial wie im vergangenen Jahr bei 62
Millionen Euro verharrt, legt man bei der Beschaffung von Fahrzeugen
sowie Zubehör um 60 Millionen zu und kommt auf eine Summe von 230
Millionen. 70 Millionen legt man gegenüber 2008 für Kampffahrzeuge zu
und auch der Munitionsverbrauch steigt von 460 auf 480 Millionen.
Die »Beschaffung von Schiffen, Betriebswasserfahrzeugen, Booten,
schwimmendem und sonstigen Marinegerät« soll eine Summe von 580
Millionen erreichen, 2008 waren 360 Millionen im Plan. Schon jetzt ist
klar, dass der Steuerzahler auch künftig tüchtig geschröpft wird. Bis
zum Haushaltsjahr 2014 sind maritime Verpflichtungsermächtigungen in
Höhe von »276 400 tausend Euro« vorgesehen.
Auch beim fliegenden Material fällt die Bundeswehr nicht durch übergroße
Bescheidenheit auf. Für Flugzeuge, Flugkörper und Ähnliches will man 560
Millionen haben. 240 Millionen sind für den Kampfhubschrauber Uhu. Der
mittlere Transporthubschrauber, der in vielen Parametern nicht den
geforderten Stand der Technik erreicht, schlägt mit 330 Millionen zu
Buche. 1,025 Milliarden stehen in der Rubrik »Beschaffung des
Waffensystems Eurofighter« und für das Transportflugzeug A400M werden
hinter der Jahreszahl 2009 rund 235 Millionen veranschlagt.
Auch die Summen, die man für die NATO-Mitgliedschaft aufzubringen hat,
sind gepfeffert. Die AWACS-Systeme wollen ebenso finanziert werden wie
diverse gemischte Stäbe.
Doch manchen ist all das, was da an Forderungen zusammengetragen ist,
nicht genug. So entdeckte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am
Wochenende große Probleme beim »Erhalt wehrtechnischer Kernfähigkeiten«.
Grund: Die geplante Senkung der Forschungsmittel im Wehretat auf 280
Millionen Euro. Das sind zugegeben 25 Millionen weniger als im
vergangenen Jahr. Wesentlich interessanter ist da der Blick auf
angebliche zivile Forschungseinrichtungen, die im Auftrag der Bundeswehr
arbeiten. So ist die Frauenhofer-Gesellschaft e. V. unter anderem
»Trägerin von vier Forschungsinstituten, die überwiegend anwendungsnahe
Aufgaben von wehrtechnischem Interesse bearbeiten«. Ähnlich ist das mit
der Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaft e. V. in
Bonn. Sie sei, so steht es im Planentwurf, »Trägerin von drei
Forschungsinstituten, die überwiegend und auf Dauer anwendungsnahe
Aufgaben von wehrtechnischem Interesse bearbeiten«.
Solch ein Militärbudget ist dem Steuerzahler nur schwer vermittelbar.
Gerade deshalb wird viel Wert auf eine gute Öffentlichkeitsarbeit
gelegt. Es sei deren Aufgabe, »die Bevölkerung mit Bundeswehr und
Bündnis vertraut zu machen und Verständnis für Grundlagen und Ziele
deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu fördern und zu
festigen«. Kostenpunkt: 2,8 Millionen Euro.
Man muss zugeben, die Bundeswehr müht sich zumindest per Planungspapier
so viel Entbehrliches wie möglich zu verkaufen, um noch mehr Geld für
die Rüstung rauszuschlagen. Man bietet Grundstücke genau so an wie
Planungsunterlagen für U-Boote. Doch nicht alles, was glänzt, lässt sich
auch versilbern: Die Goldmedaillen, die Bundeswehrsportler
möglicherweise in Peking holen werden, gehören ganz alleine ihnen.
Sparen ist nicht nur Sache des Ministers und seiner Parlamentarischen
Staatssekretäre. Für die sind - wie im vergangenen Jahr - 450 000 Euro
vorgesehen.
Daran kann es also nicht liegen, dass Hin- und Rückflug der Soldaten ins
Kriegsgebiet Afghanistan nach Art der Billigflieger abgewickelt wird. An
Bord der Luftwaffen-Jets muss Essen und Trinken ordentlich bezahlt
werden. Das Mahl wird im Rahmen der Vollverpflegung vom Sold abgezogen,
jede Cola kostet 80 Cent.
»Akzeptieren ist leichter als verstehen«, sagte dazu ein
Bundeswehroffizier.
* Aus: Neues Deutschland, 5. August 2008
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