Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bundeswehr weltweit

Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik soll durch EU- und NATO-Kriegseinsätze selbstverständlich werden. Der Rüstungshaushalt sieht Umstellungskosten für die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr in Milliardenhöhe vor

Von Claudia Haydt *

Die Bereitschaft der deutschen Regierung, ab Sommer 2008 mit Kampftruppen im Norden Afghanistans (und darüber hinaus?) präsent zu sein, ist ein klares Indiz für eine neue Qualität deutscher militärischer Außenpolitik. Zusammen mit der Beteiligung der Bundeswehr an multinationalen Gefechtsverbänden der NATO Response Force und der EU-Battle­groups wird so, neben der forcierten »Normalität« von Besatzungseinsätzen, Schritt für Schritt die »Normalität« von internationalen Kampfeinsätzen etabliert. Es geht dabei erklärtermaßen um die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und von Transportwegen, um damit sowohl die Energieversorgung als auch die Handelswege des Exportweltmeisters Deutschland zu sichern. Noch wichtiger scheint hiesigen Machtpolitikern die Etablierung des Landes als weltweit auftretender Akteur zu sein. Hierbei kommt eine bemerkenswerte Gleichsetzung von deutschem internationalen Gewicht mit deutschen militärischen Fähigkeiten zum Tragen, die gern mit der Notwendigkeit, global »Verantwortung übernehmen« zu wollen, in Verbindung gebracht wird. Der Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik (CDU), erklärte in den letzten Tagen ganz offen, daß deutsches diplomatisches Gewicht auf der internationalen Bühne nur über stärkere weltweite militärische Präsenz herstellbar sei. Nicht nur aus seiner Sicht gehört dazu auch ein Kampfeinsatz im Süden Afghanistan.

Doch egal, ob diese Kampfeinsätze nun vorerst »nur« im Norden oder auch im Süden stattfinden: Aus diesen Erwägungen ergibt sich ein eindeutig offensiver Charakter deutscher Militärpolitik, eine »Einsatzorientierung« der Bundeswehr, die durch die sogenannte Transformation Zug um Zug ausgebaut wird. Dies zieht auch eine grundlegende Veränderung der Ausrüstung der Bundeswehr für diese neuen Aufgaben nach sich (siehe jW vom 8.2.2008, S. 10/11). Neue offensive Waffensysteme, weltweite Aufklärung und Kommunikation sowie eine größere Mobilität von Truppen, all das sind Fähigkeiten, die aus machtpolitischer Sicht hergestellt oder gesteigert werden müssen. Entsprechend rollt zur Zeit eine massive Aufrüstungswelle an, die durch eine Verpflichtung im Rahmen des Vertrags von Lissabon abgesichert wird.

Aufrüstungsverpflichtung durch EU

Je selbstverständlicher es wird, daß Bundeswehrsoldaten rund um den Globus im Einsatz sind, umso mehr schlägt sich dieser Druck auch auf den Bundeshaushalt nieder. Allein für 2008 stieg der Ansatz für den »Verteidigungshaushalt« (Einzelplan 14) um etwa eine Milliarde Euro auf 29,3 Milliarden. Im Jahr 2010 sollen dann 30 Milliarden in den Haushalt des Verteidigungsministers fließen, wenn bis dahin nicht noch weitere Erhöhungen beschlossen werden. Eine solche Entwicklung scheint sehr wahrscheinlich, da sowohl die zunehmenden Auslandseinsätze im Rahmen von NATO und EU als auch zahlreiche neue Rüstungsprojekte immer mehr Gelder verschlingen, und zwar in einem Umfang, der absehbar den Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung sprengt.

Das Bundesministerium der Verteidigung erklärte am 17. April 2007 in seinem jährlichen Bericht über die Kosten internationaler Einsätze: »Der Einzelplan 14 hat sich zum ›Einsatzhaushalt‹ entwickelt.« Hier wird mit großer Selbstverständlichkeit ausgesprochen, daß mit den Geldern aus dem »Verteidigungs«haushalt faktisch Krieg und Besatzung finanziert werden.

Etwa eine Milliarde Euro verschlingen die »Einsatzbedingten Zusatzkosten« jährlich. Damit werden die Auslandsverwendungszuschläge der Soldaten, der Erhalt von im Einsatz ramponiertem Militärgerät oder auch im Einsatzland benötigte militärische Anlagen bezahlt. Ausrüstungsgegenstände und Bewaffnung, deren Bedarf vor dem Einsatz nicht absehbar war, kosten die Bundeswehr jährlich gut 100 Millionen Euro. Dieser Finanzposten wird von Jahr zu Jahr geringer, da sich bereits die reguläre Rüstungsbeschaffungsplanung an dem Einsatzbedarf der Bundeswehr ausrichtet.

Statt dessen wird diese immer stärker an Kriegführung orientierte militärische Beschaffung zunehmend teurer. Die Einsatzorientierung der Bundeswehr führt auch zu Mehraufwendungen für den Übungsbetrieb, in dem die Soldaten auf ihren Einsatz vorbereitet werden. So wird etwa im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) bei Magdeburg nach Angaben der Bundeswehr »das gesamte Spektrum der wahrscheinlicheren bodengebundenen Einsätze realitätsnah, nachvollziehbar, objektiv, bedarfsgerecht und zukunftsorientiert mit Hilfe modernster Systemtechnik«1 geübt. Übungsbetrieb und hochmoderne Infrastruktur, nicht nur an diesem Standort, werden immer teurer.

Im Artikel 28 des Vertrags von Lissabon wird wiederholt, was bereits im gescheiterten Verfassungsvertrag stand: »Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« Auf die Frage, was dies zukünftig für die deutsche Haushaltspolitik bedeute, antwortete der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Januar 2008: »Demnach dürften die Mitgliedsstaaten hinsichtlich einer (...) Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten nicht untätig bleiben.« Auch wenn dies eine recht vage Formulierung ist, wird eines klar: Abrüstung, besonders dann, wenn diese ernstgemeint ist, stößt auf juristische Probleme. Noch wesentlich rigider werden die Vorgaben, wenn es eine Beteiligung an der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit« (SSZ) gibt – und die deutsche Regierung hat nie Zweifel daran aufkommen lassen, daß sie diese Form der Etablierung eines militärischen Kerneuropas unterstützen wird.

Im Artikel 28a Absatz 6 des Lissabon-Vertrags sowie im zugehörigen Protokoll werden die entsprechenden Regelungen getroffen. Voraussetzung zur Teilnahme an der SSZ sind unter anderem ein Mitmachen in den EU-Battlegroups und Unterstützen gemeinsamer Aufrüstungsprogramme. Für die SSZ gilt laut Gutachten: »Übernommen werden echte Rechtspflichten. (...) Die verbindlichen Formulierungen (...) zeigen, daß es sich hierbei nicht bloß um politische Willenserklärungen handelt.« Die Mitgliedsstaaten der SSZ unterwerfen sich »verbindlichen Zielen für die Höhe der Investi­tionsausgaben für Verteidigungsgüter«. Damit erhalten die Lobbyisten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie Auftrieb. Sie drängen schon seit Jahren darauf, daß ein größerer Anteil des Militärhaushaltes für »rüstungsinvestive Ausgaben« bereitgestellt werden sollen.

Milliarden für Angriffskriege

Wie fast jedes neoliberale Unternehmen arbeitet auch die Bundeswehr daran, einerseits ihre Personalkosten zu senken und andererseits ihre Investi­tionsausgaben zu erhöhen. Im Jahr 2008 fließen etwa sechs Milliarden Euro in den rüstungsinvestiven Bereich. Dieser Anteil soll bis 2012 kontinuierlich auf acht Milliarden gesteigert werden. Dadurch erhöht sich die Investitionsquote im »Einzelplan 14« von 25 auf 30 Prozent. Die Personalkosten sollen gleichzeitig um eine halbe Milliarde sinken. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, daß immer größere Teile des »zivilen« Bundeswehrpersonals in einen der zahlreichen Private-Public-Partnership-Betriebe ausgelagert werden. Beispiele dafür sind die Heeresinstandsetzungslogistik, das Informationstechnikprojekt »Herkules« oder der Bundeswehrfuhrpark. Insgesamt hat die Bundeswehr Betreiberverträge im beachtlichen Umfang von 1,5 Milliarden Euro jährlich abgeschlossen. Profiteure dieser Kooperation sind bekannte Größen wie die Diehl Stiftung, Rheinmetall Landsysteme, Krauss-Maffei Wegmann oder IBM.

Solche Sparmaßnahmen beim Personal ermöglichen es außerdem, Gelder für Rüstungsmaßnahmen freizusetzen, die lediglich den Charakter einer Förderung der Rüstungsindustrie haben und nicht einmal militärisch funktional sind. Dies soll nicht als Plädoyer für militärisch effiziente Rüstung mißverstanden werden, sondern lediglich erläutern, daß die Verbindung von politischen Entscheidungsträgern mit dem militärisch-industriellem Komplex so eng ist, daß gelegentlich die Rüstungsförderung Priorität vor allen anderen Erwägungen erhält. So werden in den nächsten Jahren weitere Milliarden in das Luftabwehrprojekt Medium Extended Air Defense System (MEADS, Mittelstrecken-Luftverteidigungssystem) gesteckt, obwohl dieses Projekt aus Zeiten des Kalten Krieges für »moderne« Interventionskriege weitgehend nutzlos ist. Vergleichbares gilt für die Investitionen in die Kampfwertanpassung der Patriot-Flugzeuge mit PAC3-Lenkflugkörpern. Beim bisherigen Kostenspitzenreiter Eurofighter war die Kritik, dieser werde als Abfangjäger nicht benötigt, so unüberhörbar, daß er nun für teures Geld für »Mehrrollenfähigkeit« nachgerüstet wird. Dadurch wird der Eurofighter von einem militärisch weitgehend sinnlosen zu einem äußerst gefährlichen Objekt, das auch Flächenbombardements ermöglicht.

Insgesamt spiegeln die Entscheidungen über die laufenden und anstehenden Rüstungsprojekte aber durchaus Strategien wider, mit denen die Bundeswehr in bestimmten Bereichen »handlungsfähig« gemacht werden soll. Im »Bundeswehrplan 2008« werden die aktuellen und die in den nächsten zehn Jahren geplanten Aufrüstungsmaßnahmen erläutert. Die Planung orientiert sich weitgehend an den Fähigkeiten, die in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« und dem »Weißbuch der Bundeswehr« festgelegt wurden. Der Übergang von einer Armee, deren Ausrüstung hauptsächlich an Landes- (und Bündnis-)Verteidigung ausgerichtet ist, zu einer »Armee im Einsatz« vollzieht sich im Bereich der Beschaffungsplanung etwas langsamer, als die jetzt schon durchgeführten Bundeswehreinsätze es erfordern. Die rüstungspolitische Orientierung zu einer offensiven, vernetzten und mobilen Bundeswehr ist inzwischen deutlich sichtbar. Die Bundeswehr soll durch die neuen Aufrüstungsprogramme ihren »Bedarf für die wahrscheinlicheren Einsätze« decken können. Welche gigantischen Summen dafür in den nächsten Jahren bereits fest eingeplant werden, soll an einigen ausgewählten Projekten dargestellt werden. »Wirksamkeit im Einsatz« Um Interventionskriege in aller Welt führen zu können, rüstet die Bundeswehr in den Bereichen Führungsfähigkeit und weltweite Aufklärung kräftig auf. Dazu gehören das Führungsinformationssystem des Heeres (FüInfoSysH) und die zweite Stufe des Satellitenkommunikationssystems der Bundeswehr »SATCOM«. Dadurch sollen Bundeswehreinheiten bei ihren weltweiten Einsätzen zuverlässig an die »Vernetzte Operationsführung« angebunden werden. Weltweite Nachrichtengewinnung und Aufklärung galten noch bis vor kurzem als defizitäre Bereiche der Militärmacht Deutschland, doch mit dem Projekt »Satellitenaufklärungssystem Lupe«, für das 2007 der erste Satellit ins All geschossen wurde, hat die Bundeswehr künftig weltweit Zugriff auf Informationen, die durch hochauflösende Radarsensoren gewonnen werden. Unbemannte Flugzeuge wie die Drohnen »Euro Hawk«, »UAV HALE« oder »Luna« sollen die flexible, luftgestützten und weiträumige Aufklärung verbessern.

Mit unbemannten Flugzeugen soll perspektivisch auch das möglich sein, was heute schon mit dem neuen Aufklärungssystem der Marineflieger (P3C Orion) funktioniert: die Verknüpfung von Aufklärung mit präzisem Beschuß von Zielen, »Waffenwirkung gegen Ziele«. Für die Eingreifkräfte des Heeres wird in den nächsten Jahren deren Aufklärungsbedürfnis durch den Erwerb weiterer Spähpanzer des Typs »Fennek« gedeckt. Insgesamt sollen in die Bereiche Führung und Aufklärung in den nächsten Jahren mindestens neun Milliarden Euro investiert werden.

Um Soldaten und Rüstungsgüter schnell und in größerer Zahl in die Einsatzgebiete zu bringen, fehlen der Bundeswehr bisher noch die entsprechenden Kapazitäten. Besonders dann, wenn es um größere Entfernungen oder um schnellen Transport innerhalb der Einsatzgebiete geht. Das Transportflugzeug Airbus 400 M wird teuer werden (zirka zehn Milliarden Euro), und vor dem Jahr 2011 ist mit einer Auslieferung der ersten Exemplare nicht zu rechnen. Ob diese dann wirklich die gewünschte Nutzlast zuverlässig transportieren können, scheint ungewiß. Da jedoch weder Bundeswehr noch Regierung sich deswegen von Kriegsbeteiligungen wie in Afghanistan abbringen lassen, werden für teures Geld gewerbliche »Zwischenlösungen« gechartert: Der strategische Lufttransport wird über die Ruslan SALIS GmbH abgewickelt und der strategische Seetransport über eine dänische Reederei. Für die »taktische Mobilität«, also den Transport von Soldaten und Gerät im Einsatzgebiet, werden der Transporthubschrauber NH-90 und das gepanzerte Transportkraftfahrzeug »Boxer« beschafft. Ingesamt läßt sich die Bundeswehr die Verbesserung ihrer Transportkapazitäten in den nächsten Jahren etwa 15 Milliarden Euro kosten.

Mobilität, Aufklärung und Führung sind Fähigkeiten, die vor allem eines ermöglichen sollen: einen erfolgreichen und wirksamen Einsatz der Bundeswehreinheiten in ihren jeweiligen Missionen. Das effektive Demonstrieren militärischer Stärke, das Schießen und Treffen nennt die Bundeswehr »Wirksamkeit im Einsatz«. Zu diesem Bereich gehören laufende Rüstungsprojekte wie der Kampfhubschrauber »Tiger« oder der Schützenpanzer »Puma« inklusive des dazugehörigen »MELLS« (mehrrollenfähiges leichtes Lenkflugkörpersystem). Neben der Befähigung des Eurofighters zu Flächenbombardements gehören in diese Kategorie auch die Umrüstung von längst eingeführten Systemen wie den Kampfpanzer »Leopard«, der durch verkürzte Bordkanonen und neue Munition für »Peace Support Operations« fit gemacht werden soll, d. h. für den Kampf im urbanen Umfeld und gegen nichtgepanzerte Ziele.

Ein ambitioniertes (und teures) Zukunftsprojekt ist die Verknüpfung von drohnengestützter Aufklärung mit ebenfalls drohnengestützter Angriffsfähigkeit. Das deutsch-israelische Projekt wird unter dem Namen WABEP (Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen) entwickelt. Das bekämpfte »Punktziel« kann ein Gebäude, ein Fahrzeug oder auch eine Gruppe von Menschen sein.

»Wirksamkeit im Einsatz« ist auch für die Marine ein wichtiges Ziel. So sollen in den nächsten Jahren vier Fregatten, Kriegsschiffe im klassischen Sinn, besorgt werden. Die letzte der fünf neuen Korvetten wird noch im Jahr 2008 geliefert, und auch die Feuerkraft der Marine wird deutlich verbessert. Korvetten, Fregatten und deren Bordhubschrauber erhalten die nötige Ausstattung, um auf Land- oder Seeziele schießen zu können. Demnächst wird die Beschaffung der insgesamt sechs U-Boote der Klasse 221 A abgeschlossen. Diese sind wegen des neuartigen Brennstoffzellenantriebs weitgehend außenluft­unabhängig, stärken »die maritimen Fähigkeiten der Eingreifkräfte«, haben einen großen Radius und helfen mit den anderen Kampfgeräten der hier beschriebenen Rüstungsprojekte, aus der Marine eine funktionierende Kriegsflotte zu machen. Den gesamten Bereich der »Wirksamkeit im Einsatz« läßt sich die Bundeswehr in den nächsten Jahren etwa 50 Milliarden Euro kosten. In diesen Kernbereich der Kriegsführungsfähigkeit werden also bei weitem die größten Summen investiert.

Wenn Soldaten in Einsätze überall auf der Welt geschickt werden, dann braucht die Bundeswehr, um militärisch handlungsfähig zu bleiben, die Möglichkeit, kämpfende und stationierte Soldaten kontinuierlich zu unterstützen um deren »Durchhaltefähigkeit« zu gewährleisten. Für die Marine kann der Einsatzgruppenversorger Kl702 diese Fähigkeit übernehmen. Er kann so ausgestattet werden, daß er bis zu 45 Tage autarke Einsätze ermöglicht. Zwei der vier Einsatzgruppenversorger sind bereits ausgeliefert. Das Heer wird durch luftverladbare und bewegliche Feldlager flexibler einsetzbar, und geschützte Transportfahrzeuge ermöglichen die Versorgung im Einsatzgebiet. Für diese Fähigkeiten zur »Unterstützung und Durchhaltefähigkeit« werden Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro erwartet.

Eng damit verknüpft sind »Überlebensfähigkeit und Schutz«. Diesen »Maßnahmen zur Abwendung von Gefahr für Leben und Gesundheit aller Angehörigen der Bundeswehr« wird in der öffentlichen Diskussion viel Aufmerksamkeit geschenkt. Immer wieder werden Forderungen nach Aufstockung des Wehretats damit begründet, daß zu wenig Geld für den technischen Schutz der Soldaten da sei. Doch ist auffällig, daß es hier auch um eine Frage der militärpolitischen Prioritäten geht, wenn für die Angriffsfähigkeit der Truppe 50 Milliarden eingeplant sind und für den Schutz der Soldaten »lediglich« vier Milliarden. Dann ist nicht einleuchtend, war­um ein besserer technischer Schutz von Soldaten nur bei einem höheren Wehretat möglich sein soll. Argumentationen mit dem Schutzbedürfnis von Soldaten sind also vor allem als moralischer Hebel zu verstehen, mit dem Stimmung für höhere Militärausgaben gemacht werden soll.

Grundsätzlich gilt, daß es keinen effektiven technischen Schutz für Soldaten in Einsatzgebieten gibt. Im Kontext »asymmetrischer Kriegführung« stellen mögliche Gegner sich immer wieder und meist sehr schnell auf das geänderte Schutzniveau der Besatzer ein. Es gibt nur einen wirklichen Schutz: Abzug der Truppen.

Finanzierung durch Rüstungsexport

Die Einsätze der Bundeswehr schaffen Sachzwänge, die durch die Aufrüstungsverpflichtung im Vertrag von Lissabon zu rechtsverbindlichen Vorgaben werden. Jeder neue Einsatz offenbart neue Ausrüstungsdefizite, die dann nach Evaluation durch die Europäische Rüstungsagentur wieder mit neuen teuren Aufrüstungsprojekten behoben werden sollen, nur um festzustellen, daß diese ebenfalls nicht ausreichen. Bereits die heute geplanten Projekte verschlingen sämtliche für die nächsten Jahre bereitgestellten Finanzmittel. Schon der jetzt absehbare »zusätzliche« Rüstungsbedarf wird wie eine Bugwelle in die nächsten Jahre vor sich her geschoben und zu weiteren Erhöhungen des Rüstungsetats führen. Bedenkt man, daß allein die genannten und weitgehend durch Verträge abgesicherten Projekte zusammen etwa 80 Milliarden Euro kosten werden, dann wird klar, mit welchen finanziellen Dimensionen hier zu rechnen ist.

Um Rüstungsprogramme finanzieren zu können, wird darüber hinaus durch Exporte der Stückpreis von Rüstungsgütern gesenkt. Ein Verkauf in andere Länder wird bei den meisten neuen Projekten eingeplant, wie etwa beim Schützenpanzer »Puma«, der wie der »Leopard« ein Exportschlager werden soll. Rüstungsexporte – besonders in Krisengebiete – erhöhen jedoch das Kriegsrisiko weltweit und schaffen wiederum neue Absatzmärkte für die Rüstungsindustrie. Durch Kriege und Besatzung werden Probleme dieser Welt nicht gelöst, sie sind selbst Teil des Problems und verschlingen die Ressourcen, die dringend benötigt werden, um Menschen in Krisengebieten faire Entwicklungschancen zu eröffnen. Da die politisch Verantwortlichen zur Zeit offensichtlich weder Willens noch in der Lage sind, aus der Kriegs- und Rüstungsspirale auszusteigen, muß der Druck für Abrüstung und Abzug aus den Auslandseinsätzen von unten kommen: national und international vernetzt, hörbar und entschieden.

[1] Dieses und folgende nicht anders gekennzeichnete Zitate sind dem »Bundeswehrplan 2008« entnommen: geopowers.com/Machte/Deutschland/Rustung/Rustung_2007/BwPlan_2008_dok.pdf

* Claudia Haydt ist Soziologin und Religionswissenschaftlerin. Sie ist Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e.V. in Tübingen (imi-online.de)

Aus: junge Welt, 9. Februar 2008



Zurück zur Bundeswehr-Seite

Zur Seite "Deutsche Außenpolitik"

Zurück zur Homepage