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"Lübeck" trifft "Corner Brook"

Flottenmanöver: Deutsche Marine kämpft friedlich vor Florida

Von René Heilig *

Gemeinsam mit 22 Schiffen, vier U-Booten, mehr als 50 Luftfahrzeugen, 650 Marineinfanteristen und 6500 Seeleuten aus zehn Staaten Nord- und Südamerikas nimmt ein deutscher Flottenverband am Manöver »Unitas Gold« teil. Das mehrwöchige Kriegsspiel findet vor Floridas Küsten statt.

Kontakt! Es könnte das kanadische U-Boot »Corner Brook« sein. Das Schiff ihrer Majestät ist ein konventionelles Langstrecken-Jagd-U-Boot der Victoria-Klasse. Es ist für den Einsatz in Küstengebieten, hauptsächlich zur Verteidigung gegen feindliche Flottenverbände und U-Boote konzipiert. Geortet wurde es in der Operationszentrale der Fregatte »Lübeck«. Oberbootsmann Judith Dusswald ist stolz auf »ihre« Jungs.

Die junge Frau aus München, 25 Jahre alt, ist U-Jagdmeisterin auf der deutschen Fregatte und derzeit im Einsatz vor der Küste Floridas. Dort findet gerade das jährlich angesetzte Flottenmanöver »Unitas Gold« statt. Die Übung ist eine der größten in der Welt. Sie findet zum 50. Mal statt und es hat natürlich auch Tradition, dass die US-Navy das Sagen hat. Andere nord- und südamerikanische Teilnehmer wollen beweisen, dass sie durchaus beachtenswerte maritime Streitmächte in Fahrt halten und auch noch – wie beispielsweise Venezuela – ausbauen können.

Und was will die Deutsche Marine auf der anderen Seite des Atlantik? Sie ist der einzige nichtamerikanische Übungsteilnehmer und hat neben der »Lübeck« auch die Fregatte »Sachsen« sowie den Einsatzgruppenversorger »Frankfurt am Main« vor die fremde Küste beordert. Insgesamt 650 Frauen und Männer sind an Bord. Sie gehören zum Einsatz- und Ausbildungsverband der Bundesmarine.

Hauptziel der Reise, die Anfang April begonnen hat, ist die praktische Ausbildung künftiger Marineoffiziere. Drei Gruppen mit jeweils rund 80 Kadetten sind an Bord. Simulierte Gefechte, Versorgung auf hoher See, Gefechtsdienst und Schießübungen wechseln sich mit »normalem« nautischen und Maschinendienst ab.

Die künftigen Kommandeure sollen beizeiten wissen, wie hart der Dienst ist, wenn man fernab der Heimat deutsche Interessen – oder das, was im Weißbuch dazu erklärt wird – zu verteidigen hat. Und darum geht es der Deutschen Marine. Keine Illusionen! Mehr als andere Teilstreitkräfte ist sie global unterwegs. Das erfordert Enthusiasmus, Durchhaltevermögen. Und neue Ideen. Um ihre Stehzeiten in See bis zu zwei Jahren zu verlängern, werden demnächst Fregatten vom Typ 125 in Dienst gestellt. Deren Vorteil: Sie fahren mit Wechselbesatzungen.

»Intensivnutzung« nennt die Marine dieses Zukunftsprinzip, das die Werften derzeit schiffbautechnisch beschäftigt. Es erinnert irgendwie an die Technologie der ehemaligen DDRHochseefischerei. Das Schiff bleibt in See, nur der Großteil der Besatzung wird bei laufendem Fangbetrieb gewechselt.

Die starke Reduzierung der Stammbesatzung bietet nebst mehr Ruhezeit für die Soldaten einen weiteren entscheidenden Vorteil: Zusätzliche Unterkunftskapazitäten an Bord können genutzt werden, um Spezialkräfte einzuschiffen, die – an welcher Küste auch immer – operieren zu können. Unterstützt von der Fregatte, die so wie die neuen Korvetten auch zum Beschießen von Landzielen geeignet ist, werden vernetzte Operationen möglich. Überall auf der Welt. Die Rüstungsindustrie ist gerade in Krisenzeiten mit simplen Wünschen glücklich zu machen.

Oberbootsmann-Frau Dusswald, um die sich die Manöver-Berichterstattung der deutschen Marine- Presse derzeit aus durchaus auch optischen Gründen dreht, wird sich vermutlich neuen Aufgaben zuwenden müssen. Feindliche U-Boote sind im Rahmen der asymmetrischen Kriegsführung sicher eine Ausnahme. Doch noch sucht sie sie. Vor Florida. Und ist ganz aufgeregt, wenn es ihrem Team gelingt, die U.S.S »Newport News«, ein atomgetriebenes Schiff der Los-Angeles-Klasse, per Sonarortung zu identifizieren.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Mai 2009


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