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Weise soll die Bundeswehr straffen

Minister Guttenberg setzte Kommission ein *

Die Bundeswehr soll straffer organisiert werden, damit sie ihre Aufgaben im Einsatz besser erfüllen kann. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) setzte dazu am Montag (12. April) eine Reformkommission ein, die bis zum Ende des Jahres Vorschläge machen soll. Geleitet wird das sechsköpfige Gremium vom Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise.

»Ziel ist es nicht, die Bundeswehr neu zu erfinden«, sagte Guttenberg. Vielmehr gehe es darum, die vorhandenen Strukturen effizienter zu gestalten. »Vor allem gilt es, das, was wir an personellen und finanziellen Ressourcen haben, optimal zu nutzen.« Eine Grundlage für die Arbeit der Kommission ist eine Analyse des Verteidigungsministeriums, die Anfang des Jahres Schwächen und Stärken der Bundeswehrstrukturen feststellte.

Die Bundeswehr müsse besser auf die Aufgaben als Armee im Einsatz eingestellt werden, sagte Guttenberg. So sei die Zahl der Soldaten, die in den Auslandseinsatz geschickt werden können, im Vergleich zu anderen Ländern relativ gering. Der CSU-Politiker machte deutlich, dass er beispielsweise bei Rüstungsvorhaben, aber auch bei Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen der Bundeswehr noch erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven sehe.

Die Leitung der Kommission soll der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, übernehmen, der als Oberst der Reserve auch Erfahrung bei der Bundeswehr mitbringt. Daneben gehören dem Gremium fünf weitere Mitglieder an: der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Hans Heinrich Driftmann, die frühere Präsidentin des Bundesrechnungshofes Hedda von Wedel, der frühere Deutschlandchef der Unternehmensberatungsfirma McKinsey und jetzige Chef des Mischkonzerns Haniel, Jürgen Kluge, der SPD-Politiker und Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Hans-Ulrich Klose, sowie als Vertreter des Militärs General Karl-Heinz Lather.

Die Kommission soll bis Ende des Jahres Vorschläge machen, wie die Führungs- und Planungsstruktur der Bundeswehr effizienter gestaltet und Rüstungsprojekte wirtschaftlicher angegangen werden können.

Die LINKE forderte Guttenberg auf, in die neue Kommission noch einen Abrüstungsexperten und einen unabhängigen Kritiker der Rüstungsindustrie aufzunehmen. »In der jetzigen Zusammensetzung ist zu befürchten, dass eine Auftragsbeschaffungsveranstaltung für die Rüstungslobby und eine Privatisierungsorgie von Dienstleistungsbereichen der Bundeswehr herauskommt«, kritisierte Partteivize Klaus Ernst. »Die wichtigste Aufgabe der Kommission wäre die Entwicklung einer Abrüstungsperspektive.«

»Was gemacht wird, führt nicht zu einer Beruhigung bei der Bundeswehr«, sagte Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende der Grünen, am Montag (12. April) in Berlin. Dazu, dass Frank-Jürgen Weise mit der Aufgabe der Bundeswehrreform betraut wurde, sagte er, man wundere sich, wie viel Zeit der Mann zu haben scheine, wolle ihm aber eine Chance geben.

* Aus: Neues Deutschland, 13. April 2010

Die amtliche Sicht:

Zu Guttenberg hat Strukturkommission eingesetzt

Berlin, 12.04.2010

Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, hat am 12. April die in der Koalition vereinbarte Strukturkommission eingesetzt. Das Gremium soll bis Ende dieses Jahres Vorschläge für eine Straffung der Führungs- und Verwaltungsstrukturen der Bundeswehr erarbeiten.

Die Kommission wird vom Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, geleitet. Bereits im Januar hatte der Verteidigungsminister eine "„schonungslose Analyse ohne Tabus“" angekündigt.

Die Zusammensetzung der Kommission

Parteipolitik habe bei der Besetzung der Kommission keine Rolle gespielt. Expertise und eine breite Aufstellung seien maßgeblich gewesen, um Wirtschaftserfahrung, Verwaltungserfahrung, aber auch politische Erfahrung in die Arbeit einzubringen, betonte der Minister.

Die Strukturkommission besteht aus sechs Mitgliedern:
  • Frank-Jürgen Weise, Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Chef der Strukturkommission zur Reform der Bundeswehr,
  • DIHK-Präsident Hans-Heinrich Driftmann,
  • Jürgen Kluge, ehemaliger Chef des deutschen Büros von McKinsey und heute Vorstandsvorsitzender der Duisburger Familienholding Haniel,
  • Hedda von Wedel, ehemalige Präsidentin des Bundesrechnungshofs und heute stellvertretende Vorsitzende von Transparency International Deutschland,
  • Hans-Ulrich Klose (SPD), Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen der Bundesregierung,
  • General Karl-Heinz Lather, Stabschef im NATO-Hauptquartier Europa.
Vorarbeit wurde geleistet

Zu Guttenberg erläuterte, dass er Anfang dieses Jahres eine Defizitanalyse in Auftrag gegeben habe, damit die Strukturkommission unverzüglich ihre Arbeit aufnehmen könne. Mit der Analyse von Stärken und Schwächen sei bereits eine Arbeitsgrundlage für das Gremium geschaffen worden. Insbesondere die Einsätze zur Krisenbewältigung und Konfliktverhütung hätten gezeigt, dass strukturelle Optimierungen notwendig seien. "„Obwohl die Bundeswehr schon erhebliche Transformationsprozesse, auch in Teilen erfolgreich, durchlaufen hat, werden die künftigen Herausforderungen durch die derzeitigen Strukturen in meinen Augen nicht ausreichend reflektiert“", so zu Guttenberg.

Der Auftrag

Welche Schlüsse aus den Erfahrungen der letzten Jahre gezogen werden müssten und worauf sich die Bundeswehr in Zukunft einstellen müsse, seien die Grundfragen der Kommissionsarbeit. Dabei gehe es um Aufgaben, Herausforderungen und Bedrohungslagen.

Auftrag der Kommission sei damit die konsequente Ausrichtung der Strukturen an den erforderlichen Prozessen zur Auftragserfüllung. Es sei nicht das Ziel, die Bundeswehr neu zu erfinden. Vielmehr gehe es darum, vorhandene Strukturen effizienter zu gestalten. Als Beispiel für Handlungsbedarf nannte zu Guttenberg das Zusammenspiel zwischen Bedarfsträger und Bedarfsdecker, das nach Ansicht des Ministers nicht zufriedenstellend ist.

Außerdem solle die Kommission unnötige Schnittstellen, Zuständigkeitsüberlappungen, Doppelungen und Kompetenzaufteilungen ausfindig machen. "„Ziel ist es, optimierte Prozesse in eine effizientere Aufbau- und Ablauforganisation umzusetzen“", sagte zu Guttenberg. Es gelte, die personellen und finanziellen Ressourcen optimal zu nutzen. Es sei geplant, die Vorschläge und Konzepte der Einzelbereiche bis zum Ende dieses Jahres zu erarbeiten. "„Es wird dann darum gehen, Entscheidungen zur Umsetzung zu treffen und diese, aufbauend auf einem Realisierungsplan, dann auch umzusetzen“", ergänzte zu Guttenberg.

Erfahrende Leitung des Gremiums

Frank-Jürgen Weise bezeichnete die Aufgabe des Gremiums als dringend notwendig, aber auch erfolgversprechend. Die Rahmenbedingungen der Kommissionsarbeit seien gut. Dazu zählt er seine persönlichen Erfahrungen mit dem Minister. Außerdem seien die Kommissionsmitglieder hochkarätige, erfahrene und unabhängige Persönlichkeiten. Weise sei zugesichert worden, dass kritische Aspekte eingebracht und unabhängige Positionen bezogen werden könnten. Auch sei die Aufgabe leistbar, da nicht umfassend, sondern mit Blick auf den Auftrag der Streitkräfte geprüft werden solle.

Weise ist seit 2004 Chef der Bundesagentur für Arbeit und verfügt über eine umfangreiche militärische Erfahrung. Nach zwölf Jahren bei der Bundeswehr leistet Weise noch immer alljährlich Dienst als Oberst der Reserve – meist im Brüsseler NATO-Hauptquartier, aber auch in Afghanistan.

Quelle: Website des Bundesverteidigungsministeriums, 13. April 2010; www.bmvg.de




Zentrum für Ethik in den Streitkräften

Bischof Mixa: Wichtig für Auslandseinsätze **

Der katholische Militärbischof Walter Mixa hat am Montag (12. April) in Hamburg das neue »Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften« feierlich eröffnet. Hier sollen Militärseelsorger und Führungskräfte der Bundeswehr ausgebildet werden, die für den »lebenskundlichen Unterricht« in den Streitkräften verantwortlich sind. Das Zentrum soll laut Mixa »ethische Kompetenzen bündeln« und als »Ort maßgeblicher Debatten« in Bundeswehr, Gesellschaft und Kirche wirken. Das Zentrum ist angesiedelt am katholischen »Institut für Theologie und Frieden« an der Katholischen Akademie in Hamburg. Zur ersten Direktorin ernannte Mixa die Sozialethikerin Veronika Bock.

Angesichts multinationaler Einsätze im Ausland und der dadurch bedingten Konfrontation mit fremden Führungsstrukturen, fremden Religionen und Kulturen komme der lebenskundlichen Ausbildung der Soldaten eine immer größere Bedeutung zu, sagte der Bischof. Dies gelte erst recht, wenn die Soldaten »als Diener des Friedens« zu militärischen Gewaltmitteln greifen müssten. Das griechische Wort »Ethos«, so der Militärbischof, bedeute »menschlich richtiges Verhalten«. Dies bestehe in der »gesunden, selbstbewussten Bereitschaft, für andere einzustehen«.

Mixa steht derzeit wegen Misshandlungsvorwürfen ehemaliger Schrobenhausener Heimkinder unter Druck. Neue Vorwürfe, Gelder der Waisenhausstiftung Schrobenhausen nicht zweckgemäß verwendet zu haben, wies der Augsburger Bischof am Montag zurück.

** Aus: Neues Deutschland, 13. April 2010


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Von Otfried Nassauer. Ein Beitrag aus der NDR-Reihe "Streitkräfte und Strategien"




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