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Weises Blaupause von Guttenbergs Plänen

Bundeswehr-Strukturkommission übergab Bericht: »Externer« Auftrieb für den Minister bei seinen Umbauarbeiten

Von René Heilig *

Die Bundeswehr-Strukturkommission hat nach halbjährlicher Recherche am Dienstag ihren Bericht vorgelegt. Die Eckpunkte zur Effektivierung der Bundeswehr als Armee im Einsatz sind bereits bekannt. Unter anderem weil der Minister sie seit Monaten selbst verkündet. Spannend ist nun, was Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aus dieser angeblich unabhängigen und externen Handlungsaufforderung macht.

Zunächst einmal hat er seinen Staatssekretär Walter Otremba beauftragt, bis zum kommenden Januar zu prüfen, nicht ob, sondern wie die Vorschläge der Kommission umgesetzt werden können. »Mit kosmetischen Maßnahmen«, so zu Guttenberg, »wird es nicht getan sein.« Es gebe in der Struktur der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums »substanzielle Mängel«, das Militär sei »nicht mehr auf der Höhe der Zeit«, eine »Neuausrichtung unumgänglich«. Und, so gab der Minister bei der Übernahme des Berichts bekannt: Es sei wichtig, dass »Probleme an der Wurzel angegangen werden«.

Was die sechsköpfige Kommission unter dem Arbeitsagenturchef Frank-Jürgen Weise vorgelegt hat, ist im Grunde eine Blaupause jener Vorgaben, die der Minister selbst in die Öffentlichkeit gebracht hatte. Während zu Guttenberg und Generalinspekteur Volker Wieker statt aktuell 252 000 Soldaten 163 500 für ausreichend halten, schlägt die Kommission 180 000 Uniformierte vor. Das ist eine Art ausgestreckte Hand zu CDU, FDP, SPD, die nur so die Aussetzung der Wehrpflicht akzeptieren.

Wie ineffektiv die Bundeswehr bislang ist, zeigte sich stets bei der Beschickung der Auslandskontingente. Mehr als 7000 Soldaten gleichzeitig konnte man nicht ins Feld führen. Demnächst sollen für Auslandseinsätze 15 000 Soldaten bereit stehen. Um eine straffere Führung zu garantieren, wird der Generalinspekteur mehr militärische Macht erhalten. Er soll als »Generalstabschef« mit mehr operativen Befugnissen agieren. Die Chefs der Teilstreitkräfte werden aus dem Ministerium »zurückversetzt« zur Truppe, deren Strukturen ebenfalls entschlackt werden.

Schwer tut sich die Bundeswehr auch beim Abbau ziviler Mitarbeiter. Es gibt 90 000 Dienstposten mit 100 000 Beschäftigten. Die Hälfte ist genug, heißt es im Bericht. Zu Guttenberg will auch Bürokraten an den Kragen. Die Kommission meint passend dazu, dass die Anzahl der Mitarbeiter im Verteidigungsministerium von derzeit rund 3300 auf 1600 zu verringern wäre. Man könnte sogar auf den zweiten beamteten Staatssekretär verzichten. Natürlich will der Minister seine Hausmacht ausbauen. Sein ungeschicktes Agieren zum Thema Bombenangriff bei Kundus machte ihm klar, dass zu viele Berater des Ministers Tod bedeuten können. Zu Guttenberg will nun eine militärpolitische Abteilung bilden, die direkt unter seiner Leitung steht. Denn eines ist dem Minister, der morgen ein Jahr im Amt ist, klar. Die effektivste Bundeswehrreform nützt nichts, wenn die Prämissen für die künftige deutsche Sicherheitspolitik nicht klar bestimmt sind. Es wird spannend sein, zu sehen, ob zu Guttenberg die Begriffe Einsatz und Krieg politisch weiter als Synonyme genutzt haben will. Die Erfahrungen in Afghanistan geben seinem Think Tank jedenfalls genügend Anregungen bei der Bestimmung künftiger deutscher Sicherheitspolitik im Rahmen von NATO und EU.

Mit einiger Spannung darf man nicht zuletzt Entscheidungen auf dem Rüstungssektor erwarten. Es gibt zu viele unnütze aber teure Programme, deren Kündigung nicht ohne kräftige Gegenwehr der Hersteller und Bündnispartner abgehen wird. Doch die finanzielle Zielmarke für das Guttenberg-Ministerium ist gesetzt. Man erwartet 8,3 Milliarden Euro Einsparungen in den kommenden vier Jahren.

Großen Widerstand gegen seine Reformen hat zu Guttenberg von der Opposition kaum zu erwarten. SPD und Grüne haben höchstens marginale Anmerkungen. Die LINKE betrachtet die Empfehlungen der Strukturkommission »als Wegweiser in eine grundsätzlich falsche Richtung«. Doch bislang hat die Partei selbst kein handlungsorientiertes Konzept, mit dem sie parlamentarisch wie öffentlich ausreichend Gehör findet.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Oktober 2010


Mehr Soldaten im Einsatz

Guttenberg stellt Strukturreform der Bundeswehr vor **

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine grundlegende Strukturreform der Bundeswehr angekündigt. »Mit kosmetischen Maßnahmen wird es nicht getan sein«, sagte Guttenberg am Dienstag in Berlin bei der Entgegennahme des Abschlußberichts der von ihm eingesetzten Reformkommission. Es gebe in der Struktur der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums »substantielle Mängel«, die abgestellt werden müßten.

»Es geht darum, die Stärken der Bundeswehr zu verstärken, Mängel aber leidenschaftslos zu erkennen und abzustellen«, sagte der Kommissionsvorsitzende Frank-Jürgen Weise. Das Gremium empfiehlt, die Zahl der Mitarbeiter im Verteidigungsministerium von derzeit rund 3300 auf 1600 zu verringern. Zugleich soll die Fähigkeit der Streitkräfte erhöht werden, Kriege zu führen. Die Zahl der Soldaten, die für Einsätze beispielsweise im Ausland zur Verfügung stehen, soll von heute etwa 7000 auf 15000 und damit mehr als verdoppelt werden. Die bisherige Aufteilung in Einsatz-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte soll entfallen. Das Einsatzführungskommando soll künftig allein für die operative Planung und nationale Führung von Einsätzen zuständig sein. Ausgenommen sind Inlandseinsätze zum Beispiel bei Naturkatastrophen.

Weise forderte auch klarere und straffere Führungsstrukturen für die Bundeswehr. »Effizienzgewinne« soll es auch durch mehr internationale Kooperation zum Beispiel bei der Ausbildung sowie im Rüstungsbereich geben. Eine neue Beschaffungsagentur soll Kompetenzen bündeln und eine zentrale Einkaufsorganisation ermöglichen. Empfohlen wird auch ein kooperativer Beschaffungsprozeß mit der Industrie. Strittig ist der Vorschlag der Kommission, den Bonner Dienstsitz des Verteidigungsministeriums weitgehend aufzulösen und durch eine nachgeordnete Behörde zu ersetzen.

Guttenberg kündigte an, eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Verteidigungsstaatssekretär Walther Otremba solle die Empfehlungen der Weise-Kommission prüfen und bis Ende Januar ein Konzept für eine Strukturreform der Bundeswehr vorlegen. Innerhalb von fünf bis acht Jahren solle diese Reform dann vollständig umgesetzt werden, für den Bereich des Verteidigungsministeriums innerhalb der kommenden zwei Jahre. Erste organisatorische Veränderungen seien bereits Anfang 2011 vorgesehen. (AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 27. Oktober 2010


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