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"Jede Zusammenarbeit mit der Bundeswehr einstellen"

In Freiburg regt sich Widerstand gegen die Kooperation des Schulministeriums mit dem Militär. Ein Gespräch mit Sven Fred

Sven Fred ist Mitglied im Unabhängigen Studierendenausschuß der Pädagogischen Hochschule Freiburg und im Bildungsstreikbündnis Freiburg aktiv.



Am 4. Dezember wurde in Baden-Württemberg die bundesweit vierte Kooperationsvereinbarung zwischen einem Landesschulministerium und der Bundeswehr unterzeichnet. Das Militär ist schon lange an Schulen aktiv - was ändert sich durch diese Vereinbarung?

Die Kooperation soll enger werden, noch mehr Jugendoffiziere als bisher sollen in die Klassenzimmer kommen. Dabei sollen den jungen Leuten die »nationalen Interessen« Deutschlands erläutert werden - was auch immer das heißt. Die Jugendlichen sollen zudem an sicherheitspolitische Themen herangeführt werden. Außerdem werden nun auch Referendare durch Jugendoffiziere aus- und fortgebildet.

Der Wortlaut der Vereinbarung wird leider immer noch unter dem Tisch gehalten, wir haben davon nur aus einer Pressemitteilung des Kultusministe­riums erfahren. Wahrscheinlich ähnelt der Vertragstext aber dem der ersten bundesweit abgeschlossenen Kooperationsvereinbarung vom Oktober 2008 in Nordrhein-Westfalen. Das würde bedeuten, daß jährlich Berichte über den Stand der Kooperation erstellt werden und daß die Jugendoffiziere dabei ein Wort mitzureden haben. Schulen, die nicht kooperieren, könnten so unter Druck gesetzt werden.

Aber wäre es nicht wünschenswert, wenn die jungen Leute in den Schulen einen Einblick in die Sicherheitspolitik bekommen?

Aber so bekommen sie natürlich nur die Darstellung der Bundeswehr. Die Jugendoffiziere vermitteln den Schülerinnen und Schülern im Unterricht ihr militärisches Weltbild - was sich aber von zivilem, demokratischem Denken stark unterscheidet. Für Soldaten ist Waffengewalt ein legitimes Mittel der Politik.

Die Jugendoffiziere sollen den Jugendlichen z.B. die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen nahebringen. Das aber paßt nicht zu einem humanistischen Bildungsideal und verstößt außerdem gegen die 1976 festgelegten Minimalbedingungen für politische Bildung, den sogenannten Beutelsbacher-Konsens, der das Ergebnis einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württembergs war. Darin ist festgelegt, daß Schülerinnen und Schülern nicht von Meinungen überrumpelt werden dürfen, und Themen, die in der Gesellschaft umstritten sind, auch kontrovers dargestellt werden. Dieser Konsens wird von den rhetorisch geschulten Jugendoffizieren sicherlich nicht eingehalten.

Was wäre die Alternative zur Bundeswehr an Schulen?

Sicherheitspolitik ist ein wichtiges Thema, sie sollte den Schülern aber von neutralen, unabhängigen Experten und Lehrkräften beigebracht werden. Mindestens sollte beim Einsatz von Jugendoffizieren in Schulen auch die Gegenseite eingeladen werden - also Friedensaktivisten. Das ist momentan fast nie der Fall. Die Jugendoffiziere allerdings werden anders als diese Aktivisten finanziert und haben ganz andere Möglichkeiten, sich Fachwissen und Argumente anzueignen.

Es regt sich mittlerweile aber auch Widerstand gegen die Kooperationsvereinbarung ...

Am 23. Januar soll es in Freiburg eine Großkundgebung gegen diese Vereinbahrung geben - das Ganze ist mittlerweile als bundesweite Demonstration angekündigt. Es beginnt um 15 Uhr am Platz der Alten Synagoge. Es werden danach weitere Aktionen folgen, beispielsweise wenn wir erfahren, wann die Bundeswehr in Schulen Einsätze hat. Unser Ziel ist die Rücknahme der Kooperationsvereinbarung in Baden-Württemberg sowie in allen anderen Bundesländern, in denen es solche Abkommen gibt. Jegliche Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Bildungseinrichtungen und der Bundeswehr muß sofort eingestellt werden. Schulleiter und Lehrer fordern wir auf, nicht mit den Militärs zu kooperieren. Schüler sollen auch selbst dagegen protestieren, wenn Jugendoffiziere an die Schulen kommen.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, 14. Januar 2010

Hier geht es zum Original-Dokument:
"Jugendoffiziere informieren Schülerinnen und Schüler über die zur Friedenssicherung möglichen und/oder notwendigen Instrumente der Politik."
Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg und dem Wehrbereichskommando IV - Süddeutschland - der Bundeswehr (pdf-Datei)


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