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Bereit zur militärischen Intervention

Deutschland stellt den Vereinten Nationen Truppen zur Verfügung

Die Übereinkunft, die das Verteidigungsgministerium mit den Vereinten Nationen in New York getroffen hat, kam nicht eben überraschend. Deutschland wird Militäreinsätze der Vereinten Nationen künftig mit eigens dafür bereit gestellten Truppen unterstützen. So sieht es ein Abkommen vor, das am Mittwoch, den 1. November 2000 in Anwesenheit von Verteidigungsminister Rudolf Scharping in New York unterzeichnet wurde. Beobachter im UN-Hauptquartier werteten dies als Beginn einer "neuen Ära" im Nachkriegsdeutschland.

Das Abkommen sieht vor, dass die Bundeswehr ständig Soldaten für UN-Einsätze zur Verfügung hält ("stand-by-forces"). In dem "Memorandum of Understanding" verpflichtet sich die Bundesrepublik, entsprechendes Personal und Ausrüstung bereitzuhalten und innerhalb von 15 bis spätestens 30 Tagen an den gewünschten Einsatzort zu bringen. Scharping sagte gegenüber der Presse, das mit Absicht nicht quantifizierte Eingreifkontingent solle dazu beitragen, den "Frieden in der Welt sicherer" zu machen. Was soll er auch sonst sagen? Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien diente ja auch der Stabilisierung des Balkan, dem Frieden und den Menschenrechten!

Keine Überraschung - keine "neue Ära"

SPD und Grüne hatten schon in ihrer Koalitionsvereinbarung vom Oktober 1998 davon gesprochen, den Vereinten Nationen zur Durchführung von "Missionen mit dem Ziel, den Frieden zu sichern", "eigenständige Einheiten für friedenserhaltende Maßnahmen (peacekeping) als 'stand by forces'" anbieten zu wollen. Insofern bedeutet der jetzige Schritt weder eine Überraschung noch die Einleitung einer "neuen Ära". Er passt nur in die allgemeine politische Landschaft. Vor kurzem hat eine UNO-Kommission (die so genannte Brahimi-Kommision) Vorschläge entwickelt, wie die Vereinten Nationen ihre militärischen Kapazitäten ausweiten und ihre Einsätze effektiver gestalten könne. Diesen Trend möchte man in Berlin zumindest mit einer symbolischen Geste unterstützen. Nachdem mit der neuen Bundeswehr ohnehin "Einsatzkräfte" in einer Größenordnung von bis zu 150.000 Mann/Frau aufgebaut werden und im Rahmen der EU Scharping fast 20.000 Mann/Frau für die EU-Einsatzkräfte zur Verfügung stellen wird, will man sich nicht lumpen lassen und auch ein wenig für die "Staatengemeinschaft" tun.

Wie viel es sein wird, was den Vereinten Nationen versprochen werden soll, ist noch nicht heraus. In einem 1998 mit den VN geschlossenen Abkommen hatte Deutschland bereits einen Beitrag zu Friedensmissionen zugesagt; er beschränkte sich aber auf die Bereitstellung ziviler Minenräumexperten und medizinischer Teams. Das jetzige Abkommen sieht den Einsatz von Militärflugzeugen, Hubschraubern, Lastwagen, Minenräumern und Seeaufklärern, einem Feldlazarett, technischer und fernmeldetechnischer Unterstützung sowie von Militärbeobachtern und Militärpolizei vor. Der deutsche UN-Botschafter Hanns Schumacher sagte, damit stelle Deutschland erstmals zumindest einen Rahmen für den militärischen Teil von UNO-Missionen bereit. Scharping ergänzte, dass dennoch in jedem einzelnen Fall der Bundestag über einen Einsatz entscheiden müsse. Klipp und klar heißt es deshalb im vereinbarten Memorandum (Absatz III): "Die endgültige Entscheidung über den tatsächlichen Einsatz deutscher Beihilfe bleibt eine landesinterne Entscheidung."

Ausgerechnet die CSU kritisierte das Abkommen als möglichen "Einstieg in Automatismus und Symbolismus". Deutschland solle seine Verpflichtungen erfüllen, aber nicht den "Übereifer eines Musterschülers" an den Tag legen, sagte der außenpolitische Sprecher der CSU-Gruppe im Bundestag, Christian Schmidt. Wer die Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün kenne, müsse befürchten, dass mehr gewollt sei - jederzeit von den UN abrufbare Friedenstruppen der Bundeswehr. Dies werde die CSU nicht mitmachen. - Schön gesprochen, Herr Schmidt. Glaubwürdig ist die Kritik allerdings nicht. Oder hat man schon gehört, dass sich die CSU gegen den Aufbau von Krisenreaktionskräften und Kommando Spezialkräfte ausgesprochen hat? Gab es Widerspruch gegen den NATO-Krieg gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 (da wurde sogar ohne jede völkerrechtliche Grundlage gebombt). Oder gab es substanziellen Widerspruch zur Scharpingschen Bundeswehrreform, die ebenfalls Interventionstruppen - allerdings nur für die NATO und für eigene Zwecke - vorsieht? Nein, das alles macht die CSU gern mit, möchte von allem sogar noch etwas mehr haben, als die Regierungskoalition im Augenblick für finanzierbar hält (und das ist schon verdammt viel). Was der CSU nicht schmeckt, ist wohl einzig und allein die Tatsache, dass die militärische Hilfe den Vereinten Nationen zugute kommen soll.

Kritik der Friedensbewegung

Aus Sicht der Friedensbewegung muss das Abkommen kritisiert werden. Friedenserhaltende Maßnahmen werden nach Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen durchgeführt; in diesem Kapitel werden ausschließlich nicht-militärische Maßnahmen genannt (Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedspruch usw., Art. 33). Hierfür können auch "Blauhelme" herangezogen werden, die zwar in der Charta nicht vorgesehen waren, sich aber in der über 50-jährigen Geschichte der Vereinten Nationen als nützliches Instrument beispielsweise zur Beobachtung und Sicherung von Demarkationslinien oder prekären Grenzen erwiesen haben (z.B. Cypern). Bei der Zusammensetzung von Blauhelmeinheiten muss darauf geachtet werden, dass die beteiligten Streitkräfte und die sie entsendenden Regierungen keine eigenen Interessen in dem Konflikt verfolgen. In der Regel kamen bisher Blauhelme vornehmlich aus kleineren blockfreien Staaten. Staaten, die einem Militärbündnis angehören und Großmächte, die ihre Interessen weltweit verfolgen, sollten sich aus diesem Grund an Blauhelmeinsätzen nur in Ausnahmefällen beteiligen. Aus diesem Grund halten wir das Angebot, den Vereinten Nationen Bundeswehreinheiten als "stand by forces" zur Verfügung zu stellen, für falsch.


"Stand by forces" sind nach der Charta der VN eigentlich nur für militärische Sanktionsmaßnahmen nach Kapitel VII vorgesehen. So heißt es in Art. 45: "Um die Vereinten Nationen zur Durchführung dringender militärischer Maßnahmen zu befähigen, halten Mitglieder der Organisation Kontingente ihrer Luftstreitkräfte zum sofortigen Einsatz bei gemeinsamen internationalen Zwangsmaßnahmen bereit." Auch soll ein "Generalstabsausschuss" eingesetzt werden, der die "strategische Leitung aller dem Sicherheitsrat zur Verfügung gestellten Streitkräfte" innehaben soll (Art. 47). Ein solcher Generalstabsausschuss ist noch nie zustande gekommen – obwohl der UN-Sicherheitsrat Kampfeinsätze angeordnet hat (Irak, Somalia). Die US-Regierung hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie ihre Streitkräfte unter keinen Umständen einem VN-Oberkommando unterstellen würde. Die neue Bundesregierung scheint dieser Linie zu folgen.

Vieles ist noch unklar. Z.B. der Umfang und die Ausrüstung der "stand-by-forces" sowie ihre Aufgabenstellung (nur für friedenserhaltende Maßnahmen oder auch für friedenserzwingende Zwangsmaßnahmen). Uns scheint das Abkommen mit heißer Nadel gestrickt worden zu sein. Die Bundesregierung will tatsächlich gut Wetter machen bei den Vereinten Nationen. Drittgrößter Finanzier ist sie ja bereits, und in der vergangenen Woche zahlte sie als erstes Land einen Betrag in einen neu geschaffenen Fonds ein, dessen Mittel zur "Krisenprävention" genutzt werden sollen. Die Höhe des Betrags ist lächerlich: 1 Mio. Dollar für die Krisenprävention! (Wie viel Dollar werden wohl die stand-by-forces kosten?) Doch damit lassen sich Punkte sammeln, will man doch auf Teufel komm raus einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat ergattern. Und genau darum geht es.
Pst

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