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"Diese Bundeswehr ist die größte Friedensbewegung Deutschlands!"

Im Wortlaut: Regierungserklärung von Verteidigungsminister Dr. Peter Struck am 11. März 2004 in Berlin

Am 11. März gab Verteidigungsminister Peter Struck im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung ab, in der er die politischen Ziele der Weiterentwicklung der Bundeswehr verdeutlichte. Wir dokumentieren diese wichtige Rede im Folgenden im vollen Wortlaut, weil aus ihr sowohl die Weltmachtambitionen Deutschlands herauszulesen sind als auch die Legende ausgeräumt wird, die Bundeswehr müsse künftig mit weniger Geld auskommen. Das Gegenteil ist der Fall: Ab 2007 soll der Verteidigungsetat auf 25,2 Mrd. EUR erhöht werden.
Die Regierungserklärung ist auf der Homepage des Verteidigungsministeriums (www.bmvg.de) unter der Überschrift "Die neue Bundeswehr - Auf dem richtigen Weg" veröffentlicht worden.



Erklärung der Bundesregierung durch den Bundesminister der Verteidigung, Dr. Peter Struck, am 11. März 2004 in Berlin.

Meine Damen und Herren,
die Bundeswehr hat in ihrer bald fünfzigjährigen Geschichte wesentlich zur längsten Friedensperiode in der jüngeren Geschichte Deutschlands beigetragen. Heute ist sie als Institution bei den Bürgerinnen und Bürgern anerkannter denn je. Sie genießt bei den Menschen hohes Ansehen. Das gilt nicht nur in Deutschland. Durch die Auslandseinsätze ist das Ansehen der Bundeswehr in der Völkergemeinschaft gestiegen. Sowohl bei unseren Partnern als auch bei den Menschen in Bosnien, im Kosovo, in Afghanistan.

Unsere Soldatinnen und Soldaten überzeugen dort durch hohes Engagement beim Wiederaufbau und beim Erhalt des Friedens. Die Bundeswehr ist zu einem wichtigen Botschafter Deutschlands geworden Botschafter eines Deutschlands, das seine Verantwortung in der Völkergemeinschaft annimmt und wesentliche Aufgaben bei der internationalen Friedenssicherung wahrnimmt.

Um dies auch weiterhin leisten zu können, muss sie weiterentwickelt werden. Die Bundeswehr des 21. Jahrhunderts nimmt Gestalt an. Die neuen Aufgaben sind identifiziert. Die konzeptionellen Grundlagen sind geschaffen, die wesentlichen Entscheidungen getroffen. Der neue Kurs ist eingeschlagen. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Transformation der Bundeswehr, unter der ich den umfassenden und fortlaufenden Prozess der Ausrichtung von Streitkräften und Verwaltung auf die sich auch weiterhin verändernden Herausforderungen verstehe, ist aus drei Gründen unerlässlich:
  • Die Sicherheitslage hat sich entscheidend verändert. Deutschland wird absehbar nicht mehr durch konventionelle Streitkräfte bedroht.
    Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt, wenn sich dort Bedrohungen für unser Land, wie im Falle international organisierter Terroristen, formieren. Im Übrigen wird unsere Sicherheit, um auf den Kollegen Schmidt einzugehen, auch in Hindelang verteidigt, ich kann allerdings gegenwärtig dort beim besten Willen keine Bedrohung unserer Sicherheit erkennen. Wir müssen Gefahren dort begegnen, wo sie entstehen. Denn sie können unsere Sicherheit auch aus großen Entfernungen beeinträchtigen, wenn wir nicht handeln.
  • NATO und Europäische Union befinden sich in weitreichenden Anpassungsprozessen an die veränderte Situation. Dies bringt neue Verpflichtungen für Deutschland, auch im militärischen Bereich, mit sich. Die Transformation der NATO verlangt eine Transformation der Bundeswehr. Beide müssen miteinander in Planung und Vorhaben übereinstimmen. Wir sind hier auf sehr gutem Wege.
  • Die Einsatzrealität der Bundeswehr hat sich längst der neuen Sicherheitslage angepasst, und die Anforderungen an die Streitkräfte steigen weiter.
    Das Einsatzspektrum der Bundeswehr umfasst mittlerweile alle denkbaren Einsatzformen von der Patrouille am Horn von Afrika über zivilmilitärische Projekte bis zur Beobachtung in Georgien. Immer häufiger übernimmt die Bundeswehr dabei Führungsaufgaben. Sie wird absehbar einer der größten Truppensteller für internationale Friedenseinsätze bleiben.
Meine Damen und Herren,
vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage musste gehandelt werden. Und wir haben gehandelt. Wir haben zunächst die konzeptionellen Grundlagen geschaffen: In den von mir im Mai 2003 erlassenen Verteidigungspolitischen Richtlinien wurden das Aufgabenspektrum der Bundeswehr neu gewichtet und das erforderliche Fähigkeitsprofil für unsere Streitkräfte entwickelt.

Daraufhin habe ich im Oktober 2003 einen neuen Kurs für die Reform der Bundeswehr eingeleitet. Das neue Aufgabenspektrum der Bundeswehr verlangt nach Einsatzbereitschaft und Fähigkeiten differenzierte Streitkräfte, die schnell, wirksam und gemeinsam mit Streitkräften anderer Nationen eingesetzt werden können.

Sämtliche relevanten Parameter Operative Vorgaben, Strukturen, Organisation, Kräfte, Ausrüstung, Standorte wurden deshalb mit einem klaren Ziel überprüft: Die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr für die wahrscheinlichsten Einsätze, nämlich Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus, ist konsequent und nachhaltig zu erhöhen. Das wird unsere Streitkräfte künftig noch besser in die Lage versetzen, unseren Beitrag zur Unterstützung von Bündnispartnern, zur Sicherung des Friedens und zur Wahrung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands zu leisten.

Das wird auch ihre Fähigkeit stärken, zum unmittelbaren Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger beizutragen. Der Schutz Deutschlands bleibt eine Kernaufgabe der Bundeswehr. Er hat sogar eine neue, umfassendere Bedeutung gewonnen.

Denn neben der unwahrscheinlicher gewordenen Landesverteidigung im herkömmlichen Sinne ist der Schutz unserer Bevölkerung und lebenswichtiger Infrastruktur vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen zu gewährleisten.

Im Januar 2004 habe ich die wichtigsten Entscheidungen und die Wegmarken des neuen Kurses öffentlich vorgestellt. Sie sind weitreichend und zukunftsweisend. Die Weichen für die Bundeswehr des 21. Jahrhunderts sind nun gestellt.

Umfänge

Die Umfänge wurden neu festgelegt. Die neuen Umfangszahlen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und den internationalen Verpflichtungen Deutschlands.

Der Umfang liegt bei 250.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten im militärischen Bereich, bei 75.000 Stellen für die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wir werden die Reduzierung des Zivilpersonals sozialverträglich gestalten. Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Neue Kräftekategorien

Bis zum Jahr 2010 wird die neue Bundeswehr nach völlig neuen Kräftekategorien gegliedert - Eingreifkräfte, Stabilisierungskräfte und Unterstützungskräfte. Sie unterscheiden sich in Struktur, Ausrüstung und Ausbildung und sind dadurch optimiert für das veränderte und differenzierte Einsatzspektrum.

Die Eingreifkräfte sind vorgesehen für multinationale, streitkräftegemeinsame und vernetzte Operationen hoher Intensität und kürzerer Dauer, vor allem im Rahmen der Friedenserzwingung. Ihr Einsatz wird im Rahmen der schnellen NATO-Eingreiftruppe oder der Europäischen Eingreiftruppe erfolgen. Außerdem können zusätzlich Operationen zur Rettung und Evakuierung in Krieg- und Krisengebieten durchgeführt werden. Ihr Umfang beträgt insgesamt 35.000 Soldaten. Die Stabilisierungskräfte sind vorgesehen für streitkräftegemeinsame militärische Operationen niedriger und mittlerer Intensität und längerer Dauer im breiten Spektrum friedensstabilisie-render Maßnahmen.

Darunter fallen das Trennen von Konfliktparteien, die Überwachung von Waffenstillstandsvereinbarungen, das Ausschalten friedensstörender Kräfte oder das Durchsetzen von Embargomaßnahmen. Ihr Umfang beträgt insgesamt 70.000 Soldaten. Dies ermöglicht den zeitlich abgestuften Einsatz von bis zu 14.000 Soldaten, aufgeteilt auf bis zu fünf verschiedene Einsatzgebiete. Die Unterstützungskräfte sind vorgesehen für die umfassende, streitkräftegemeinsame und durchhaltefähige Unterstützung der Eingreif- und Stabilisierungskräfte sowie für den Grundbetrieb der Bundeswehr, einschließlich der Führungs- und Ausbildungsorganisation. Ihr Umfang beträgt 147.500 Dienstposten.

Mit Einnahme der neuen Strukturen wird Deutschland in der Lage sein, seine internationalen Verpflichtungen gegenüber Vereinten Nationen, NATO und Europäischer Union nachdrücklich zu erfüllen. Beim Schutz Deutschlands wird es keine Abstriche geben. Hilfeleistungen im Inland werden überwiegend durch Kräfte geleistet werden, die nicht in Einsätzen gebunden und im Inland verfügbar sind.

Auch die neue Bundeswehr wird in Katastrophenfällen wie bisher die Hilfe bereitstellen, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns erwarten. Nur wird sie nicht, wie manche das wollen, Hilfstruppe der Polizei! Und alle Kräfte werden - im Falle einer Verschlechterung der politischen Lage - auch in der Lage sein, das Land zu verteidigen.

Neue Einsatzsystematik

Die Ausrichtung der Bundeswehr auf die wahrscheinlicheren Einsätze geht einher mit einer neuen Einsatzsystematik. Sie löst sich vom bisherigen Kontingentdenken und erfordert stattdessen das Bereitstellen von spezifischen Fähigkeiten für bestimmte, wechselnde Zeiträume.

Dies schließt die grundsätzliche Verkürzung der Einsatzdauer auf künftig 4 Monate ein. Abhängig von den Einsatzerfordernissen, der Verfügbarkeit von Kräften und der persönlichen Situation können in Einzelfällen jedoch auch längere oder kürzere Stehzeiten festgelegt werden.

Neugestaltung des Grundwehrdienstes

Die Allgemeine Wehrpflicht ist fester Bestandteil der neuen Bundeswehr. Der Grundwehrdienst wird allerdings an das veränderte Aufgabenspektrum angepasst.

Neuorientierung der Material- und Ausrüstungsplanung

Das für die neue Bundeswehr in den Verteidigungspolitischen Richtlinien festgelegte Fähigkeitsprofil macht eine Neuorientierung auch bei den Rüstungsbeschaffungsvorhaben notwendig. Entscheidender Maßstab ist die Fähigkeit der Bundeswehr als Ganzes, nicht der einzelnen Teilstreitkräfte. Das alte Kästchendenken wird aufhören.

Wir investieren ab sofort in die prioritären Fähigkeiten. Das heißt in Führungs-, Informations- und Kommunikationssysteme; in die Fähigkeit zur weltweiten Aufklärung; in die Fähigkeit zum strategischen Lufttransport und Mobilität im Einsatz; in die Fähigkeit zum geschützten Transport; in die persönliche Ausstattung und Bewaffnung; in eine Vielzahl von Projekten zur Erhöhung der Wirksamkeit im Einsatz.

Wir beschaffen das, was die neue Bundeswehr braucht und streichen Vorhaben, die dem neuen Anforderungsprofil und dem streitkräftegemeinsamen Ansatz nicht mehr entsprechen.

Neues Stationierungskonzept

Auf der Grundlage der neuen Umfänge und Strukturen wird ein neues Stationierungskonzept bis Ende des Jahres vorliegen. Durch das "Ressortkonzept Stationierung" 2001 ist bereits eine Reduzierung von circa 600 auf rund 500 Standorte entschieden worden. Der neue Kurs wird zur Schließung von etwa weiteren 100 Standorten führen.

Dies bedeutet weitere schmerzliche Einschnitte. Mit ist bewusst, dass viele Bürgerinnen und Bürger in den Stationierungsorten trotz erheblicher Belastungen immer zu ihren Soldaten gestanden haben. Aber wir haben keine Alternative.
Die entscheidenden Kriterien für die Stationierung sind dabei die militärische und funktionale Notwendigkeit sowie die betriebswirtschaftliche Verantwortbarkeit.

Meine Damen und Herren,
mit diesen Kernelementen der neuen Bundeswehr erreichen wir die wesentlichen Ziele:
  • Wir entwickeln die Fähigkeiten der Bundeswehr so, dass sie der neuen Qualität der sicherheitspolitischen Herausforderungen entsprechen - in der internationalen Gefahrenabwehr und Krisenbewältigung genau so wie beim umfassenden Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger.
  • Wir optimieren die Fähigkeiten der Bundeswehr als Ganzes und setzen konsequent einen streitkräftegemeinsamen Ansatz um. Nur so ist gewährleistet, dass die Bundeswehr integraler Teil des sicherheitspolitischen Transformationsprozesses von NATO und Europäischer Union bleibt. Dabei bleiben die Streitkräfte ein Instrument der Politik und unterliegen der kontinuierlichen Anpassung.
  • Wir stellen die Bundeswehrplanung auf eine realistische und tragfähige finanzielle Grundlage. Die mittelfristige Finanzplanung sichert der Bundeswehr Planungssicherheit.
Wir beschaffen, was die Sicherheitslage und die Aufgaben der Bundeswehr verlangen. Die Investitionsquote wird auf mittlere Sicht weiter erhöht werden.
Dazu trägt auch die für das Jahr 2007 vorgesehene substanzielle Erhöhung des Verteidigungshaushalts um rund 1 Milliarde auf 25,2 Milliarden bei. Darüber hinaus bleiben alle im Zuge der Bundeswehr-Reform durch mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit erzielten Einsparungen dem Verteidigungshaushalt erhalten. Bei unseren Bemühungen um mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr sind wir auf gutem Wege.

Die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb "g.e.b.b." hat bereits erhebliche Einsparpotenziale erschlossen, die auch in Zukunft zur Effizienzsteigerung in den Streitkräften beitragen werden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit betonen, dass in der Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Wirtschaft, wie zum Beispiel bei dem IT-Projekt "Herkules", die private Seite beweisen muss, dass sie solch anspruchsvolle Vorhaben durchführen kann.

Meine Damen und Herren,
gegenüber diesen von mir skizzierten, unabdingbar notwendigen, Entscheidungen zur Schaffung einer leistungsfähigen Bundeswehr nehmen sich die Vorstellungen der Opposition rückwärtsgewandt und unrealistisch aus. Es geht gegenwärtig in der Tat um grundsätzliche sicherheitspolitische Weichenstellungen, über die eine Debatte im Parlament geführt werden muss.

Der Kollege Schmidt hat in diesem Zusammenhang der Regierung öffentlich unterstellt, "die Sicherheitsvorsorge in Deutschland abzuschaffen". Dieser Vorwurf ist in jeder Hinsicht haltlos. Umgekehrt lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass das, was die Union in dieser Debatte beiträgt, wenig geeignet ist, die Sicher-heit des Landes zu erhöhen. Wer den Eindruck erweckt, er könne Verteidigungspolitik gänzlich ohne Blick auf die verfügbaren Ressourcen gestalten, gibt sich als politischer Traumtänzer zu erkennen, der sich und anderen Sand in die Augen streut.

Ich sage: Wer noch immer glaubt, auf eine konsequente Neuausrichtung der Bundeswehr verzichten zu können und gleichzeitig mit unrealistischen finanziellen Annahmen Verteidigungspolitik betreibt, wird es niemals schaffen, Aufgaben und Mittel zu harmonisieren und die Bundeswehr auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts einzustellen.

Genau das ist aber unsere gemeinsame Aufgabe. Hierzu brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von Sicherheit und Verteidigung in Deutschland. Es geht nicht darum, eine "Interventionsarmee" aufzubauen und sich - wie manche fälschlicherweise befürchten - ohne Not "in die Angelegenheiten anderer Staaten" einzumischen, sondern darum, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern für die gemeinsame Sicherheit dort eintreten zu können, wo es notwendig ist.
Dies erwarten zu Recht unsere Verbündeten, auf deren Solidarität auch wir angewiesen sind, dies entspricht einem zeitgemäßen Verständnis von Sicherheitsvorsorge, und dies liegt folgerichtig in unserem ureigensten deutschen Interesse. Es ist gleichermaßen unredlich und irreführend, den Eindruck zu erwecken, als würde der Schutz deutschen Territoriums in irgendeiner Weise vernachlässigt. Das Gegenteil ist der Fall. In den Verteidigungspolitischen Richtlinien habe ich die erweiterte Schutzaufgabe für Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger herausgestellt.

Sie reicht von der Landesverteidigung im herkömmlichen Sinn über die Abwehr terroristischer und anderer neuartiger Bedrohungen bis hin zur Überwachung des deutschen Luft- und Seeraums. Die Bundeswehr ist und bleibt eingebettet in die gesamtstaatliche Vorsorgepflicht.
Unserer Bundeswehr fällt hier auf Grund ihrer besonderen Fähigkeiten im Rahmen der bestehenden Gesetze eine wichtige Rolle zu. Dabei kommen gerade auch Grundwehrdienstleistende und Reservisten zum Einsatz. Gemeinsam mit dem Bundesminister des Inneren haben wir mit dem Luftsicherheitsgesetz eine gesetzliche Grundlage für die Ausübung des "air policing" auf den Weg gebracht. Am 1. Oktober 2003 haben wir in Kalkar das Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum in Betrieb genommen. Dies sind wichtige Schritte, die zeigen: Wir nehmen die neuartigen Gefährdungen für Deutschland ernst und handeln.

Wer behauptet, die laufende Reform schaffe eine Zweiklassen-Armee, irrt. Wir schaffen eine Bundeswehr, die der streitkräftegemeinsamen Planung, Ausbildung und Einsatzfähigkeit folgt. Dabei ist Differenzierung in Ausrüstung und Ausbildung, die unterschiedlichen Einsätzen entspricht, unerlässlich.

Wer mit Blick auf die Ausrüstung eine "Anschubfinanzierung" fordert, soll auch sagen, wie er sie und in welchem Umfang er sie bereitstellen will. Hierzu enthält der Unionsantrag nichts. Unterschiedliche Anforderungen verlangen Reaktionsmöglichkeiten durch unterschiedliche Kräfte. Deshalb haben wir die drei genannten Kategorien eingeführt.

Nur unter dieser Voraussetzung bleibt die Bundeswehr fähig, sowohl die wichtigen Aufgaben im Inland als auch die gewachsenen Aufgaben im Ausland wahrzunehmen. Die Vorstellung der Opposition von rotierenden Einsätzen der glei-chen Kräfte im Inland wie im Ausland führt zur Überforderung unter Missachtung des differenzierten Aufgabenspektrums. Nicht jeder Verband muss alles können.
Ein solcher Ansatz ist im Übrigen auch mit den künftigen Aufgaben der Wehrpflichtigen, wie sie auch die Union vorsieht, nicht vereinbar.

Die Grundwehrdienstleistenden sollen künftig noch besser auf Aufgaben sowohl im Inland (Schutz Deutschlands, Hilfeleistungen, Katastrophenfälle) als auch in der Einsatzunterstützung vorbereitet werden. Ihre Einplanung wird entsprechend ihrer Vorkenntnisse und beruflichen Qualifikation optimiert. Dies ist im Interesse der Streitkräfte und erhöht auch die Attraktivität des Wehrdienstes. Dies trägt auch dem Grundsatz Rechnung: Die Bundeswehr will ihren Nachwuchs gewinnen, nicht kaufen. Sie ist damit gut gefahren. Und sie wird auch weiterhin nicht als Dienstleistungsbetrieb für riskante Auslandsaufgaben verstanden werden. Eine Entfremdung zwischen Gesellschaft und Streitkräften darf es und wird es nicht geben.

Auch das neue Stationierungskonzept wird die feste Integration von Bundeswehr und Gesellschaft nicht beinträchtigen. Die Opposition fordert pauschal "viele Standorte". Diese Forderung ist schlicht unseriös, unredlich und sicherheitspoli-tisch nicht begründbar.

Es macht keinen Sinn, an Vorgaben für die Anzahl und Verteilung der Bundeswehr-Standorte festzuhalten, die in vergangenen Jahrzehnten berechtigt waren, heute aber militärisch nicht mehr notwendig und ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen sind. Weder die gesellschaftliche Einbindung der Bundeswehr noch das "Sicherheitsempfinden der Bürger" hängen primär davon ab, ob wir 500 oder 600 Bundeswehr-Standorte haben.

Meine Damen, meine Herren,
die Motivation der Soldatinnen und Soldaten, den Weg der neuen Bundeswehr mitzugehen, ist hoch. Dies zeigt sich auch im Bericht des Wehrbeauftragten, nach dem sich die Anzahl der Eingaben gegenüber dem letzten Jahr sogar verringert hat.

Auch wenn die Anzahl der Eingaben gerade mal gut zwei Prozent der Gesamtzahl der Soldaten ausmacht, nehme ich jede einzelne berechtigte Eingabe sehr ernst, da ich um die ohnehin hohen Belastungen der Soldaten, zum Beispiel durch häufige Versetzungen, weiß.

In den nächsten Wochen und Monaten werden die getroffenen Entscheidungen planmäßig umgesetzt. Der Generalinspekteur wird eine neue "Konzeption der Bundeswehr" als Dachdokument für die Ausplanung der Strukturen vorlegen, das Stationierungskonzept wird bis Ende 2004 vorliegen, das neue Weißbuch wird 2005 folgen. Damit sind die Grundlagen gelegt für einen Transformationsprozess der Bundeswehr, der über das Jahr 2010 hinausreicht.

Damit ist gewährleistet, dass Deutschland auch in Zukunft gemeinsam mit seinen Verbündeten und Partnern seiner gewachsenen außenpolitischen Verantwortung gerecht werden kann, dass Deutschland seine Interessen und seinen Einfluss international geltend machen kann - in einer starken NATO, in einer sicherheitspo-litisch handlungsfähigen Europäischen Union und in Vereinten Nationen, die als globaler Ordnungsfaktor unverzichtbar bleiben, dass Deutschland in der Lage ist, Friedenspolitik mit der Bundeswehr zu gestalten.

Meine Damen und Herren,
ich bin der Meinung, die Kardinal Meisner kürzlich bei einem internationalen Soldatengottesdienst geäußert hat: Diese Bundeswehr ist die größte Friedensbewegung Deutschlands!

Quelle: http://www.bmvg.de

Kritische Beiträge zu Strucks Rede und zur Bundestagsdebatte:
Bundeswehr: Mehr Geld - mehr Einsätze - mehr Probleme
Die "größte Friedensbewegung" - bleibt die Friedensbewegung. Ein Kommentar zur Debatte um die Zukunft der Bundeswehr (17. März 2004)
"Wehrpflicht am Ende - Bundeswehr auf Kriegskurs"
Stellungnahme der "Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär" zu Strucks Regierungserklärung (11. März 2004)
"Programmiert für neue Kolonialkriege"
Zur Weiterentwicklung der Bundeswehr. Von Ernst Woit, Dresden


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