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Lernprozeß verordnet

Bundeswehr will Deutsche von Auslandseinsätzen überzeugen. Hauseigenes Institut ermittelt: Medien sind militärfreundlich, aber das Volk braucht Nachhilfe

Von Frank Brendle *

Selbst nach militäroffiziellen Erkenntnissen genießt der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nur geringe Zustimmung. Der »Bevölkerungsumfrage« des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (Sowi) zufolge, die vorige Woche veröffentlicht wurde, bejahen zwar 74 Prozent der Bevölkerung die Frage, ob die Bundeswehr »vornehmlich Wiederaufbauarbeit« leisten solle. Kampfeinsätze gegen Aufständische befürworten hingegen lediglich 34 Prozent, während 60 Prozent diese ablehnen. Für einen »umgehenden« Abzug aus Afghanistan sprechen sich 49 Prozent der Befragten aus – erheblich weniger als in jeder anderen Erhebung. Befragt worden waren im Herbst 2009 rund 2100 Bürger.

Das Sowi ermittelte allerdings: »Die meisten Auslandseinsätze der Bundeswehr werden von der Mehrheit unterstützt.« Die Militärforscher verweisen darauf, daß 88 Prozent der Bevölkerung Vertrauen in die Bundeswehr hätten. Das ist anscheinend ein blindes Vertrauen, denn zugleich wird festgehalten, daß der Wissensstand der Bürger über die Auslandseinsätze extrem schlecht sei. 70 bis 85 Prozent geben an, darüber nichts Konkretes oder gar nichts zu wissen. Die Ausnahme ist der Krieg am Hindukusch, von dem rund jeder zweite wenigstens einige oder alle Fakten zu kennen glaubt. Hier ist die Zustimmung im Vergleich zum Vorjahr (64 Prozent) um rund 15 Prozent gesunken. Das Sowi erklärt das mit der Berichterstattung über das Kundus-Massaker, im Orginalton der Studie: »Vorfall«.

Der Direktor des Instituts, Ernst-Christoph Meier, zeigte sich in der Welt unzufrieden damit, daß die Deutschen »Aufbauhilfe und vielleicht dafür notwendige Kampfeinsätze gedanklich« trennen, also weniger gegen Brunnenbohrer in Uniform haben, aber die brutale Partisanenbekämpfung ablehnen. Der Militärsoziologe kündigte an, die Politik werde einen »Lernprozeß« beim Volk anstoßen.

Zufrieden zeigen sich die Militärforscher mit der Leistung der Medien. 87 Prozent derjenigen, die in TV und Printmedien Berichte über die Bundeswehr verfolgen, nehmen das Militär dabei »sehr positiv« oder »eher positiv« wahr. Wobei das Interesse an der Truppe nicht allzu hoch erscheint: Rund die Hälfte der Fernseh- und Zeitungsnutzer nimmt seltener als einmal im Monat oder gar nie solche Berichte wahr.

Die jährlichen Umfragen des Sowi dienen vor allem der militärischen Propagandaarbeit. Dafür stehen andere Wissenschaftsabteilungen der Bundeswehr schon bereit. Die Akademie für Information und Kommunikation (AIK), wie das Sowi in Strausberg bei Berlin untergebracht, bereitet die Umfrageergebnisse in Form von Broschüren und Seminaren für Multiplikatoren auf. Jugend- und Presseoffiziere sowie militärfreundliche Journalisten und private Werbeagenturen verfeinern mit den Daten die psychologische Kriegführung an der Heimatfront.

* Aus: junge Welt, 22. Februar 2010


Hier geht es zur Studie:
Sicherheits- und verteidigungspolitisches Meinungsklima in Deutschland.
Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung. Oktober/November 2009. Kurzbericht von Dr. Thomas Bulmahn. Januar 2010 [externer Link]




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