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40 Jahre Bundeswehr-Universität – nach anfänglicher Skepsis inzwischen etabliert?

Ein Interview mit Prof. Wolfgang Gessenharter in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Andreas Flocken (Moderation):
Vor 40 Jahren, im Oktober 1973, haben in Hamburg und München die ersten Soldaten ihr Studium an Hochschulen der Bundeswehr aufgenommen. Damit betraten die Streitkräfte Neuland. Die Gründung der Universitäten war nicht ganz unumstritten.
Wolfgang Gessenharter gehörte damals zu den ersten Professoren der heutigen Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. 2007 ging er in den Ruhestand. Mit ihm habe ich über die Anfangsjahre der Bundeswehr-Hochschulen gesprochen. Zunächst habe ich Professor Gessenharter gefragt, wie man in der Truppe die Gründung von bundeswehreigenen Hochschulen aufgenommen hat:


Interview Andreas Flocken / Prof. Dr. Wolfgang Gessenharter

Gessenharter: Die Begeisterung war ursprünglich überhaupt nicht groß, weil man sofort von verschiedener Seite ein Theorie/Praxis-Problem aufbaute. Universitäten könnten nur Theorie bringen, aber für einen richtigen Offizier und für einen richtigen militärischen Führer sei die Praxis das alles Überwiegende.

Flocken: Wie äußerte sich denn diese Skepsis bei den Militärs?

Gessenharter: Dies äußerte sich dahingehend, dass die jungen, bei uns anfangenden Soldaten oft sagten, sie wären eigentlich genau deswegen gerne zur Bundeswehr gegangen, um in höhere Ränge aufzusteigen, ohne ein lähmendes oder langweilendes Studium machen zu müssen. Und bei den älteren Offizieren war das so, dass die gesagt haben: ein guter Offizier, der muss die Leute über den Rinnstein führen können, so hieß das oft. Und der muss nicht allzu viele theoretische Sachen im Kopf haben. Und es gab manchmal eine, nicht nur unter der Hand, ziemlich negative Interpretation dieser neuen Universität.

Flocken: Eingeführt wurden die Hochschulen der Bundeswehr unter dem damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt. Was erhoffte sich eigentlich die politische Leitung des Verteidigungsministeriums von der Einrichtung der Hochschulen der Bundeswehr? Was war die Motivation?

Gessenharter: Also eine ganz wichtige Motivation war, dass Ende der 60er, Anfang 70er Jahre das Aufkommen von Nachwuchs in der Bundeswehr sehr, sehr stark abnahm. Man wollte daher den Offiziersberuf attraktiver machen. Das war eine wichtige Sache. Der zweite wichtige Punkt war, dass man feststellte, dass es in der Bundeswehr eine Tendenz gab, sich den gesellschaftlichen Entwicklungen zu widersetzen, oder ihnen nicht nachzukommen. Und dazu gehört nun einfach mal auch eine Verwissenschaftlichung. Und ein dritter Punkt war, dass man auch die Innere Führung stärken wollte, also, dass die Bundeswehr nach einem bestimmten Konzept vorgeht. Man sagte, hier muss einfach ein neuer Geist in die Bundeswehr reinkommen.

Flocken: War die Gründung der Bundeswehr-Universität nicht auch das Eingeständnis, dass es Defizite in der Offiziersausbildung gab?

Gessenharter: Mit Sicherheit. Ich habe immer wieder gehört, dass auch in der Zusammenarbeit der Bundeswehr mit vielen anderen Stellen es oft auffiel, dass die Offiziere ein schwaches Selbstbewusstsein hatten. Sie sprachen eigentlich pausenlos mit anderen Kollegen, z.B. Mitarbeitern in der Rüstungsindustrie, die alle studiert hatten. Nur sie selber nicht. Das war ein Punkt, den mir der damalige Gründungsrektor Ellwein wiederholt genannt hat, das zu einem schlechten Bild in der Bundeswehr und auch der Bundeswehr in der Gesellschaft geführt hat.

Flocken: Der Gründungspräsident der damaligen Bundeswehrhochschule in Hamburg war der 1998 verstorbene Prof. Thomas Ellwein. Er hatte zuvor auch die zuständige Kommission geleitet, die die konzeptionellen Grundlagen für die Bundeswehrhochschulen ausgearbeitet hat. Während der Amtszeit von Prof. Ellwein in Hamburg, gab es Spannungen zwischen der Truppenführung und der Universitätsleitung. Wie hat sich das geäußert? Können Sie da einige Beispiele nennen?

Gessenharter: Das drückte sich darin aus, dass zwischen dem militärischen und dem wissenschaftlichen Bereich, zwischen dem immer ein gewisses Spannungsverhältnis besteht, der militärische Bereich auf jeden Fall nachgeordnet sein sollte - nicht unbedingt untergeordnet. Wir sprachen damals von dem Leiter des militärischen Bereiches, immerhin im Rang eines Obersten, vom sogenannten Herbergsvater. Der sollte sich eigentlich nur darum kümmern, dass die Studenten dort in Ruhe und auch sinnvoll und effizient studieren. Das ging dann aber so weit, dass schon nach ganz kurzer Zeit gesagt wurde: Nein, da müsste mehr militärischer „Drive“ rein. Man sagte plötzlich, es müsse ein Uniformzwang geben, und dass der militärische Leiter einen Erziehungsauftrag bekommen sollte. Und dieser Erziehungsauftrag sollte eigentlich, fast könnte man sagen, der krönende Abschluss dieser ganzen Erziehungs- und Ausbildungssituation an den Universitäten sein. Dagegen haben wir uns alle sofort gewehrt. Und es hat damals ziemlich viel bedurft, um diese Vorstellungen soweit wieder zurückzudrängen, dass der militärische Bereich nicht das wurde, was er gerne gewollt hätte, nämlich dass er eigentlich die wichtigste Struktur dort gewesen wäre.

Flocken: Hatte die militärische Führung insofern auch versucht, Einfluss auf die Bildungsinhalte an der Universität zu nehmen?

Gessenharter: Ja, immer wieder. Aber da sind sie sofort bei allen, ob dem konservativsten Kollegen oder dem fortschrittlichsten, natürlich überall sofort auf Widerstand gestoßen.

Flocken: Können Sie ein Beispiel nennen?

Gessenharter: Es wurde zum Beispiel gesagt, man solle in allen Fächern, in allen Fachbereichen nur solche Dinge machen, die unmittelbar etwas mit der Bundeswehr zu tun hätten. Und ganz besonders war es natürlich dann bei den sogenannten Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaftlichen Anteilen des Studiums. Vorher hießen sie Anleitstudium. Dort sollte eigentlich aus sozialwissenschaftlicher Sicht nur etwas gemacht werden, was unmittelbar mit der Bundeswehr zu tun hatte. Dagegen haben wir uns gewehrt. Wir haben gesagt, man braucht Grundlagen und es geht nicht in erster Linie um die Inhalte, sondern es geht vor allem um methodisches Lernen, Entscheidungsvorbereitungen treffen, und, und, und.

Flocken: Thomes Ellwein, der Gründungspräsident war auch gegen Rüstungsforschung an der Bundeswehruniversität. Die Bundeswehr hat das ein bisschen anders gesehen. Was hat man dann letztlich gemacht?

Gessenharter: Es war so, dass man von Seiten mancher Technikkollegen sagte, Rüstungsforschung, das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit für diese Universität. Wir, Thomas Ellwein und ich, waren damals sehr intensiv an dieser Debatte mit beteiligt. Wir haben von vornherein gesagt: diese Universität darf auf gar keinen Fall in eine Ghetto-Situation geraten. Und wenn wir hier einen Fachbereich haben, bei dem Geheimhaltungsvorschriften eine Rolle spielen, dann kann das für diese Universität nicht gut sein. Sie wird dadurch insgesamt in ein Zwielicht gerückt, was gerade auch die Fachbereiche, die nun mit Rüstung nichts zu tun haben, natürlich überhaupt gar nicht gerne gesehen haben.

Flocken: 1973 wurden gleich zwei Bundeswehrhochschulen gegründet, in Hamburg und in München. Warum eigentlich gleich zwei? Hatte das politische Gründe oder was steckte dahinter?

Gessenharter: Ich denke, das hatte in erster Linie politische Gründe. Man wollte auf jeden Fall an große Standorte gehen. Hamburg war damals mit Abstand einer der größten Standorte. Es gab aber damals noch eine weitere Diskussion über die grundsätzliche Rolle von bundeseigenen Universitäten. Denn die gesamte Kulturlandschaft und die Universitäten sind in erster Linie Ländersache. Deshalb die Gründung in zwei Bundesländern, in denen man die Situation gut kannte. Helmut Schmidt kannte natürlich Hamburg, und auf der anderen Seite wollte man Bayern nicht brüskieren. Daher hat man diese beiden Universitäten dort gegründet, aber auch mit unterschiedlichen Profilen. Dann kam noch hinzu, dass man in München den innerstädtischen Standort nicht durchsetzen konnte, der sehr attraktiv in der Nähe von Schwabing gelegen hätte. Man musste dann ausweichen nach Neubiberg. Es gab damals immer schon ein Problem einer Ghettoisierung.

Flocken: Die Bundeswehr ist ja nun kleiner geworden, und sie wird weiterhin verkleinert im Zuge der Bundeswehrreform. Man hat aber immer noch zwei Universitäten. Sind zwei Bundeswehruniversitäten vor dem Hintergrund der Verkleinerung der Bundeswehr aus Ihrer Sicht noch angemessen?

Gessenharter: Das ist eine reine zahlenmäßige Frage. Man muss wissen, wie viele Führungsfunktionen man zu besetzen hat. Und ich habe nicht den Eindruck, dass sich auf dieser Ebene die Bundeswehr stark verkleinert. Hinzu kommt noch, man will ja eigentlich nicht allzu viele Berufssoldaten, sondern nach wie vor Soldaten, die nach einer gewissen Zeit auch wieder ausscheiden. Und auf der anderen Seite ist es so, dass dieses gesamte Konzept mit seinen vielen Schwierigkeiten überhaupt nur gelingen kann, weil eine hervorragende Relation zwischen Lehrenden und zwischen Studierenden existiert.

Flocken: Wie ist denn das Verhältnis?

Gessenharter: Wir haben immer darauf geachtet, dass unsere Seminare möglichst in kleinen Gruppen von maximal 25 Teilnehmern stattfanden. Das hat in manchen Jahren überhaupt nicht funktioniert. Ich habe selber Seminare gemacht mit 40, 45 Leuten. Und damit war man natürlich dann auch wieder in die Nähe der zivilen Universitäten gerückt. Man muss einfach sehen, dass die Universitäten der Bundeswehr wirklich nur gelingen können, wenn sie ein ganz intensives Betreuungskonzept haben. Dieser zeitliche Vorgang, in drei Jahren oder jetzt insgesamt maximal vier Jahren ein Studium zu bewältigen, das vergleichbar ist mit dem an zivilen Universitäten, kann nur unter solchen Bedingungen funktionieren.

Flocken: Die Bundeswehruniversitäten sollten ja auch ein Beitrag zur Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft sein. Das Prinzip des Staatsbürgers in Uniform sollte auf diese Weise gestärkt werden. Wäre es aber vor diesem Hintergrund nicht sogar sinnvoll gewesen, wenn man die Bundeswehr-Universitäten nicht auch gleich auch für zivile Studenten geöffnet hätte? Ist das damals überhaupt diskutiert worden oder gab es sogar Widerstand?

Gessenharter: Es ist ursprünglich ja so gewesen, dass Helmut Schmidt versuchte, an Universitäten wie Frankfurt, wie Hamburg, vielleicht sogar eigene Fachbereiche zu stiften für die Bundeswehr. Dies scheiterte am Widerstand der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Und daraufhin hat Helmut Schmidt gesagt, dann machen wir eben unseren Kram allein, und zeigen, wie man eine vernünftige Hochschulreform machen kann. In Hamburg gab es ja noch lange eine weitere Diskussion: Hamburg wollte ja selber eine integrierte Gesamthochschule. Und da hat man zunächst gesagt, in diese Gesamthochschule kommen dann auch die Universitäten der Bundeswehr, damals noch Hochschulen der Bundeswehr genannt, als eigenständige Fachbereiche hinein. Diese Integration hat dann nicht stattgefunden, aber nicht weil die Universität der Bundeswehr sich dagegen gesträubt hätte, sondern weil die zivile Hochschullandschaft das so nicht wollte. Wir haben aber, ich glaube direkt am Anfang, in dem Fachbereich Maschinenbau für einen Fachbereich der Technischen Universität Vorlesungen angeboten und die Studenten haben ausschließlich in diesen Veranstaltungen bei uns studiert. Wir haben zu bestimmten Zeiten auch Überlast der Hamburger Universität getragen. Es konnten zivile Studenten bei uns studieren, mit Gasthörerstatus, wie im Übrigen auch unsere Studenten als Gasthörer an den zivilen Universitäten seit Anfang studieren können.

Flocken: Die Gründung der beiden Bundeswehr-Universitäten wurde damals auch kritisiert, auch von Wissenschaftlern der zivilen Universitäten. Hatten die Professoren und Hochschullehrer, die einem Ruf der Bundeswehr-Universität gefolgt sind, vor diesem Hintergrund nicht einen schweren Stand im akademischen Betrieb? Waren sie nicht etwas isoliert und mussten sich immer rechtfertigen, zumindest in der Anfangsphase?

Gessenharter: In der Anfangsphase war das wirklich so. Ich weiß noch, als ich von Freiburg nach Hamburg wechselte, haben mir Freiburger Studenten gesagt, jetzt zeigt der an sich so liberale Gessenharter sein wahres Gesicht. Er geht da an eine militärische Kaderschmiede. Ich habe damals argumentiert, dass die Bundeswehr für mich ein viel zu wichtiger Machtfaktor ist, als dass ich sie sich selbst überlassen möchte. Ich möchte da schon mitwirken. Insgesamt zeigt ja die Berufung von sehr vielen jungen Professoren nach Gründung der Universität, dass sich ältere Professoren nicht unbedingt an diese neue Universität hin bewerben wollten. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass man dort etwas ganz neues entwerfen wollte. Und da waren manche Universitätsprofessoren, wie ich von ihnen selber weiß, am Anfang auch sehr skeptisch, ob das gelingen würde, ob das nicht zu viel Arbeit machen würde. Und ich habe selber festgestellt, eine neue Universität zu gründen, das ist eine Heidenarbeit.

Flocken: Gibt es denn im akademischen Betrieb heute noch Vorbehalte gegenüber den Bundeswehr-Universitäten?

Gessenharter: Heute schon gar nicht mehr. Aber auch damals waren schon nach ungefähr drei, vier, fünf Jahren diese Vorbehalte weg gewesen. Das hing vor allem damit zusammen, dass wir an den zivilen Universitäten unsere Diplomarbeiten haben kursieren lassen, und zwar anonym. Die Arbeiten und die Klausuren kamen sozusagen in Bewertungsvorgänge rein, wo niemand wusste, woher sie stammten. Und nach relativ wenigen Jahren hat die zivile Universität Hamburg gesagt: ich glaube, wir können das jetzt sein lassen. Wir stellen fest, dass dort eine ganz genau so gute Ausbildung betrieben wird, wie bei uns. Denn man merkte halt, was das bedeutet, wenn man eine Campus-Universität mit geringen Laufzeiten hat, mit kleinen Gruppen usw., und vor allem mit Studierenden, die kein Geld nebenher verdienen mussten, weil sie ja besoldet wurden. Dann kann man tatsächlich in vier Jahren das erreichen, was an anderen Universitäten ein, zwei, manchmal sogar drei Jahre länger dauert.

Flocken: Es gab an beiden Hochschulen der Bundeswehr auch Skandale. 1977 sorgte eine symbolische Judenverbrennung in München durch Offiziere für Empörung. Und mit dem damaligen Leutnant Michael Kühnen studierte in Hamburg ein bekennender Neonazi, der aus seiner Überzeugung in der Truppe nie einen Hehl gemacht hatte. Wie ist die Leitung der Universität der Bundeswehr mit diesen Skandalen umgegangen? Man hat manchmal den Eindruck gehabt, man wollte am liebsten gar nichts dazu sagen?

Gessenharter: Also da muss man unterscheiden. In München ist das so gewesen, dass man es so versuchte, und zwar von Seiten eines Offiziers, den ich persönlich kannte, und sehr schätzte. Der hatte den Eindruck, es sei sinnvoller, es außerhalb der Öffentlichkeit zu bewältigen. Aber dann kam eben die Presse drauf. Und dann gab es einen unheimlichen Hype. In Hamburg war das anders. Wir erfuhren von dem Michael Kühnen durch seine eigenen Aktivitäten. Wenn ich sage wir, dann waren das Kollegen und ich. Wir haben sofort, als wir merkten, da steckt ein veritabler Neonazi dahinter, sofort gesagt: das kann nicht angehen. Und als wir das publik gemacht haben, hat die Bundeswehrführung diesen Mann sofort wie eine heiße Kartoffel fallen lassen und aus der Bundeswehr entfernt. Ich habe immer wieder gefragt, in aller Öffentlichkeit, und habe bis heute keine Antwort: Wie konnte es sein, dass Michael Kühnen, der laut Aussagen eines Mitschülers, der auch bei mir studiert hatte, bereits in der Schule aus seiner Hitler-Verehrung keinerlei Hehl machte, und der auch in der Bundeswehr keinerlei Hehl aus dieser Geschichte gemacht hat. Wie konnte Michael Kühnen die Offiziersbewerber-Prüfzentrale durchlaufen? Wie konnte er die gesamte Offizierslaufbahn durchlaufen bis immerhin zum Leutnant?

Flocken: Es waren ja immerhin mehrere Jahre, die er in der Bundeswehr war.

Gessenharter: Das müssen mindestens drei, vier Jahre gewesen sein. Und ich habe bis heute keine Antwort darauf. Wir haben bei uns festgestellt, dass dieser Michael Kühnen, wäre er noch längere Zeit dagewesen, wirklich massiv Spuren bei seinen Kommilitonen hinterlassen hätte.

Flocken: Inwiefern?

Gessenharter: Es gab in dem Fachbereich Pädagogik damals durchaus eine kleine Gruppe, die schon von ihren Einstellungen her außerordentlich problematisch war. Das hat sich nachher wieder verlaufen. Aber wir haben damals eine empirische Untersuchung gemacht, wo wir das für den Fachbereich Pädagogik so einigermaßen gut nachweisen konnten.

Flocken: Es gibt immer wieder den Vorwurf, an den Bundeswehr-Universitäten gebe es bei den Studenten eine erzkonservative Grundströmung, mancher spricht sogar von einer Rechtsorientierung. Als Beleg wird manchmal genannt, dass sich beispielsweise eine Gruppe von Studenten für die Einführung eines Offiziers-Säbels einsetzt, oder eine Paradeuniform. Wie sehen Sie das? Gibt es heute noch eine erzkonservative Grundströmung bei den Studenten an den Bundeswehr-Universitäten?

Gessenharter: Also dass wir es mit einer mehr oder weniger überwiegend konservativen Studentenschaft zu tun haben, das steht außer Zweifel, und wird auch niemanden sonderlich überraschen. Wenn wir überhaupt empirische Untersuchungen machen konnten oder wenn sie gemacht wurden, dann zeigten sie, dass es sich um eine Gruppe von immer so um die 10 Prozent handelt. 2007 ist noch mal eine Studie vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr gemacht worden. Danach sind es um die 13 Prozent, die in die Richtung neue Rechte geht. Vergleichsstudien haben immer gezeigt, dass, wenn wir wirklich vergleichen - nämlich Studierende, also Leute mit Abitur, mit relativ hohem Bildungsniveau und Männer - dass dann die Zahlen bei der Bundeswehr an diesem Punkt nicht sehr viel, aber ein bisschen höher sind. Also von daher kann man sagen: diese „rechts außen“-Gruppierungen, die sind da, aber sie bewegen sich in einer Größenordnung von 10-12 oder 13 Prozent. Die Universitäten haben eigentlich mit einem wirklich rechtsextremen Problem nie zu tun gehabt, mit Ausnahme von Michael Kühnen. Ich würde mal sagen, es sind immer Randerscheinungen gewesen.

Flocken: Professor Wolfgang Gessenharter über die Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München, die im kommenden Monat 40 Jahre alt werden. Eine Langfassung des Interviews finden Sie auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/info
Das Interview als Audio-Beitrag hier: [externer Link]


* Aus: NDR Info STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 21. September 2013; www.ndr.de/info


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